LVwG Niederösterreich LVwG-AV-660/001-2019

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-660/001-201921.7.2020

EisenbahnG 1957 §48
EisenbahnG 1957 §49 Abs2
AVG 1991 §13
AVG 1991 §59

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.660.001.2019

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerden

1. der Stadtgemeinde ***, vertreten durch A Rechtsanwälte in ***, ***, gegen die Bescheide der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 10. Mai 2019, Zlen. *** und *** (mitbeteiligte Partei: B AG), sowie

2. der B AG in ***, vertreten durch C Rechtsanwälte OG in ***, ***, gegen die Bescheide der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 18. Dezember 2019, Zl. ***, und vom 10. Jänner 2020, Zl. *** (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde ***, vertreten durch A Rechtsanwälte), weiters vom 9. Jänner 2020, Zl. ***, und vom 15. Jänner 2020, Zl. *** (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Abteilung Landesstraßenbau und -verwaltung, vertreten durch D, Rechtsanwalt in ***, ***),

jeweils betreffend Kosten für die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen, durch Verkündung im Anschluss an die öffentliche mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2020 zu Recht erkannt:

 

1. Den Beschwerden der Stadtgemeinde *** gegen die angefochtenen Bescheide vom 10. Mai 2019, Zlen. *** und ***, wird gemäß § 27 erster Halbsatz VwGVG teilweise Folge gegeben und sämtliche Aussprüche über die Höhe der zu tragenden Kosten sowie über Zahlungsverpflichtungen der Stadtgemeinde wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

2. Im Übrigen werden diese Beschwerden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Die verbleibenden Spruchteile der angefochtenen Bescheide lauten:

„Die Stadtgemeinde *** hat gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen in km *** und in km *** der Strecke *** –*** – *** zur Hälfte zu tragen.“

3. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird den Beschwerden der B AG gegen die angefochtenen Bescheide vom 18. Dezember 2019, Zl. *** und vom 10. Jänner 2020, Zl. ***, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge gegeben und der Spruch dieser Bescheide folgendermaßen abgeändert:

„Die Stadtgemeinde *** hat gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen in km *** und in km *** der Strecke *** –*** – *** zur Hälfte zu tragen.“

4. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird auch den Beschwerden der B AG gegen die angefochtenen Bescheide vom 9. Jänner 2020, Zl. ***, und vom 15. Jänner 2020, Zl. ***, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge gegeben und der Spruch dieser Bescheide folgendermaßen abgeändert:

„Das Land Niederösterreich hat gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen in km *** und in km *** der Strecke *** –*** – *** zur Hälfte zu tragen.“

5. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG iVm § 25a VwGG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

 

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

 

1. Die Verfahren LVwG-AV-660-2019, LVwG-AV-661-2019, LVwG-AV-165-2020 und LVwG-AV-146-2020 betreffen die Kostenbestimmung und ‑aufteilung für die Eisenbahnkreuzungen in km ***, km ***, km *** und km *** der Strecke *** -*** – *** mit Gemeindestraßen, die von der Stadtgemeinde *** erhalten werden.

 

1.1. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 26. Februar 2015 (für die Eisenbahnkreuzung in km ***), vom 25. Februar 2016 (für die Kreuzung in km ***) und vom 22. März 2016 (für die Kreuzungen in km *** und ***) wurde für diese Eisenbahnkreuzungen jeweils gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) eine Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken (Vollschrankenanlage mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume) vorgeschrieben. Für die Kreuzungen in km ***, km *** und km *** wurde darüber hinaus als Zusatzeinrichtung ein elektrisches Läutwerk vorgeschrieben. Bereits zuvor waren alle Kreuzungen auf Grund von Bescheiden der belangten Behörde vom 22. April 2002 (Kreuzungen in km ***, *** und ***) bzw. vom 26. Juli 2006 (Kreuzung in km ***) durch Vollschrankenanlagen mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume gesichert, bei den Kreuzungen in km ***, *** und *** war bereits ein elektrisches Läutwerk angebracht. Die Einschaltung sämtlicher Schrankenanlagen erfolgt fahrt- bzw. fahrtstraßenbewirkt mittels Einschaltstellen.

 

Lediglich in dem die Kreuzung in km *** betreffenden Bescheid wurde in Spruchpunkt II. eine Ausführungsfrist bis 1. März 2017 festgelegt, weil die Behörde im Hinblick auf entsprechende Ausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen einige Änderungen, insbesondere bei der Lage der Einschaltstellen, für erforderlich erachtete. An den übrigen Kreuzungen wurden keine Änderungen der bestehenden Sicherungen für erforderlich erachtet und daher auch keine Ausführungsfristen vorgeschrieben.

 

Alle diese Sicherungsbescheide wurden der B AG sowie der Stadtgemeinde *** zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde nicht erhoben.

 

1.2. Am 18. Mai 2018 stellte die B AG bei der belangten Behörde den Antrag, diese möge gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes (EisbG) hinsichtlich aller vier Eisenbahnkreuzungen entscheiden, dass die Stadtgemeinde *** als Trägerin der Straßenbaulast im Sinne von § 48 Abs. 2 EisbG 50 % der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung zu tragen habe. In eventu wurde beantragt, die belangte Behörde möge entscheiden, in welchem Ausmaß die Gesamtkosten von den Verkehrsträgern (B AG und Stadtgemeinde ***) zu tragen sind, in eventu möge sie entscheiden, welche Kosten die Stadtgemeinde *** zu tragen habe.

 

1.3. Am 22. Mai 2018 ersuchte die belangte Behörde die Sachverständigenkom-mission bei der Schieneninfrastruktur Dienstleistungsgesellschaft mbH in allen vier Fällen um Erstattung eines Gutachtens zu den Fragen, welche Kosten in die Kosten-teilungsmasse einzubeziehen seien und in welchem Ausmaß die B AG und die Stadtgemeinde *** die dadurch erwachsenen Kosten zu tragen habe.

 

1.4. Am 8. November 2018 beantragte die Stadtgemeinde *** die Abweisung des Antrages der B AG.

 

1.5. Die Kommission erstattete ihre Gutachten hinsichtlich der Kreuzungen in km *** und km *** am 17. Jänner 2019. Im Befund beider Gutachten hielt die Kommission zunächst fest, dass es sich um geringfügige Änderungen handle, die als Ergebnis einer behördlichen Überprüfung nach der EisbKrV vorzunehmen waren.

 

Die Kostenaufteilungsmasse für die Kreuzung in km *** berechnete sie mit € 148.845,20, wovon € 28.366,04 auf die Errichtung und € 120.479,16 auf die Instandhaltung entfielen.

 

Für die Kreuzung in km *** berechnete sie die Kostenaufteilungsmasse mit € 137.186,96, wovon € 18.899,64 auf die Errichtung und € 118.287,32 auf die Instandhaltung entfielen.

Zur Kostenaufteilung führte die Kommission zu beiden Kreuzungen aus, dass unter Bedachtnahme auf die spezielle Sachkunde der in ihr vertretenen Sachverständigen die Kosten zu 50 % vom Eisenbahnunternehmen und zu 50 % vom Träger der Straßenbaulast zu tragen seien. Dies begründete sie damit, dass § 48 Abs. 3 EisbG den Aufteilungskriterien kein unterschiedliches Gewicht beimesse. Die Kriterien könnten auch schon per se nicht Gegenstand exakter wissenschaftlicher Messung sein, sondern nur einer entsprechend begründeten sachverständigen Einschätzung, wobei aber die Begründungspflichten der Kommission nicht überspannt werden dürften. Weiters könne die Kommission ihr Gutachten nur auf Feststellungen gründen, die sich aus den ihr vorliegenden Unterlagen und erteilten Informationen in Verbindung mit der speziellen Sachkunde der vertretenen Sachverständigen ergeben.

 

Bei beiden Kreuzungen erkannte die Kommission keine Ersparnisse oder Sonder-interessen. Bei der Kreuzung in km *** sah sie als Verbesserung der Sicherheit sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße die deutliche Ausweisung eines Fußgängerüberganges sowie die Anbringung eines zusätzlichen Signalgebers an. Die Abwägung dieser Kriterien führe zu den vorgeschlagenen Kostenaufteilungen.

 

Am 22. Jänner 2019 gewährte die belangte Behörde den Parteien rechtliches Gehör zu diesen Gutachten.

 

1.6. In ihren Stellungnahmen vom 15. März 2019 vertrat die Stadtgemeinde *** die Auffassung, im Hinblick darauf, dass sich die vorgeschriebene Sicherungsart gegenüber jener vor Erlassung der Bescheide vom 26. Februar 2015 bzw. vom 22. März 2016 nicht geändert habe, sei eine Kostenteilung gemäß § 48 Abs. 3 EisbG nicht zulässig. Selbst wenn sie aber zulässig wäre, wäre eine Aufteilung zur Hälfte nicht sachgerecht, da der Stadtgemeinde damit Kosten für die ganze Anlage erwachsen würde und nicht nur für die durchgeführten Erneuerungen. Die Stadtgemeinde erneuerte daher ihren Antrag auf Abweisung des Antrages der B AG im Hinblick auf diese beiden Eisenbahnkreuzungen.

 

1.7. Mit dem zu LVwG-AV-660-2019 angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 2019, Zl. ***, setzte die belangte Behörde die Anpassungskosten der Sicherungsanlage an der Eisenbahnkreuzung in km *** mit € 28.366,04 fest (Spruchpunkt 1.) und ordnete an, dass diese von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen seien. Die Stadtgemeinde *** wurde zur Zahlung der Hälfte des Betrages (€ 14.183,02) innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet (Spruchpunkt 2.). Weiters wurden die Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherungsanlage für die nächsten 13 Jahre mit einem Barwert von € 60.239,58 festgesetzt. Auch diese Kosten seien von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Stadtgemeinde *** habe der B AG entweder jeweils bis zum 31. Jänner des Folgejahres € 4.907,– valorisiert mit einem Index von 3 %, oder innerhalb von vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides den halben Barwert in der Höhe von € 30.119,79 (Spruchpunkt 3.) zu ersetzen.

 

In der Begründung stützte sich die belangte Behörde bei der von ihr gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 3 EisbG vorgenommenen Beurteilung zunächst auf das Gutachten der Sachverständigenkommission. Zum Vorbringen der Stadtgemeinde *** führte sie aus, das von dieser für ihre Argumentation ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2015, Ro 2014/03/0007, beziehe sich auf einen Fall, in dem nach der EKVO 1961 ausgesprochen worden sei, dass die bisherige Sicherungsart beibehalten werden könne. Im vorliegenden Fall sei aber mit dem Bescheid vom 26. Februar 2015 erstmalig über die nach der EisbKrV erforderliche Sicherung abgesprochen worden. Daher liege eine erstmalige Antragstellung nach § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 3 EisbG vor.

 

1.8. Mit dem ebenfalls vom 10. Mai 2020 stammenden, zu LVwG-AV-661-2019 angefochtenen Bescheid mit der Zl. *** setzte die belangte Behörde die Anpassungskosten der Sicherungsanlage an der Eisenbahnkreuzung in km *** mit € 18.899,64 fest (Spruchpunkt 1.) und ordnete an, dass diese von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen seien. Die Stadtgemeinde *** wurde zur Zahlung der Hälfte des Betrages (€ 9.449,82) innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet (Spruchpunkt 2.). Weiters wurden die Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherungsanlage für die nächsten 13 Jahre mit einem Barwert von € 59.143,66 festgesetzt. Auch diese Kosten seien von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Stadtgemeinde *** habe der B AG entweder jeweils bis zum 31. Jänner des Folgejahres € 4.817,90, valorisiert mit einem Index von 3 %, oder innerhalb von vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides den halben Barwert in der Höhe von € 29.571,83 (Spruchpunkt 3.) zu ersetzen.

 

Die Begründung dieses Bescheides deckt sich mit jener des zu LVwG-AV-660-2019 angefochtenen.

 

1.9. Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden der Stadtgemeinde *** vom 6. Juni 2019, mit denen diese jeweils beantragt, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass der Antrag der B AG „auf Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens“ abgewiesen wird, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Dies begründete die Stadtgemeinde wiederum mit der Unzulässigkeit der nun-mehrigen Vorschreibung eines Kostenbeitrages, nachdem sich die vorgeschriebene Art der Sicherung durch die Bescheide vom 26. Februar 2015 bzw. vom 22. März 2016 nicht geändert habe. Die belangte Behörde habe den Inhalt der früheren Sicherungsbescheide im angefochtenen Bescheid aktenwidrig wiedergegeben.

 

Im Hinblick auf die Höhe der Kosten wird in den Beschwerden geltend gemacht, die angefochtenen Bescheide enthielten dazu keinerlei Feststellungen. Die belangte Behörde hätte diese schlüssig darstellen und den einzelnen Maßnahmen zuordnen müssen. Zudem hätten die Kosten zwischen neuen und schon bestehenden Sicherungsmaßnahmen aufgeteilt werden müssen. Für bereits bestehende Sicher-ungen stehe der B AG kein Antragsrecht zu. Auch warum die Stadt-gemeinde 50 % der Kosten zu tragen habe, begründe die belangte Behörde nicht.

 

1.10. Die beiden Beschwerden wurden am 13. Juni 2019 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt, das sie am 24. Juni 2019 der B AG zur Stellungnahme übermittelte.

 

1.11. Diese erstattete am 18. Juli 2019 in beiden Verfahren jeweils eine Stellungnahme zur Beschwerde, mit der sie deren Abweisung beantragte. Nach § 48 Abs. 2 EisbG bestehe ex lege ein Anspruch darauf, dass die Kosten vom Eisenbahnunternehmen und vom Träger der Straßenbaulast je zur Hälfte zu tragen seien. Im Erkenntnis des VwGH vom 18. Februar 2015, Ro 2014/03/0077, sei ausschließlich die EKVO 1961 als Entscheidungsgrundlage herangezogen worden. Dieses sei daher auf die vorliegenden Fälle nicht übertragbar, da in diesen die Entscheidung auf Grundlage der EisbKrV ergangen sei. Somit bestehe erstmals die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 3 EisbKrV. Die Anträge seien fristgerecht eingebracht worden. Auch sei darauf hinzuweisen, dass die technische Erneuerung der Sicherungsanlage nach Ablauf der Nutzungsdauer gemäß dem Stand der Technik eine gänzlich reue technische Sicherungsanlage darstelle. Dies bedeute, dass die bisherigen Sicherungsanlagen nicht weiterbelassen bzw. beibehalten werden und auch keine Anpassung erfolge. Die festgestellte Höhe der Kosten ergebe sich aus den Gutachten der Sachverständigenkommission.

 

1.12. Am 11. Juli 2019 erstattete die Kommission ihre Gutachten auch hinsichtlich der beiden anderen Kreuzungen. Einleitend hielt sie jeweils fest, dass in den Bescheiden vom 25. Februar bzw. 22. März 2016 die belangte Behörde festgestellt habe, dass keine Umbaumaßnahmen erforderlich seien, jedoch keinen „Weiterbestand“ der bestehenden Sicherungsart angeordnet habe.

 

Die Kostenaufteilungsmasse nahm die Kommission in beiden Fällen mit € 115.147,16 an, wobei dieser Betrag ausschließlich aus Instandhaltungskosten (also keinen Errichtungskosten) bestand. Die Kommission hielt dazu fest, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Kostenaufstellungen als plausibel angesehen würden, wobei anzumerken sei, dass diese nur für eine Restnutzungsdauer von 13 Jahren berechnet worden seien. Dies könne dadurch begründet sein, dass es bei den Sicherungseinrichtungen faktisch zu keiner Änderung gekommen sei.

 

Zur Kostenaufteilung führte die Kommission aus, dass unter Bedachtnahme auf die spezielle Sachkunde der in ihr vertretenen Sachverständigen die Kosten zu 50 % vom Eisenbahnunternehmen und zu 50 % vom Träger der Straßenbaulast zu tragen seien. Die Begründung dafür entspricht zunächst jener im Gutachten vom 17. Jänner 2019. Durch die rechtliche Festlegung einer neuen Sicherungsart sei faktisch an der Eisenbahnkreuzung keine Änderung eingetreten, daher komme es weder auf der Straße noch auf der Schiene zu einer Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs. Eine Beurteilung, ob Ersparnisse vorlägen, sei nicht möglich, weil der Kommission nicht bekannt sei, ob es für die im Jahr 2002 – als schon die Rechtslage nach dem Deregulierungsgesetz 2001 (Trennung des Sicherungsverfahrens vom Kostenverfahren) galt – angeordnete Sicherungsart zu einer Entscheidung über die Kostentragung gekommen sei. Eine Ersparnis läge vor, wenn die Kosten für Erhaltung und Inbetriebhaltung bisher durch die beschwerdeführende Gesellschaft allein zu tragen waren, was die Stellungnahme der Stadtgemeinde *** vom 15. März 2019 indiziere. Sonderinteressen hätten nicht festgestellt werden können.

 

Am 17. Juli 2019 gewährte die belangte Behörde beiden Parteien rechtliches Gehör zu den Gutachten.

 

1.13. Am 30. Juli 2019 erstattete die Stadtgemeinde *** eine Äußerung betreffend die Kreuzung in km ***, in der sie nochmals betonte, dass es durch den Bescheid vom 22. März 2016 gegenüber dem Bescheid vom 22. April 2002 zu keiner Anordnung einer neuen Sicherungsart gekommen sei und es daher auch keiner neuen Sicherungen bedurft habe. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe es hinsichtlich des letztgenannten Bescheides verabsäumt, fristgerecht einen Antrag auf Kostenfestsetzung und ‑aufteilung nach § 48 EisbG zu stellen. Das Inkrafttreten der EisbKrV könne nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2015 nicht zu einer Heilung dieses Versäumnisses führen.

 

Diese Stellungnahme wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft am 13. September 2019 zur Kenntnis gebracht.

 

1.14. Die B AG erstattete am 26. August 2019 zunächst eine Äußerung zu den Gutachten vom 11. Juli 2019, in der sie einräumte, dass es zu keinen baulichen Umgestaltungen an den Kreuzungen gekommen sei. Allerdings seien näher beschriebene technische Anpassungen erforderlich gewesen. Die Kosten dafür hätten jeweils € 12.089,48 betragen, die in der Kostenteilungsmasse ebenfalls zu berücksichtigen wären.

 

1.15. Am 8. Oktober 2019 erstattete die B AG auch noch eine Gegenäußerung zur Stellungnahme der Stadtgemeinde, in der sie im Wesentlichen die Auffassung vertrat, dass die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2019, Ra 2019/03/0012, nicht auf die Kreuzung in km *** übertragbar seien, weil dieses nur „einen Teilbereich“ (nämlich nicht technische Sicherungen) abdecke (anders als von der Gesellschaft behauptet, hat die Stadtgemeinde dieses Erkenntnis in ihrer Stellungnahme allerdings gar nicht erwähnt). Bei technischen Sicherungsanlagen komme es bei der Frage nach einer Neuerrichtung oder Beibehaltung hingegen maßgeblich auf die restliche technische Nutzungsdauer der bestehenden Anlage an. Diese sei bei der vorliegenden Anlage bereits ca. zu 2/3 abgelaufen, was bei der Kostentragung zumindest anteilig berücksichtigt werden müsse. Ansonsten komme es zu einer unbilligen Bevorzugung des Straßenerhalters.

 

1.16. Mit dem zu LVwG-AV-146-2020 angefochtenen Bescheid vom 18. Dezember 2019, Zl. ***, wurden der Hauptantrag und die Eventualanträge der B AG vom 18. Mai 2018 hinsichtlich der Eisenbahnkreuzung in km *** abgewiesen. In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass durch den Bescheid vom 22. März 2016 festgelegt worden sei, dass die bisherige Art der Sicherung beibehalten werden könne. Die Umschreibung der Sicherungsart sei lediglich sprachlich an die Terminologie der EisbKrV angepasst worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 18. Februar 2015 ausgesprochen, dass diesfalls die sinngemäße Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG nicht zum Tragen komme.

 

1.17. Mit dem zu LVwG-AV-165-2020 angefochtenen Bescheid vom 10. Jänner 2020, Zl. Zl. ***, wurden der Hauptantrag und die Eventualanträge der B AG vom 18. Mai 2018 auch hinsichtlich der Eisenbahnkreuzung in km *** abgewiesen. Durch den Bescheid vom 25. Februar 2016 sei wiederum festgelegt worden, dass die bisherige Art der Sicherung beibehalten werden könne. Im Übrigen deckt sich die Begründung mit jener des Bescheides vom 18. Dezember 2019.

 

1.18. Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden der B AG vom 13. bzw. 24. Jänner 2020, in denen diese ihre bisherigen rechtlichen Ausführungen im Wesentlichen wiederholt. Sie beantragt, das Landesverwaltungs-gericht möge ihrem Antrag vom 18. Mai 2018 (in eventu im gesetzlichen Ausmaß) Folge geben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

 

Die Beschwerden wurden dem Landesverwaltungsgericht am 29. Jänner bzw. am 4. Februar 2020 vorgelegt.

 

2. Die Verfahren LVwG-AV-162-2020 und LVwG-AV-167-2020 betreffen die Kostenbestimmung und ‑aufteilung für die Eisenbahnkreuzungen in km *** und km *** derselben Eisenbahnstrecke mit vom Land Niederösterreich erhaltenen Landesstraßen (*** bzw. ***).

 

2.1. Am 29. Februar 2016 (eine weitere im Akt einliegende Bescheidausfertigung trägt das Datum 3. März 2016) erließ die belangte Behörde einen Bescheid, mit dem für die Eisenbahnkreuzung in km *** gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV eine Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken vorgeschrieben wurde. Im Spruch ist ausdrücklich festgehalten, dass der vorhandene Schranken wie bisher gemäß § 4 Abs. 2 EisbKrV als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen ist und beibehalten werden kann. Änderungen wurden nicht für erforderlich erachtet, daher wurde keine Leistungsfrist gesetzt. Die Eisenbahnkreuzung war zuvor auf Grund eines Bescheids der belangten Behörde vom 22. April 2002 durch eine Vollschrankenanlage mit Lichtzeichen gesichert. Die Einschaltung erfolgt voll fahrtbewirkt mittels Einschaltstellen.

 

2.2. Am 22 März 2016 erging ein weiterer Bescheid der belangten Behörde, mit dem für die Eisenbahnkreuzung in km *** (über die auch Züge der Bahnstrecke *** – *** verkehren) gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV eine Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken vorgeschrieben wurde, wobei die Sicherungsanlage als Lichtzeichen mit Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen sei (Spruchpunkt I.). Die Eisenbahnkreuzung war zuvor auf Grund eines Bescheids der belangten Behörde vom 29. März 2006 durch eine Vollschrankenanlage mit Lichtzeichen gesichert. Die Einschaltung erfolgt in Fahrtrichtung *** fahrtbewirkt durch Einschaltstellen, in die andere Richtung (also Richtung *** bzw. ***) manuell durch den Fahrdienst-leiter im Bahnhof ***. Für die Ausführung wurde hier eine Frist bis 31. Mai 2018 gesetzt, weil der Amtssachverständige eine Verlegung der Einschalt-stelle auf der Strecke von *** für erforderlich erachtet hatte (Spruchpunkt II.).

 

2.3. Beide Bescheide wurden der B AG sowie dem Land Niederösterreich zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde von ihnen nicht erhoben.

 

2.4. Am 22. Februar 2019 stellte die B AG bei der belangten Behörde den Antrag, diese möge entscheiden, dass das Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 des Eisenbahngesetzes (EisbG) 50 % der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung dieser (und weiterer) Eisenbahnkreuzungen im Sinne von § 48 Abs. 2 EisbG zu tragen habe. In eventu wurde eine Entscheidung, in welchem Ausmaß die Gesamtkosten von den Verkehrsträgern zu tragen sind, in eventu dazu, welche Kosten das Land zu tragen habe, beantragt.

 

Die belangte Behörde übermittelte diesen Antrag am 7. März 2019 an das Land (Abteilung Landesstraßenbau und -verwaltung) mit dem Ersuchen um Stellungnahme.

 

2.5. Dieses äußerte sich am 29. August 2019 ablehnend zum Antrag. Begründet wurde dies damit, dass die Voraussetzungen für eine behördliche Entscheidung noch nicht vorlägen, weil noch keine Gespräche zur Herstellung eines Einvernehmens stattgefunden hätten, was nach § 48 Abs. 2 EisbG Voraussetzung für ein Verfahren sei. Außerdem lägen die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Kostentragung durch den Straßenerhalter nicht vor. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft angegebenen Kosten seien nicht nachvollziehbar.

 

2.6. Die belangte Behörde übermittelte am 12. September 2019 diese Stellung-nahme an die B AG. Diese wurde außerdem unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 2019, Ro 2018/03/0050, und vom 26. Juni 2019, Ra 2019/03/0012, aufgefordert, binnen drei Wochen bekannt zu geben, ob der verfahrenseinleitende Antrag aufrechterhalten werde.

 

2.7. Die Gesellschaft brachte dazu in ihrer Äußerung vom 8. Oktober 2019 vor, dass die technische Nutzungsdauer der Eisenbahnkreuzungen bereits zu 2/3 bzw. zur Hälfte abgelaufen sei. Dies müsse zumindest anteilig berücksichtigt werden, weil bei gänzlichem Ablauf der Nutzungsdauer eine Neuerrichtung vorliegen würde, die eine Kostenaufteilung nach sich zöge. Ansonsten komme es zu einer unbilligen Bevorzugung des Straßenerhalters.

 

2.8. Mit dem zu LVwG-AV-167-2020 angefochtenen Bescheid vom 9. Jänner 2020 wurden der Hauptantrag und die Eventualanträge der B AG vom 22. Februar 2019 hinsichtlich der Eisenbahnkreuzung in km *** abgewiesen.

 

2.9. Mit dem zu LVwG-AV-162-2020 angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 2020 wurde dasselbe auch hinsichtlich der Eisenbahnkreuzung in km *** ausgesprochen.

 

Die Begründung beider Bescheide deckt sich im Wesentlichen mit jener des Bescheides vom 18. Dezember 2019 (oben 1.16.).

 

2.10. Gegen diese beiden Bescheide richten sich die beiden Beschwerden der B AG vom 24. Jänner 2020, in denen die Gesellschaft wiederum im Wesentlichen ihre bisherige rechtliche Argumentation wiederholt. Sie beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge ihrem Antrag vom 22. Februar 2019 (in eventu im gesetzlichen Ausmaß) Folge geben, in eventu den angefochtenen Bescheid auf-heben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

 

2.11. Beide Beschwerden wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von der belangten Behörde am 4. Februar 2020 vorgelegt.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter anderem aus Anlass all dieser Beschwerdeverfahren mit Beschlüssen vom 25. Juli 2019, vom 5. Februar 2020 und vom 14. Februar 2020 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den Schlussteil des § 49 Abs. 2 EisbG, in eventu § 49 Abs. 2 zur Gänze sowie § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG (ebenfalls zur Gänze), als gesetzwidrig aufzuheben.

 

Diese Anträge wurden vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. Februar 2020, ***, hinsichtlich des Hauptantrages (wegen zu geringen Anfechtungsumfanges) als unzulässig zurückgewiesen, und hinsichtlich des Eventualantrages abgewiesen. In der Begründung hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass eine verfassungskonforme Interpretation der vom Landesverwaltungs-gericht als verfassungswidrig erachteten Rechtsvorschriften möglich sei, jedoch nur dann, wenn entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Trägern der Straßenbaulast im Verfahren über die Sicherung der Eisenbahnkreuzung Parteistellung zuerkannt werde.

 

Dieses Erkenntnis wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 24. März 2020 zugestellt.

 

4. Das Land Niederösterreich erstattete am 29. Mai 2020 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme, in welchem es im Ergebnis die Auffassung vertrat, die Abweisung des Antrages der B AG vom 22. Februar 2019 sei hinsichtlich der Kreuzungen in km *** und *** zu Recht erfolgt. Sollte dies aber anders beurteilt werden, so könne das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Höhe der Kosten nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Das Land beantragte die Abweisung der beiden Beschwerden.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte in sämtlichen Beschwerdesachen am 5. Juni 2020 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durch. An dieser nahmen der Rechtsvertreter der Stadtgemeinde ***, der Rechtsvertreter sowie weiterer Vertreter der B AG und der Rechtsvertreter sowie ein weiterer Vertreter des Landes Niederösterreich teil. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern.

 

5.1. Zu Beginn der Verhandlung erklärten die Vertreter der B AG, diese wolle ihre verfahrenseinleitenden Anträge konkretisieren. Beantragt werde die Bestimmung der Kosten der Errichtung der Sicherungsanlage samt Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung sowie kumulativ die Aufteilung der Kosten im Verhältnis 50:50, in eventu im gesetzlichem Ausmaß.

 

5.2. In der Verhandlung wurde mit den Parteien der soeben dargestellte Sachverhalt und Verfahrensgang anhand des Akteninhalts und der angefochtenen Bescheide erörtert und von keiner der anwesenden Parteien in Frage gestellt. Es wurde auch klargestellt, dass einvernehmliche Regelungen über die Kostentragung bisher nicht erzielt werden konnten. Seitens der Stadtgemeinde *** und des Landes Niederösterreich bestand auch aktuell keine Bereitschaft dazu.

 

Unstrittig ist, dass hinsichtlich sämtlicher Kreuzungen Sicherungsbescheide vorliegen, die nach dem 31. März 2002 (Inkrafttreten des § 48 EisbG idF des Deregulierungsgesetzes 2001) erlassen wurden und von der zuvor vorgesehenen Sicherung abweichen (konkret eine „höhere“ Sicherung anordnen, also zB eine Lichtzeichenanlage mit Schranken anstatt zuvor nur eine Lichtzeichenanlage oder eine Sicherung durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus).

 

Daher kann der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt und Verfahrensgang als unstrittig angesehen werden.

 

5.3. Nach Schluss der Verhandlung hat das Gericht das vorliegende Erkenntnis mündlich verkündet. Sämtliche anwesende Parteien stellten sogleich einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

 

Am 25. Juni 2020 beantragte auch die belangte Behörde eine schriftliche Ausfertigung.

II. Rechtsvorschriften

 

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, lauten:

„[…]

Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

[…]

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren […]

[…]

Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

[…]

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

Prüfungsumfang

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid […] auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) […] zu überprüfen.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]

 

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51 idF BGBl. 58/2018, lauten:

„[…]

Anbringen

§ 13. […]

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

[…]

§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

§ 39. […]

(2) Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

[…]

§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

[…]“

 

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. 60 idF BGBl. I 137/2015, lauten:

„[…]

4. Teil

Kreuzungen mit Verkehrswegen, Eisenbahnübergänge

1. Hauptstück

Bauliche Umgestaltung von Verkehrswegen, Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge

Anordnung der baulichen Umgestaltung und der Auflassung

§ 48. (1) Die Behörde hat auf Antrag eines zum Bau und zum Betrieb von Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahnen mit beschränkt-öffentlichem Verkehr berechtigten Eisenbahnunternehmens oder eines Trägers der Straßenbaulast anzuordnen:

1. an einer bestehenden Kreuzung zwischen einer Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, wenn dies zur besseren Abwicklung des sich kreuzenden Verkehrs erforderlich und den Verkehrsträgern (Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast) wirtschaftlich zumutbar ist;

2. die Auflassung eines oder mehrerer in einem Gemeindegebiet gelegener schienengleicher Eisenbahnübergänge zwischen einer Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits, sofern das verbleibende oder das in diesem Zusammenhang umzugestaltende Wegenetz oder sonstige in diesem Zusammenhang durchzuführende Ersatzmaßnahmen den Verkehrserfordernissen entsprechen und die allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen den Verkehrsträgern (Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast) wirtschaftlich zumutbar sind.

Sie kann unter denselben Voraussetzungen eine solche Anordnung auch von Amts wegen treffen. Für die Durchführung der Anordnung ist eine Frist von mindestens zwei Jahren zu setzen.

(2) Sofern kein Einvernehmen über die Regelung der Kostentragung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast erzielt wird, sind die Kosten für die bauliche Umgestaltung der bestehenden Kreuzung, für die im Zusammenhang mit der Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder allenfalls erforderliche Durchführung sonstiger Ersatzmaßnahmen, deren künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung je zur Hälfte vom Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu tragen. Die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erforderlichen Abtragungen und allenfalls erforderlichen Absperrungen beiderseits der Eisenbahn sind zur Gänze vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Die Festlegung der Art und Weise allenfalls erforderlicher Absperrungen beiderseits der Eisenbahn hat im Einvernehmen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu erfolgen.

(3) Falls es das Eisenbahnunternehmen oder der Träger der Straßenbaulast beantragen, hat die Behörde ohne Berücksichtigung der im Abs. 2 festgelegten Kostentragungsregelung zu entscheiden,

1. welche Kosten infolge der technischen Anpassung der baulichen Umgestaltung (Abs. 1 Z 1) im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der Kreuzung erwachsen, oder

2. welche Kosten für eine allfällige Umgestaltung des Wegenetzes oder für die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der verbleibenden oder baulich umzugestaltenden Kreuzungen zwischen Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits infolge der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erwachsen, und demgemäß in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen sind und in welchem Ausmaß das Eisenbahnunternehmen und der Träger der Straßenbaulast die durch die bauliche Umgestaltung oder durch die Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges und die durch die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung der umgestalteten Anlagen oder durchgeführten Ersatzmaßnahmen erwachsenden Kosten zu tragen haben. Diese Festsetzung ist nach Maßgabe der seit der Erteilung der Baugenehmigung für die Kreuzung eingetretenen Änderung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der durch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, der durch die nach Auflassung verbleibenden oder im Zusammenhang mit der Auflassung baulich umgestalteten Kreuzungen, des umgestalteten Wegenetzes und der durchgeführten Ersatzmaßnahmen erzielten Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der hierdurch erzielten allfälligen Ersparnisse und der im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers aufgewendeten Mehrkosten zu treffen. Eine derartige Antragstellung ist nur innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft einer Anordnung nach Abs. 1 zulässig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Eisenbahnunternehmen und vom Träger der Straßenbaulast zu tragenden Kosten gilt die im Abs. 2 festgelegte Kostentragungsregelung.

(4) Die Behörde hat sich bei der Kostenfestsetzung des Gutachtens einer Sachverständigenkommission zu bedienen. Die Geschäftsführung der Sachverständigenkommission obliegt der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH. Die Sachverständigenkommission besteht aus einem Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen. Die Mitglieder und die Ersatzmitglieder sind vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu bestellen. Der Vorsitzende (Ersatzmitglied) muss rechtskundig sein. Von den weiteren Mitgliedern muss eines eine technische Fachperson des Eisenbahnwesens sowie eines eine technische Fachperson des Straßenwesens sein. Bei Kreuzungen mit Straßen, die nicht Bundesstraßen sind, soll die Fachperson des Straßenwesens mit dem Straßenwesen des in Betracht kommenden Landes besonders vertraut sein. Die Mitglieder der Sachverständigenkommission haben Anspruch auf Ersatz der angemessenen Reisekosten und Barauslagen sowie auf ein Sitzungsgeld. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen unter Bedachtnahme auf den Umfang der von der Sachverständigenkommission wahrzunehmenden Gutachtenstätigkeit durch Verordnung pauschalierte Beträge für das Sitzungsgeld der Mitglieder festlegen.

2. Hauptstück

Schienengleiche Eisenbahnübergänge

Sicherung und Verhalten bei Annäherung und Übersetzung

§ 49. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie setzt durch Verordnung fest, in welcher Weise schienengleiche Eisenbahnübergänge nach dem jeweiligen Stand der Technik einerseits und nach den Bedürfnissen des Verkehrs andererseits entsprechend zu sichern sind und inwieweit bestehende Sicherungseinrichtungen an schienengleichen Eisenbahnübergängen weiterbelassen werden dürfen. […]

(2) Über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung hat die Behörde nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden, wobei die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden sind, dass die Kosten der Sicherungseinrichtungen für Materialbahnen, ausgenommen solche mit beschränkt-öffentlichem Verkehr, vom Eisenbahnunternehmen alleine zu tragen sind, sofern nicht eine andere Vereinbarung besteht oder getroffen wird.

[…]“

III. Rechtliche Beurteilung

 

1. Verbindung der Verfahren

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

 

2. Parteistellung in den Sicherungsverfahren und Rechtskraft der Sicherungsbescheide

 

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Februar 2020 die Rechtsauffassung vertreten, eine verfassungskonforme Auslegung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 7 B‑VG, Art. 2 StGG) müsse zu dem Ergebnis führen, dass entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Träger der Straßenbaulast Parteistellung im Verfahren nach dem ersten Halbsatz des § 49 Abs. 2 EisbG über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung einer Eisenbahnkreuzung zukomme.

 

Dieser Rechtsauffassung schließt sich auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich an.

 

2.2. Allerdings wurden sämtliche Sicherungsbescheide unbestritten auch dem jeweils in Betracht kommenden Träger der Straßenbaulast (Stadtgemeinde *** bzw. Land Niederösterreich) zugestellt. Nachdem weder diese noch die B AG gegen die Bescheide Beschwerde erhoben haben, sind diese für sämtliche Parteien rechtskräftig geworden. Diese waren daher im Kostenverfahren an den Ausspruch über die Sicherung gemäß § 38 zweiter Satz AVG gebunden. Dieselbe Bindungswirkung gilt nunmehr im Beschwerdeverfahren gegen die Kostenbescheide auf Grund des § 17 VwGVG für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

 

3. Inhalt und Zulässigkeit der Anträge der B AG im Verwaltungsverfahren

 

3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird im antragsgebundenen Verfahren der Prozessgegenstand durch den Inhalt des Antrags (im vorliegenden Fall der Anträge) determiniert, wobei zu beachten ist, dass es für die Frage des Inhalts eines Antrags als Prozesshandlung lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den – davon abweichenden – tatsächlichen Willen des Antragstellers ankommt (VwGH 22.06.2011, 2007/04/0037, mwN). Die Behörde darf über den Antrag nicht hinausgehen (VwGH 26.02.1996, 94/10/0147, mwN). Daher ist zunächst auf den Inhalt der von der B im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge einzugehen und deren Zulässigkeit zu prüfen.

 

3.2. Die – fast wortgleichen – Hauptanträge in den verfahrenseinleitenden Anträgen der Gesellschaft vom 18. Mai 2018 bzw. vom 22. Februar 2019 stützen sich auf § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG (Antrag vom 18.05.2018) bzw. auf § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG (Antrag vom 22.02.2019) und sind ihrem Inhalt nach darauf gerichtet, dem Träger der Straßenbaulast (Stadtgemeinde *** bzw. Land Niederösterreich) „im Sinne von § 48 Abs. 2 EisbG“ die Tragung der Hälfte der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzung aufzuerlegen. Die Anträge enthalten also jedenfalls kein Begehren auf eine Entscheidung über die Höhe der Kosten (ein solches findet sich allenfalls erst im zweiten Eventualantrag).

 

3.3. Der gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 2 EisbG vorgehende und die verwaltungsbehördliche Entscheidungszuständigkeit ausschließende vertragliche Vereinbarungen über die Kostentragung für die Sicherung der Eisenbahnkreuzungen zwischen der B AG und der Stadtgemeinde *** bzw. dem Land Niederösterreich liegen nicht vor. Die belangte Behörde war daher für die Entscheidung über die auf § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG gestützten Anträge zuständig (OGH 17.07.2014, 4 Ob 122/14s; VfSlg. 20.061/2016, VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0033).

 

3.4. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2018/03/0050, zu einem Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG ausgesprochen, dass sich dieser auch auf ein Begehren bloß über die prozentuelle Aufteilung der Kosten beschränken kann. Davon ist daher auch bei einem auf § 48 Abs. 2 EisbG gestützten Antrag auszugehen. Ein solcherart beschränktes Begehren steht also der Zulässigkeit des Antrages nicht entgegen. Es ist nicht unmittelbar auf eine der Höhe nach bestimmte Leistung iSd § 59 Abs. 2 AVG gerichtet, sondern auf eine bloße Rechtsgestaltung zwischen den Verkehrsträgern.

 

3.5. Die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruches nach § 48 Abs. 2 EisbG ist – wie sich wiederum aus den vorzitierten Entscheidungen des OGH und des VfGH ergibt – im Gegensatz zum Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG an keine Frist gebunden. Da weiters sämtliche den nunmehr auf Grundlage der EisbKrV erlassenen Sicherungsbescheiden vorangehende Sicherungsbescheide nach der EKVO 1961, die inhaltlich dieselbe Art der Sicherung vorsehen, nach dem 31. März 2002, also nach Inkrafttreten des § 48 Abs. 2 EisbG idF des Deregulierungsgesetzes 2001, erlassen wurden, steht auch die Rechtskraft einer (unterbliebenen) Kostenent-scheidung nach der früheren Rechtslage einer nunmehrigen Kostenentscheidung nicht entgegen (vgl. dazu VwGH 26.06.2019, Ra 2019/03/0012, mwN).

 

3.6. Die Anträge der Gesellschaft vom 18. Mai 2018 bzw. vom 22. Februar 2019 waren daher jedenfalls hinsichtlich des jeweiligen Hauptantrages zulässig.

 

4. Inhaltliche Prüfung der Hauptanträge der B AG

 

Da eine der gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 2 EisbG vorgehende vertragliche Vereinbarung zwischen den beschwerdeführenden Parteien nicht vorliegt und auch keine der Parteien rechtzeitig einen Antrag auf eine abweichende behördliche Entscheidung nach § 48 Abs. 3 EisbG gestellt hat, kommt § 48 Abs. 2 EisbG uneingeschränkt zur Anwendung.

 

Die belangte Behörde hat in sämtlichen Fällen die Anträge nur nach § 48 Abs. 3 EisbG geprüft. In den Fällen, in denen sie die Anträge abgewiesen hat, hat sie dies mit der fehlenden inhaltlichen Änderung der Sicherungsart durch die auf Grundlage der EisbKrV erlassenen Sicherungsbescheide gegenüber jenen nach der EKVO 1961 begründet. Eine solche Änderung ist jedoch nur im Hinblick auf die in § 48 Abs. 3 EisbG vorgesehene Dreijahresfrist relevant, nicht jedoch nach § 48 Abs. 2 EisbG, auf den sich sämtliche verfahrenseinleitende Anträge gestützt haben.

 

In Betracht käme im Hinblick auf den – ungeachtet der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit – privatrechtlichen Charakter des Anspruchs (vgl. § 1 ABGB) allenfalls eine Verjährung nach den Bestimmungen des ABGB, die aber von keinem beteiligten Träger der Straßenbaulast behauptet wurde. Sie wäre im Detail auch erst im Falle eines Antrages auf Zuerkennung eines (der Höhe nach) bestimmten Kostenbeitrages zu prüfen.

 

Die Hauptanträge der B AG vom 18. Mai 2018 bzw. vom 22. Februar 2019 sind somit hinsichtlich sämtlicher Eisenbahnkreuzungen berechtigt.

 

Auf die Eventualanträge hatte die belangte Behörde daher nicht einzugehen (VwGH 09.09.2015, Ro 2014/03/0023, mwN). Dasselbe gilt für das Landeverwaltungsgericht Niederösterreich im Beschwerdeverfahren.

 

5. Beschwerdebegehren und „Konkretisierung“ der Anträge der B AG in der mündlichen Verhandlung

 

5.1. Die B AG hat in ihren Beschwerden gegen die abweisenden Bescheide vom 18. Dezember 2019 sowie vom 9., 10. und 15. Jänner 2020 im Hauptantrag zunächst nur (iSv § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG) begehrt, ihrem jeweiligen verfahrenseinleitenden Antrag vom 18. Mai 2018 bzw. vom 22. Februar 2019 Folge zu geben.

 

5.2. Die in der mündlichen Verhandlung von der B AG vorgenommene „Präzisierung“ ihrer verfahrenseinleitenden Anträge in der Weise, dass auch eine Bestimmung der Kosten der Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung begehrt werde, stellt eine nach § 13 Abs. 8 zweiter Satz AVG unzulässige wesentliche Ausdehnung der verfahrenseinleitenden Anträge (und in den Verfahren LVwG-AV-146-2020, LVwG-AV-162-2020, LVwG-AV-165-2020 sowie LVwG-AV-167-2020, in denen die B AG als beschwerdeführende Gesellschaft auftritt auch der mit den verfahrenseinleitenden Anträgen übereinstimmenden Beschwerdeanträge) dar.

 

5.3. Diese Antragsausdehnungen auf die Bestimmung der Kosten sind von den ursprünglichen verfahrenseinleitenden Anträgen iSd § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG trennbar (vgl. wiederum das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.05.2019). Weiters hat die Gesellschaft mit der Formulierung der Anträge in der Verhandlung klargestellt, dass die ursprünglichen Anträge „kumulativ“ aufrecht bleiben sollen. Daher war die Antragsausdehnung in diesem Falls nicht als konkludente Zurückziehung der ursprünglichen Anträge zu deuten (vgl. demgegenüber VwGH 24.06.2015, 2015/10/0043, mwN, wo es um eine untrennbare Antragsausdehnung geht).

 

5.4. Auf die unzulässigen Antragsteile ist jedoch vom Verwaltungsgericht mangels Zuständigkeit nicht näher einzugehen. Diese wurden bereits gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG mit der Verhandlungsschrift (vgl. Pkt. 6.3. der mündlich verkündeten Entscheidungsgründe) an die belangte Behörde weitergeleitet.

 

6. Ergebnisse für die Beschwerdeverfahren

 

6.1. In den Beschwerdesachen LVwG-AV-660 und 661-2019 hat die belangte Behörde dem (Haupt‑)Antrag der B AG zu entscheiden, dass die Stadtgemeinde die Hälfte der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzung zu tragen hat, im Ergebnis zu Recht entsprochen. Insoweit waren die Beschwerden der Stadtgemeinde *** also unbegründet. Freilich lieg die materiell-rechtliche Grundlage dieses Anspruches in § 48 Abs. 2 EisbG, sodass sich eine Prüfung nach § 48 Abs. 3 leg.cit. erübrigt hätte.

 

Nachdem die belangte Behörde dem Hauptantrag der Gesellschaft vollinhaltlich entsprochen hat, hatte sie allerdings auf die Eventualanträge nicht einzugehen. Diese konnten somit ebensowenig eine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes über einen bescheidmäßigen Ausspruch über das prozentuelle Ausmaß der Kostentragung hinaus bewirken wie die in der mündlichen Verhandlung von der B AG vorgenommenen unzulässigen Antragsausdehnungen. Im Übrigen enthielten selbst die Eventualanträge bzw. die Antragsausdehnungen kein Begehren auf Vorschreibung einer Zahlungsverpflichtung an die Stadtgemeinde (sondern nur auf Kostenbestimmung).

 

Für sämtliche Aussprüche in diesen beiden angefochtenen Bescheiden, die die Höhe der Kosten für die Sicherung der Eisenbahnkreuzungen und ihre Vorschreibung an die Stadtgemeinde betreffen, war die belangte Behörde somit unzuständig. (VwGH 09.09.2015, Ro 2014/03/0023, mwN). Sie waren daher schon gemäß § 27 erster Halbsatz VwGVG auf Grund der Beschwerden der Stadtgemeinde *** ersatzlos zu beheben.

 

Insoweit war den Beschwerden der Stadtgemeinde daher Folge zu geben. Die verbleibenden Sprüche waren der sprachlichen Klarheit halber (vgl. § 17 VwGVG iVm § 59 Abs. 1 AVG) neu zu formulieren.

 

6.2. In den übrigen Beschwerdefällen hat die belangte Behörde die Anträge der B AG zu Unrecht abgewiesen, weil sie diese als Anträge nach § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 3 EisbG behandelt hat und von einer Verfristung ausgegangen ist. Die Anträge stützten sich aber auf § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 EisbG und wären daher auch als solche zu behandeln gewesen. Anträge nach § 48 Abs. 2 EisbG sind anders als solche nach Abs. 3 aber nicht fristgebunden. Den Beschwerden der Gesellschaft – mit denen lediglich beantragt wird, den verfahrenseinleitenden Anträgen stattzugeben – war daher (zur Gänze) Folge zu geben.

 

Die erst in der mündlichen Verhandlung von der Gesellschaft vorgenommenen Antragsausdehnungen waren nach § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 8 AVG nicht zulässig, sodass darauf (abgesehen von der vorgenommenen Weiterleitung an die belangte Behörde nach § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG) nicht einzugehen war.

 

Die mit den Beschwerden zu LVwG-AV-146-2020, LVwG-AV-162-2020, LVwG-AV-165-2020 sowie LVwG-AV-167-2020 angefochtenen Bescheide waren daher allesamt dahingehend abzuändern, dass der jeweils betroffene Träger der Straßenbaulast (Stadtgemeinde *** bzw. Land Niederösterreich) die Kosten zur Hälfte zu tragen hat.

IV. Zur Unzulässigkeit der Revision

 

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die vorliegende Entscheidung weicht zwar hinsichtlich der Beurteilung der Parteistellung der Stadtgemeinde *** bzw. des Landes Niederösterreich von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die am Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2020 orientierte rechtliche Beurteilung führt aber zu keinem anderen Ergebnis, als es bei einer Beurteilung nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall wäre. Die Revision hängt also von der Lösung dieser Rechtsfrage nicht ab und wird somit ihretwegen nicht zulässig (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0033).

 

Im Übrigen beruht die Entscheidung einerseits auf dem klaren Wortlaut des § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 und 3 EisbG (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Fall etwa VwGH 27.08.2019, Ra 2018/08/0188, mwN) sowie des § 13 Abs. 8 AVG und andererseits auf der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Somit ist einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden, von der die Entscheidung nicht abweicht.

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