VwGH 81/06/0112

VwGH81/06/011213.5.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des Ing. JK in G, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, Rechbauerstraße 4/11, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 11. Juni 1981, Zl. A 17‑K‑13.085/27‑1980, betreffend Versagung einer Widmungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg implizit
ROG Stmk 1974 §23 Abs4 litd idF 1980/051

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981060112.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Vertrag vom 15. Dezember 1972 verkaufte die Stadt Graz dem Beschwerdeführer die Grundstücke Nr. 321/5, 321/2, 18/37 und 18/254, EZ. 901 der Katastralgemeinde X, im Rahmen der Wirtschaftsförderung zum Zwecke der Errichtung eines Fertigteilwerkes für Betonwaren samt dazugehörigen Nebenanlagen. Dem Vertrag ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer keineswegs mit Sicherheit damit rechnen konnte, die erforderlichen baurechtlichen Bewilligungen zu erhalten; so wurde u.a. vereinbart, daß der Beschwerdeführer gegen den Magistrat Graz keinerlei Ansprüche stellen könne, wenn die Widmungs- und Baubewilligung für das Betonwerk nicht erteilt werden sollten.

Am 6. August 1973 stellte der Beschwerdeführer das Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Widmungsbewilligung für die Errichtung einer Betonfertigteilerzeugung. Von Anrainern wurde im Zuge des Widmungsverfahrens auch ein Gutachten des Ludwig Boltzmann‑Institutes für Umweltwissenschaft und Naturschutz in Graz vom 20. Oktober 1974 vorgelegt, welches zum Ausdruck brachte, daß die geplante Anlage in die Kategorie der mittel- bis zeitweise schwer umweltstörenden Industriebetriebe einzustufen und, da sie im „gemischten Baugebiet“ zu liegen komme, insbesondere zufolge des westlich der Anlage anschließenden Wohngebietes wegen der zu erwartenden Umweltbelastungen abzulehnen sei. Auch das Stadtplanungsamt des Magistrates Graz vertrat unter Hinweis auf Untersuchungen in einem ähnlich gelagerten Fall die Ansicht, daß ein derartiger Betrieb nur in einem reinen Industriegebiet seinen Standort haben könne. Schließlich wurde nach Vorlage neuer Widmungspläne, wobei die von der Widmung erfaßte Fläche etwas verkleinert wurde, vom Stadtplanungsamt am 31. März 1977 ein Widmungsrahmen, worin die Widmungsfläche nunmehr mit ca. 16.100 m2 (früher 21.100 m2) angegeben wurde, mit verschiedenen Auflagen zum Zwecke des Lärmschutzes erstellt.

Zufolge eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers und nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom 25. April 1978 u.a. das Widmungsansuchen gemäß § 3 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung LGBl. Nr. 55/1977 (BO), in Verbindung mit § 3 der Verordnung des Gemeinderates vom 30. April 1975 über den Flächennutzungsplan 1975 der Landeshauptstadt Graz mit der Begründung ab, daß die Widmungsgrundstücke laut des genannten Flächennutzungsplanes im „gemischten Baugebiet“ lägen. Ein Betonfertigteilerzeugungsbetrieb sei jedoch im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1977, Slg. Nr. 9382/A, vom Typus her in einem solchen Gebiet unzulässig.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde. Mit hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1978, Zl. 1319/78, wurde der Bescheid vom 25. April 1978, soweit damit das Widmungsansuchen abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, die belangte Behörde sei von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, daß nach dem von ihr zitierten Erkenntnis vom 13. September 1977 ein Betonfertigteilerzeugungsbetrieb im „gemischten Baugebiet“ schlechthin unzulässig sei. Vielmehr sei darin ausgesprochen worden, daß Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Flächenwidmung (vorliegend: „gemischtes Baugebiet“) für die Baubehörde - anders als für die Gewerbebehörde - nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Anlagen bis in Einzelheiten fest umrissener Betrieb sein könne, sondern als dieser Maßstab eine nach Art der üblicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zum Schutz von Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen sowie nach Art der dort entsprechend diesen Merkmalen herkömmlicherweise entfalteten Tätigkeit auf das Ausmaß und die Intensität der dadurch verursachten Emissionen zu beurteilende Betriebstype zu dienen habe. Entsprechende Erhebungen und Feststellungen in diesem Sinne seien jedoch gegenständlich unterblieben. Im fortgesetzten Verfahren werde daher auf Grund von Sachverständigengutachten zu klären sein, welche Emissionen nach dem heutigen Stand der Technik durch die mit einem Betonfertigteilerzeugungsbetrieb üblicherweise verbundenen Produktionsvorgänge, Verlade- und Transportarbeiten usw. verursacht werden und ob diese grundsätzlich ein derartiges Ausmaß erreichen, daß von vornherein eine schon vom Typus her für ein „gemischtes Baugebiet“ unzulässige Betriebsart vorliegt. Hiebei sei zu beachten, daß es rechtlich ausgeschlossen sei, einen schon vom Typus her in einem bestimmten Baugebiet unzulässigen Betrieb durch Auflagen in eine Gestalt zu zwängen, die ihn letztlich unter der zulässigen Emissionsgrenze liegend erscheinen läßt. Verursachen Betonfertigteilerzeugungsbetriebe üblicherweise über die im gemischten Baugebiet zulässige Grenze hinausgehende Emissionen und ist die mit der vorliegenden Widmung beantragte Art des Betriebes (nicht das spezielle Projekt in allen Einzelheiten) in diese unzulässige Betriebstype einzuordnen, so werde mit einer Versagung der Bewilligung vorzugehen sein, sofern der Antragsteller nicht in der Weise initiativ werde, daß er die beantragte Widmung in eine auf der Grundlage der vorangegangenen Überlegungen als zulässig zu erkennende Betriebstype ändere. Der in diesen Zusammenhang vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht, die Widmung könne schon deshalb erfolgen, weil im Norden und Süden der Widmungsfläche beträchtliche Immissionen verursachende Betriebe ihre Standorte hätten, könne nicht gefolgt werden, zumal durch eine solche Betrachtungsweise jedwede Planungstätigkeit, die ja ihrem Wesen nach zukunftsorientiert zu sein habe, in Frage gestellt werde. Schon allein deshalb gehe der vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die bereits bestehenden Betriebe erfolgte Einwand, die Eingliederung des Gebietes als „gemischtes Baugebiet“ sei unrichtig, ins Leere; hiezu komme noch, daß der gegenständliche Betrieb an seiner West- und Ostgrenze an ein Wohngebiet bzw. an Einfamilienhäuser grenze.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde, ausgehend von den oben dargelegten Erwägungen, Gutachten eines technischen (vom 30. Oktober 1979 samt Ergänzung vom 11. Dezember 1979) und eines medizinischen Amtssachverständigen (vom 16. November 1979 samt Ergänzung vom 24. Jänner 1980) ein, die zu dem Ergebnis gelangten, daß Betonfertigteilerzeugungsbetriebe der vorliegenden Art im „gemischten Baugebiet“ zulässig seien. Die Gutachten wurden den Parteien zur Kenntnis gebracht.

In Stellungnahmen des Stadtplanungsamtes vom 14. August 1980 und des Baurechtsamtes vom 4. September 1980 wurde in der Folge darauf verwiesen, daß das gegenständliche Gebiet von der Bausperreverordnung II betroffen und im Flächenwidmungsplanentwurf 1980 als „Industrie- und Gewerbegebiet I“, welches im Westen unmittelbar an ein „reines Wohngebiet“ (Bereich B-Weg) anschließe, ausgewiesen sei, weshalb es einer neuerlichen Begutachtung bedürfe.

Die Amtssachverständigen wurden deshalb um die Erstellung weiterer Gutachten ersucht. Hiebei wurde darauf hingewiesen, daß das beantragte Widmungsansuchen nur dann genehmigungsfähig sei, wenn es (so § 3 der Bausperreverordnung), der Planungsabsicht nicht widerspreche, also im künftigen „Industrie- und Gewerbegebiet I“ zulässig sei, wobei zu beachten wäre, daß nach § 23 Abs. 4 lit. d des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 in der geltenden Fassung (ROG) unter „Industrie- und Gewerbegebiet I“ Flächen zu verstehen seien, die für Betriebe und Anlagen bestimmt seien, die keine schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete verursachten. Bei dem im Westen anschließenden Gebiet handle es sich nach dem Flächenwidmungsplanentwurf 1980 um ein reines Wohngebiet im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. a ROG. Ein Betonfertigteilerzeugungsbetrieb werde daher dann gegenständlich nicht zulässig sein, wenn die Untersuchungen ergeben sollten, daß ein derartiger Betriebstypus für die Bewohner des angrenzenden Gebietes die im § 23 Abs. 4 lit. d ROG genannten Immissionen und sonstigen Belästigungen verursachte.

Der technische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 16. September 1980 aus, der äquivalente Grundgeräuschpegeln der durch stichprobenweise Messungen wieder bestätigt worden sei, betrage im angrenzenden Wohngebiet B-Weg 44 dB(A). Der Betrieb eines Betonfertigteilerzeugungsbetriebes verursache im Freien, bei angenommenen Halleninnenlärm von 85 dB(A), 65 dB(A). Die Differenz von 21 dB(A) entspreche einer Entfernung von ca. 300 m, die bei dem gegenständlich 220 bis 250 m breiten Grundstreifen nicht realisierbar sei. Dazu sei noch die Lärmimmission aus dem notwendigen Lkw‑Verkehr auf dem Widmungsgrund in Betracht zu ziehen, wobei sich in einer Entfernung von 25 m ohne Abschirmung noch 85 dB(A) ergeben. Wenn auch der Dauerschallpegel des Transportlärms 49 dB(A) betrage, sei eine - wenn auch kurzfristige - Lärmbelästigung über eine Lautstärke, die bereits zu Wirkungen auf das vegetative Nervensystem führe, auch dadurch zu erwarten. Wenn auch Emissionen aus Schwingungen und Staubemissionen nicht zu befürchten seien, sei das Ausmaß der zu erwartenden Lärmemission derart, daß der Typus „Betonfertigteilerzeugungsbetrieb“ auf dem zur Verfügung stehenden 220 bis 250 m breiten Grundstück im „Industrie- und Gewerbegebiet I“ im Hinblick auf das angrenzende „reine Wohngebiet“ unzulässig sei. Der medizinische Amtssachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 27. Oktober 1980 zu dem Ergebnis, daß die noch zumutbare Höchstgrenze durch häufige Lärmspitzen erheblich überschritten würde, sodaß aus medizinischer Sicht nicht nur mit psychischen, sondern auch mit vegetativen Wirkungen bei den Bewohnern der angrenzenden Baugebiete zu rechnen sei; dürften doch keine schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die angrenzenden Baugebiete (im Westen „reines Wohngebiet“) auftreten. Da es durch die häufigen Lärmspitzen durch den Zu- und Abtransport mittels Lkw zu erheblichen Belästigungen komme, müsse festgestellt werden, daß ein solcher Betrieb vom Typus her in einem „Industrie- und Gewerbegebiet I“ als nicht zulässig anzusehen sei.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 26. November 1980 vertrat der Beschwerdeführer insbesondere die Ansicht, daß die Ausweisung eines reinen Wohngebietes im gegebenen Bereich nicht gerechtfertigt sei, weshalb die Sachverständigen von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen seien.

Am 17. Dezember 198o gab das Stadtplanungsamt unter Anschluß einer planlichen Darstellung bekannt, nach dem Flächenwidmungsplanentwurf 1980 (Stand ab 1. Dezember 1980) sei das gegenständliche Areal weiterhin als „Industrie- und Gewerbegebiet I“ mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 2,5, das im Westen angrenzende Einfamilienhaussiedlungsgebiet nunmehr als „allgemeines Wohngebiet“ mit einer Bebauungsdichte von 0,1 bis 0,6 ausgewiesen. Der technische Amtssachverständige erklärte daraufhin in seinem Ergänzungsgutachten vom 26. Jänner 1981, daß sich an seinem Gutachten vom 16. September 1980 nichts ändere, wobei er neuerlich darauf verwies, daß dem zuletzt genannten Gutachten aus 1980 der tatsächlich vorhandene und mehrmals bestätigte Grundgeräuschpegel des Wohngebietes um den B-weg, nämlich Leq(A) = 44 dB, zugrunde gelegt worden sei und sich aus der Differenz von 21 db(A) zum prognostizierten Betriebslärm von Leq(A) = 65 dB eine Entfernung von 300 m ergebe. Des weiteren legte er dar, wieweit sich die Änderung der Nutzungsart des Wohngebietes in der Nähe eines Betonfertigteilwerkes mit dem genannten betriebstypischen Lärm im Freien auf die Entfernungen und Abstände auswirke. Da nur ein 220 bis 250 m breiter Gebietsstreifen für die Errichtung des Betriebes zur Verfügung stehe, sei durch die Sachverhaltsänderung der Nutzungskategorie des angrenzenden Gebietes keine Änderung gegeben. Auch der medizinische Amtssachverständige gelangte in seinem Ergänzungsgutachten vom 3. Februar 1981 zu einem gleichen Ergebnis.

Diese Ergänzungsgutachten wurden auch den Beschwerdeführer zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Eine solche wurde jedoch nicht erstattet.

Auch zu einer Einladung der belangten Behörde vom 13. März 1981, das Widmungsansuchen im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Vorerkenntnis von 19. Dezember 1978 in eine als zulässig zu erkennende Betriebstype zu ändern, erging keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 11. Juni 1981 wurde das Widmungsansuchen neuerlich abgewiesen, und zwar gemäß § 3 BO in Verbindung mit § 3 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 11. Dezember 1980 zur Sicherung der geplanten Ausweisungen im Flächenwidmungsplanentwurf 1980 (Bausperre III) und § 73 Abs. 2 AVG zur Begründung wurde nach Zitierung der wesentlichen, bereits oben wiedergegebenen, im hg. Vorerkenntnis vom 19. Dezember 1978 enthaltenen Erwägungen dargelegt, es habe zufolge der zweifachen Änderung der Sach- und Rechtslage einer wiederholten Befragung der Amtssachverständigen bedurft, zumal letztlich das (im Westen des Widmungsareals) angrenzende Gebiet als allgemeines Wohngebiet“ im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. b ROG, die Widmungsfläche weiter als „Industrie- und Gewerbegebiet I“ im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. d ROG im am 1. Dezember 1980 aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes ausgewiesen seien und gemäß § 3 der Bausperreverordnung III nur solche baubehördliche Bewilligungen erteilt werden dürften, die diesem Planungsvorhaben nicht widersprechen. Nach der Legaldefinition des § 23 Abs. 4 lit. d ROG handle es sich beim „Industrie- und Gewerbegebiet I“ um Flächen, die für Betriebe und Anlagen bestimmt seien, die keine schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden könnten. Der Gesetzgeber stelle also für die zulässigen Bauführungen in diesem Gebiet auf die angrenzenden Baugebiete ab. Das bedeute, daß das Maß des Zulässigen relativ sei, nämlich von der speziellen Ausweisung des angrenzenden Baugebietes abhänge. Sei dem „Industrie-und Gewerbegebiet I“ etwa ein „Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet“ benachbart, würden die tolerierbaren Immissionsgrenzen größer - und damit andere Betriebstypen zulässig - sein als im Falle des Angrenzens eines „allgemeinen Wohngebietes“. Von welchen Immissionswerten auszugehen sei, bestimmten die aktuellen Erkenntnisse der technischen Wissenschaften. Die beigezogenen Amtssachverständigen seien in ihren zuletzt erstatteten maßgeblichen Gutachten schlüssig und im Einklang mit dem Erkenntnisstand der technischen Wissenschaft zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Betonfertigteilerzeugungsbetrieb nach dem heutigen Stand der Technik im gegenständlichen Industrie- und Gewerbegebiet I solche Immissionen verursachen würde, daß es zu Belästigungen der Bewohner des angrenzenden allgemeinen Wohngebietes komme. Die zu erwartenden Lärmbelästigungen würden stärker wirksam, als es die für ein solches Gebiet zulässigen Immissionswerte noch gestatten. Zur letzten maßgeblichen Beurteilung habe der Beschwerdeführer keine Stellungnahme mehr erstattet. Soweit er in der Stellungnahme zu der früheren Ausweisung des benachbarten Gebietes als „reines Wohngebiet“ darauf abgestellt habe, daß ungeachtet der Immissionen auch im Industrie- und Gewerbegebiet Wohnanlagen errichtet werden könnten, sei ihm zu erwidern, daß der Gesetzgeber in den hauptsächlich dafür bestimmten Gebieten Wohnnutzungen möglichst immissionsfrei halten wolle und nur ausnahmsweise Wohnungen im Industrie- und Gewerbegebiet zulässig seien, dann nämlich, wenn dies für die Aufrechterhaltung der Betriebsanlage erforderlich sei. Hiebei gehe etwa bei sogenannten Betriebswohnungen - der Gedanke des funktionellen Erfordernisses ausnahmsweise dem des möglichst immissionsfreien Wohnens vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in seinem Recht auf Erteilung der angestrebten Widmungsbewilligung verletzt. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vermeint, es habe zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides für das Gebiet der Stadt Graz keinen rechtskräftigen Widmungsplan gegeben, da der existierende Entwurf eines Flächenwidmungsplanes noch nicht rechtskräftig sei. Die von der belangten Behörde zitierte Bausperreverordnung stelle nur ein Provisorium dar. Für die Beurteilung der Frage, um welches Gebiet es sich gegenständlich handle, sei daher nicht vom Entwurf des Flächenwidmungsplanes, sondern ausschließlich von dem derzeit bestehenden Ist-Zustand auszugehen, welcher durch Messungen des Grundgeräuschpegels in jedem Gebietsteil um sein Widmungsgrundstück festzustellen sei. Dabei würde sich ergeben, daß die Umgebung nicht als allgemeines Wohngebiet, sondern alles als Industrie- und Gewerbegebiet einzustufen sei

Diesem Vorbringen kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Wie bereits im hg. Vorerkenntnis vom 19. Dezember 1978 ausgeführt wurde trat im Februar 1976 der Flächennutzungsplan 1975 der Landeshauptstadt Graz, der auf Grund des Gesetzes über die Flächennutzungs- und Bebauungspläne, LGBl. Nr. 329/1964, erstellt wurde, in Kraft. Dieser Flächennutzungsplan 1975 wurde von der belangten Behörde zutreffend dem mit dem schon zitierten hg. Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheid vom 25. April 1978 zugrunde gelegt. Er gehörte auch noch zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen (Ersatz)Bescheides den Rechtsbestand an. In diesem Flächennutzungsplan ist das gegenständliche Widmungsareal als „gemischtes Baugebiet“ ausgewiesen, wobei im Westen ein Wohngebiet anschließt.

Grundsätzlich wäre daher, wie im hg. Vorerkenntnis vom 19. Dezember 1978 dargelegt wurde, diese im Flächennutzungsplan 1975 festgelegte Widmung „gemischtes Baugebiet“ in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Z. 1 lit. e des zitierten Gesetzes aus 1964, welcher den Inhalt umschreibt, der einer solchen Widmung zukommt, als maßgebende generelle Rechtsnorm für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit des gegenständlichen Betonfertigteilerzeugungsbetriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung heranzuziehen gewesen.

Seit der von der belangten Behörde am 25. April 1978 getroffenen und mit dem hg. Vorerkenntnis aufgehobenen Entscheidung hat jedoch die Rechtslage insoweit eine Änderung erfahren, als der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz den Entwurf eines neuen Flächenwidmungsplanes, basierend auf den Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. Nr. 51/1980, auflegte und von der ihm nach § 33 ROG eingeräumten Verordnungsermächtigung Gebrauch machte.

Die maßgebenden Bestimmungen der auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung des Gemeinderates vom 11. Dezember 1980, mit der die Bausperre III der Landeshauptstadt Graz zur Sicherung einer geordneten Entwicklung des Baugeschehens erlassen wurde (Bausperreverordnung) - sie trat am 2. Jänner 1981 in Kraft -, lauten:

„§ 1. Zur Sicherung der geplanten Ausweisungen im Flächenwidmungsplan gemäß dem über Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 25. November 1980 zur allgemeinen Einsicht aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes 1980 der Landeshauptstadt Graz wird für das gesamte Stadtgebiet der Landeshauptstadt Graz eine Bausperre erlassen.

§ 3. Diese Verordnung hat die Wirkung, daß für raumbedeutsame Maßnahmen behördliche Bewilligungen, insbesondere nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 , die den Planungsvorhaben, zu deren Sicherung die Bausperre erlassen wurde, widersprechen, nicht erteilt werden dürfen.

§ 4. Entgegen dieser Verordnung erlassene Bescheide sind innerhalb von drei Jahren nach Eintreten der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950).“

Daraus erhellt, daß ein Widmungsansuchen nicht allein in der Richtung zu prüfen ist, ob es der im Flächennutzungsplan 1975 für das bestimmte Gebiet festgelegten Widmungskategorie entspricht, sondern auch, ob es ebenso mit den (neuen) Planungsvorhaben in Einklang zu bringen ist. Widerspricht es diesen Planungsvorhaben, also den Ausweisungen im Entwurf des neuen Flächenwidmungsplanes, so ist die Genehmigung zu versagen.

Im maßgebenden aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes 1980 ist das gegenständliche Widmungsareal als „Industrie- und Gewerbegebiet I“ im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. d ROG, das im Westen angrenzende (Wohn)Gebiet als „allgemeines Wohngebiet“ im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. b leg. cit. ausgewiesen. Im Norden und Süden des Widmungsareals setzt sich die geplante Widmung „Industrie- und Gewerbegebiet I“ fort, im Osten schließt ein „Industrie- und Gewerbegebiet II“ im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. e ROG an. Dies zeigt, daß entgegen dem Beschwerdevorbringen ohnehin von der Planung bei der Ausweisung der im Norden, Süden und Osten angrenzenden Gebiete von der Tatsache der dort bereits etablierten Betriebe ausgegangen wurde.

Des weiteren kann der Beschwerde, wie bereits im hg. Vorerkenntnis vom 19. Dezember 1978 zum Ausdruck gebracht wurde, nicht beigepflichtet werden, daß stets und daher auch im gegenständlichen Fall von einem bestehenden Ist‑Zustand auszugehen sei, zumal durch eine solche Betrachtungsweise jedwede Planungstätigkeit, die ja ihrem Wesen nach zukunftsorientiert zu sein hat, in Frage gestellt wäre. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, soweit sie sich gegen die Ausweisung der im Westen angrenzenden Flächen als „allgemeines Wohngebiet“ richten - im übrigen wird vom Beschwerdeführer gar nicht bestritten, daß sich dort Wohnanlagen befinden -, gehen daher schon deshalb ins Leere. Auch nach Lage der in den Akten erliegenden planlichen und sonstigen Unterlagen bestehen gegen diese Ausweisung unter dem Gesichtspunkt einer gesetzmäßigen Ausübung des Planungsermessens keine Bedenken; vielmehr spricht gerade die Abstufung (von West nach Ost) von einem allgemeinen Wohngebiet in ein Industrie- und Gewerbegebiet I und sodann in ein Industrie- und Gewerbegebiet II für die Ausübung des städtebaulichen Planungsermessens im Sinne des Gesetzes.

Die belangte Behörde ging rechtsrichtig davon aus, daß zufolge § 3 der Bausperreverordnung III zu prüfen ist, ob das den gegenständlichen Widmungsansuchen zugrunde liegende Vorhaben der geplanten Ausweisung der maßgebenden Flächen im Entwurf entspricht, wobei als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Inhalt, der einer Widmung Industrie- und Gewerbegebiet I nach dem § 23 Abs. 4 lit. d ROG zukommt, zu dienen hat.

Gemäß § 23 Abs. 4 lit. d ROG sind Industrie- und Gewerbegebiete I Flächen, die für Betriebe und Anlagen bestimmt sind, die keine schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden können. ....

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, stellt der Gesetzgeber für die Frage der Zulässigkeit von Betrieben im Industrie- und Gewerbegebiet I auf die angrenzenden Baugebiete ab. Eine Betriebstype, die für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete schädliche Immissionen oder sonstige Belästigungen verursacht, ist im Industrie- und Gewerbegebiet I unzulässig. Diese gesetzliche Regelung hat zur Folge, daß das Ausmaß des Zulässigen insofern relativ ist, als es von der speziellen Ausweisung des angrenzenden Baugebietes und der Entfernung des Widmungsgrundes von diesem abhängig ist. Eine derartige Bestimmung ist nicht unsachlich.

Der Ansicht des Beschwerdeführers, es sei allein auf das Industrie- und Gewerbegebiet I selbst abzustellen und komme es nicht auf das angrenzende Baugebiet an, kann im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer übersieht vor allem, daß der Inhalt der Definition eines Industrie- und Gewerbegebietes I im Sinne des § 23 Abs. 4 lit. d ROG, welcher für den Flächennutzungsplan 1980 bedeutsam ist, anders gelagert ist als der des § 3 Abs. 2 Z. 1 lit. e des bereits zitierten Gesetzes aus 1964 für gemischte Baugebiete, welche Bestimmung für den Flächennutzungsplan 1975 maßgebend ist. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, es könnten in den Industrie- und Gewerbegebieten I und II auch Wohnanlagen errichtet werden, ist ihm zu entgegnen, daß dies, worauf schon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen hat, nur zu den im § 23 Abs. 4 lit. d und e ROG angeführten Zwecken zulässig ist.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf die ausführlichen Gutachten der beigezogenen technischen und medizinischen Amtssachverständigen gestützt, die ihre Beurteilung unter Beachtung der oben angeführten maßgeblichen Sach- und Rechtslage abgegeben haben und zu dem Ergebnis gelangt sind, daß durch einen Betonfertigteilerzeugungsbetrieb im Hinblick auf seine Nähe zum im Westen angrenzenden allgemeinen Wohngebiet dort solche Lärmbelästigungen hervorgerufen würden, die dem Gebietscharakter widersprächen und mit psychischen und vegetativen Belastungen der Bewohner zu rechnen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, daß die Gutachten schlüssig sind und eine taugliche Entscheidungsgrundlage bilden. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, es wäre die Beurteilung nicht auf Grund der im Flächenwidmungsplanentwurf 198o enthaltenen Ausweisung der Gebiete vorzunehmen und von seiner Rechtsansicht auszugehen gewesen, ist dies, wie die obigen Darlegungen zeigen, verfehlt. Des weiteren sind die Amtssachverständigen auch, wie ihre Gutachten zeigen, nicht etwa von fiktiven Annahmen ausgegangen, sondern haben ihren Gutachten insbesondere für das benachbarte allgemeine Wohngebiet durch Messungen überprüfte Werte zugrunde gelegt. Dem ist der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde mit stichhältigen Argumenten entgegengetreten.

Es kann daher der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie auf Grund der Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gelangte, ein Betonfertigteilerzeugungsbetrieb stelle eine unzulässige Betriebstype für das gegenständliche Industrie- und Gewerbegebiet I im Hinblick auf das (im Westen unmittelbar) angrenzende allgemeine Wohngebiet dar.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 13. Mai 1982

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