Normen
AVG §58 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981010105.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf das in derselben Angelegenheit ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1980, Zl. 95/79, verwiesen. In der Begründung dieses den Bescheid der belangten Behörde vom 1. Dezember 1978 aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes wurde als Begründungsmangel aufgezeigt, daß weder ermittelt noch festgestellt worden war, ob der Beschwerdeführer tatsächlich den Tatbestand der gefährlichen Drohung verwirklicht habe, obwohl eine die Verwaltungsbehörde bindende Verurteilung der Entscheidung des Strafgerichtes hierüber nicht ergangen, sondern das gerichtliche Verfahren gemäß § 109 StPO eingestellt worden sei. Als Vorfrage im Verwaltungsverfahren wäre zu prüfen gewesen, ob bei dem angezeigten Vorfall zumindest ein aggressives Verhalten des Beschwerdeführers sich objektivieren lasse. Ein bloßer Verdacht in dieser Richtung berechtige die Behörde keineswegs, die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen. Solange jedoch ein solches gefährliches Verhalten des Beschwerdeführers nicht feststehe, könne allein aus dessen Eingaben, auch wenn diese auf eine gewisse Einstellung oder Geisteshaltung hindeuteten, noch nicht eine Aggressivität des Beschwerdeführers erschlossen werden, die den Schluß zulasse, dem Beschwerdeführer sei die Waffenbesitzkarte wegen mangelnder Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 und 2 WaffG zu entziehen. Der Sachverhalt sei insofern ergänzungsbedürftig geblieben, als bestimmte, im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG zu wertende Tatsachen nicht festgestellt worden seien.
Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt und dessen Ergebnisse dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht.
Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid (Ersatzbescheid) hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. April 1978 neuerlich keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 bestätigt. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die im ergänzenden Ermittlungsverfahren durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß es im Jahre 1977 zwischen dem Beschwerdeführer einerseits und seiner Mutter und seinem Vater (richtig wohl Stiefvater) andererseits zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, weil diese die Kinder (gemeint des Beschwerdeführers) wegen dessen Alkoholisierung nicht herausgeben hätten wollen. Im Oktober 1978 sei es im städtischen Kindertagesheim in Wien zu einer Auseinandersetzung gekommen, als der Beschwerdeführer unangemeldet erschienen sei, um seine Kinder abzuholen. Als seine Tochter ihm erklärt habe, mit den Aufgaben noch nicht fertig zu sein und nicht mitkommen zu können, habe der Beschwerdeführer ihr gedroht, sie vor allen Kindern zu schlagen. An einem Tag der darauffolgenden Woche sei die Kindertagesheim-Tante vom Beschwerdeführer tätlich angegriffen worden. In einem Gutachten von Prof. Dr. A, das in einer die Kinder des Beschwerdeführers betreffenden Pflegschaftssache erstellt worden sei, erscheine die Aggressivität und Brutalität des Beschwerdeführers deutlich unter Beweis gestellt. In diesem Gutachten werde der Beschwerdeführer, der sich von aller Welt ins Unrecht versetzt fühle, als "ganz ohne Zweifel psychisch beträchtlich abnorm" dargestellt, wobei es sich bereits um einen Grenzfall zur paranoischen Psychose handle. Bei dieser Beweislage erscheine der Behörde ein aggressives Verhalten des Beschwerdeführers objektiviert. Demgegenüber erschienen die Behauptungen des Beschwerdeführers, daß alle anderen lögen bzw. grenzdebil seien, Gefälligkeitsgutachten erstatteten und ihm schaden wollten, unglaubwürdig. Die Einsichtnahme in den Pflegschaftsakt sei in der Pflicht der Behörde zur materiellen Wahrheitsforschung und der in der Bundesverfassung verankerten Amtshilfe zwischen Behörden begründet. Obwohl die der Behörde vorliegenden Tatsachen, die gerade deshalb, weil sie aus verschiedensten Quellen stammten, glaubhaft erschienen, bereits erhebliche Zweifel an der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers begründeten, habe sich die Behörde dennoch entschlossen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, die Bedenken gegen seine waffenpolizeiliche Verläßlichkeit durch ein Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie zu zerstreuen. Der Beschwerdeführer habe sich nun tatsächlich - offenbar im Hinblick auf die der Behörde vorliegenden Tatsachen - einer solchen Untersuchung unterzogen, doch hätten durch das Gutachten vom 23. Jänner 1981 die Bedenken der Behörde nicht zerstreut werden können, zumal tatsächlich eine abnorme Persönlichkeitsentwicklung festgestellt worden sei, wobei im Hinblick auf die mangelnde Bereitschaft des Untersuchten zur Mitarbeit nicht abgeschätzt habe werden können, inwieweit das Zustandsbild den Bereich einer abnormen Persönlichkeitsentwicklung wegen seiner Schwere und seines Ausprägungsgrades nicht schon verlassen habe. Jedenfalls sei auf Grund dieses Gutachtens angesichts des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes eine positive Beurteilung der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers nicht möglich. In diesem Fall sei die Behörde aber auch nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer in der Frage der Verläßlichkeit einen "Kompromiß" anzubieten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 17. März 1980 den Bescheid der belangten Behörde vom 1. Dezember 1978 aufgehoben hatte, war die belangte Behörde verpflichtet, bei Erlassung des jetzt angefochtenen Ersatzbescheides nach § 63 Abs. 1 VwGG 1965 vorzugehen, also mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Daß sich die belangte Behörde dieser Verpflichtung bewußt war, ist den Verwaltungsakten eindeutig zu entnehmen, doch fällt auf, daß die belangte Behörde im jetzt angefochtenen Bescheid keinen Versuch unternommen hat, den in dem zitierten Erkenntnis aufgezeigten Verfahrensmangel zu beseitigen. Die Behörde hat nämlich betreffend den Vorfall, der zur Anzeige des Beschwerdeführers wegen gefährlicher Drohung (§ 107 StGB) geführt hat, keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Vielmehr ist sie auf andere, nunmehr länger zurückliegende Vorfälle aus den Jahren 1977 und 1978 eingegangen, aus denen sie auf ein aggressives Verhalten des Beschwerdeführers Schlüsse zog. Auch diese Vorfälle haben aber nicht zu einer gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers oder auch nur zur rechtskräftigen Bestrafung im Verwaltungsverfahren geführt.
Das durch § 63 Abs. 1 VwGG 1965 anerkannte Interesse der Partei an der Beachtung der Bindung an die Entscheidungsgründe eines aufhebenden Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses macht es notwendig, daß die Behörde eine hinreichende Begründung für ihr Abweichen von der zu dem aufgehobenen Bescheid führenden Verfahrenslinie gibt. Nur eine solche Begründung ermöglicht es dem Verwaltungsgerichtshof, das Verhalten der Behörde daraufhin zu überprüfen, ob sie die neue Verfahrenslinie mit Recht oder etwa nur zur Umgehung des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses und der dem Beschwerdeführer daraus erwachsenen Rechte eingeschlagen hat. Wenn sich auch die aus § 63 Abs. 1 VwGG 1965 erwachsene Bindung nur auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, nicht aber auf den Sachverhalt bezieht, so ist doch die Behörde nicht der Verpflichtung enthoben, die bisherigen Verfahrensergebnisse im Zusammenhalt mit den neu erhobenen Sachverhaltselementen zu würdigen und im besonderen auch die Gründe für die Änderung der ursprünglich eingeschlagenen Verfahrenslinie darzutun, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 1960, Slg. Nr. 5223/A, ausgesprochen hat.
Der angefochtene Bescheid leidet aber auch insofern an einem Begründungsmangel, als sich die belangte Behörde nicht mit den Einwendungen des Beschwerdeführers in seinen schriftlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt hat. Insbesondere fehlt es an einer für den Verwaltungsgerichtshof überprüfbaren Begründung dafür, auf Grund welcher Beweismittel die Behörde zur Feststellung der nunmehr zu Lasten des Beschwerdeführers angenommenen Vorfälle aus den Jahren 1977 und 1978 gelangt ist. Auch das in einer Pflegschaftssache betreffend die Besuchsrechtsregelung der Kinder des Beschwerdeführers erstattete Gutachten des Prof. Dr. A läßt nach Ansicht des Gerichtshofes keinen Schluß dahin zu, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten Tatbestände gesetzt habe, die seine waffenrechtliche Verläßlichkeit zweifelhaft erscheinen lassen müßten.
Ebensowenig lassen sich aus den durch die Behörde eingeholten Gutachten der Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie erhebliche Tatsachen für oder gegen die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers gewinnen, weil im Gutachten zusammenfassend ausgeführt wird, auf Grund dieser Untersuchung sei nicht beurteilbar, ob der Beschwerdeführer vom Waffenbesitz auszuschließen sei. Aus der mit Sicherheit gestellten Diagnose einer abnormen Persönlichkeitsentwicklung läßt sich zwar eine gewisse Einstellung oder Geisteshaltung des Beschwerdeführers, nicht aber eine derartige Aggressivität des Beschwerdeführers erkennen, die, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem mehrfach zitierten Vorerkenntnis ausgesprochen hat, dazu führen müßte, dem Beschwerdeführer die Waffenbesitzkarte wegen mangelnder Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG zu entziehen.
Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, mußte der Ersatzbescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VWGG 1965 im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 17. November 1982
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