VwGH 82/02/0113

VwGH82/02/01138.10.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des JG in S, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, Wienerstraße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Mai 1982, Zl. I/7‑St‑G‑8239, betreffend Ersatz von Barauslagen in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §76 Abs1
VStG §64 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982020113.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.325,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nachdem auf Grund eines Einspruches des Beschwerdeführers eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 17. September 1981 außer Kraft getreten war, erkannte diese Behörde den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 24. Februar 1982 einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe von 30 Stunden). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v.H. der verhängten Strafe in der Höhe von S 50,-- zu bezahlen und gemäß § 64 Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes die mit S 38,-- bestimmten Barauslagen (Portogebühren) des Verwaltungsstrafverfahrens sowie gemäß § 67 des Verwaltungsstrafgesetzes die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung, welche sich ausdrücklich nur gegen den Ersatz der mit S 38,-- bestimmten Barauslagen des Verwaltungsstrafverfahrens (Portogebühren) richtete, gab die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 12. Mai 1982 keine Folge und bestätigte diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis. Die Niederösterreichische Landesregierung führte in diesem Bescheid im wesentlichen zur Begründung aus, es handle sich bei den Portogebühren um Barauslagen gemäß § 76 AVG 1950, die durch die eigenhändige Zustellung der Strafverfügung und des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld er-wachsen seien. Es handle sich somit um Aufwendungen, die einerseits durch das Verschulden des Beschwerdeführers (Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960) und anderseits für die Durchführung der betreffenden Amtshandlung (nämlich Zustellung der Strafverfügung und des Straferkenntnisses) entstanden seien und die nach Auffassung der belangten Behörde über den sonstigen allgemeinen Aufwand der Behörde hinausgehen. Die Portogebühren, die bei Zustellung zu eigenen Handen (RSa) jeweils S 19,-- betragen, seien daher als Barauslagen anzusehen und gesondert zum Rückersatz vorzuschreiben gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 AVG 1950 sind, sofern sich aus den Bestimmungen der §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen. Abweichend von diesem Grundsatz ordnet § 76 Abs. 1 AVG 1950 an, daß für Barauslagen, die der Behörde bei einer Amtshandlung erwachsen, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen hat, die um die Amtshandlung angesucht hat. Nach dem Absatz 2 dieser Gesetzesstelle sind die Auslagen, wenn die Amtshandlung jedoch durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurde, von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. (Die weitere Ausnahmeregelung des § 77 AVG 1950 ist für den gegenständlichen Beschwerdefall nicht von Belang, weshalb von einer Darstellung dieser Bestimmung abgesehen wird.)

Zufolge § 24 VStG 1950 gilt im Verwaltungsstrafverfahren nicht § 75, wohl aber § 76 AVG 1950. Anstelle des im § 75 AVG 1950 verankerten Prinzipes der amtswegigen Tragung der Kosten des Verwaltungsverfahrens gilt im Verwaltungsstrafverfahren die Regelung des § 64 Abs. 1 VStG 1950, wonach in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung der Berufungsbehörde, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen ist, daß der Bestrafte einen Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 für das Verfahren jeder Instanz mit je 10 v.H. der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je S 5,-- zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Arrest gleich S 50,-- anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.

Hinsichtlich der im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erwachsenen Barauslagen (§ 76 AVG) ordnet § 64 Abs. 3 VStG 1950 an, daß dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen ist, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht worden sind. Der hienach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis (der Strafverfügung), sonst durch besonderen Bescheid ziffernmäßig festzusetzen. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG 1950 sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten, wenn ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung oder Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird.

Aus den Abs. 1 bis 3 des § 64 VStG 1950 ist daher zu ersehen, daß in einem Verwaltungsstrafverfahren, das mit der Bestrafung eines Beschuldigten endet, diesem nebeneinander sowohl ein (nach dem Ausmaß der verhängten Strafe bemessener) Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens als auch der Ersatz der durch Barauslagen im Sinne des § 76 AVG 1950 entstandenen Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens aufzuerlegen ist.

Die zitierten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 und des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 treffen daher eine Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Aufwand der Behörde für ihre behördliche Tätigkeit und einem besonderen Aufwand für eine konkrete behördliche Tätigkeit, der über den allgemeinen Aufwand hinausgeht. In diese Richtung zeigt der Bericht des Verfassungs-Ausschusses über die Vorlage der Bundesregierung (116 der Beilagen): „Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltung“, 360 der Beilagen, NR II GP. „Unter Barauslagen sind“ nach diesem Ausschußbericht „alle die Aufwendungen zu verstehen, die für die Durchführung der einzelnen konkreten Amtshandlungen gemacht werden und die über den sonstigen und allgemeinen Aufwand der Behörde hinausgehen, also insbesondere Kosten für Gutachten, die nicht von Amtssachverständigen erstattet werden, die Kosten für Verlautbarungen, Drucklegungen für Pläne, Zeichnungen u.dgl.“ Im Sinne dieses Ausschußberichtes zählen daher etwa die Kosten für die Tätigkeit eines amtlichen Sachverständigen zum allgemeinen Aufwand der Behörde, die Kosten für die Tätigkeit eines nicht amtlichen Sachverständigen jedoch zu den Barauslagen. Auch das Bundeskanzleramt führte in seiner Fragebeantwortung II vom 30. September 1926 (zitiert in Mannlicher‑Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, Seite 430) wie folgt aus:

„Das von den Behörden verwendete Papier und Schreibmaterial, einschließlich Drucksorten aller Art (so insbesondere auch für Reisepässe, Legitimationskarten, Waffenpässe, Konzessionsurkunden u. dgl.), gehört zum Aufwand für den normalen Amtsbetrieb der Behörden, der von Amts wegen zu tragen ist, und nicht zu den Barauslagen, für die nach den Bestimmungen des § 76 AVG die Parteien aufzukommen haben. Handelt es sich hingegen um Drucksorten, die von den Parteien zu verwenden und daher auch von ihnen beizustellen sind (z.B. Meldezettel u.dgl.), so können die Behörden, wenn sie solche Drucksorten zwecks Erleichterung des Parteienverkehrs auch beim Amte zur Verfügung stellen, den Ersatz der Gestehungskosten verlangen.“

Gestützt auf die obigen Erwägungen über die Gesetzeslage und die Gesetzesmaterialien vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß sich der allgemeine Aufwand der Behörde aus den Kosten über die Einrichtung der Behörde an sich und der laufenden Tätigkeit der Behörde, also den mit der Durchführung von Verwaltungsverfahren im Regelfall verbundenen Sach- und Personalkosten, zusammensetzt, während es sich bei den Barauslagen um solche Aufwendungen handelt, die nicht typischerweise mit jedem Verwaltungsverfahren verbunden sind. (Vgl: dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1952, Slg. Nr. 2659/A, wonach die Kosten, die allein durch das Vorhandensein des Verwaltungsapparates verursacht werden, nicht Barauslagen sind.)

Nun gehört die Erlassung behördlicher Erledigungen, namentlich von Bescheiden, geradezu zu den die behördliche Tätigkeit kennzeichnenden Vorgängen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gilt ein Bescheid erst mit seiner Zustellung an die Empfänger als erlassen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 17.Dezember 1980, Slg. Nr. 10.327/A), unabhängig davon, ob die Zustellung durch eigene Bedienstete der Behörde oder durch die Post vorgenommen worden ist. Die Aufwendungen der Behörde für die Zustellung von Bescheiden zählen - von wem auch immer die Zustellung tatsächlich bewirkt wird - zum allgemeinen Aufwand für den normalen Amtsbetrieb. Portogebühren stellen demnach keine Barauslagen im Sinne des § 76 AVG 1950 und § 64 Abs. 3 VStG 1950 dar.

Es ist daher dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, wenn sie den erstinstanzlichen Ausspruch über seine Verpflichtung zur Bezahlung von Portogebühren aufrecht erhalten hat. Da somit die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Regelung des § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950, wonach der Bestrafte einen nach der Höhe der verhängten Strafe bemessenen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat, könnte unter bestimmten Voraussetzungen - wenn der Kostenbeitrag die Kosten des Strafverfahrens überschreite - gleichheitswidrig sein, geht insofern ins Leere, als sich der Beschwerdeführer nicht durch die Aufrechterhaltung dieses Kostenbeitrages als beschwert erachten kann, da er sich in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausdrücklich nur gegen die Verpflichtung zur Bezahlung der Portogebühren gewandt hatte.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Ziff. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel entrichtete Stempelgebühren für die Beschwerdeausfertigungen sowie die Stempelgebühr für die zweite, für die Rechtsverfolgung nicht erforderliche Bescheidausfertigung.

Wien, am 8. Oktober 1982

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