VwGH 81/07/0222

VwGH81/07/022221.9.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy über die Beschwerde des JS jun. in G, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Untere Viaduktgasse 55/11, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Juli 1976, Zl. VI/3-AO-805/3-1976, betreffend Beitragsvorschreibung in einem Zusammenlegungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Zusammenlegungsgemeinschaft H, vertreten durch den Obmann FS, H), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §8 Abs2 impl;
FlVfLG NÖ 1975 §114;
FlVfLG NÖ 1975 §115;
FlVfLG NÖ 1975 §116;
FlVfGG §8 Abs2 impl;
FlVfLG NÖ 1975 §114;
FlVfLG NÖ 1975 §115;
FlVfLG NÖ 1975 §116;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist eingeantworteter Alleinerbe nach seinem Vater JS sen., weshalb er und nicht mehr die Verlassenschaft als beschwerdeführende Partei anzusehen ist. In der Folge wird die Bezeichnung "Beschwerdeführer" ohne Unterscheidung für JS sen. und jun. bzw. für die Verlassenschaft nach JS sen. verwendet.

Das Zusammenlegungsverfahren H wurde mit Verordnung der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde vom 8. Februar 1974 eingeleitet. In dieses Verfahren wurde ein einziges Grundstück des Beschwerdeführers im Ausmaß von 6,6725 ha einbezogen; dieses Altgrundstück war über einen Weg in der Länge von 290 m von der Hofausfahrt des Beschwerdeführers bis zur Feldmitte erreichbar.

Am 31. Oktober 1974 schrieb die mitbeteiligte Zusammenlegungsgemeinschaft dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von S 1.000,-- pro ha einen Betrag von S 6.673,-- zu den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens vor. Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit einer Eingabe vom 11. November 1974 an die Agrarbezirksbehörde, weil er sich nicht verpflichtet fühlte, diese Zahlung anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 4. April 1975 entschied die Agrarbezirksbehörde, daß die Beitragvorschreibung vom 31. Oktober 1974 "in der Höhe von S 6.672,50" zu Recht bestehe. Begründend bezog sich die Behörde dabei auf § 111 des damals noch in Geltung gestandenen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1934, LGBl. Nr. 208/1934 in der Fassung gemäß LGBl. 6650-4; Grundlage für die Beitragsvorschreibungen seien vorläufig - da die Abfindungen und deren Wert noch nicht feststünden - die Flächen der in das Verfahren einbezogenen Grundstücke. Ob ein Befreiungsgrund gemäß § 111 Abs. 3 leg. cit. vorliege, könne vor Anordnung der vorläufigen Übernahme nicht festgestellt werden, weil erst dann erkennbar sei, welche Vor- bzw. Nachteile für die Parteien sich aus dem Zusammenlegungsverfahren ergäben. Es werde daher erst nach Vorliegen des endgültigen Beitragsschlüssels (Wert der Grundabfindungen) über eine Befreiung des Beschwerdeführers von Kosten entschieden werden können.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, es fehle vor Feststehen der Grundabfindungen an einer tauglichen Grundlage für die Beitragsvorschreibung. Außerdem sei im Zeitpunkt der bekämpften Vorschreibung ein Bedarf in diesem Ausmaß nicht gegeben gewesen. Ferner wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß nur ein einziges Grundstück aus seinem Besitz in das Verfahren einbezogen worden sei, sodaß für ihn aus der Zusammenlegung keinesfalls ein Erfolg zu erwarten gewesen sei; auch dies hätte bei der Beitragsvorschreibung berücksichtigt werden müssen.

Bevor noch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über diese Berufung entschied, erließ die Agrarbezirksbehörde gemäß § 7 Abs. 2 AgrVG 1950 den Besitzstandsausweis, den Bewertungsplan und den Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen durch Auflage zur allgemeinen Einsicht in der Zeit vom 16. bis zum 30. Juni 1976. Gegen diese Bescheide wurde keine Berufung eingebracht.

Mit Bescheid vom 20. Juli 1976 gab der Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers betreffend die Beitragsvorschreibung nicht Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 sowie gemäß §§ 115 und 116 des inzwischen in Kraft getretenen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-0 (FLG) den Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 4. April 1975. Dabei schloß sich die belangte Behörde der von der Agrarbezirksbehörde vertretenen Auffassung an, daß das Flächenausmaß der einbezogenen Grundstücke eine taugliche Grundlage für den vorläufigen Aufteilungsschlüssel für die Kostenbeiträge darstelle. Der Bedarf an solchen Beiträgen sei bereits mit Beginn der technischen Arbeiten gegeben, also bereits mit dem Beginn der Arbeiten zur Ausarbeitung des Besitzstandsausweises, des Bewertungsplanes und des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen. Im Kassabuch der Zusammenlegungsgemeinschaft seien per 31. Dezember 1975 Einnahmen in der Höhe von S 819.285,20 und Ausgaben in der Höhe von S 311.362,03, somit ein Aktivsaldo von S 507.923,17, ausgewiesen gewesen. Der Hebesatz für die vorgeschriebenen Beiträge von S 1.000,-- pro ha sei auf Grund von Durchschnittswerten gleichartiger Zusammenlegungsverfahren festgesetzt worden. Wenn auch die Hälfte der von den Parteien eingezahlten Beiträge bis Ende 1975 noch nicht verbraucht gewesen sei, könne von einem überhöhten Hebesatz nicht gesprochen werden, weil im Laufe des Jahres 1976 bis zu der im Herbst dieses Jahres vorgesehenen vorläufigen Übernahme der größere Teil an Kosten im Sinne des § 114 FLG anfallen würde. Ob allenfalls ein Grund vorliege, den Beschwerdeführer von der Beitragspflicht gemäß § 115 Abs. 3 FLG zu befreien, könne erst nach Feststehen der Abfindung festgestellt werden; erst dann werde die Agrarbezirksbehörde über das Vorliegen solcher Befreiungsgründe zu ermitteln und allenfalls die Befreiung des Beschwerdeführers von den Kosten auszusprechen haben.

Durch diesen Bescheid erachtete sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Der Verfassungsgerichtshof wies jedoch seine darauf gegründete Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1980, Zl. B 381/76, als unbegründet ab und trat diese Beschwerde antragsgemäß zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist, dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, von der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens befreit zu werden, vor allem deshalb verletzt, weil dieses Verfahren von vornherein für ihn keine Vorteile habe bringen können, zumal er im Zusammenlegungsgebiet nur ein einziges, gut geformtes und gut erschlossenes Altgrundstück besessen habe. Durch Vorlage eines Privatgutachtens versucht der Beschwerdeführer ferner darzutun, daß er tatsächlich durch die letztlich erfolgte annähernd unveränderte Zuweisung seines Altgrundstückes als Abfindung, allerdings mit einem erheblich verlängerten Zufahrtsweg, Nachteile aus der Zusammenlegung erlitten habe. Ferner vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, eine Befreiung nach § 115 Abs. 3 FLG könne schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nur im vorhinein erfolgen, da nur ein zukünftiges Ereignis "vermieden" werden könne. Das Gesetz sehe auch nur einen Befreiungsanspruch vor, nicht aber einen Rückforderungsanspruch auf Grund eines nachträglichen Härteausgleichs. Schließlich macht der Beschwerdeführer auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend, sein Grundstück hätte in das Zusammenlegungsverfahren gar nicht einbezogen werden dürfen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Frage der Gesetzwidrigkeit der Einleitungsverordnung im vorliegenden Zusammenlegungsverfahren hat bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1980 -

seiner ständigen Rechtsprechung folgend darauf hingewiesen, daß es die Gliederung des Zusammenlegungsverfahrens mit sich bringt, daß dann, wenn eine Phase des Verfahrens rechtskräftig abgeschlossen ist, die gleiche Frage in einer späteren Verfahrensphase nicht mehr aufgerollt werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerdeergänzung nicht veranlaßt, von dieser Auffassung des Verfassungsgerichtshofes abzuweichen. Im Beschwerdefall sind der Besitzstandsausweis, der Bewertungsplan und der Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen bereits vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Damit konnte im angefochtenen Bescheid die Einbeziehung des Altgrundstücks des Beschwerdeführers in das Zusammenlegungsverfahren nicht mehr in Frage gestellt werden.

Zu den Ausführungen der Beschwerde, das Zusammenlegungsverfahren habe, wie die nunmehr dem Beschwerdeführer zugewiesene Abfindung beweise, diesem tatsächlich nur Nachteile gebracht, ist darauf zu verweisen, daß der angefochtene Bescheid bereits zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als diese Abfindung noch nicht feststand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides auf den Zeitpunkt von dessen Erlassung abzustellen und dabei von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt auszugehen (§ 41 Abs. 1 VwGG 1965). Auf die Ausführungen in der Beschwerde und in dem dieser angeschlossenen Privatgutachten, die bereits von der Gestaltung der dem Beschwerdeführer zugewiesenen Abfindung ausgehen, ist daher im vorliegenden Erkenntnis nicht weiter einzugehen.

Nach § 114 Abs. 1 FLG haben die Parteien unbeschadet der Bestimmungen des § 8 AgrVG 1950 bestimmte, im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens auflaufende Kosten zu tragen. Gemäß § 115 Abs. 1 FLG sind die gemäß § 114 anfallenden Kosten, wenn nichts anderes vereinbart wurde, nach dem Verhältnis der Werte der Grundabfindungen auf die Parteien umzulegen. Die Beiträge sind nach Maßgabe des jeweiligen Bedarfes in Teilbeträgen einzuheben, die, solange der Aufteilungsschlüssel noch nicht feststeht, nach einem vorläufigen Schlüssel vorzuschreiben und als Abschlagszahlungen zu verrechnen sind. Soweit es zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten für einzelne Parteien erforderlich ist, hat die Behörde gemäß § 115 Abs. 3 FLG diese Parteien zu Lasten aller übrigen oder einzelner anderer Parteien, die aus dem Verfahren unverhältnismäßig größere Vorteile ziehen, von den Kosten ganz oder teilweise zu befreien. Wird von einer Partei die ihr von der Zusammenlegungsgemeinschaft angelastete Zahlungspflicht nicht anerkannt, dann hat hierüber nach § 116 Abs. 1 FLG die Behörde zu entscheiden.

Der belangten Behörde ist insofern Recht zu geben, als das Verhältnis der Flächen der in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Altgrundstücke geeignet sein kann, einen vorläufigen Schlüssel für erforderliche Abschlagszahlungen abzugeben. Die weitere Frage, ob im Zeitpunkt der hier strittigen Vorschreibung eines Teilbetrages nach Maßgabe des damals gegebenen Bedarfes vorgegangen wurde, hat die belangte Behörde jedoch ohne ausreichende Begründung bejaht. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid, der Hebesatz sei auf Grund von Durchschnittswerten gleichartiger Zusammenlegungsverfahren festgesetzt worden, besagt nämlich nichts über den im konkreten Verfahren zum damaligen Zeitpunkt gegebenen Bedarf; der Ende 1975 festgestellte Aktivsaldo der Zusammenlegungsgemeinschaft von mehr als einer halben Million Schilling spricht gegen einen Bedarf im Ausmaß der vorgenommenen Vorschreibung.

Der angefochtene Bescheid steht aber auch deshalb mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil er davon ausgeht, daß die Frage, ob ein Befreiungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 3 FLG vorliegt, erst nach Bestimmung der Abfindungen beantwortet werden könne. Es ist zwar, wie dies der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1980 ausgesprochen hat, nicht denkunmöglich, aus dem Zweck der in § 115 Abs. 3 FLG getroffenen Regelung abzuleiten, daß ein konkreter Härtefall erst nach Festlegung der Abfindung feststeht. Daraus folgt jedoch keinesfalls zwingend, daß eine Kostenbefreiung in einem früheren Verfahrensstadium unzulässig ist, sofern sich bereits zu diesem früheren Zeitpunkt erkennen läßt, daß dies zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten erforderlich ist. Schon die in § 115 Abs. 1 FLG genannten Abschlagszahlungen stellen Kostenbeiträge dar, die für einzelne Parteien offensichtliche und unbillige Härten bedeuten können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Agrarbezirksbehörde mit Bescheid vom 27. Juli 1976 andere Parteien des Zusammenlegungsverfahrens bereits vor Feststehen der Abfindungen gemäß § 115 Abs. 3 FLG von den Kosten befreit hat.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und in ihrer Gegenschrift vertretene Auffassung, eine Kostenbefreiung nach § 115 Abs. 3 FLG könne in jedem Fall erst nach Feststehen der Grundabfindungen erfolgen, steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage die Prüfung unterlassen, ob und inwieweit bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Befreiungsantrag des Beschwerdeführers erkennbar war, daß ihm durch das Zusammenlegungsverfahren offensichtliche und unbillige Härten drohten. Dabei durfte nicht außer acht gelassen werden, daß der Beschwerdeführer nur ein einziges, unbestrittenermaßen gut geformtes und gut erschlossenes Grundstück in das Verfahren eingebracht hat und nach menschlichem Ermessen nicht besser als mit diesem Altbesitz selbst abgefunden werden konnte. War aber nicht für ihn, wohl aber für alle oder die Mehrzahl der anderen Parteien des Zusammenlegungsverfahrens aus der Zusammenlegung ein Vorteil zu erwarten, dann stellte bereits seine Beteiligung an den Kosten gemäß § 114 FLG für ihn eine offensichtliche und unbillige Härte dar.

Die belangte Behörde hat dies nicht erkannt und deshalb den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung nach BGBl. Nr. 203/1982 von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Die Entscheidung über den im Rahmen des gestellten Antrages zugesprochenen Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. b. und 59 VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Art. A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221/1981. Das den dort vorgesehenen Schriftsatzaufwand übersteigende Begehren des Beschwerdeführers war abzuweisen.

Wien, am 21. September 1982

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