VwGH 82/03/0184

VwGH82/03/01846.10.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des HL in I, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juni 1978, Zl. IIb2‑V‑4064/4‑77, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4
AVG §66 Abs4
VStG §24

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982030184.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Beschwerdevorbringens im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und dem in dieser Sache ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1982, B 456/78‑8, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Gegen den Beschwerdeführer als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws wurde am 9. Juni 1976 von einem anderen Pkw-Lenker eine Anzeige wegen verschiedener am 8. Juni 1976 gegen 21,30 Uhr auf der Brenner Autobahn vor der Mautstelle (in Fahrtrichtung Innsbruck) begangener Verwaltungsübertretungen erstattet.

Zu dieser Anzeige wurde der Beschwerdeführer unter Vorhalt der richtigen Tatzeit am 5. August 1976 bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck als Beschuldigter vernommen.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29. August 1977, Zl. St‑V‑11.719/76, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 8. Juni 1977 um 21,30 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Brenner Autobahn Richtung Innsbruck gelenkt und 1. vor der Mautstelle die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h und in weiterer Folge 2. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wesentlich überschritten und 3. nach einem Überholvorgang den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich vorher davon zu überzeugen, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, und dadurch Verwaltungsübertretungen, nämlich zu 1. und 2. nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 a Z. 10 a StVO und zu 3. nach § 11 Abs. 1 StVO begangen. Über ihn wurden Geldstrafen, nämlich zu 1. und 2. von je S 400,-- und zu 3. von S 600,-- (Arreststrafen von zweimal 36 Stunden und zwei Tagen) verhängt.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sich zur angeblichen Tatzeit am Gardasee aufgehalten zu haben und vertrat des weiteren die Meinung, es könne ihm auf Grund der Angaben des Anzeigers lediglich eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereiche der Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h angelastet werden.

Die belangte Behörde veranlaßte daraufhin die neuerliche Vernehmung des Anzeigers und holte ein kraftfahrtechnisches Gutachten ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1978 wurde der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Zl. St‑V‑11.719/76 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) insoweit Folge gegeben, als dem Beschwerdeführer hinsichtlich der unter Z. 1 angelasteten Übertretung lediglich eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von jedenfalls 15 km/h angelastet und dementsprechend die verhängte Geldstrafe auf S 300,-- (Ersatzarreststrafe von 24 Stunden) herabgesetzt und hinsichtlich der unter Z. 2 genannten Übertretung der Schuldspruch behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG eingestellt wurde. Hingegen wurde hinsichtlich der unter Z. 3 genannten Übertretung die Berufung als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis bezüglich des Tatzeitpunktes auf 8. Juni 1976 (nicht 1977) berichtigt werde. In der Begründung wurde u. a. darauf verwiesen, daß der Anzeiger neuerlich vernommen und ein kraftfahrtechnisches Gutachten eingeholt worden sei und, soweit es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, u. a. ausgeführt, daß das Datum der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen infolge eines offensichtlichen Versehens durch die Erstbehörde unrichtig angenommen und daher zu berichtigen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der er ausführte, er sei im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, da die belangte Behörde in Wahrheit keine Berufungsentscheidung gefällt, sondern eine Entscheidungsbefugnis erster Instanz in Anspruch genommen habe, da sie über einen anderen Sachverhalt, der sich ein Jahr früher zugetragen habe, als die Erstbehörde entschieden habe, wodurch er in seinen Verteidigungsrechten beschnitten worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 14. Juni 1982, B 456/78‑8, aus, der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B‑VG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 350/1981 antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung ab. In der Begründung wurde im wesentlichen dargelegt, daß Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer geführten Verwaltungsstrafverfahrens stets das Verhalten des Beschwerdeführers als Lenker eines bestimmten Pkws auf der Brenner Autobahn am 8. Juni 1976 gewesen sei. Dieser Tatzeitpunkt scheine schon in der Anzeige auf. Aus der mit dem Beschwerdeführer als Beschuldigten am 5. August 1976 im Verwaltungsstrafverfahren aufgenommenen Niederschrift ergebe sich, daß ihm der angezeigte Sachverhalt und die Tatzeit 8. Juni 1976, 21,30 Uhr, vorgehalten und damit bekannt gewesen sei. Am 28. Oktober 1976 seien dann dem Beschwerdeführer auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgehalten worden. Bei der Anführung der Tatzeit im Straferkenntnis erster Instanz mit „8. 6. 1977“ habe es sich damit um einen Schreibfehler gehandelt, dessen Berichtigung jederzeit von Amts wegen auch von der Berufungsbehörde vorgenommen werden konnte. Dem Beschwerdeführer sei es auf Grund des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens ohne weiteres erkennbar gewesen, daß die im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführte Jahreszahl „1977“ auf einem Irrtum beruhe, weshalb die belangte Behörde zu Recht den Tatzeitpunkt gemäß § 62 Abs. 4 AVG habe berichtigen können.

In der Beschwerde wird vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nur von der zuständigen Behörde bestraft zu werden (§ 26 Abs. 2 VStG), dem Recht auf Verteidigung und Rechtfertigung (§ 40 Abs. 1 VStG) sowie durch die unrichtige Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Anwendung des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 203/1982 erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer die Unzuständigkeit der belangten Behörde unter Zitierung des § 26 Abs. 2 VStG geltend macht, ist ihm zunächst zu erwidern, daß diese Gesetzesstelle lediglich die sachliche Zuständigkeit der Bundespolizeidirektionen im Verwaltungsstrafverfahren regelt. Wer über eine Berufung gegen ein erstinstanzliches Straferkenntnis zu entscheiden hat, ergibt sich insbesondere aus § 51 Abs. 1 VStG. Da gegenständlich in erster Instanz (zutreffend) die Bundespolizeidirektion Innsbruck in einer in den Vollzugsbereich des Landes fallenden Angelegenheit (Straßenverkehrsordnung) entschieden hatte, oblag daher der belangten Behörde die Entscheidung über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung. Mit der Begründung, es sei der belangten Behörde verwehrt gewesen, ihn wegen einer am 8. Juni 1976 begangenen Verwaltungsübertretung zu bestrafen, da die erster Instanz über eine (andere) am 8. Juni 1977 begangene Tat abgesprochen habe, macht der Beschwerdeführer in Wahrheit eine Verletzung der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) geltend. Es trifft zwar zu, daß die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG nur berechtigt ist, in der Sache, die bereits Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war, einen Abspruch zu treffen. Die am 8. Juni 1976 begangenen Taten waren jedoch schon Gegenstand des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens, worauf schon der Verfassungsgerichtshof, dessen Ausführungen sich der Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich anschließt, verwiesen hat, sodaß die belangte Behörde keinen anderen Sachverhalt zum Gegenstand ihrer Berufungsentscheidung machte. Den in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde enthaltenen Ausführungen kommt daher keine Berechtigung zu.

Aber auch der Meinung des Beschwerdeführers, es sei der belangten Behörde verwehrt gewesen, gemäß § 62 Abs. 4 AVG eine Berichtigung des Tatjahres vorzunehmen, kann nicht gefolgt werden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen können auch Tatort und Tatzeit Gegenstand einer Berichtigung sein, wenn das Versehen (Schreibfehler) für die Partei ohne weiteres erkennbar war (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1957, Slg. Nr. 4293/A, und vom 19. Februar 1982, Zl. 82/02/0013, auf welch letztere Entscheidung unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird), wobei es zur Bescheidberichtigung auch im Zuge des Berufungsverfahrens kommen kann. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1950, Slg. Nr. 1507/A.)

Da der Beschwerdeführer, wie er selbst in der Beschwerde zugibt, hinsichtlich der am 8. Juni 1976 begangenen Taten bereits am 5. August 1976 vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck als Beschuldigter einvernommen wurde, war für ihn auf Grund der sonstigen Konkretisierung der Taten und des Umstandes, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis eine Geschäftszahl aus dem Jahre 1976 trug ‑ im Jahre 1977 begangene Taten konnten nicht bereits 1976 verfolgt werden -, klar erkennbar - diese Ansicht vertrat auch der Verfassungsgerichtshof -, daß es sich bei der Angabe des Tatjahres 1977 (statt 1976) im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides um ein offensichtliches Versehen handelte. Daran vermochte auch der Umstand, daß in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides auch das Datum der Privatanzeige die unrichtige Jahreszahl 1977 aufwies, nichts zu ändern.

Letztlich erweist sich aber auch die Rüge des Beschwerdeführers, es sei ihm wegen der unrichtigen Angabe des Tatjahres im erstinstanzlichen Straferkenntnis die Möglichkeit genommen gewesen, sich entsprechend zu verantworten, als nicht durchschlagend. Der Beschwerdeführer hatte am 5. August 1976 anläßlich der von ihm selbst zugegebenen Beschuldigtenvernehmung schon im erstinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit, sich zu den ihm mit der Tatzeit 8. Juni 1976 angelasteten Taten zu verantworten. Im übrigen war für ihn nach den obigen Ausführungen klar erkennbar, daß es sich bei der Anführung des Tatjahres 1977 im erstinstanzlichen Straferkenntnis um ein Versehen handle. Auf Grund seiner Berufung gegen dieses Straferkenntnis kam es sogar zu einer neuerlichen Einvernahme des Anzeigers und der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Daß ihm diese Beweisergebnisse nicht zum Zwecke der Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden seien, hat er selbst nicht einmal behauptet. Sein Vorwurf, in seinen Verteidigungsrechten verletzt worden zu sein, entbehrt daher der Grundlage.

Da schon der Inhalt der Beschwerde (in Verbindung mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und dem über die zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes) erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf diese Entscheidung erübrigte sich auch ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 6. Oktober 1982

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