BVwG W142 1429141-1

BVwGW142 1429141-115.10.2014

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W142.1429141.1.00

 

Spruch:

W142 1429141-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.08.2012, Zl. 12 10.736-EAST West, beschlossen:

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 16.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen folgendes an: Er sei am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren und habe seither dort gelebt. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazare, moslemischer Schiit und ledig. Er spreche Dari. Schule habe er von 2002 bis 2009 besucht. Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF vor, dass er Afghanistan deshalb verlassen habe, da er von seinem Vater zur Arbeit gezwungen worden sei und aus diesem Grund die Schule nicht mehr besuchen habe können. Er habe für die ganze Familie den Lebensunterhalt verdienen müssen. In Österreich möchte er nun eine Schule besuchen und einen Beruf erlernen. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchtet der BF, dass er durch seinen Vater misshandelt werden würde, da er geflüchtet sei.

Am 21.08.2012 wurde der BF vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein eines beigegebenen Dolmetschers, welcher für den BF in die Sprache Dari übersetzte, niederschriftlich einvernommen. Der BF brachte im Wesentlichen vor, dass er bis jetzt die Wahrheit gesagt habe. Identitätsdokumente besitze er keine. Den Tag seiner Geburt kenne er nicht, er wisse aber, dass er im Jahr XXXX geboren und 18 Jahre alt sei. Geboren sei er im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz Parwan. Er sei ledig. Sein Wohnsitz in Afghanistan sei in Kabul, XXXX, gewesen. Er habe dort gemeinsam mit seinen Eltern gewohnt. Dort habe er bis zu seiner Ausreise vor ca. 13 Tagen gewohnt. Gearbeitet habe er als Autowäscher in Kabul. An seinem Arbeitsplatz habe er täglich von ca. 09:00 Uhr bis 16:00 Uhr gearbeitet. Mit dem Geld, das er täglich verdient habe, habe der BF Brot für zu Hause gekauft. Freizeit habe er keine gehabt. In Afghanistan würden noch sein Vater, seine Mutter, vier Brüder, zwei Onkel und eine Tante väterlicherseits und fünf Onkel und fünf Tanten mütterlicherseits leben. Ein Onkel väterlicherseits würde schon seit ca. 12 oder 13 Jahren in Deutschland leben, er habe einen deutschen Reisepass. Befragt, aus welchen Mitteln die Familie ihren Lebensunterhalt bestreiten würde, gab der BF an, dass sein Vater Gelegenheitsarbeiten durchführen würde. Die Brüder seien jünger und würden noch die Schule besuchen. Zum Vater habe der BF kein gutes Verhältnis, da dieser ihn nicht zur Schule gehen habe lassen.

Der Schlepper, der ihn bis nach Österreich gebracht habe, sei ihm von einem Mann an seiner Arbeitsstätte vermittelt worden. Dies sei ca. einen Monat vor seiner Ausreise gewesen. Bei seiner Ausreise aus Afghanistan habe der BF kein bestimmtes Ziel vor Augen gehabt. Als er hier in Österreich angekommen sei, habe er zwei Flüchtlinge kennengelernt, die nach Schweden haben reisen wollen, denen er sich anschließen habe wollen. Informationen über Schweden habe er keine. Über Österreich wisse er auch nichts. In diesem Land möchte er nun lernen, studieren und arbeiten. Mit dem Onkel väterlicherseits, der schon in Deutschland lebe, habe der BF nur 2 Mal Kontakt gehabt. Er habe ihn aus Kabul angerufen. Dies sei aber schon ca. 2 Jahre her gewesen. Befragt zu den Fluchtgründen gab der BF an, dass er von zu Hause geflüchtet sei, weil sein Vater ihn unter Druck gesetzt habe. Dieser habe ihn schlecht behandelt und habe ihn nicht in die Schule gehen lassen. Deswegen sei er geflüchtet. Weitere Gründe für das Verlassen des Heimatlandes habe er keine. Bei einer Rückkehr in die Heimat habe der BF Angst vor seinem Vater. Dieser habe ihn schlecht behandelt und wolle ihn nur zum Arbeiten ausnutzen. Der BF habe erst jetzt flüchten können, da er nun ausreichend Geld gehabt habe. Der BF habe keine Möglichkeit in einem anderen Teil seines Heimatlandes zu leben. In der Heimat könne er sowieso nicht bleiben, weil er Angst habe, dass ihn der Vater finden würde. Ohne Bedrohung durch den Vater sei der BF wirtschaftlich in der Lage sich in einem anderen Teil seines Heimatlandes niederzulassen und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Befragt, wie ihn der Vater in einer anderen Großstadt in Afghanistan finden könne, antwortete der BF, dass dieser viele Bekannte hätte. Mit dem BF wurden die Feststellungen zu Afghanistan erörtert. Dazu wollte der BF keine Stellung abgeben. Weiters wird dem BF mitgeteilt, dass der von ihm behauptete Sachverhalt nicht geeignet sei, die Gewährung von internationalem oder subsidiärem Schutz zu begründen. Zu dem könne er sich in einem anderen Teil von Afghanistan niederlassen. Über dies sei die von ihm behauptete Bedrohungssituation gänzlich unglaubhaft. Dazu brachte der BF vor, dass sein Vater ein Tyrann sei. Er würde den BF solange suchen, bis er ihn finden würde.

In einer zweiten Einvernahme am 27.08.2012 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, brachte der BF vor, dass sein Alter mit 18 Jahren falsch angegeben worden sei. Er sei im Jahr 1377 (Anmerkung des Dolmetschers: 1998) geboren. Er sei erst 16 Jahre alt. Er habe erst jetzt daran gedacht. Er selber wisse nicht ganz genau, in welchem Jahr er geboren sei, aber er sei 16 Jahre alt. Auf den Vorhalt, dass das Bundesasylamt davon ausgehe, dass die nunmehrige Behauptung gänzlich unwahr sei und somit eine Schutzbehauptung darstelle, um den Status eines unbegleiteten Minderjährigen zu erlangen, gab der BF keine Antwort. Er wolle dazu auch nichts angeben. Auf die Frage woher er so genau wisse, dass er auf keinen Fall 18 Jahre sei, gab der BF an, dass er im Jahr 1377 (Anmerkung: 1998) geboren sei. Welches Jahr nach dem afghanischen Kalender sei, wisse er nicht. Auf die Frage, woher er wisse, dass er jetzt 16 Jahre alt sei, gab der BF erneut keine Antwort. Der BF gehe davon aus, dass jetzt das Jahr 1393 (Anmerkung: 2014) sei. Selbst wenn der BF im Jahr 1377 geboren worden sei, dann wäre sein aktuelles Alter überhaupt erst 14 Jahre. Auf den Vorhalt, warum der BF sein wahres Alter nicht schon bei der ersten Einvernahme angegeben habe, gab dieser an, dass er nicht daran gedacht habe. Auf die Frage der Rechtsberaterin, ob der BF Geburtsurkunden oder andere Unterlagen, die sein Alter beweisen könnten, vorlegen könne, antwortete der BF, dass er keine Unterlagen besitze.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 28.08.2012, zugestellt am 28.08.2012, den Antrag des BFs auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und wies den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Person des BFs, zur Lage in seinem Herkunftsstaat, zur Situation im Falle einer Rückkehr des BFs in sein Herkunftsland, sowie folgende Feststellung für das Verlassen des Herkunftslandes (Auszug aus den Bescheidfeststellungen, siehe AS 193): "Sie haben das Verlassen von Afghanistan mit Ausnützung und schlechter Behandlung durch Ihren Vater sowie dem Wunsch nach einem Schulbesuch und Arbeit in Schweden begründet. Sie haben dazu keinerlei konkrete Vorfälle zu nennen vermocht und jegliche weiteren Gründe für das Verlassen von Afghanistan ausdrücklich verneint. Es konnte kein fluchtauslösendes Ereignis festgestellt werden. Ihr Vorbringen ist nicht geeignet, die Gewährung von internationalem oder subsidiärem Schutz zu begründen. Darüber hinaus hat sich die von Ihnen behauptete Bedrohungssituation als offensichtlich nicht zu den Tatsachen entsprechend erwiesen. Es konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung im Sinne der GFK ausgesetzt wären. Eine Rückkehr nach Afghanistan ist Ihnen zumutbar und möglich. Sie verfügen über ausreichend familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Ihrem Heimatland. Es leben dort nach wie vor Ihr Vater, Ihre Mutter und Ihre vier jüngeren Brüder, sieben Onkel und sechs Tanten, sowie laut Ihren Angaben in der Erstbefragung auch eine Schwester." Das Bundesasylamt kam sohin zum Schluss, dass der BF die Gefahr einer aktuell drohenden Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen bzw. eine wohlbegründete Furcht vor einer solchen nicht glaubhaft gemacht habe. Aus dem Vorbringen des BFs, dass er von seinem Vater ausgenützt worden sei und den Wunsch gehabt habe, in Schweden eine Schule zu besuchen und dort zu arbeiten, sei keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen oder eine Bedrohung, welche die Gewährung subsidiären Schutz begründen würde, zu entnehmen. Insbesondere stünden die Angaben des BFs, dass er innerhalb der vergangenen 4 Jahre in der Lage gewesen sei, Brot für die Familie zu kaufen und daneben 5000 US $ zu ersparen, im kompletten Widerspruch zur Ausnützung bzw. Bedrohung durch den Vater. Die Feststellungen zur Situation im Falle der Rückkehr in das Heimatland würden sich aus den eigenen Angaben des BFs sowie dem Akteninhalt ergeben. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des BFs wäre davon auszugehen, dass er sich in einem anderen Teil des Heimatlandes niederlassen und sich so der Bedrohung entziehen könne. Der BF sei in einem erwerbsfähigen Alter und habe auch schon gearbeitet. Er sei sohin in der Lage seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zusätzlich habe der BF familiäre Anknüpfungspunkte in der Heimat. Jedenfalls habe der BF die Möglichkeit sich in andere Teile seines Heimatlandes zu begeben.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.08.2012 wurde dem BF gemäß § 66 Abs. 1 AsylG die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof amtswegig beigegeben.

Mit dem am 06.09.2012 beim Bundesasylamt eingebrachten Schriftsatz erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt oder in eventu der Status eines subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt oder der angefochtene Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamtes rückverwiesen werde.

In der Beschwerde führte der BF aus, dass das Bundesasylamt das Verfahren nur mangelhaft durchgeführt habe. Es seien keine Nachforschungen in Bezug auf die Fluchtgründe des BFs durchgeführt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Behörde das gesamte Vorbringen als unglaubwürdig abgetan hätte. Zur Sicherheitslage in Afghanistan führte der BF aus, dass im ganzen Land keine ausreichende Sicherheit und staatlicher Schutz vorhanden wäre. Dabei berief er sich auf einen Lagebericht von Martin Baraki zur allgemeinen Lage in Afghanistan. Weiters fürchtet der BF um sein Leben, wodurch die Gewährung von subsidiärem Schutz nötig sei.

Am 08.02.2013 langte ein übersetztes Schreiben aus der Sprache Dari ins Deutsche beim Asylgerichtshof ein, indem der BF noch einmal die Ausreiseproblematik darlegt. Am 08.10.2013 langte ein Schreiben des Gemeindeamtes XXXX ein, in dem die gemeinnützige Arbeit des BFs für April, Mai, Juli, August 2013 bestätigt wurde.

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2014 brachte der BF vor, dass er seit seiner Geburt bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise in Afghanistan, Kabul, gelebt habe. Er habe im Oktober 2012 das Land verlassen. Er habe noch Verwandte in Afghanistan (seine Mutter und seine 4 Brüder leben in Kabul). Der Vater sei nicht mehr am Leben. Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes, gab der BF an, dass er beim ersten Mal falsche Informationen bekommen habe. Damals habe er gesagt, dass sein Vater und er selbst normale Arbeiter gewesen seien. Er möchte dies nun korrigieren. Sein Vater habe im Staatsapparat gearbeitet. Er habe Jus studiert und habe auch in diesem Bereich gearbeitet und zwar bei einer Polizeiabteilung für Strafsachen (Polizeistation XXXX in Kabul). XXXX bedeutet, dass diese Polizeistation für einen bestimmten Distrikt zuständig gewesen sei. Dieser Distrikt heiße XXXX. Gestorben sei er am XXXX. Der Vater sei von einem weitentfernten Verwandten väterlicherseits ermordet worden. Er sei eifersüchtig gewesen, weil der Vater so eine Stelle inne gehabt habe. Ob der Vater eine leitende Funktion ausgeübt habe, konnte der BF nicht angeben. Die Familie habe ihm gesagt, dass der Vater gestorben sei. Dies habe er am 06.02.2014 telefonisch von der Mutter erfahren. Die Mutter habe den Tod des Vaters auch bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Der Tod des Vaters würde nun untersucht werden. Befragt zum Grund des Verlassens Afghanistans gab der BF an, dass es sein größter Wunsch gewesen sei, etwas zu lernen. Besonders gern habe der BF Sport, im Besonderen Boxen. Der Vater sei gegen das Boxen gewesen, obwohl der BF es so gerne machen wollte. Der BF habe ein neues Leben beginnen wollen. In Österreich, Innsbruck, habe der BF auch an 2 Meisterschaften teilgenommen. Sein größter Wunsch sei es, Boxen beruflich auszuüben. Zurzeit lerne der BF Deutsch, dürfe aber nicht in die Schule gehen. Er möchte eine Ausbildung in Österreich machen. Befragt, was bei einer Rückkehr in die Heimat passieren würde, gab der BF an, dass er nicht wisse, warum dieser Mensch so ein Feind seiner Familie geworden sei. Er habe Angst vor diesem Verwandten, der den Vater umgebracht habe. Möglicherweise würde er sonst dasselbe Schicksal wie der Vater erleiden. Dieser Verwandte sei ein mächtiger und reicher Mensch. Obwohl er den Vater getötet habe, bewege er sich noch immer frei in Afghanistan herum. Auf die Frage, warum der BF nicht schon früher erzählt habe, dass sein Vater Polizist sei, gab der BF an, dass er Angst gehabt habe, zurück nach Hause geschickt zu werden. Der BF selbst habe nicht gearbeitet und habe auch keinen Beruf erlernt. Er habe ca. 3 Jahre die Schule in Kabul besucht. Nach dem Beenden der Schule bis zu seiner Ausreise habe der BF nichts zu tun gehabt und sei arbeitslos gewesen. Der BF legte eine Bestätigung samt Übersetzung vor. Darin wird festgehalten, dass der Vater als Staatsanwalt gearbeitet hat und ermordet wurde. Weiters legte der BF Kopien der Personalausweise seiner Brüder, seiner Mutter und von seinem Vater vor. Weiters legte der BF eine Kopie seines eigenen Personalausweises vor. Verlesen und erörtert werden Berichte zur Situation in Afghanistan. Dazu gab der BF an, dass die Lage in Afghanistan generell sehr schlecht sei. Das Wählen in Afghanistan habe die Situation in Afghanistan noch schlechter gemacht. Es gäbe keine Sicherheit. In Afghanistan könne man mit Geld alles erreichen, man müsse nur bezahlen, dann wird für einen alles gemacht was man möchte. Befragt wann der BF geboren sei, gab dieser an, dass er es nicht genau wisse, es aber auf seinem Ausweis stehen würde. Weiters gab der BF an, dass Dokumente für Afghanen generell nicht wichtig seien. Außerdem sei er so mit dem Tod des Vaters beschäftigt gewesen, dass er die Dokumente nicht genau gelesen habe. Der Dolmetscher wurde ersucht, den Personalausweis des BFs zu übersetzen und mitzuteilen, welches Geburtsdatum in der Kopie des Personalausweises des BFs angegeben wurde. Im Jahr 1376 sei der BF 4 Jahre alt gewesen. 1376 sei das Jahr 1997. Das bedeutet, dass der BF ca. im Jahr 1993 geboren sein müsse. Es sei üblich, dass in den afghanischen Personalausweisen kein genaues Geburtsdatum stehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF BGBl. I 68/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Nach § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 ist das AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Gemäß § 17 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG insbesondere die Bestimmungen des AVG und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in jenem Verfahren, das dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 144/2013).

2. zu A.)

Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer in Verwaltungsstrafsachen) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Sachverhalt feststeht oder wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof betonte in seiner langjährigen Rechtsprechung zur Anwendung der hier maßgeblichen Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 AVG in Asylsachen, dass es der Funktion des Unabhängigen Bundesasylsenates als gerichtsähnliche und unabhängige "oberste Berufungsbehörde" und besonderen Garanten eines fairen Asylverfahrens im Rahmen eines zweiinstanzlichen Verfahrens widerspreche, wenn die Erstbehörde, die den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und den Asylwerber persönlich einzuvernehmen hat, ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterlässt und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Derartiges wäre etwa der Fall, wenn die Erstbehörde ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen, wodurch die Berufungsinstanz, die folglich erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages solle nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden (sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab). Dies spreche auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135).

Wenn sich auch § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG von der Regelung des § 66 Abs. 2 AVG in mancher Hinsicht unterscheidet - die letztere Bestimmung setzt im Unterschied zur ersteren ausdrücklich die Notwendigkeit einer persönlichen Einvernahme voraus -, so wohnt beiden Vorschriften im Kern der gleiche Regelungsgehalt inne, nämlich dass eine umfassende Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts im verwaltungsbehördlichen Verfahren und nicht erst im Rechtsmittelverfahren, das primär der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens dient, stattzufinden hat.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die (mit Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. I 51/2012 sowie des BVwGG geänderte) neue Rechtslage übertragen ließe, zumal keiner Erörterung bedarf, dass die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etablierten Verwaltungsgerichte erster Instanz nicht an die Stelle der Verwaltungsbehörde treten und deren Aufgaben übernehmen sollen, sondern die Kontrolle der Verwaltung (in Unterordnung unter dem Verwaltungsgerichtshof) sicherzustellen haben. Es liegt daher weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Verwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Verwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.

Das Bundesasylamt hat es im gegenständlichen Fall nicht für erforderlich erachtet, sich über die aktuelle Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers in einem ausreichenden und aktuellen Maße zu informieren, sondern sich vielmehr darauf beschränkt, veraltete Berichte aus den Jahren 2010, 2011 für seine Entscheidung heranzuziehen. Um die Situation des Antragstellers korrekt zu beurteilen, müssen detaillierte Feststellungen über die gegenwärtigen Verhältnisse in Afghanistan eingeführt werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der erstinstanzlichen Behörde zugrunde zu legen sein.

Des Weiteren legte der Beschwerdeführer ein Dokument in der Verhandlung vor, worin die Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers bestätigt und als Beruf des Vaters Staatsanwalt angegeben wurde. In der Folge müsste die Echtheit und autorisierte Ausstellung der Urkunde überprüft werden. Im Gegensatz zum bisherigen Asylgerichtshof ist das Bundesverwaltungsgericht keine "Spezialbehörde" (bzw. kein "Spezialgericht") mehr, sodass davon auszugehen ist, dass insbesondere länderspezifische Ermittlungen durch die Spezialbehörde Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedenfalls schneller und billiger durchgeführt werden können.

Darüber hinaus wurden keine Feststellungen darüber getroffen, aus welcher Provinz der Beschwerdeführer stammt und wo er gelebt hat. Dass klare und unmissverständliche Feststellungen über den bisherigen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zur Gewährleistung einer - rechtsstaatlich nachvollziehbaren - Überprüfung der Einhaltung der Garantien des Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers unerlässlich sind, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Überdies unterließ die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, wo und welche Familienangehörigen sich konkret in Afghanistan aufhalten und inwieweit diese eine Unterstützung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr bieten könnten. Diese Unterlassung erweist sich im Hinblick auf die mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides behandelten Fragen insofern als schwerer Verfahrensfehler, als in Anbetracht der gerichtsnotorischen Verhältnisse in Afghanistan die Existenz eines familiären Netzwerks, das beim Aufbau einer Lebensgrundlage nach einer Heimkehr - mangels allfälliger staatlicher Strukturen - von elementarer Bedeutung ist (vgl. zB VfGH 13.3.2013, U 2185/12 mwN). Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch die Effektivität eines familiären Netzwerks eingehend zu überprüfen (siehe z.B. VwGH 12.12.2007, 2006/19/0239). Der erwähnte Ermittlungsfehler erscheint umso gravierender, als in den Länderfeststellungen der belangten Behörde im vorliegenden Fall sogar die Risken des Fehlens familiärer Strukturen ausdrücklich erörtert werden. So hielt das Bundesasylamt fest, dass die soziale Absicherung mangels entsprechender staatlicher Strukturen traditionell in Afghanistan bei der Familie liege und könnten Rückkehrer, die auf kein soziales oder familiäres Netzwerk zurückgreifen, "auf größere Schwierigkeiten" stoßen (siehe Aktenseite 213).

Der Umfang des notwendigerweise noch durchzuführenden Ermittlungsverfahrens lässt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen, dass dessen Nachholung durch das Bundesverwaltungsgericht ein Unterlaufen des Instanzenzuges bedeuten würde und daher im vorliegenden Fall nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten administrativ-manipulativen Aufwandes - nicht gesagt werden.

Gemäß § 3 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz und § 3 Abs. 1 Z 2 BFA-Einrichtungsgesetz, jeweils BGBl. I 87/2012, ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ab 1.1.2014 für die Vollziehung des AsylG 2005 zuständig. Die Zurückverweisung hatte daher an diese Behörde zu erfolgen.

Zu B):

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der vorliegende Fall - insbesondere hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Zurückverweisung - keinerlei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft: Die Regelung des § 28 Abs. 3 VwGVG erweist sich - vor dem Hintergrund des gegenständlichen Falles - klar und eindeutig. Wie oben erwähnt ist auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG im vorliegenden Fall übertragbar. Somit weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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