European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1981:1981170046.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einem beim Magistrat der Stadt Wien (MA 4) gegen Ingrid T. anhängigen Strafverfahren wegen der Verwaltungsübertretung nach den §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 1 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 77/1974, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 30/1977, wurde die Beschwerdefahrerin unter Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe von S 1 00,‑ ‑ für 28. Februar 1979 als Zeugin geladen. Dieser Ladung leistete die Beschwerdeführerin unter Hinweis in ihrem Schreiben vom 26. Februar 1979, daß sie als Geschäftsfrau, die keine Angestellten habe, täglich von 8 ‑ 19 Uhr im Geschäft anwesend sein müsse, keine Folge. Mit neuerlichem Ladungsbescheid vom 6. März 1979 wurde die angedrohte Zwangsstrafe von S 100,‑ ‑ festgesetzt und die Beschwerdeführerin unter Androhung der sofortigen Vollziehung einer weiteren Zwangsstrafe von S 300,-- für den 14. März 1979, 7 Uhr, wiederum als Zeugin geladen. Die Beschwerdeführerin berief gegen die Verhängung der Zwangsstrafe und leistete auch der neuerlichen Ladung wiederum nicht Folge. Mit weiterem Ladungsbescheid vom 15. März 1979 wurde die angedrohte Zwangsstrafe von S 300,‑ ‑ verhängt und die Beschwerdeführerin unter Androhung ihrer zwangsweisen Vorführung gemäß § 19 Abs. 3 AVG 1950 und §§ 5 und 7 VVG 1950 neuerlich als Zeugin zur mündlichen Verhandlung am 28. März 1979, 7.00 Uhr, geladen. Die Beschwerdeführerin berief gegen die Verhängung der Zwangsstrafe von S 300,‑ ‑ und teilte mit Schreiben vom 26. März 1979 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit, daß sie nicht in der Lage sei, der Zeugenladung für 28. März 1979 zu entsprechen. Sie habe auf Grund plötzlich eingetretener Sehstörungen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Die ärztliche Anordnung habe gelautet, die Beschwerdeführerin möge sich größte Schonung auferlegen und jedenfalls allfällige Behördentermine meiden, um sich keinen Aufregungen auch nur durchschnittlicher Art auszusetzen. Dies werde im Hinblick auf § 19 Abs. 3 AVG 1950 der Behörde zur Kenntnis gebracht. Im Übrigen dürfe die Beschwerdeführerin als Zeugin nicht vernommen werden, weil sie wegen der bezüglichen Vorfälle bereits als Beschuldigte vernommen und verurteilt worden sei. (Den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde zufolge wurde in der besagten ärztlichen Bescheinigung bestätigt, daß die Beschwerdeführerin zwei bis drei Tage nicht ausgehfähig sei). Dieser Hinderungsgrund sei von der belangten Behörde anerkannt worden.
Gegen den Bescheid vom 15. März 1979, soweit hiedurch die Beschwerdeführerin unter Androhung der zwangsweisen Vorführung für den 28. März 1979 geladen wurde, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit seinem Erkenntnis vom 27. Februar 1981, Zl. B 148/79‑9, hat der Verfassungsgerichtshof zu Recht erkannt, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihrem Recht verletzt worden ist. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch antragsgemäß die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
In ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, nicht als Zeugin zu einer mündlichen Verhandlung geladen zu werden, da ihr bereits in einem gegen sie gerichteten Verwaltungsstrafverfahren betreffend denselben Sachverhalt die Stellung als Beschuldigte zugekommen wäre; weiters in dem Recht, nicht mit einer zwangsweisen Vorführung zu einer Zeugenaussage bedroht zu werden, da sie begründete Hindernisse geltend machen konnte, durch welche sie gehindert war, dem vorangegangenen Ladungsbescheid vom 6. März 1979 Folge zu leisten.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem schon zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, kommt der mit dem angefochtenen Bescheid bewirkten Ladung der Beschwerdeführerin unter Androhung ihrer zwangsweisen Vorführung Bescheidcharakter zu, wobei ein administratives Rechtsmittel gegen solche Bescheide durch § 19 Abs. 4 AVG 1950 ausgeschlossen ist.
Daraus ergibt sich daß die vorliegende Beschwerde auch an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 AVG 1950 ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereiche ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, daß die mit dem angefochtenen Bescheid bewirkte Ladung unter Androhung der zwangsweisen Vorführung der Beschwerdeführerin zu eigenen Handen zugestellt worden ist. Die Beschwerdeführerin hält nur einerseits die Ladung selbst und andererseits die Androhung der zwangsweisen Vorführung in dieser Ladung für nicht gesetzmäßig.
Was zunächst die Rechtmäßigkeit der Ladung selbst anlangt, so führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, sie hatte zu einem Sachverhalt, zu dem sie bereits ‑ in einem anderen Verfahren ‑ als Beschuldigte gehört und verurteilt worden sei, nicht auch als Zeugin befragt werden dürfen. Dies ergebe sich aus § 33 Abs. 2 VStG 1950, da in dieser Bestimmung angeordnet sei, daß der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden dürfe.
Was diesen Beschwerdevorwurf anlangt, so tritt der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes bei, der im besagten Erkenntnis vom 27. Februar 1981, Zl. B 148/79‑9, in der gegenständlichen Beschwerdesache ausgeführt hat, daß die Norm des § 33 Abs. 2 VStG 1950 eine Vorladung der Beschwerdeführerin als Zeugin keineswegs zu hindern vermag. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, daß der durch § 33 Abs. 2 verbürgte Schutz nur dem Beschuldigten eingeräumt ist, die Beschwerdeführerin jedoch in dem gegen gerichteten Verwaltungsstrafverfahren nicht die Stellung einer Beschuldigten, sondern die einer Zeugin zukommt bzw. zugekommen ist.
Was den weiteren Beschwerdevorwurf anlangt, die belangte Behörde hätte mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht eine zwangsweise Vorführung angedroht, so beruft sich die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes darauf, daß sie der mit dem dem angefochtenen Bescheid vorangehenden Bescheid vom 6. März 1979 ausgesprochenen Ladung wegen eines begründeten Hindernisses nicht Folge geleistet habe; dies schließe die Berechtigung der belangten Behörde zur Androhung der zwangsweisen Vorführung in dem angefochtenen Bescheid aus.
Auch dieser Vorwurf der Beschwerde ist nicht berechtigt. Abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. April 1981, Zl. 17/0202/80, ausgeführt hat, daß eine berufliche Behinderung nur dann den Begriff der „sonstigen begründeten Hindernisse“ im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG 1950 erfüllt, wenn sie so zwingend ist, daß sie nicht etwa durch entsprechende rechtzeitige Dispositionen beseitigt werden kann (arg.: „abgehalten“), ist es nicht tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Ladung unter Androhung der zwangsweisen Vorführung gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. ‑ und nur diese Ladung ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens -, daß einer früheren Ladung ohne Vorliegen eines begründeten Hindernisses nicht Folge geleistet wurde; vielmehr steht lediglich der ‑ hie nicht vorliegenden ‑ Anwendung von Zwangsmitteln die Anordnung des Gesetzes entgegen, daß der Geladene nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist.
Bei dieser Sach‑ und Rechtslage war die belangte Behörde auch nicht gehalten, über die im Beschwerdefall bekannten Umstände hinaus weitere Ermittlungen darüber zu führen, ob die Beschwerdeführerin nicht etwa aus von ihr gar nicht angegebenen Umständen gehindert war, den früheren Ladungen Folge zu leisten.
Dem angefochtenen Bescheid haftet sohin weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch ein erkennbarer Verfahrensmangel an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 21. September 1981
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