VfGH G166/2020 ua

VfGHG166/2020 ua6.10.2020

Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Vlbg GemeindeG und der Landes-VolksabstimmungsG betreffend die Verbindlichkeit einer Gemeindevolksabstimmung gegen den Willen des Gemeinderats in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs und Gesetzwidrigkeit der Verordnung einer Volksabstimmung in der Gemeinde Ludesch; Unzulässigkeit des Eingriffs in das repräsentativ-demokratische System der Gemeindeselbstverwaltung durch Bindung des Gemeinderats als oberstes Organ der Selbstverwaltung an eine Gemeindevolksabstimmung; keine Aufhebung einer Bestimmung der Vlbg Landesverfassung betreffend eine – der Willensbildung des Gemeinderates zugrunde liegenden – Volksabstimmung; Aufhebung der Anordnung der Volksabstimmung betreffend die Widmung von Flächen wegen Wegfalls der gesetzlichen Grundlagen

Normen

B-VG Art43
B-VG Art117 Abs8
B-VG Art118 Abs5
B-VG Art 141 Abs1 lith
Vlbg Landesverfassung Art76
Vlbg GdG 1985 §22 Abs1
Vlbg Landes-VolksabstimmungsG §58, §59, §60, §61, §62, §63, §64 Abs1 litc, §69 Abs3
V des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26.08.2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen in Neugut"
VfGG §7 Abs1, §68 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G166.2020

 

Spruch:

I. 1. Die Wortfolge "oder es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist: a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon; zuzüglich b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon; zuzüglich c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon" in §22 Abs1 Vbg Gesetz über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz - GG.), Vbg LGBl Nr 40/1985 idF Vbg LGBl Nr 4/2012, sowie die §§58 bis 63 und §64 Abs1 litc Vbg Gesetz über das Verfahren bei Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen (Landes-Volksabstimmungsgesetz), Vbg LGBl Nr 60/1987 idF Vbg LGBl Nr 34/2018, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.

3. Der Landeshauptmann von Vorarlberg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Vorarlberger Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Die Wortfolge "entschieden oder verfügt (Volksabstimmung) und" in Art76 Vbg Verfassungsgesetz über die Verfassung des Landes Vorarlberg (Landesverfassung – L.V.), Vbg LGBl Nr 9/1999 idF Vbg LGBl Nr 2/2012, der erste Satz des §22 Abs1 Vbg Gesetz über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz – GG.), Vbg LGBl Nr 40/1985 idF Vbg LGBl Nr 4/2012, sowie §69 Abs3 Vbg Gesetz über das Verfahren bei Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen (Landes-Volksabstimmungsgesetz), Vbg LGBl Nr 60/1987 idF Vbg LGBl Nr 21/2014, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

III. 1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen im Neugut", kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 bis 10. November 2019, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Vorarlberger Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl WIII2/2019 eine auf Art141 Abs1 lith B‑VG gestützte Anfechtung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Am 23. April 2019 wurde in der Gemeinde Ludesch gemäß §58 Vbg Landes-Volksabstimmungsgesetz bei der Gemeindewahlbehörde die Durchführung einer Volksabstimmung über die "Widmung von Flächen im Neugut" beantragt. Die dieser Volksabstimmung zugrunde zu legende Frage wurde im Antrag wie folgt formuliert:

"Sollen die im Ludescher Neugut liegenden Grundstücke GST-NRN 1645, 2320, 2321, 2322, 2323, 2313, 2312, 2311/2, 2311/1 und 2310, GB Ludesch, Freihalteflächen‑Landwirtschaft (FL) bleiben?"

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Ludesch vom 17. Mai 2019 gemäß §60 Abs1 leg.cit. für zulässig erklärt. Nach Einbringung von Unterstützungserklärungen durch die Antragsteller wurde mit Bescheid der Gemeindewahlbehörde vom 20. August 2019 gemäß §62 leg.cit. die Durchführung der beantragten Volksabstimmung beschlossen. Mit der am 26. August 2019 an der Amtstafel der Gemeinde kundgemachten "Verordnung des Bürgermeisters über die Anordnung der Volksabstimmung 'Widmung von Flächen im Neugut'" wurde die Durchführung der beantragten Volksabstimmung für Sonntag, den 10. November 2019 angeordnet.

Nach der Durchführung der Volksabstimmung wurde deren Ergebnis durch die Gemeindewahlbehörde am 10. November 2019 an der Amtstafel der Gemeinde kundgemacht. Das Ergebnis lautete demnach wie folgt: Von den 1.745 gültigen Stimmen entfielen 982 auf "JA" und 763 auf "NEIN".

Mit ihrer auf Art141 Abs1 lith B‑VG gestützten Anfechtung dieses Ergebnisses begehren 15 Stimmberechtigte, die Volksabstimmung aufzuheben und das Volksabstimmungsverfahren sowie das Ergebnis der Volksabstimmung für nichtig zu erklären.

2. Bei der Behandlung dieser Anfechtung sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken einerseits ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "entschieden oder verfügt (Volksabstimmung) und" in Art76 Vbg Landesverfassung (im Folgenden: LV), des §22 Abs1 erster Satz und zweiter Satz dritter Fall Vbg Gemeindegesetz (im Folgenden: GG) sowie der §§58 bis 63, §64 Abs1 litc und §69 Abs3 Vbg Landes-Volksabstimmungsgesetz (im Folgenden: LVAG) und anderseits ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen im Neugut" entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 27. Februar 2020 beschlossen, von Amts wegen die genannten Gesetzesbestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und die genannte Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"4.1. Nach Art76 LV kann der Landesgesetzgeber vorsehen, dass Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung durch Abstimmung der Stimmberechtigten der Gemeinde 'entschieden oder verfügt' werden.

Nach §22 Abs1 letzter Fall GG kann auf Initiative einer bestimmten Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde durch eine Volksabstimmung in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches 'entschieden oder verfügt werden'. Ausgenommen hievon sind nach §22 Abs3 GG lediglich Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten. Nach §69 Abs3 LVAG tritt die Entscheidung, die den Gegenstand der Volksabstimmung bildet, an die Stelle der Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans. Sofern darüber hinaus weitere Entscheidungen notwendig sind, sind diese vom zuständigen Gemeindeorgan zu treffen. Im Gegensatz zur Volksbefragung nach §23 GG, mit der lediglich 'die Meinung der Stimmberechtigten der Gemeinde […] erfragt werden kann', und zum Volksbegehren nach §21 GG, mit dem grundsätzlich nur 'verlangt werden [kann], dass Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in bestimmter Weise erledigt werden', dürfte daher mit der Volksabstimmung nach §22 Abs1 GG verbindlich entschieden werden können. Auch die Verknüpfung eines qualifizierten Volksbegehrens nach §21 Abs4 GG mit der Volksabstimmung nach §21 Abs1 GG dürfte dies insofern nahelegen, als eine Bindungswirkung für Gemeindeorgane, einer bestimmten Entscheidung zu entsprechen, letztlich der Volksabstimmung vorbehalten bleiben dürfte. Dies dürfte auch durch die folgenden Erläuterungen zu §69 Abs3 LVAG (Selbständiger Antrag Blg. Vbg LT 3/2014, 24. GP, 11) bestätigt werden:

'Mit der vorgesehenen Änderung wird ausdrücklich klargestellt, dass das Ergebnis einer Volksabstimmung auf Gemeindeebene bindend sein soll; im Fall einer entsprechenden Fragestellung entscheiden die Stimmberechtigten anstelle der sonst zuständigen Gemeindeorgane. Anders als auf Landesebene ist dies verfassungsrechtlich zulässig (s 446 BlgNR 16. GP  7 zu Art117 Abs7 B‑VG). Soweit weitere Entscheidungen notwendig sind, sind diese vom zuständigen Gemeinde-organ zu treffen. So hat etwa im Falle einer obligatorischen Volksabstimmung nach §21 Abs4 des Gemeindegesetzes das zuständige Gemeindeorgan dem Volksbegehren Rechnung zu tragen.'

Es dürfte also möglich sein, dass das Gemeindevolk im Wege einer Volksabstimmung nach §22 Abs1 GG in sämtlichen Angelegenheiten der Landes- und Bundesvollziehung, die in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen und keinen Verwaltungsakt betreffen, der an eine bestimmte Person gerichtet ist – daher grundsätzlich sowohl in Angelegenheiten der Hoheits- als auch der Privatwirtschaftsverwaltung; im Einzelnen somit etwa auch im Bereich der Haushaltsführung und der Abgabenausschreibung sowie in Landesvollzugsangelegenheiten, bei denen der Gesetzgeber Anhörungsrechte und dergleichen vorgesehen hat –, aus eigener Initiative unmittelbar selbst Entscheidungen trifft, ohne dass das sonst zuständige Gemeindeorgan damit befasst wird oder zumindest an der Willensbildung beteiligt ist. Ebenso dürften alle Gemeindeorgane an das Ergebnis der Volksabstimmung gebunden sein. Auf Grund dieser Bindungswirkung der Volksabstimmung dürfte es dem sonst zuständigen Gemeindeorgan grundsätzlich untersagt sein, ohne Durchführung einer neuerlichen Volksabstimmung in derselben Angelegenheit eine Entscheidung zu treffen, die dem Ergebnis jener Volksabstimmung inhaltlich entgegensteht […], bzw dürfte die Pflicht bestehen, allenfalls bereits gefasste Beschlüsse, die dem Ergebnis der Volksabstimmung entgegenstehen, abzuändern oder aufzuheben (vgl §69 Abs3 LVAG).

4.2. Die eben dargelegten Bestimmungen dürften, soweit sie sich auf Angelegenheiten beziehen, die in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallen, nicht von Art117 Abs8 iVm Art118 Abs5 B‑VG gedeckt sein:

Die Bundesverfassung sieht für die Organisation der Gemeindeselbstverwaltung ein 'demokratisch-parlamentarisches System' vor (VfSlg 13.500/1993; vgl auch VfSlg 15.302/1998), in dessen Zentrum der Gemeinderat steht, der nach Art117 Abs2 B‑VG vom Gemeindevolk gewählt wird und dem nach Art118 Abs5 B‑VG alle anderen Gemeindeorgane bei der Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben verantwortlich sind.

Nach Art117 Abs8 B‑VG ist die Landesgesetzgebung ermächtigt, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches eine unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorzusehen. Durch die Einführung dieser Bestimmung mit BGBl 490/1984 sollte eine verfassungsgesetzliche Grundlage für direkt-demokratische Instrumente auch auf Gemeindeebene geschaffen werden. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (446 BlgNR 16. GP , 7) halten dazu Folgendes fest:

'Ziel dieser Bestimmung ist es, mögliche Einrichtungen und zum Teil derzeit bereits praktizierte Formen direkter Demokratie auf Gemeindeebene bundesverfassungsgesetzlich abzusichern.

Dabei soll die unmittelbare Teilnahme der zum Gemeinderat Wahlberechtigten darin bestehen, daß ihnen – wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen wird. Dagegen erfaßt der Begriff der Mitwirkung andere Formen direkter Demokratie, wie zB Volksbegehren, oder Volksbefragungen.

[…]' (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

Aus diesen Erläuterungen dürfte jedoch nicht geschlossen werden können, dass sämtliche Modelle direkt-demokratischer Instrumente, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art117 Abs7 (nunmehr Abs8) B‑VG landes(verfassungs)gesetzlich vorgesehen waren, schlechthin verfassungskonform sind.

Zunächst dürfte die Aussage in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass Art117 Abs8 B‑VG auch eine 'Entscheidung [des Volkes] anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane' ermögliche, nicht so verstanden werden können, dass damit eine Volksabstimmung durchgeführt werden darf, die den Gemeinderat als oberstes Organ der Gemeindeselbstverwaltung iSd Art118 Abs5 B‑VG inhaltlich auch dann bindet, wenn dieser in der Angelegenheit, auf die sich die Volksabstimmung bezieht, oder über die Durchführung der Volksabstimmung selbst keinen Beschluss gefasst hat. Diese Annahme dürfte Art117 Abs8 B‑VG nicht entsprechen. Die darin verwendeten Begriffe der 'Teilnahme' und 'Mit-wirkung' der Wahlberechtigten dürften dies ausschließen, weil sie eine zwingende Beteiligung des Gemeinderates an der Willensbildung implizieren dürften. Dafür dürfte auch die Ausgestaltung der Gemeindeselbstverwaltung als 'demokratisch-parlamentarisches System' (VfSlg 13.500/1993) sprechen, an der sich auf Grund des unverändert gebliebenen Wortlautes des Art118 Abs5 B‑VG – und der sich daraus ergebenden Stellung des Gemeinderates – auch nach der Einführung des Art117 Abs8 B‑VG grundsätzlich nichts geändert haben dürfte. Davon dürfte auch der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 13.500/1993 ausgegangen sein:

'Diese Ermächtigung erfolgte im Hinblick auf das verfassungspolitische Anliegen der Einführung direkt-demokratischer Mitwirkungsrechte des Gemeindevolkes; ihre Existenz bestätigt das eben skizzierte Grundkonzept einer repräsentativ-demokratischen Verfassung mit jeweils ausdrücklich formulierten direkt-demokratischen Elementen.'

Schließlich dürfte dafür auch ein Vergleich zur Regelung der 'Volksgesetzgebung' sprechen, die der Verfassungsgerichtshof auf Landesebene im Hinblick auf das repräsentativ-demokratische Grundprinzip bereits für verfassungswidrig erklärt hat (vgl VfSlg 16.241/2001). Im Sinn des Homogenitätsprinzips der Bundesverfassung dürfte der in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommende Ausnahmecharakter direkt-demokratischer Elemente in der Bundesverfassung auch eine restriktive Auslegung entsprechender Bestimmungen für die Gemeindeebene, insbesondere betreffend den Gemeinderat als direkt-demokratisch legitimiertes oberstes Organ, nahelegen.

Vor diesem Hintergrund hätte eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung, Entscheidungen des Gemeindevolkes anstelle des Gemeinderates vorzusehen, eine deutlichere Entsprechung im Wortlaut des Art117 Abs8 B‑VG erfordern dürfen. Diese Bestimmung scheint demnach zwar eine verfassungsgesetzliche Klarstellung dahingehend bewirkt zu haben, dass auf Gemeindeebene direkt-demokratische Instrumente überhaupt zulässig sind. Sie dürfte jedoch keine Grundlage dafür geschaffen haben, dass in einer Angelegenheit, die in die Zuständigkeit des Gemeinderates fällt, eine verbindliche Entscheidung im Wege einer Volksabstimmung allein vom Volk unter gänzlichem Ausschluss einer Willensbildung auch des Gemeinderates getroffen wird.

Diese Gedanken dürften jedoch im Hinblick darauf, dass im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art118 Abs5 B‑VG letztlich alle Gemeindeorgane dem Gemeinderat verantwortlich, diesem gegenüber also weisungsgebunden sind, generell für Entscheidungen des Volkes anstelle von Gemeindeorganen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gelten. Die Verbindlichkeit einer Volksabstimmung für das jeweils zuständige Gemeindeorgan dürfte mit der Weisungsbindung dieses Organs an den Gemeinderat gemäß Art118 Abs5 B‑VG konkurrieren. Art117 Abs8 B‑VG dürfte daher auch keine Grundlage dafür geschaffen haben, dass Rechtsakte, die in die Zuständigkeit eines dem Gemeinderat gegenüber weisungsgebundenen Gemeindeorgans fallen, auch gegen den Willen dieses Organs bzw des Gemeinderates einer bindenden Volks-abstimmung unterzogen werden können.

Die in Prüfung gezogenen landesverfassungsgesetzlichen und landesgesetzlichen Bestimmungen dürften – bei dem zuvor dargelegten, ihnen vorläufig zugrunde gelegten Verständnis – den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art117 Abs8 iVm Art118 Abs5 B‑VG somit nicht entsprechen. Sie dürften es nämlich ermöglichen, dass in sämtlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches – mit Ausnahme von an bestimmte Personen gerichteten Verwaltungsakten –, verbindliche Entscheidungen auch unter Ausschluss einer eigenen Willensbildung des sonst zuständigen Gemeindeorgans getroffen werden können. Darüber hinaus dürfte auch die Verbindlichkeit einer Volksabstimmung, die eine gegenläufige Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ohne neuerliche Volksabstimmung auszuschließen scheint, nicht von diesen Bestimmungen gedeckt sein, da sie dem betroffenen Gemeindeorgan, sofern eine Volksabstimmung erfolgt ist, die Zuständigkeit in der jeweiligen Angelegenheit grundsätzlich entzieht.

Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass Bestimmungen wie die in Prüfung gezogenen bereits aus diesen Gründen nicht von Art117 Abs8 iVm Art118 Abs5 B‑VG gedeckt und damit verfassungswidrig sind […].

4.3. Darüber hinaus dürfte Art117 Abs8 B‑VG den Landesgesetzgeber bei der Wahrnehmung seiner Ermächtigung zur Ausgestaltung direkt-demokratischer Elemente nicht von anderen bundesverfassungsgesetzlichen Schranken, insbesondere dem Gleichheitssatz befreien (zur Maßgeblichkeit sonstiger verfassungs-rechtlicher Schranken bei Inanspruchnahme einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung durch den einfachen Gesetzgeber vgl VfSlg 20.088/2016 mwN).

4.3.1. Nach dem dargelegten vorläufigen Verständnis von §22 Abs1 GG dürfte im Wege einer Volksabstimmung insbesondere auch über die Erlassung von Rechtsakten entschieden werden können, die ansonsten vom zuständigen Gemeindeorgan in einem Verordnungsverfahren zu beschließen wären. Es dürften jedoch keine Bestimmungen vorliegen, aus denen sich ergäbe, wie in einem solchen Fall allfälligen besonderen gesetzlichen Vorschriften für das Verordnungsverfahren entsprochen werden soll, die zB Anhörungsrechte, Mitteilungspflichten etc. vorsehen. Eine Erfüllung solcher Bestimmungen durch das sonst zuständige Gemeindeorgan, etwa im Rahmen eines vor oder nach der Volksabstimmung erfolgten Verfahrens, dürfte dabei schon insofern irrelevant bzw ungeeignet sein, als das Ergebnis eines solchen Verfahrens bereits durch die Bindung an die Volksabstimmung vorgegeben sein dürfte. Die Einhaltung bzw die Erfüllung des Zwecks der genannten Verfahrensbestimmungen dürfte damit im Ergebnis nicht gewährleistet sein. Eine solche Umgehung von Verfahrensvorschriften für die Erlassung von Verordnungen dürfte unsachlich sein. Es dürfte kein Grund dafür ersichtlich sein, weshalb die Einhaltung von Verfahrensvorschriften, die zur Wahrung der Rechte Betroffener und zur Garantie einer inhaltlich richtigen Entscheidung vorgesehen sind, im Fall einer Entscheidung durch das Volk nicht zur Anwendung gelangen sollen. Dies dürfte insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung solcher Verfahrensbestimmungen anzunehmen sein, die (wie etwa im Bereich der finalen Determinierung im Raumordnungsrecht) verfassungsrechtlich geboten sind. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen aus diesem Grund verfassungswidrig sind.

4.3.2. Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung und das Berücksichtigungsgebot dürfte der Landesgesetzgeber bei der Wahrnehmung seiner Ermächtigung gemäß Art117 Abs8 B‑VG auch dazu verpflichtet sein, zu ermöglichen, dass in einem Volksabstimmungsverfahren, das auf die Erlassung eines Rechtsaktes auf Grund eines Bundesgesetzes gerichtet ist, sämtliche Vorschriften eingehalten werden, die dieses Bundesgesetz für die Erlassung des jeweiligen Rechtsaktes vorsieht.

Auf Grund der zuvor beschriebenen Umgehung von Verfahrensvorschriften im Wege eines Volksabstimmungsverfahrens […] dürften die in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Hinblick auf jene Fälle, in denen die Erlassung einer Verordnung auf Grund von Bundesgesetzen (wie etwa in einer Angelegenheit des Art11 Abs1 B‑VG) den Gegenstand einer Volksabstimmung bildet, in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreifen. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen aus diesem Grund verfassungswidrig sind.

4.4. Schließlich dürfte §22 Abs1 GG auch in Widerspruch zu Art76 LV stehen. Auf Grund der Bezugnahme dieser Bestimmung lediglich auf Angelegenheiten 'aus dem Bereich der Landesvollziehung' dürfte sie die in Art117 Abs8 B‑VG vorgesehene Ermächtigung, im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, also sowohl im Bereich der Landes- als auch der Bundesvollziehung, direkt-demokratische Elemente vorzusehen, auf den Bereich der Landesvollziehung beschränken. Damit dürfte es dem einfachen Landesgesetzgeber verwehrt sein, eine Regelung vorzusehen, nach der im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde auch in Angelegenheiten der Bundesvollziehung 'entschieden oder verfügt' wird. Dieser Vorgabe dürfte §22 Abs1 GG jedoch nicht entsprechen, weil die darin vorgesehene Volksabstimmung – mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Einschränkung – in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, somit auch in jenen aus dem Bereich der Bundesvollziehung, zulässig sein dürfte (vgl Häusler/Müller, Das Vorarlberger Gemeindegesetz5, 2015, 67). Der Verfassungsgerichtshof geht daher auch aus diesem Grund vorläufig von der Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des GG und des LVAG aus.

5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 17.341/2004, 17.967/2006, 18.556/2008, 19.270/2010, 19.448/2011, 20.000/2015) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmungen, die die Verordnung tragen, zur Folge, dass die Verordnung damit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt. Im Fall der Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des GG und des LVAG dürfte die vorläufig als Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch qualifizierte Kundmachung vom 26. August 2019 somit keine gesetzliche Grundlage haben. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogene Verordnung gesetzwidrig ist."

4. Die Vorarlberger Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"II. Zur Präjudizialität und zum Prüfungs- bzw allfälligen Aufhebungsumfang

1. Zur Präjudizialität des Art76 der Landesverfassung

[…] Da die Gemeindewahlbehörde in dem der Anfechtung zugrunde liegenden Verfahren über die Durchführung der Volksabstimmung Art76 der Landesverfassung nicht angewendet hat und zu dessen Anwendung auch nicht verpflichtet gewesen wäre, ist Art76 der Landesverfassung nicht präjudiziell.

Maßstab für die Ausgestaltung von Volksabstimmungen auf Gemeindeebene ist nicht Art76 der Landesverfassung, sondern Art117 Abs8 B‑VG. Gemäß Art117 Abs8 B‑VG kann die Landesgesetzgebung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen. Art117 Abs8 B‑VG enthält somit die verfassungsrechtliche Ermächtigung, durch einfaches Landesgesetz im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde direktdemokratische Instrumente einzurichten (Gamper, RFG 2011/16, 66), wobei deren Ausgestaltung nur innerhalb des von der Bundesverfassung gesetzten Rahmens erfolgen darf (Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 751 f). Bei den einfachgesetzlichen Bestimmungen zur direkten Demokratie in den verschiedenen Gemeindeordnungen handelt es sich demnach um Konkretisierungen des Art117 Abs8 B‑VG (Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 135).

Die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung in Art117 Abs8 B‑VG stellt jedenfalls eine ausreichende Grundlage dar, um einfachgesetzlich auf Gemeindeebene die Möglichkeit einer Volksabstimmung vorzusehen. Die Bestimmung des Art76 der Landesverfassung ist dafür nicht notwendig und somit – im Gegensatz zu Art117 Abs8 B‑VG – auch nicht die den verbindlichen Rahmen bildende Grundlage für die einfachgesetzliche Regelung der Volksabstimmung in §22 Gemeindegesetz.

Dies zeigt sich auch darin, dass Art76 der Landesverfassung erst nach der bereits erfolgten Verankerung der Volksabstimmung im Gemeindegesetz (vgl §20 der Stammfassung des Gemeindegesetzes, LGBl.Nr 45/1965) erlassen worden ist, und zwar um die Volksabstimmung 'in Gemeindeangelegenheiten auf dem Gebiet der Landesvollziehung ihrer Bedeutung entsprechend in der L.V. zu verankern' (vgl den Motivenbericht 1969, Beilage Nr 39/1968 des XX. Vorarlberger Landtages). Dass Art76 der Landesverfassung nur deklaratorischen Charakter hat, wird auch dadurch deutlich, dass in ihm das durch die Novelle des Gemeindegesetzes LGBl.Nr 35/1985 eingeführte Volksbegehren (§21 Gemeindegesetz) nicht erwähnt wird (Pernthaler/Lukasser, Das Verfassungsrecht der Österreichischen Bundesländer, Vorarlberg (1995) 277). Die direktdemokratischen Instrumente auf Gemeindeebene (Volkabstimmung, Volksbegehren, Volksbefragung) hat das Land als einfacher Gesetzgeber im Rahmen seiner Verfassungsautonomie unmittelbar gestützt auf Art115 Abs2 B‑VG geregelt und sind 'lediglich' unmittelbar an den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere am Maßstab des Art117 Abs8 B‑VG zu messen.

Daraus ergibt sich, dass Art76 der Landesverfassung nur deklaratorischen Charakter hat und – im Gegensatz zu Art117 Abs8 B‑VG – nicht inhaltlicher Maßstab für die Ausgestaltung der Volksabstimmung auf Gemeindeebene und daher auch nicht präjudiziell ist. Ergänzend ist zu bedenken, dass die Bestimmung auf die einfachgesetzliche Rechtslage Bezug nimmt, die – ohne diesbezüglichen Vorgriff durch die Landesverfassung – Volksabstimmungen vorsehen kann, die mit Willen der Gemeindevertretung oder gegen deren Willen zustande kommen können.

2. Zum Prüfungsumfang bzw allfälligen Aufhebungsumfang

[…]

Sollte der Verfassungsgerichtshof – entgegen der Auffassung der Vorarlberger Landesregierung (siehe unten Punkt III.) – zum Ergebnis kommen, dass verbindliche Willensbildungen durch Volksabstimmung gegen den (Mehrheits‑)Willen der Gemeindevertretung nicht zulässig sind, genügt es, entweder die Regelungen über die Initiierung der Volksabstimmung durch die Gemeindebürger und die dann durchzuführende Volksabstimmung (§22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall Gemeindegesetz, §§58 bis 63 sowie 64 Abs1 litc Landes-Volksabstimmungsgesetz) aufzuheben oder aber die Regelungen über die Rechtswirkungen der Volksabstimmung (§22 Abs1 erster Satz Gemeindegesetz sowie §69 Abs3 Landes-Volksabstimmungsgesetz). Von den Stimmberechtigten (entgegen dem Willen der Gemeindevertretung) initiierte Volksabstimmungen ohne Bindungswirkung wären verfassungsrechtlich jedenfalls zulässig (vgl Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 124 (FN 133), wenngleich dann freilich die Unterschiede zum Volksbegehren verwischt werden. Da §22 Abs1 erster Satz Gemeindegesetz und §69 Abs3 Landes-Volksabstimmungsgesetz auch Relevanz für Volksabstimmungen haben, die nicht gegen den Willen der Gemeindevertretung initiiert werden, spricht vieles dafür, dass jedenfalls diese Regelungen (so wie auch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Landesverfassung, siehe oben unter Punkt 1.) nicht aufgehoben werden.

III. In der Sache

1. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes die mangelnde Vereinbarkeit mit Art117 Abs8 iVm Art118 Abs5 B‑VG betreffend

1.1 […]

1.1.1 Zunächst wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Bundesverfassung grundsätzlich ein 'demokratisch-parlamentarisches System' der Gemeindeselbstverwaltung konstituiert, indem sie zum einen dem Gemeinderat organisatorisch und funktionell die zentrale Stellung in der Gemeindeselbstverwaltung zuweist und zum anderen in Art118 Abs5 B‑VG für die anderen Gemeindeorgane eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinderat festlegt (vgl VfSlg 13.500/1993 betreffend die Bürgermeisterdirektwahl). In diesem Erkenntnis ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das demokratische Baugesetz als repräsentativ-demokratisches Grundprinzip mit ausnahmehaft vom Verfassungsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen direktdemokratischen Elementen zu verstehen sei, das heißt, dass dort, wo von diesem Grundkonzept abgewichen werde, es einer ausdrücklichen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Dies, so der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis weiter, werde für die Gemeinden auch durch eine Bedachtnahme auf die Bestimmung des Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG und seine Entstehungsgeschichte bestätigt, da diese Ermächtigung im Hinblick auf das verfassungspolitische Anliegen der Einführung direktdemokratischer Mitwirkungsrechte des Gemeindevolkes erfolgte; ihre Existenz würde das eben skizzierte Grundkonzept einer repräsentativ-demokratischen Verfassung mit jeweils ausdrücklich formulierten direktdemokratischen Elementen bestätigen. Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG sei eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zur Abweichung von diesem Grundkonzept.

1.1.2 Dieses 'demokratisch-parlamentarische System' auf Gemeindeebene ist demnach – auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes – durch den Bundesverfassungsgesetzgeber jedenfalls modifizierbar, was neben der Ermöglichung direktdemokratischer Instrumente durch Art117 Abs8 B‑VG auch gerade dadurch deutlich wird, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber im Gefolge von VfSlg 13.500/1993 die Bestimmung des heutigen Art117 Abs6 B‑VG über die Möglichkeit der Bürgermeisterdirektwahl eingeführt hat.

Diesen durch die Einführung des Art117 Abs6 B‑VG verursachten und vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich so bezeichneten 'Systemwechsel' hat dieser in VfSlg 15.302/1998 nicht etwa im Hinblick auf einen Widerspruch zum – in Art118 Abs5 B‑VG seinen Ausdruck findenden – demokratischen Prinzip beanstandet, sondern die vom Salzburger Landesverfassungsgesetzgeber getroffene Einschaltung des Gemeindevolkes auch in das Verfahren der Abberufung eines Bürgermeisters als mit Art99 B‑VG vereinbar betrachtet. Der Verfassungsgerichtshof vertrat im genannten Erkenntnis die Auffassung, dass durch die Regelung des Art117 Abs6 B‑VG das System des Art118 Abs5 B‑VG insoweit modifiziert worden sei, dass nun auch die Abwahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk zulässig sei (Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 124).

Überträgt man diesen vom Verfassungsgerichtshof gefassten Gedanken des 'Systemwechsels' auf die Ermöglichung direktdemokratischer Instrumente durch Art117 Abs8 B‑VG (damals [Abs.] 7), ist auch in diesem Fall davon auszugehen, dass das demokratische Prinzip des Art118 Abs5 B‑VG durch Art117 Abs8 B‑VG (damals [Abs.] 7) insofern einen 'Systemwechsel' erfahren hat, als direkte Demokratie zulässig wurde, die vorher aufgrund des aus Art118 Abs5 B‑VG abgeleiteten Prinzips (jedenfalls zum Teil) nicht zulässig war. Dies umso mehr, als im Gegensatz zur (verfassungsrechtlich zulässigen) Abberufung des Bürgermeisters unter Einschaltung des Gemeindevolkes direktdemokratische Instrumente im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (wie vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 13.500/1993 verlangt) sogar explizit im B‑VG als mögliche Ausnahme vom Grundkonzept verankert wurden. Wenn Art117 Abs6 B‑VG nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine die Stellung des Gemeinderates als oberstes Gemeindeorgan nach Art118 Abs5 B‑VG modifizierende Wirkung zukommt, ist kein Grund ersichtlich, wieso nicht auch Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG eine solche modifizierende Wirkung zukommen soll, die direktdemokratische Instrumente auch ohne zwingende Beteiligung des Gemeindesrates ermöglicht.

Wie oben unter Punkt 1.1.1 ausgeführt, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 13.500/1993 gerade den Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG unter Bezug auf die Materialien dazu und dessen Entstehungsgeschichte als ausdrückliche, bundesverfassungsrechtlich legitimierte Abweichung vom Grundkonzept des 'demokratisch-parlamentarischen Systems' auf Gemeindeebene (und nicht als dessen Teil) verstanden und anerkannt ('… Dort, wo das B‑VG von diesem Grundkonzept abweicht, ist dies ausdrücklich festgelegt. … Das wird für die Gemeinden auch durch eine Bedachtnahme auf die Bestimmung des Art117 Abs7 B‑VG und seine Entstehungsgeschichte bestätigt. …'). Würde Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG – im Sinne der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofs – nur Formen direkter Demokratie zulassen, die vollumfänglich mit dem Konzept des Art118 Abs5 B‑VG vereinbar sind (Volksbefragungen, Volksbegehren, Volksabstimmungen mit Willen des Gemeinderates), hätte es dieser Verfassungsbestimmung gar nicht bedurft. Als lex specialis lässt Art117 Abs8 B‑VG daher – bei sonstiger Überflüssigkeit der Regelung – jedenfalls auch Formen direkter Demokratie zu, die vorher nicht zulässig waren. Wie aus der Entstehungsgeschichte und den für den historischen Willen des Verfassungsgesetzgebers maßgeblichen Erläuterungen hervorgeht (siehe unten unter Punkt 1.1.3), sind dies verbindliche Volksabstimmungen auch gegen den Willen des Gemeinderates.

1.1.3 Für die Ausgestaltung des Grundkonzepts des 'demokratisch-parlamentarischen Systems' und dessen Ausnahmen und damit auch für die Frage des Verhältnisses zwischen repräsentativen und plebiszitären Elementen auf Gemeindeebene sind ausschließlich die Bestimmungen des B‑VG über die Gemeindeselbstverwaltung (Art115 ff) maßgebend. Die Gemeinde, als dritte Ebene der Gebietskörperschaften, hat aufgrund der Bundesverfassung ein eigenes Demokratiesystem, das im Art117 B‑VG näher geregelt ist (vgl Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 749). Das 'demokratisch-parlamentarische System' auf Gemeindeebene ist nicht vergleichbar mit dem Gesetzgebungssystem auf Bundes- und Länderebene (siehe dazu im Detail unten unter Punkt 1.2).

Das 'demokratisch-parlamentarische System' auf Gemeindeebene wurde durch Art117 Abs8 B‑VG modifiziert, was vom Verfassungsgerichtshof – wie bereits ausgeführt – in VfSlg 13.500/1993 unter Bezugnahme auf die Materialien ausdrücklich anerkannt wurde. Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG zielt den Materialien zu BGBl Nr 490/1984 zufolge darauf ab, 'mögliche Einrichtungen und zum Teil derzeit bereits praktizierte Formen direkter Demokratie auf Gemeindeebene bundesverfassungsgesetzlich abzusichern' (ErlRV 446 BlgNR XVI. GP , 7). Zum damaligen Zeitpunkt existierten bereits eine ganze Reihe direktdemokratischer Einrichtungen bzw Instrumente auf Gemeindeebene (ErlRV 446 BlgNR XVI. GP , 5 u. 7; siehe auch Poier, Landesverfassung und direkte Demokratie aus rechts- und politikwissenschaftlicher Perspektive, in: Salzburger Landtag/Weiser (Hrsg.), Demokratische Zukunft der (Salzburger) Landesgesetzgebung – FS 100 Jahre erste Republik (2018) 88), darunter auch das in Prüfung gezogene Vorarlberger Modell der Volksabstimmung auf Gemeindeebene. Die Material[i]en führen weiter aus, dass die unmittelbare Teilnahme der zum Gemeinderat Wahlberechtigten darin bestehen soll, 'dass ihnen – wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen wird. Dagegen erfasst der Begriff der Mitwirkung andere Formen direkter Demokratie, wie zB Volksbegehren oder Volksbefragungen' (ErlRV 446 BlgNR XVI. GP , 7; Hervorhebung im Original enthalten).

Aus der ausdrücklichen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung in Art117 Abs8 (damals Abs7) B‑VG und den diesbezüglich zitierten Materialien ergibt sich eindeutig, dass auf Gemeindeebene eine stärkere Teilhabe der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung indiziert und intendiert ist, als dies für die Bundes- und Landesebene gilt (siehe auch Bußjäger, Demokratische Innovation und Verfassungsreform, in: ders/Gamper (Hrsg.), Demokratische Innovation und Partizipation in der Europaregion (2015) 9 (FN 32). Aus der stärkeren Teilhabe der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung in der Form, dass ihr wie in den Materialien ausgeführt die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen werden kann, ergibt sich zwangsläufig eine Modifikation der Stellung des Gemeinderates nach Art118 Abs5 B‑VG, weshalb anzunehmen ist, dass auch der Bundesverfassungsgesetzgeber von einer solchen ausgegangen ist.

Hätte der Bundesverfassungsgesetzgeber Art117 Abs8 B‑VG so wie vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss interpretiert verstanden, hätte er die Bestimmung jedenfalls restriktiver formulieren und dies insbesondere auch in den Materialien zum Ausdruck bringen müssen. Auch die verfassungsrechtliche Möglichkeit der Direktwahl des Bürgermeisters sowie dessen Abberufung auf Grundlage eines Gemeindevolksentscheids sind letztlich Ausdruck und Anerkenntnis dieser besonderen Stellung der Gemeindeebene, welche dieser in direktdemokratischer Hinsicht zu Teil wird. Dies hat im Übrigen auch der Verfassungsgerichtshof bestätigt (VfSlg 15.302/1998).

Bereits §20 Abs1 des Vorarlberger Gemeindegesetzes 1965 bestimmte, dass in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches eine Volksabstimmung vom Bürgermeister unter anderem dann anzuordnen war, wenn es ein Viertel der Bürger der Gemeinde verlangte. Das Modell einer solcherart von Stimmberechtigten initiierten Volksabstimmung ohne Mitwirkung des Gemeinderates existierte im Falle Vorarlbergs somit bereits nahezu 20 Jahre vor der B‑VG-Novelle BGBl Nr 490/1984 (dazu schon Ponhold, Mehr unmittelbare Demokratie in den Gemeinden, ÖGZ1966, 14 f).

Dass Art117 Abs8 B‑VG die Verfassungskonformität solcher Formen der direkten Demokratie absichern wollte, ist nach den Materialien zur B‑VG-Novelle BGBl Nr 490/1984 unzweifelhaft. In diesem Sinne vertritt Stolzlechner (Art117 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rz 30) die Auffassung, dass 'die 'unmittelbare Teilnahme' der zum Gemeinderat Wahlberechtigten darin besteht, dass ihnen – wie dies zB bei einer Volksabstimmung der Fall ist – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen wird.' Und weiter: 'Wesentlich ist, dass jedwede Form direkt-demokratischer Beteiligung erfasst ist […]'[.] Noch deutlicher Müllner (Art117 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al (Hrsg.), Rz 76), der davon spricht, eine einschränkende Interpretation des Art117 Abs8 B‑VG verkehre den Willen des Verfassungsgesetzgebers in sein Gegenteil und es sei nicht ersichtlich, weshalb diese Bestimmung das Demokratieprinzip wesentlich beeinträchtigen könne. Für Pernthaler/Gstir (ZfV 2004, 749 f) ist auf Gemeindeebene anders als im Bundes- und Landesbereich nicht nur die Verknüpfung von Akten der Repräsentanten mit plebiszitären Rechten möglich, sondern vereinzelt auch direkte Demokratie in der Form, dass Volksentscheidungen an die Stelle der entsprechenden Akte der Repräsentanten treten; aus der Formulierung des Art117 Abs8 B‑VG könne weder eine Einschränkung auf eine nachträgliche Genehmigung von Entscheidungen der Gemeindeorgane entnommen werden, noch aufgrund der Sonderstellung der Gemeinde – infolge der Gesetzesbindung und Staatsaufsicht – ein Widerspruch zum repräsentativ-demokratischen Prinzip gesehen werden.

Sofern unter dem Gesichtspunkt des repräsentativ-demokratischen Prinzips Bedenken gegen solche von Art117 Abs8 B‑VG offenkundig zugelassenen Regelungen wie die im Prüfungsbeschluss genannten Bestimmungen bestehen, wäre vom Verfassungsgerichtshof daher gerade ihre bundesverfassungsgesetzliche Grundlage selbst in Prüfung zu ziehen gewesen.

1.1.4 Was das Verhältnis von Art117 Abs8 B‑VG und Art118 Abs5 B‑VG anbelangt, ist anzumerken, dass diese Bestimmungen im Stufenbau der Rechtsordnung gleichrangig sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb von einem Vorrang des Art118 Abs5 B‑VG auszugehen sein sollte (so auch Müllner, Art117 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Rz 76). Durch Art117 Abs8 B‑VG wird im Sinne einer lex specialis ein Regel-Ausnahme-Prinzip statuiert bzw zugelassen, wodurch sich an der Ausgestaltung des 'demokratisch-parlamentarischen Systems' auf Gemeindeebene zwar Änderungen ergeben, aber nicht grundlegender Art. Die Grenze des Zulässigen im Hinblick auf die zentrale Stellung des Gemeinderates nach Art118 Abs5 B‑VG wäre wohl überschritten, wenn die direktdemokratischen Instrumente auf Landesebene so ausgestaltet werden würden, dass direktdemokratische Entscheidungen innerhalb der Gemeinde zum Regelfall würden und damit der Gemeinderat ausgeschaltet würde (Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 750). Dadurch würde das 'demokratisch-parlamentarische System' wohl grundsätzlich geändert.

Dies trifft auf die in Prüfung gezogenen landesverfassungsrechtlichen und einfachen landesgesetzlichen Vorschriften jedoch nicht zu, da diese zahlreiche Einschränkungen und Hürden für die Durchführung einer Volksabstimmung enthalten, wodurch dem Regel-Ausnahme-Prinzip Rechnung getragen wird und die zentrale Stellung des Gemeinderates grundsätzlich nicht berührt wird.

Zu den rechtlichen Einschränkungen und Hürden, die verhindern, dass direktdemokratische Entscheidungen innerhalb der Gemeinde zum Regelfall werden, zählen zunächst die in §22 Abs1 Gemeindegesetz enthaltenen Quoren, deren Erreichen Voraussetzung für die Durchführung einer vom Gemeindevolk initiierten Volksabstimmung ist. Weitere Einschränkungen sind, dass Volksabstimmungen nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches durchgeführt werden können und nur dann zulässig sind, wenn der begehrte Akt übergeordnetem Recht nicht offensichtlich widerspricht (vgl §60 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz). Darüber hinaus können auch Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten, nicht Gegenstand einer Volksabstimmung sein (vgl §22 Abs3 Gemeindegesetz), wodurch ein wesentlicher Bereich der Gemeindeselbstverwaltung von vornherein ausgeschlossen ist (eine vergleichbare Einschränkung für die vom Verfassungsgerichtshof mit VfSlg 16.241/2001 aufgehobene 'Volksgesetzgebung' auf Landesebene fand sich dort nicht). Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gleichzeitig mit der Überreichung des Antrages auf Durchführung einer Volksabstimmung ein Betrag von 360 Euro zu hinterlegen ist (§59 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz). Schließlich – und dies erscheint wesentlich, weil damit eine die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes offensichtlich tragende Prämisse in Frage gestellt wird – hat das Ergebnis der Volksabstimmung zwar Verbindlichkeit in dem Sinne, dass die Entscheidung des Volkes Wirksamkeit hat bzw zu erlangen hat, es kommt dieser Entscheidung jedoch keine erhöhte Bestandkraft zu, so dass – ganz im Sinne der gewahrten zentralen Stellung des Gemeinderates dieser von einer solchen Entscheidung – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – auch wieder abgehen kann (siehe unten unter Punkt 1.4).

Ein Blick auf die Praxis zeigt, dass in den letzten Jahren Volksabstimmungen auf Gemeindeebene in Vorarlberg ganz klar die Ausnahme waren: So wurden seit dem Jahr 2008 in den 96 Vorarlberger Gemeinden 17 Volksabstimmungen […] durchgeführt, von denen 14 von Gemeindebürgern initiiert wurden (die restlichen drei Volksabstimmungen wurden von der Gemeindevertretung initiiert). Im Ergebnis findet daher in ganz Vorarlberg pro Jahr ca. 1 Volksabstimmung auf Initiative von Gemeindebürgern statt.

Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass das Grundkonzept des 'demokratisch-parlamentarischen Systems' auf Gemeindeebene, in dessen Zentrum gemäß Art118 Abs5 B‑VG der Gemeinderat steht, vom Bundesverfassungsgesetzgeber durch die Einführung des Art117 Abs8 B‑VG jedenfalls insoweit modifiziert wurde, als dass aufgrund des Wortlautes dieser Bestimmung und den zitierten Materialien eine zwingende Beteiligung des Gemeinderates an den direktdemokratischen Instrumenten nicht geboten ist (Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 91) und die in Prüfung gezogenen Bestimmungen daher mit Art117 Abs8 iVm Art118 Abs5 B‑VG vereinbar sind.

1.2 Der Verfassungsgerichtshof hat die 'Volksgesetzgebung' im Hinblick auf das repräsentativ-demokratische Grundprinzip bereits auf Landesebene für verfassungswidrig erklärt (vgl VfSlg 16.241/2001); im Sinne des Homogenitätsprinzips der Bundesverfassung dürfte dies nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss auch für eine restriktive Auslegung entsprechender Bestimmungen auf Gemeindeebene gelten.

Diesen Bedenken hält die Vorarlberger Landesregierung folgende Argumente entgegen:

1.2.1 Der Verfassungsgerichtshof erstreckt das von ihm aus dem repräsentativ-demokratischen Konzept des demokratischen Prinzips gefolgerte Verbot der 'Volksgesetzgebung' für den Bundes- und Landesgesetzgeber auch auf die Rechtsetzung in der Gemeindeverwaltung. Dabei werden jedoch nach Auffassung der Vorarlberger Landesregierung wesentliche Unterschiede zwischen der Vollzugsebene der Gemeinde und den Gesetzgebungsebenen von Bund und Ländern nicht berücksichtigt (vgl Madlsperger, Instrumente der direkten Demokratie auf Gemeindeebene, RFG 2014/28, 3; Gamper, Parlamentarische Rechtsetzung und direkte Demokratie: Verfassungsrechtliche Grenzen, in: Lienbacher/Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise (2014) 117 f). Das betrifft sowohl die spezifischen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene (siehe dazu oben unter Punkt 1.1), als auch die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, aufgrund derer davon auszugehen ist, dass das insbesondere aus den verfassungsrechtlichen Regelungen über die Bundesgesetzgebung (über Volksabstimmungen im Gesetzgebungsverfahren, Art43 B‑VG) abgeleitete Bauprinzip einer repräsentativ-demokratischen parlamentarischen Gesetzgebung (vgl VfSlg 16.241/2001) nicht auch für einen anderen Bereich als jenen der Gesetzgebung auf Bundes- und Länderebene, nämlich für jenen der Selbstverwaltung der Gemeinde, maßgeblich ist.

1.2.2 Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 16.241/2001 in der Literatur durchaus kritisch kommentiert wurde (vgl Rill/Schäffer, Art1 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher, Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 1. Lfg. (2001) Rz 27 ff; Öhlinger, Grenzen der direkten Demokratie aus österreichischer Sicht, in: Balthasar/Bußjäger/Poier (Hrsg.), Herausforderung Demokratie (2014) 51; Bußjäger, Plebiszitäre Demokratie im Mehrebenensystem?, in: FS Pernthaler (2005) 106 ff; Gamper, Direkte Demokratie und bundesstaatliches Homogenitätsprinzip, ÖJZ2003, 441 ff; Marko, Direkte Demokratie zwischen Parlamentarismus und Verfassungsautonomie, in: FS Mantl (2004) 335 ff; Storr, Die Maßgaben der österreichischen Bundesverfassung für sachunmittelbare Demokratie in Bund und Ländern, in: Neumann/Renger (Hrsg.), Sachunmittelbare Demokratie im interdisziplinären und internationalen Kontext 2008/2009 (2010) 96; Poier, Instrumente und Praxis direkter Demokratie in Österreich auf Länder- und Gemeindeebene, in: Bußjäger/Balthasar/Sonntag (Hrsg.), Direkte Demokratie im Diskurs (2014) 146; ders, Sachunmittelbare Demokratie in Österreichs Ländern und Gemeinden: Rechtslage und empirische Erfahrungen im Überblick, in: Neumann/Renger (Hrsg.), Sachunmittelbare Demokratie im interdisziplinären und internationalen Kontext 2008/2009 (2010) 50).

1.2.3 Eine 'Übertragung' des Verbots der 'Volksgesetzgebung' auf die Ebene der Gemeindeselbstverwaltung würde jedenfalls wesentliche Unterschiede zu den Gesetzgebungsebenen von Bund und Ländern verkennen. Die Gemeinde, als dritte Ebene der Gebietskörperschaften, hat aufgrund der Bundesverfassung ein eigenes Demokratiesystem, das im Art117 B‑VG näher geregelt ist (vgl Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 749). Das 'demokratisch-parlamentarische System' auf Gemeindeebene ist nicht vergleichbar mit dem Gesetzgebungssystem auf Bundes- und Länderebene:

Die Rechtsetzung auch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ist weder Gesetzgebung im materiellen noch im formellen Sinne. Materiell auch deshalb nicht, weil die Verordnungserlassung durch die Gemeinde in aller Regel durch die Gesetze determiniert wird und im Falle der inhaltlich und quantitativ weniger bedeutsamen ortspolizeilichen Verordnungen immerhin durch die Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder begrenzt wird (Art118 Abs6 B‑VG; in diesem Sinne auch Poier, Instrumente, 146; Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 748 ff; Müllner, Art117 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Rz 76). Dieser Unterschied zeigt sich auch darin, dass eine allfällige Änderung des Flächenwidmungsplanes (die im anlassgebenden Fall nicht Ergebnis der Volksabstimmung war und daher auch nicht stattgefunden hat) einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Landesregierung bedurft hätte (vgl dazu ausführlich unten unter Punkt 2.2.3).

Der Möglichkeit, im Wege einer Volksabstimmung verbindliche Entscheidungen auf Gemeindeebene zu treffen, sind durch das die gesamte staatliche Verwaltung bindende Legalitätsprinzip und die Staatsaufsicht über die Gemeinden Grenzen gesetzt. Das schafft von vornherein eine ganz andere Situation als jene auf Gesetzgebungsebene, da damit der direkten Demokratie von vornherein zusätzliche, vom Vorarlberger Gesetzgeber auch beachtete Schranken gesetzt sind. Zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, die Gegenstand einer Volksabstimmung auf Gemeindeebene sind, dienen – vor der Durchführung der Volksabstimmung – die Prüfpflicht durch die Gemeindewahlbehörde, ob der begehrte Akt offensichtlich übergeordnetem Recht widerspricht und – nach der Durchführung der Volksabstimmung – die Möglichkeit der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde (siehe dazu eingehend unten unter Punkt 2.2).

Wenn etwa Oberndorfer (Art1 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Rz 15) davon spricht, dass keine Gesamtänderung vorliegt, wenn unter bestimmten, verfassungsrechtlich limitierten Voraussetzungen ein Gesetzesbeschluss ohne Befassung oder gegen den Willen des Nationalrats durch Volksabstimmung zustande kommt, muss dies erst recht für die Gemeindeebene gelten. Auch für Rill/Schäffer (Art1 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher, Rz 27) geht es bei der Gesamtänderung um die Preisgabe oder doch die weitgehende Aufgabe von Elementen eines Grundprinzips, so dass nicht schon jede Ausnahme – hier vom repräsentativ-demokratischen System – eine Gesamtänderung darstellt. Die bundesverfassungsrechtliche Norm, die solche Ausnahmen vom Grundkonzept des repräsentativ-demokratischen Systems auf Gemeindeebene nach ihrer Entstehungsgeschichte ausdrücklich legitimieren sollte, ist Art117 Abs8 B‑VG (siehe dazu oben unter Punkt 1.1.3 sowie – was den Ausnahmecharakter direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene anbelangt – oben unter Punkt 1.1.4).

1.2.4 Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 16.241/2001 aus dem repräsentativ-demokratischen Konzept des demokratischen Prinzips ein Verbot der 'Volksgesetzgebung' (lediglich) für den Bundes- und Landesgesetzgeber abgeleitet:

Der Verfassungsgerichtshof kam aufgrund der Beratungen im Unterausschuss des Verfassungsausschusses der Konstituierenden Nationalversammlung und der Kommentierung des Art43 B‑VG in Kelsen/Froehlich/Merkl (Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Fünfter Teil, 1922, 121) zum Schluss, dass der historische Verfassungsgesetzgeber das Instrument der Volksabstimmung im Gesetzgebungsverfahren nur in einem eingeschränkten Umfang zulassen wollte. Die damals in Prüfung gezogene Bestimmung (Art33 Abs6 der Landesverfassung) sah nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes vor, dass eine von der Mehrheit der Stimmberechtigten unterstützte Gesetzesinitiative auch gegen den Willen (der Mehrheit) des Landtages 'zum Gesetz wird'; sie würde also eine Gesetzeserzeugung sogar gegen den (Mehrheits-)Willen des Parlaments ermöglichen, was vom Verfassungsgerichtshof als 'Volksgesetzgebung' bezeichnet wurde, welche mit dem Grundgedanken der repräsentativen Demokratie mit bloß ausnahmehaft vom Verfassungsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen direktdemokratischen Elementen nicht zu vereinbaren sei. Im Wege dieser 'Volksgesetzgebung' könnte jedes beliebige Gesetz erlassen werden, wodurch ein Konkurrenzmodell zum parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren konstituiert werden würde, was mit dem repräsentativ-demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung nicht mehr vereinbar sei.

Der Verfassungsgerichtshof stützte sich also auf die Regelungen zur Bundesgesetzgebung und deren Entstehungsgeschichte, nämlich die Art24 iVm 41 ff B‑VG, wonach eine fakultative Volksabstimmung im Rahmen der Bundesgesetzgebung ausschließlich über Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates zulässig ist, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit seiner Mitglieder es verlangt. Insbesondere aus diesen Bestimmungen gehe das der Bundesverfassung insgesamt zugrundeliegende 'Prinzip der mittelbaren (parlamentarischen) Demokratie' hervor, das auch der Landesgesetzgeber im Rahmen des Art95 Abs1 B‑VG, der bestimmt, dass die Gesetzgebung der Länder von den Landtagen ausgeübt wird, für die Gesetzgebung der Länder zu beachten habe.

Daraus wird deutlich, dass sich das genannte Erkenntnis ausschließlich auf das Instrument der Volksabstimmung im Gesetzgebungsverfahren bezieht. Nur für das Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Länderebene gelangte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass eine Gesetzeserzeugung gegen den (Mehrheits-)Willen des Parlaments gegen das 'bundesverfassungsgesetzlich vorgezeichnete repräsentativ-demokratische Gesetzgebungsverfahren' bzw den 'Grundsatz der mittelbaren (parlamentarischen) Demokratie' verstoße.

Das vom Verfassungsgerichtshof – unter Bezug auf die Materialien zum die fakultative Volksabstimmung über Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates regelnden Art43 B‑VG – herausgearbeitete Prinzip des repräsentativ-demokratischen parlamentarischen Grundprinzips bezieht sich ausschließlich auf die Gesetzesebene und ist daher nur insofern, nämlich betreffend Volksabstimmungen im Gesetzgebungsverfahren des Landes, vom Landesgesetzgeber im Rahmen des Art95 B‑VG zu beachten.

Es ist jedoch in keiner Weise ersichtlich, warum aus einer die Bundesgesetzgebung betreffenden Bestimmung (über Volksabstimmungen im Gesetzgebungsverfahren) und dem insbesondere daraus (auch für die Gesetzgebung auf Landesebene) abgeleiteten Prinzip einer repräsentativ-demokratischen parlamentarischen Gesetzgebung eine zwingende verfassungsrechtliche Vorgabe für einen anderen Bereich als jenen der Gesetzgebung, nämlich für die Gemeindeselbstverwaltung, abgeleitet werden kann.

1.2.5 Da die für das Gesetzgebungsverfahren des Bundes und der Länder abgeleitete Ausprägung des repräsentativ-demokratischen (parlamentarischen) Prinzips auf die Gemeindeselbstverwaltung nicht übertragen werden darf, richtet sich die Ausgestaltung des 'demokratisch-parlamentarischen Systems' auf Gemeindeebene ausschließlich nach den Art115 ff B‑VG, die für die Gemeinden als dritte Ebene der Gebietskörperschaften ein eigenes Demokratiesystem mit ausdrücklich vorgesehenen direktdemokratischen Instrumenten vorsehen (Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 749; zu dessen konkreter Ausgestaltung siehe oben unter Punkt 1.1). Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass das für die Gesetzgebungsebene des Bundes und der Länder geltende repräsentativ-demokratische Prinzip auch für eine restriktive Auslegung entsprechender Bestimmungen auf Gemeindeebene gelten soll, wird daher nicht geteilt.

1.2.6 Selbst unter der – von der Vorarlberger Landesregierung nicht vertretenen (siehe dazu oben) – Annahme der Geltung des Homogenitätsprinzips wäre davon auszugehen, dass gegen dieses nicht verstoßen wird. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen schaffen – wie oben unter Punkt 1.1.4 ausgeführt – ohnehin lediglich ein Regel-Ausnahme-Prinzip. Das Homogenitätsprinzip wird nicht verletzt, wenn durch eine landesrechtliche Bestimmung – innerhalb des durch Art117 Abs8 B‑VG gesteckten Rahmens – festgelegt wird, in welchen Fällen das Gemeindevolk an Stelle des Gemeinderates entscheidet, solange dadurch direktdemokratische Entscheidungen innerhalb der Gemeinde nicht zum Regelfall und Entscheidungen des Gemeinderates nicht zur Ausnahme werden (Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 751 f). Wie bereits oben dargelegt, wird der Ausnahmecharakter direktdemokratischer Instrumente in Vorarlberg durch ihre gesetzliche Ausgestaltung gewährleistet.

1.3 Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass Art117 Abs8 B‑VG eine verfassungsgesetzliche Klarstellung dahingehend bewirkt habe, dass direktdemokratische Instrumente auf Gemeindeebene überhaupt zulässig sind. Die Schaffung der Möglichkeit, Entscheidungen des Gemeindevolkes anstelle des Gemeinderates vorzusehen, hätte eine deutlichere Entsprechung im Wortlaut des Art117 Abs8 B‑VG erfordern dürfen.

Die Vorarlberger Landesregierung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass sich aus der ausdrücklichen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung in Art117 Abs8 B‑VG und den Materialien dazu eindeutig ergibt, dass auf Gemeindeebene eine stärkere Teilhabe der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung indiziert und intendiert ist, als dies für die Bundes- und Landesebene gilt, und zwar auch in der Form, dass Entscheidungen des Gemeindevolkes im Wege einer Volksabstimmung auch entgegen dem Willen des Gemeinderates getroffen werden können (vgl die überwiegende Lehre: Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 749 f; Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 90 f; Poier, Sachunmittelbare Demokratie in Österreichs Ländern und Gemeinden: Rechtslage und empirische Erfahrungen im Überblick, in: Neumann/Renger (Hrsg.), Sachunmittelbare Demokratie im interdisziplinären und internationalen Kontext 2008/2009 (2010) 50; Stolzlechner, Art117 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rz 30). Dass Art117 Abs8 B‑VG die Verfassungskonformität solcher Formen der direkten Demokratie absichern wollte, ist nach den Materialien zur B‑VG-Novelle BGBl Nr 490/1984 unzweifelhaft. Nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers deckt Art117 Abs8 B‑VG die direktdemokratische Volksbeteiligung in der Gemeindeselbstverwaltung ab, unabhängig davon, welche Form sie annimmt, und zwar selbst dann, wenn das Volk ohne Beteiligung der Gemeindeorgane oder gar gegen deren Willen agiert; eine einschränkende Interpretation des Art117 Abs8 B‑VG würde diesen eindeutigen Willen des Verfassungsgesetzgebers in sein Gegenteil verkehren (Müllner, Art117 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al (Hrsg.), Rz 75 f). Eine solche einschränkende Interpretation kann auch nicht auf das für das Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Länderebene geltende repräsentativ-demokratische Prinzip gestützt werden, da dieses nicht gleichermaßen für die Gemeindeselbstverwaltung gilt (siehe oben unter Punkt 1.2).

1.4 […]

1.4.1 Eine Volksabstimmung auf der Grundlage der in Prüfung gezogenen Rechtsvorschriften kann grundsätzlich bindendes Recht schaffen. Für die Vorarlberger Landesregierung besteht jedoch kein Zweifel, dass die sonst zuständigen Gemeindeorgane später – unter Einhaltung der für den jeweiligen Beschluss geltenden Bestimmungen – einen abweichenden Beschluss fassen können und daher dem Ergebnis der Volksabstimmung im Vergleich zu einem Beschluss des sonst zuständigen Gemeindeorgans keine erhöhte Bestandskraft zukommt.

Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Verbindlichkeit einer Volksabstimmung eine gegenläufige Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ohne neuerliche Volksabstimmung auszuschließen scheine, wodurch die jeweilige Angelegenheit der Zuständigkeit des betroffenen Gemeindeorgans grundsätzlich entzogen sei, wird daher nicht geteilt.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen ordnen lediglich an, dass das Gemeindevolk unmittelbar anstelle des sonst zuständigen Gemeindeorgans entscheidet bzw dass, sofern darüber hinaus weitere Entscheidungen notwendig sind, diese vom zuständigen Gemeindeorgan zu treffen sind. Die maßgebliche Verbindlichkeit der vom Gemeindevolk getroffenen Entscheidung ist dieselbe als wenn das sonst zuständige Gemeindeorgan sie getroffen hätte, geht aber nicht darüber hinaus, sodass ihr keine erhöhte Bestandskraft zukommt (in diesem Sinne hinsichtlich von Volksabstimmungen über Gesetzesbeschlüsse Bußjäger, Art43 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 11. Lfg. (2013) Rz 10; Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 138). So wie eine Entscheidung des Gemeinderates später wieder durch eine Entscheidung des Gemeinderates geändert werden kann, so kann auch eine durch das Gemeindevolk anstelle des Gemeinderates getroffene Entscheidung später wieder durch eine Entscheidung des Gemeinderates geändert werden; die Zuständigkeit des Gemeinderates in der betreffenden Angelegenheit wird durch die Abhaltung einer Volksabstimmung nicht beeinträchtigt, geschweige denn beseitigt (Oberndorfer, Einrichtungen, Rz 201). Einer neuerlichen Volksabstimmung bedarf es zur Abänderung der im Wege einer Volksabstimmung getroffenen Entscheidung jedenfalls nicht. Dass die Entscheidung durch das sonst zuständige Organ abgeändert werden kann, zeigt sich auch darin, dass dies nach der Vorarlberger Rechtsordnung keine wie immer gearteten rechtlichen Konsequenzen bzw Sanktionen (zB Auflösung des Gemeinderates bzw Anordnung von Neuwahlen) nach sich zöge (sondern höchstens aus politischer Sicht problematisch sein könnte). Auch in diesem Punkt trägt die Rechtslage in Vorarlberg der Stellung des Gemeinderates nach Art118 Abs5 B‑VG ausreichend Rechnung.

Am Beispiel des Anlassfalles demonstriert könnte die Gemeindevertretung der Gemeinde Ludesch daher entgegen dem Ergebnis der Volksabstimmung – freilich nur bei Vorliegen der für die Umwidmung erforderlichen Voraussetzungen – einen entsprechenden Beschluss zur Änderung des Flächenwidmungsplanes fassen. Auch wenn im theoretischen Fall der Verneinung der Volksabstimmungsfrage im weiteren dem Ergebnis der Volksabstimmung entsprechend eine Umwidmung zustande gekommen wäre, stünde rechtlich einem späteren Abgehen von dieser Entscheidung bei Vorliegen der raumplanungsrechtlichen Voraussetzungen ohne neuerliche Volksabstimmung nichts entgegen.

1.4.2 Einen in der Bundesverfassung verankerten Grundsatz, an den auch der Gemeindeorganisationsgesetzgeber gebunden wäre, wonach eine von einem bestimmten Organ getroffene Entscheidung nur von diesem Organ wieder abgeändert werden kann, gibt es nicht (genau so wenig wie einen Grundsatz, dass das Kreationsorgan und das zur Abberufung zuständige Organ identisch sein müssen, vgl dazu VfSlg 13.500/1993). Der verfassungsrechtlich durch Art118 Abs5 B‑VG verankerten – wenngleich durch Art117 Abs8 B‑VG modifizierten – Stellung des Gemeinderates als oberstes Organ kommt es vielmehr sogar entgegen, wenn eine im Wege einer Volksabstimmung anstelle des sonst zuständigen Organs getroffene verbindliche Entscheidung, das heißt eine Entscheidung, die unmittelbar Wirksamkeit entfaltet bzw mittelbar zu entfalten hat, durch eine Entscheidung des sonst zuständigen Organs wieder geändert werden kann (Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 138). Die Entscheidungsprärogative des Gemeinderates ist nur insofern eingeschränkt, als im Rahmen einer Volksabstimmung eine Entscheidung gegen seinen Willen zustande kommen kann, nicht aber dergestalt, dass diese Entscheidung später – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – durch das sonst zuständige Organ nicht wieder abgeändert werden kann.

2. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes den Gleichheitssatz betreffend

[…]

2.1 Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass bei der Erlassung von Rechtsakten im Wege einer Volksabstimmung, die ansonsten vom zuständigen Gemeindeorgan in einem Verordnungserlassungsverfahren zu beschließen wären, die Einhaltung allfälliger besonderer gesetzlicher Vorschriften für das Verordnungserlassungsverfahren nicht gewährleistet sein dürfte, wird nicht geteilt. Auch bei einem Verordnungserlassungsverfahren, im Zuge dessen in einem bestimmten Stadium eine Volksabstimmung abgehalten wird, sind die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben (wozu auch die Verfahrensbestimmungen zählen) im Sinne des die gesamte staatliche Verwaltung, also auch die Gemeindeverwaltung bindenden Legalitätsprinzips (Art18 Abs1 B‑VG) jedenfalls einzuhalten.

Das Demokratiesystem der Gemeinde (samt ihren direktdemokratischen Instrumenten) ist durch die Bindung an staatliche Gesetze und Verordnungen (Art118 Abs4 B‑VG) und die Staatsaufsicht (Art119a B‑VG) in das staatliche repräsentative Demokratiesystem eingebunden und daher keine uneingeschränkte direkte Demokratie, welche im Widerspruch zum repräsentativ-demokratischen Prinzip stehen würde (vgl Pernthaler/Gstir, ZfV 2004, 749 f; Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 91). Auch eine Volksabstimmung ändert daher nichts am Gebot der Gesetzmäßigkeit der gesamten staatlichen Verwaltung; erfordert das Gesetz eine bestimmte Maßnahme der Gemeinde oder lässt das Gesetz umgekehrt eine bestimmte Maßnahme nicht zu, so kann auch eine Volksabstimmung dieses rechtliche Defizit nicht ausgleichen (vgl Mayer, Plebiszitäre Instrumente in der staatlichen Willensbildung, in: FS 75 Jahre Bundesverfassung (1995) 358). Dem Legalitätsprinzip sowie dem Gleichheitssatz entsprechend kennt die Vorarlberger Rechtsordnung auch keine Regelungen, die für den Fall der Durchführung einer Volksabstimmung auf Gemeindeebene – abgesehen davon, dass das Volk anstelle des sonst zuständigen Organs entscheidet – von bestimmten allgemein geltenden gesetzlichen Anforderungen suspendieren würden.

2.1.1 So wie bei einer von der Gemeindevertretung angeordneten Volksabstimmung (vgl §22 Abs1 Gemeindegesetz iVm §64 Abs1 litb Landes-Volksabstimmungsgesetz) ist daher auch bei einer von Stimmberechtigten initiierten Volksabstimmung (§22 Abs1 Gemeindegesetz iVm §58 Landes-Volksabstimmungsgesetz) darauf zu achten, dass nur dem Gesetz entsprechende Entscheidungen getroffen werden.

2.1.2 Zielt die Fragestellung darauf ab, dass das Gemeindevolk bei einem positiven Ausgang der Volksabstimmung unmittelbar einen konkreten Rechtsakt anstelle des sonst zuständigen Gemeindeorgans (vgl §69 Abs3 erster Satz Landes-Volksabstimmungsgesetz) beschließt (beispielsweise eine bestimmte Verordnung erlässt), so müssen – zur Vermeidung eines rechtswidrigen Beschlusses – die für das rechtmäßige Zustandekommen des Beschlusses erforderlichen Verfahrensbestimmungen vor der Abhaltung der Volksabstimmung (die diesfalls die Beschlussfassung durch das sonst zuständige Gemeindeorgan, beispielsweise über die Erlassung einer Verordnung, ersetzt) eingehalten werden. Zudem muss der Gegenstand des im Wege einer Volksabstimmung zu fassenden Beschlusses jedenfalls den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (bei der beabsichtigten Erlassung einer Verordnung muss der Volksabstimmung beispielsweise ein hinreichend bestimmter Verordnungstext zugrunde liegen, bei der Widmung von Flächen werden überdies grundsätzlich entsprechende Pläne erforderlich sein).

Da diese gesetzlichen Voraussetzungen alle vor der Abhaltung der Volksabstimmung erfüllt sein müssen, obliegt es der Gemeindewahlbehörde, dies bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß §60 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz mit zu berücksichtigen.

Da einem von Stimmberechtigten nach §58 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz eingebrachten Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung über die Fassung eines konkreten Beschlusses in der Regel kein entsprechendes Verfahren vorangegangen sein wird, ist es durchaus möglich, dass ein solcher Antrag nicht alle erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. In diesem Fall würde der begehrte Akt aber offensichtlich übergeordnetem Recht widersprechen und der Antrag auf Durchführung der Volksabstimmung wäre von der Gemeindewahlbehörde als unzulässig zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang ist auf das Recht der Landeswahlbehörde gemäß §3 Abs3 Landes-Volksabstimmungsgesetz hinzuweisen, als Aufsichtsbehörde rechtswidrige Bescheide der Gemeindewahlbehörde aufzuheben oder abzuändern (das heißt, dass die Landeswahlbehörde auch tätig werden kann, wenn die Gemeindewahlbehörde entgegen den Vorgaben des §60 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz einen Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung für zulässig erklärt).

2.1.3 Gegenstand einer Volksabstimmung kann jedoch nicht nur ein Beschluss zur unmittelbaren Erzeugung eines konkreten Rechtsaktes sein, sondern auch ein Beschluss, mit dem überhaupt kein konkreter Rechtsakt zur Änderung der bestehenden Situation erzeugt werden soll (wie es durch die Bejahung der Frage in der verfahrensgegenständlichen Volksabstimmung in Ludesch der Fall war), oder ein Beschluss, mit dem nicht unmittelbar ein konkreter Rechtsakt erzeugt wird, sondern zu dessen Umsetzung weitere Schritte der sonst zuständigen Gemeindeorgane geboten sind (vgl §69 Abs3 zweiter Satz Landes-Volksabstimmungsgesetz; ein Fall, der bei Verneinung der Frage in der verfahrensgegenständlichen Volksabstimmung in Ludesch vorgelegen hätte). Auch solche Anträge unterliegen der Zulässigkeitsprüfung der Gemeindewahlbehörde nach §60 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz. Auch hier gilt, dass die zuständigen Gemeindeorgane in dem zur Umsetzung des in der Volksabstimmung geäußerten Willens des Gemeindevolkes durchzuführenden Verfahren kraft Legalitätsprinzip an die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gebunden sind, wodurch deren Einhaltung gleichermaßen wie sonst in einem Verfahren, das nicht durch eine Volksabstimmung initiiert wurde, gewährleistet ist.

Dem möglichen Einwand, dass die aufgrund der Verbindlichkeit einer Volksabstimmung zur Umsetzung angehaltenen Gemeindeorgane unter Umständen nicht gleichzeitig dem verbindlichen Willen des Volkes als auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechen können, ist entgegenzuhalten, dass dieser Fall grundsätzlich nicht vorliegen dürfte, weil zur Volksabstimmung nur Fragen zuzulassen sind, die nicht offensichtlich übergeordnetem Recht widersprechen (vgl §60 Abs1 Landes-Volksabstimmungsgesetz). Sollte sich dennoch ausnahmsweise im Verfahren (zB in einem Umwidmungsverfahren) zur Umsetzung des in einer Volksabstimmung getroffenen Beschlusses ein solcher Widerspruch ergeben, hätte das für die Umsetzung zuständige Organ dem Legalitätsprinzip bzw den einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben – bei sonstiger, gegebenenfalls auch von der Aufsichtsbehörde aufzugreifender Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung – den Vorrang einzuräumen. Das Legalitätsprinzip gebietet diese Vorgehensweise, keine Bestimmung des Landesrechts (auch nicht §69 Abs3 zweiter Satz Landes-Volksabstimmungsgesetz) steht dem entgegen.

2.1.4 In der anlassgebenden Volksabstimmung hat sich das Ludescher Gemeindevolk mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass die momentane Widmung der Grundstücke als 'Freihalteflächen-Landwirtschaft' beibehalten werden soll. Für die Beibehaltung einer Widmung (womit keine normative Änderung verbunden ist) ist überhaupt kein Verfahren notwendig. Für die Änderung einer Widmung ist dagegen sehr wohl ein Verfahren durchzuführen, für welches das Raumplanungsgesetz genaue Regelungen vorgibt. Im Anlassfall wäre auch bei Verneinung der gestellten Frage keinesfalls unmittelbar eine konkrete Widmungsänderung beschlossen (oder bewirkt) worden. Die Verneinung der Frage hätte lediglich bedeutet, dass die Widmung als 'Freihalteflächen-Landwirtschaft' nicht beibehalten werden soll. Damit wäre allerdings noch nicht unmittelbar eine Entscheidung für eine konkrete neue Widmung getroffen worden, sondern es hätte in diesem Fall der Einleitung eines konkreten Umwidmungsverfahrens bedurft. In diesem Verfahren wären die hierfür vorgesehenen Verfahrensvorschriften und materiellen Vorschriften des Raumplanungsgesetzes jedenfalls anzuwenden gewesen, wobei dem Willen des Gemeindevolkes bestmöglich – wenngleich unter Beachtung des Legalitätsprinzips (siehe oben unter Punkt 2.1.3) – Rechnung zu tragen gewesen wäre. Vor dem Hintergrund der diskutierten Betriebserweiterung wäre die Gemeinde demnach wohl verpflichtet gewesen, sämtliche Schritte zur Herbeiführung einer Widmung zu setzen, die diese Betriebserweiterung ermöglicht hätte (inkl. Anregung zur Änderung der Verordnung der Landesregierung über die Festlegung von überörtlichen Freiflächen in der Talsohle des Walgaues, LGBl.Nr 9/1977 idgF). Hinzuweisen ist darauf, dass die abstimmungsgegenständlichen Grundstücke, die an bereits bestehende Betriebsanlagen unmittelbar angrenzen, grundsätzlich für eine Umwidmung in 'Baufläche Betriebsgebiet' geeignet sind (vgl das von der Gemeindevertretung Ludesch am 18. Juni 2015 beschlossene räumliche Entwicklungskonzept Seite 38 sowie den einen Bestandteil des räumlichen Entwicklungskonzeptes bildenden 'REK-Zielplan Ausschnitt Süd').

2.2 Ergänzend zu den obigen Ausführungen zur verpflichtenden Einhaltung des Legalitätsprinzips ist festzuhalten, dass alle Entscheidungen der Gemeindeorgane, das heißt auch Entscheidungen des Gemeindevolkes als Gemeindeorgan (seien es solche, mit denen unmittelbar Rechtsakte erzeugt werden, oder aber auch solche, die einer Umsetzung durch die sonst zuständigen Gemeindeorgane bedürfen) und nicht nur Entscheidungen der sonst zuständigen Gemeindeorgane (insbesondere auch des Gemeinderates) der gemeindebehördlichen Aufsicht unterliegen.

[…]

2.3 Somit besteht zur Sicherung der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, die Gegenstand einer Volksabstimmung sind, einerseits bereits vor der Durchführung der Volksabstimmung die Prüfpflicht durch die Gemeindewahlbehörde, ob der begehrte Akt offensichtlich übergeordnetem Recht widerspricht, und andererseits nach der Durchführung der Volksabstimmung (im Falle eines Genehmigungsvorbehaltes vor Wirksamwerden des Rechtsaktes, sonst jedenfalls nach dem Wirksamwerden des Rechtsaktes) die Möglichkeit der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde. Durch eine entsprechende Rechtskontrolle können rechtsstaatliche Bedenken gegen Volksabstimmungen im Bereich der Vollziehung ausgeräumt werden (vgl Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 84).

Eine Vorabprüfung, ob der Gegenstand der Volksabstimmung mit der geltenden Rechtslage vereinbar ist, wäre dabei nicht einmal unbedingt nötig; es würden bereits die aufsichtsrechtlichen Mittel, wie die Möglichkeit, rechtswidrige Entscheidungen der Gemeinde aufzuheben, genügen (vgl Müllner, Art117 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al, Rz 78).

Wie oben ausgeführt, ist auf Gemeindeebene die Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, die Gegenstand einer Volksabstimmung sind, doppelt abgesichert und aufgrund des Fehlens von für sie geltenden Sonderbestimmungen gleichermaßen wie die Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, die vom sonst zuständigen Gemeindeorgan erlassen werden, gewährleistet. Es ist hier deshalb keine Verletzung des Gleichheitssatzes (oder des Legalitätsprinzips) zu erkennen.

Ergänzend sei bemerkt, dass auch das Rechtsschutzsystem des B‑VG bei Annahme bindender Volksabstimmungen gegen den (Mehrheits)Willen des Gemeinderates nicht unterlaufen wird. Wird durch die Volksabstimmung oder in Befolgung eines Volksabstimmungsergebnisses ein öffentlicher-außenwirksamer Rechtsakt – eine Verordnung – erzeugt, so ist diese Verordnung in der gleichen Weise beim Verfassungsgerichtshof (im Rahmen des Art139 B‑VG) bekämpfbar, wie eine vom Gemeinderat selbst erlassene Verordnung. Das seinerzeit vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 13.500/1993 verwendete systematische Argument des bundesverfassungsgesetzlich in Art141 B‑VG geregelten Systems der Wahlgerichtsbarkeit, das den Fall einer direkten Wahl des Bürgermeisters nicht vorsah und daher ausschloss, greift im vorliegenden Fall daher nicht.

3. […]

4. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes das Verhältnis des §22 Abs1 Gemeindegesetz zu Art76 der Landesverfassung betreffend

[…]

Gemäß Art117 Abs8 B‑VG iVm Art118 Abs5 B‑VG kann die Landesgesetzgebung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen. Wie bereits oben unter Punkt 1.1 dargelegt, enthält Art117 Abs8 B‑VG somit die (zum Teil klarstellende und zum Teil konstitutive) verfassungsrechtliche Ermächtigung, durch einfaches Landesgesetz im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, also sowohl im Bereich der Landes- als auch der Bundesvollziehung, direktdemokratische Instrumente einzurichten. Diese bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung in Art117 Abs8 B‑VG stellt jedenfalls eine ausreichende Grundlage dar, um einfachgesetzlich – wie dies in §22 Gemeindegesetz geschehen ist – auf Gemeindeebene die Möglichkeit einer Volksabstimmung sowohl im Rahmen der Landesvollziehung als auch der Bundesvollziehung vorzusehen; bei den einfachgesetzlichen Bestimmungen zur direkten Demokratie handelt es sich demnach um auf Art115 Abs2 B‑VG gestützte Konkretisierungen des Art117 Abs8 B‑VG (Giese, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 135).

Die Bestimmung des Art76 der Landesverfassung ist dafür nicht notwendig und somit auch nicht die den verbindlichen Rahmen bildende Grundlage für die einfachgesetzliche Regelung der Volksabstimmung in §22 Gemeindegesetz. Dies zeigt sich auch darin, dass Art76 der Landesverfassung erst nach der bereits erfolgten Verankerung der Volksabstimmung im Gemeindegesetz erlassen worden ist. Diese erfolgte bereits in §20 des Gemeindegesetzes 1965, LGBl.Nr 45/1965, wobei schon in dieser Bestimmung keine Einschränkung auf den Bereich der Landesvollziehung enthalten war.

§22 Abs1 Gemeindegesetz steht somit nicht im Widerspruch zu Art76 der Landesverfassung, da dieser nur deklaratorischen Charakter hat, und ist daher nicht verfassungswidrig.

5. Allfälliger Aufhebungsumfang

Falls der Verfassungsgerichtshof – entgegen der Auffassung der Vorarlberger Landesregierung – zum Ergebnis kommen sollte, dass die durch die Regelungen im Gemeindegesetz bzw Landes-Volksabstimmungsgesetz ermöglichten verbindlichen Volksabstimmungen entgegen dem Willen der Gemeindevertretung verfassungswidrig sind, ist festzuhalten, dass diese Verfassungswidrigkeit jedenfalls nicht schon der Bestimmung des Art76 der Landesverfassung anhaftet. Diese Bestimmung, die lediglich deklaratorischen Charakter hat (siehe dazu oben unter Punkt II.1.), nimmt auf die einfachgesetzliche Rechtslage Bezug, die – ohne diesbezüglichen Vorgriff durch die Landesverfassung – Volksabstimmungen vorsehen kann, die mit Willen der Gemeindevertretung oder die gegen deren Willen zustande kommen können. Auch die Aufhebung der – auch für Volksabstimmungen, die nicht gegen den Willen der Gemeindevertretung initiiert werden, Relevanz habenden Bestimmungen – der §§22 Abs1 erster Satz Gemeindegesetz und 69 Abs3 Landes-Volksabstimmungsgesetz ist zur Beseitigung der vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Verfassungswidrigkeit keinesfalls erforderlich (siehe dazu oben unter Punkt II.2.). Keine der genannten Bestimmungen gibt vor bzw setzt voraus, dass es verbindliche Volksabstimmungen gegen den Willen der Gemeindevertretung geben muss.

[…]"

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

5. Der Bürgermeister der Gemeinde Ludesch hat eine Äußerung erstattet, mit der er sich der Äußerung der Vorarlberger Landesregierung vollinhaltlich anschließt.

6. Die im Anlassfall anfechtungswerbenden Stimmberechtigten haben als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der im Wesentlichen den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes beigetreten, ein Widerspruch der in Prüfung gezogenen Bestimmungen auch zum Grundsatz des freien Mandates der Mitglieder des Gemeinderates vorgebracht sowie Kostenersatz begehrt wird.

7. Der vom Verfassungsgerichtshof zur Stellungnahme eingeladene Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt hat eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird:

"Nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dürften die in Prüfung gezogenen Bestimmungen es ermöglichen, dass in sämtlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde – mit Ausnahme von an bestimmte Personen gerichteten Verwaltungsakten – verbindliche Entscheidungen auch unter Ausschluss einer eigenen Willensbildung des sonst zuständigen Gemeindeorgans getroffen werden können.

2. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die in Art117 Abs8 B‑VG verwendeten Begriffe 'Teilnahme' und 'Mitwirkung' eine zwingende Beteiligung des Gemeinderates an der Willensbildung implizieren dürften (Rz 29 des Prüfungsbeschlusses). Dazu wird seitens des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst auf Folgendes hingewiesen:

2.1. […]

2.2. In der Regierungsvorlage ist zwar von der 'unmittelbare[n] Teilnahme' einerseits und der 'Mitwirkung' andererseits die Rede. Dessen ungeachtet ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, dass sich das Attribut 'unmittelbare' nicht nur auf das Wort 'Teilnahme', sondern ebenso auf das Wort 'Mitwirkung' bezieht; denn andernfalls würde es nicht 'die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung', es müsste vielmehr 'die unmittelbare Teilnahme und die Mitwirkung' heißen. Daraus folgt, dass aus dem Attribut 'unmittelbare' für die Ermittlung des Bedeutungsunterschiedes zwischen den beiden in Art117 Abs8 B‑VG einander gegenübergestellten Begriffen nichts gewonnen werden kann. Insbesondere kann aus diesem Attribut nicht abgeleitet werden, dass das Verhältnis zwischen der Entscheidungsbefugnis der zum Gemeinderat Wahlberechtigten und der Entscheidungsbefugnis der zuständigen Gemeindeorgane bei der Teilnahme anders zu beurteilen wäre als bei der Mitwirkung.

2.3. Zu der Frage nach diesem Verhältnis ergibt sich allerdings auch aus den Begriffen 'Teilnahme' und 'Mitwirkung' als solchen nichts. Mehr noch: Es lässt sich nicht einmal sagen, worin der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen besteht.

2.3.1. Dies liegt einerseits daran, dass es sich bei diesen Begriffen eigentlich um Synonyme handelt. In diesem Sinn hat etwa der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 8466/1978 – in dem er unter Bezugnahme auf eine Reihe von Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes von einem 'verfassungsgesetzlich vorgebildeten Inhalt' des Begriffs der Mitwirkung gesprochen hat – die Mitwirkung als 'Teilnahme an den im Vollziehungsbereich einer anderen Autorität liegenden Akten' umschrieben. Dass es der Verfassungsgesetzgeber der B‑VG-Novelle 1984 unternommen hat, dem im Bundes-Verfassungsgesetz an zahlreichen Stellen verwendeten Begriff 'Mitwirkung' den sonst an keiner Stelle verwendeten Begriff 'Teilnahme' gegenüberzustellen, überrascht daher.

2.3.2. Dass sich zu der Frage nach dem Verhältnis zwischen der Entscheidungsbefugnis der zum Gemeinderat Wahlberechtigten und der Entscheidungsbefugnis der zuständigen Gemeindeorgane aus den Begriffen 'Teilnahme' und 'Mitwirkung' nichts ergibt, liegt andererseits daran, dass diese Begriffe in einem sehr weiten Sinn verstanden werden können. Wenn man davon ausgeht, dass es die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde in ihrer Gesamtheit sind, an denen teilgenommen oder mitgewirkt wird, so erlaubt der Wortsinn ohne Weiteres eine Auffassung, wonach auch eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Angelegenheit allein auf die zum Gemeinderat Wahlberechtigten von den Begriffen 'Teilnahme' und 'Mitwirkung' erfasst ist.

Dass dem Verfassungsgesetzgeber ein solches weites Verständnis des Begriffs der Mitwirkung nicht fremd ist (der Begriff 'Teilnahme' wird im Bundes-Verfassungsgesetz – wie gesagt – sonst nicht verwendet), lässt sich an Art97 Abs2 B‑VG und weiteren damit im Zusammenhang stehenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen zeigen:

Der Begriff der Mitwirkung an der Vollziehung (im Sinn des Art97 Abs2 B‑VG) erfasst nach zutreffender Auffassung auch die Übertragung von Aufgaben (vgl Jabloner, Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung [1989], 170-172, sowie Jabloner/Muzak, Art97 Abs2 B‑VG, Rz 10 [2000], in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg], Bundesverfassungsrecht; so auch die Staatspraxis; zweifelnd Pesendorfer, Art97 B‑VG, Rz 12 FN 46 [2002], in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht).

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Anordnung in §11 Abs3 letzter Satz F‑VG 1948, wonach Art97 Abs2 B‑VG anzuwenden ist, '[s]ofern durch Landesgesetz die Bemessung und Einhebung solcher Abgaben Bundesorganen übertragen werden soll'. Ebenso aufschlussreich ist Art15 Abs3 B‑VG, der die Landesgesetzgebung teils verpflichtet, teils ermächtigt, in bestimmten Fällen der Landespolizeidirektion Aufgaben zu übertragen. In Staatspraxis, Lehre und Judikatur wurden unterschiedliche Positionen zu der Frage eingenommen, inwieweit derartige Landesgesetze der Zustimmung durch die Bundesregierung bedürfen; dass eine solche Aufgabenübertragung grundsätzlich einen Fall der Mitwirkung im Sinn des Art97 Abs2 B‑VG darstellt, war jedoch nie strittig (vgl die Darstellung bei Wiederin, Art15/3 B‑VG, Rz 6 [2005], in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg], Bundesverfassungsrecht). Hingewiesen wird weiters darauf, dass Gegenstand der Übertragung gemäß Art15 Abs3 B‑VG ua auch 'die Mitwirkung in erster Instanz bei Verleihung von Berechtigungen' in bestimmten Angelegenheiten ist. In Hinblick auf diese Bestimmung betont Wiederin (aaO, Rz 13) die Weite des Begriffs der Mitwirkung: Eine Mitwirkung liege 'sowohl dann vor, wenn einer Bundes- oder Landesbehörde im Vollzugsbereich des föderalen Partners die Zuständigkeit zur Setzung eines Verwaltungsaktes eingeräumt wird, als auch dann, wenn ein Organ lediglich einen Beitrag zu einem Akt leisten soll, der einer anderen Behörde zugerechnet wird'. Dementsprechend könne der Landesgesetzgeber die Landespolizeidirektion 'mit der Zuständigkeit zur Erlassung des die Berechtigung verleihenden Bescheides ausstatten'; er könne aber auch 'die Kompetenz bei der Landesbehörde belassen und diese an das Einvernehmen mit der [Landes]polizeidirektion binden'; er könne sich schließlich auch 'auf die Statuierung einer Verpflichtung zu deren Information und Anhörung beschränken'.

2.3.3. Die im Prüfungsbeschluss vorläufig vertretene Auffassung, dass die Begriffe 'Teilnahme' und 'Mitwirkung' eine zwingende Beteiligung des Gemeinderates an der Willensbildung implizieren dürfte, wird daher nicht geteilt. Aufschluss darüber, was mit den Begriffen 'unmittelbare Teilnahme' und 'unmittelbare Mitwirkung' gemeint ist, und Aufschluss daher auch über die Frage nach der Rolle des Gemeinderates bei der Willensbildung lässt sich nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst nur aus den Gesetzesmaterialien gewinnen.

2.4. Als Beispiele einer unmittelbaren Mitwirkung im Sinn des Art117 Abs8 B‑VG führt die Regierungsvorlage das Volksbegehren und die Volksbefragung an. Es ist daher davon auszugehen, dass eine solche Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten nichts daran ändert, dass die Entscheidungsbefugnis ausschließlich bei den Gemeindeorganen liegt.

Anders verhält es sich – wie schon an dem in der Regierungsvorlage angeführten Beispiel der Volksabstimmung deutlich wird – bei der unmittelbaren Teilnahme: Hier soll offensichtlich den zum Gemeinderat Wahlberechtigten selbst Entscheidungsbefugnis zukommen. Zum Verhältnis dieser Entscheidungsbefugnis zu der den Gemeindeorganen zukommenden Entscheidungsbefugnis heißt es in der Regierungsvorlage zwar ausdrücklich, dass den Wahlberechtigten 'die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen wird'. Ob darin bereits die Antwort auf die Frage nach der Rolle der Gemeindeorgane bei der unmittelbaren Teilnahme im Sinn des Art117 Abs8 B‑VG liegen kann, ist allerdings höchst fraglich.

2.4.1. Dagegen spricht schon die Parenthese 'wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist':

Das Bundes-Verfassungsgesetz sieht die Abhaltung einer Volksabstimmung in Art43 und Art44 Abs3 sowie in Art60 Abs6 vor; allenfalls könnte auch Art60 Abs1 B‑VG in diesem Zusammenhang genannt werden.

Die Fälle des Art60 B‑VG können im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben, da dort die Volksabstimmung die Durchführung von Wahlen substituiert (Abs6: entweder Absetzung des Bundespräsidenten oder aber dessen Neuwahl bei gleichzeitiger Auflösung des Nationalrates; Abs1: Durchführung der Wahl in Form einer Abstimmung, wenn es nur einen einzigen Wahlwerber gibt). Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Abhaltung einer Volksabstimmung gemäß Art60 Abs6 B‑VG Beschlüsse von Nationalrat und Bundesversammlung voraussetzt.

Aufschlussreich sind jedoch die in Art43 und Art44 Abs3 B‑VG getroffenen Regelungen:

Artikel 43. Einer Volksabstimmung ist jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art42 […], jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, zu unterziehen, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates es verlangt.

Artikel 44. […] (3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung aber nur, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangt wird, ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art42, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen.

Die Abhaltung einer Volksabstimmung gemäß Art43 oder Art44 Abs3 B‑VG setzt somit stets die 'Beendigung des Verfahrens gemäß Art42' voraus. Mit anderen Worten: Die Volksabstimmung tritt zur Beschlussfassung in Nationalrat und Bundesrat hinzu; sie tritt nicht an deren Stelle.

Unter der – naheliegenden – Annahme, dass die Regierungsvorlage zu einer B‑VG-Novelle den Begriff 'Volksabstimmung' in jenem Sinn gebraucht, in dem er im Bundes-Verfassungsgesetz selbst verwendet wird, erweisen sich also die Aussage, dass die Wahlberechtigten 'anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane' entscheiden würden, und der dieser Aussage unmittelbar vorangestellte Hinweis 'wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist' als unvereinbar.

Zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur dann, wenn man davon ausgeht, dass die Regierungsvorlage den Begriff der Volksabstimmung in einem Sinn gebraucht, in dem er im Bundes-Verfassungsgesetz selbst gerade nicht verwendet wird. Dass genau dies bei der Regierungsvorlage zur B‑VG-Novelle 1984 – bei deren Vorbereitung die Länder maßgeblich Einfluss nahmen – der Fall ist, hält das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst für möglich.

2.4.2. Ungeachtet dessen stellt sich allerdings die Frage, ob sich der Verfassungsgesetzgeber eine solche – nicht im Gesetzestext, sondern nur in den Erläuterungen zum Ausdruck kommende – allfällige Position tatsächlich zu eigen gemacht hat. Weder aus den Ausschussprotokollen noch aus den Ausschussberichten (AB 468 BlgNR XVI. GP sowie AB 2898 BlgBR) noch aus der Parlamentskorrespondenz ergeben sich Hinweise dazu; anders verhält es sich hingegen mit den Stenographischen Protokollen von Nationalrat und Bundesrat.

Andreas Khol, der auch [an] den Beratungen im Verfassungsausschuss teilgenommen hatte, führte in der zweiten Lesung im Nationalrat Folgendes aus (StProtNR XVI. GP, 66. Sitzung, 5641):

'Im Sinne dieser Bestimmung begrüßen wir daher die Ausdehnung der direkten Demokratie. In der Novelle wird die Teilnahme und die Mitwirkung der Bürger vorgesehen. Mitwirkung der Bürger im Wege von Volksbefragung und Volksbegehren, Teilnahme der Bürger an den Entscheidungen im Wege der Volksabstimmung.' […]

Unmittelbare Teilnahme der Wahlberechtigten im Sinn des Art117 Abs8 B‑VG wird hier – ganz im Einklang mit dem dem Bundes-Verfassungsgesetz zu Grunde liegenden Verständnis des Begriffs 'Volksabstimmung' (vgl die Ausführungen unter Punkt 2.4.1) – als 'Teilnahme […] an den Entscheidungen' verstanden.

Im Bundesrat sprach seitens der Österreichischen Volkspartei Jürgen Weiss zwar von einer 'Verankerung der direkten Demokratie auf Gemeindeebene, wie sie in mehreren Bundesländern ohnedies schon Bestandteil der Rechtsordnung ist' (StProtBR, 454. Sitzung, 18170). Dieser Aussage (eines von Vorarlberg entsendeten Mitglieds des Bundesrates), die den in der Regierungsvorlage formulierten Gedanken der verfassungsrechtlichen Absicherung 'derzeit bereits praktizierte[r] Formen direkter Demokratie auf Gemeindeebene' aufzugreifen scheint, stehen allerdings Ausführungen Herbert Schambecks, Vorsitzender der Bundesratsfraktion des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei, gegenüber, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen (StProtBR, 454. Sitzung, 18201):

'Wir freuen uns auch darüber, daß es zu einer Zeit, in welcher der Bürger immer mehr seiner Rechte bewußt wird und die Einrichtungen der direkten Demokratie immer aktueller werden, auf Gemeindeebene besonders stark, zu einer Absicherung von Einrichtungen der direkten Demokratie auf Gemeindeebene kommt.

Aber auch hier ein klares Wort in bezug auf die direkte Demokratie: Die direkte Demokratie, ob auf Landes-, Gemeinde- oder Bundesebene, wird niemals die parlamentarische Staatswillensbildung im Gemeinderat, im Landtag und im National- und Bundesrat ersetzen können. […] Jeder andere Weg wäre nicht ein solcher der Demokratisierung, sondern einer der Jakobinisierung.

Ich halte es hier mit Hans Kelsen, der in seiner in den zwanziger Jahren erschienenen […] Schrift 'Vom Wesen und Wert der Demokratie', die ich jedem von Ihnen empfehlen kann […], schrieb: Es ist Aufgabe der Einrichtungen der direkten Demokratie, das freie Mandat der Abgeordneten zu ergänzen. – Hohes Haus: Nicht zu ersetzen, sondern zu ergänzen!' […]

Diese Ausführungen stehen nicht nur in ganz deutlichem Gegensatz zur Formel 'Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane' in der Regierungsvorlage. Es wird darüber hinaus die Geltung des Konzepts der repräsentativen Demokratie ausdrücklich auch für die Gemeindeebene angenommen.

2.4.3. Unter Einbeziehung sämtlicher Gesetzesmaterialien gelangt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst somit zu folgendem Ergebnis:

Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Textfassung des Art117 Abs7 B‑VG wurde zwar im Verfassungsausschuss wie auch im Plenum des Nationalrats einstimmig angenommen (StProtNR XVI. GP, 66. Sitzung, 5629 und 5651 f); ebenso wurde im Rechtsausschuss und im Plenum des Bundesrates – wohl einstimmig (vgl das Ausschussprotokoll sowie StProtBR, 454. Sitzung, 18159 und 18208) – beschlossen, keinen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates zu erheben. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Verfassungsgesetzgeber auch die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Ausdruck kommenden Standpunkte zur Gänze geteilt hat. Vielmehr lassen die unter Punkt 2.4.2 wiedergegebenen Äußerungen in den Sitzungen der beiden parlamentarischen Kammern erhebliche Zweifel daran entstehen, der Verfassungsgesetzgeber hätte bei der Schaffung des Art117 Abs7 (nunmehr: Abs8) B‑VG die Vorstellung vor Augen gehabt, dass die zum Gemeinderat Wahlberechtigten die Entscheidung anstelle der Gemeindeorgane treffen sollten.

3. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, dass sich durch die B‑VG-Novelle 1984, BGBl Nr 490/1984, an der Ausgestaltung der Gemeindeselbstverwaltung als 'demokratisch-parlamentarisches System' (so VfSlg 13.500/1993) nichts geändert habe (Rz 29 des Prüfungsbeschlusses). Er bezieht sich dabei auf den – von der erwähnten B‑VG-Novelle unberührten – Art118 Abs5 B‑VG sowie auf das repräsentativ-demokratische Grundprinzip (Rz 30).

3.1. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang zunächst allgemein auf die Ausführungen unter Punkt 2.4 zur Frage, ob im vorliegenden Fall der Wille des Verfassungsgesetzgebers aus der Regierungsvorlage oder aber aus den Äußerungen im Plenum von Nationalrat und Bundesrat abzuleiten ist. Von Interesse ist dabei auch, dass Andreas Khol in seiner Rede (StProtNR XVI. GP, 66. Sitzung, 5641) einen im Band 15 der Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung erschienenen Beitrag Peter Oberndorfers erwähnt; diesen Beitrag empfiehlt er '[j]edem, der interessiert ist, die Hintergründe und die Wichtigkeit dieser Mitwirkung [gemeint: Bürgerbeteiligung in der Gemeinde] und die Teilnahme der Bürger zu ergründen'. In diesem Beitrag (Oberndorfer, Bürgerbeteiligung in der Gemeinde, in: Pernthaler [Hrsg], Direkte Demokratie in den Ländern und Gemeinden [1980], 50-65 [hier: 65]) heißt es unter anderem:

'Es hat seinen guten Sinn, daß der Vollzug demokratisch zustandegekommener Gesetze dafür verantwortlichen Repräsentanten von Verfassungs wegen überantwortet ist. Wenn die Vollziehung vom Volk selbst wahrgenommen wird, ist es nämlich sinnlos, daß dieses Volk vorher generelle Normen aufstellt. Art118 Abs5 B‑VG trägt diesem Gedanken eines ,Responsible Government‘, einer verantwortlichen Vollziehung, für den Gemeindebereich gehörig Rechnung.'

Es kann angenommen werden, dass sich der Redner der Frage nach dem Verhältnis zwischen den Formen direkter Demokratie und der besonderen Rolle des Gemeinderats gemäß Art118 Abs5 B‑VG bewusst gewesen ist und dass er die Position Oberndorfers wohl auch geteilt hat.

3.2. Im Übrigen verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf seine im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes und der direkten Demokratie, LGBl Nr 21/2014, abgegebene Stellungnahme, GZBKA‑650.068/0002‑V/2/2013. Darin wurde die Verfassungskonformität des §69 Abs3 des Landes-Volksabstimmungsgesetzes mit folgender Begründung in Zweifel gezogen:

'Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst gibt zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs das demokratische Grundprinzip der Bundesverfassung als ein System der repräsentativen Demokratie mit bloß ausnahmehaft vom Verfassungsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen direkt-demokratischen Elementen zu verstehen ist. So ist etwa eine 'Volksgesetzgebung' ohne Beteiligung bzw gegen den Willen des sonst verfassungsmäßig zuständigen Gesetzgebungsorgans mit dem repräsentativdemokratischen Grundprinzip unvereinbar (VfSlg 16.241/2001).

Sofern die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zum demokratischen Grundprinzip auch für den Bereich der Gemeinde gelten, würde Art117 Abs8 B‑VG bei baugesetzkonformer Interpretation keine Ermächtigung des Landesgesetzgebers zur Schaffung direkt-demokratischer Entscheidungsformen unter Umgehung des Gemeinderats enthalten […].

Der zur Begutachtung stehende §69 Abs3 würde jedoch gerade eine Rechtserzeugung durch die Gemeindebürger im Wesentlichen ohne Beteiligung bzw gegen den Willen des Gemeinderats ermöglichen.'

4. Der Verfassungsgerichtshof geht schließlich (vgl Rz 35-38 des Prüfungsbeschlusses) vorläufig davon aus, dass im Weg einer Volksabstimmung auch über die Erlassung von Rechtsakten entschieden werden kann, die ansonsten in einem Verordnungsverfahren zu beschließen wären. Es dürften jedoch keine Bestimmungen darüber existieren, wie in einem solchen Fall allfälligen gesetzlichen Vorschriften über das Verordnungsverfahren entsprochen werden soll. Dies sei nicht nur unsachlich; sofern es sich um Verordnungen handle, die auf Grund von Bundesgesetzen ergehen, werde damit auch in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen.

Nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst wird hier zu differenzieren sein:

4.1. Sollten die landesgesetzlichen Regelungen dahin zu verstehen sein, dass die Einhaltung allfälliger Verfahrensvorschriften unbeachtlich ist, werden die Bedenken des Gerichtshofes jedenfalls zutreffen. Nichts anderes wird anzunehmen sein, wenn die in den Verfahrensvorschriften vorgesehenen Schritte erst zu setzen wären, nachdem eine Entscheidung im Weg der Volksabstimmung bereits gefallen ist; denn in diesem Fall wäre das gesetzlich vorgesehene Verfahren seiner Funktion beraubt.

4.2. Sind aber die genannten Verfahrensvorschriften unverändert zu beachten und erfolgt die Volksabstimmung erst nach Setzung der erforderlichen Verfahrensschritte, so stellen sich dennoch weitere Fragen:

4.2.1. Nach völlig herrschender Auffassung handelt es sich bei Verordnungen um von Verwaltungsbehörden erlassene Rechtsakte. Es ist anzunehmen, dass dieses Begriffsverständnis auch jenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu Grunde liegt, die Verordnungen zum Gegenstand des Aufsichtsrechts von Bund und Ländern (Art119a Abs6 B‑VG) oder zum Gegenstand der Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof (Art139 B‑VG) machen (vgl etwa Aichlreiter, Art139 B‑VG Rz 4 [2001], in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht). Wenn daher die zum Gemeinderat Wahlberechtigten berufen sind, Entscheidungen anstelle der Gemeindeorgane zu treffen, so setzt die Anwendung des Art119a Abs6 und des Art139 B‑VG auf solche Entscheidungen voraus, dass die zum Gemeinderat Wahlberechtigten insoweit als Verwaltungsbehörde (im funktionellen Sinn) angesehen werden. Nur wenn man dies annimmt, ist also sichergestellt, dass Verstöße gegen allfällige Verfahrensvorschriften auch sanktioniert werden können.

4.2.2. Auch wenn man die Wahlberechtigten als Verwaltungsbehörde betrachtet, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit bestimmter Rechtsinstitute, die geeignet sind, zur Einhaltung von Verfahrensvorschriften durch Organe der Gemeinde beizutragen. Zu denken ist zB an Regressansprüche nach §3 des Amtshaftungsgesetzes, an Ersatzansprüche nach dem Organhaftpflichtgesetz sowie an Tatbestände aus dem 'Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen' überschriebenen Zweiundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, die auf Beamte im Sinn des §74 Abs1 Z4 StGB oder Amtsträger im Sinn des §74 Abs1 Z4a StGB abstellen. Fraglich ist, inwieweit diesem Umstand Bedeutung für die Beurteilung der Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zukommt."

8. Die vom Verfassungsgerichtshof zur Stellungnahme eingeladenen übrigen Bundesländer haben von der Erstattung einer Äußerung jeweils abgesehen.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. Die Art74 und 76 des Vbg Verfassungsgesetzes über die Verfassung des Landes Vorarlberg (Landesverfassung – L.V.), LGBl 9/1999 idF LGBl 14/2013, lauten wie folgt:

"Artikel 74

Wirkungsbereich

(1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde in den Angelegenheiten der Landesvollziehung ist ein eigener und ein vom Land übertragener.

(2) Die in den Gesetzen geregelten Angelegenheiten sind vorbehaltlich des Art73 Abs2 Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, soweit sie ausdrücklich als solche bezeichnet sind. Alle anderen Angelegenheiten der Gemeinde sind solche des übertragenen Wirkungsbereiches.

(3) Die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde im Rahmen der Gesetze und Verordnungen in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht zu.

(4) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde nach Maßgabe der Gesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen.

Artikel 76

Volksabstimmung und Volksbefragung

Durch Gesetz wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung durch Abstimmung der Stimmberechtigten der Gemeinde (Art13 Abs4) entschieden oder verfügt (Volksabstimmung) und begutachtet (Volksbefragung) werden."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz – GG.), LGBl 40/1985 idF LGBl 34/2018, lauten wie folgt:

"I. HAUPTSTÜCK

Äußerer Aufbau der Gemeinde

[…]

§7

Bestandsänderungen

(1) Vor Einbringung eines Antrages auf Erlassung eines Gesetzes, durch das die Anlage zu §1 in der Weise geändert wird, dass

a) zwei oder mehrere angrenzende Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt werden,

b) eine Gemeinde in zwei oder mehrere selbständige Gemeinden getrennt wird,

c) aus Gebietsteilen angrenzender Gemeinden eine neue Gemeinde gebildet wird oder

d) eine Gemeinde auf zwei oder mehrere angrenzende Gemeinden aufgeteilt wird, sodass sie als eigene Gemeinde zu bestehen aufhört,

hat die Landesregierung die beteiligten Gemeinden zu hören.

[(2)–(6) …]

[…]

III. HAUPTSTÜCK

Wahl- und Stimmrecht

§20

Wahlen der Gemeindevertretung und des Bürgermeisters

Die Gemeindevertretung und, soweit sich aus §61 Abs1 und §63 Abs4 nichts anderes ergibt, der Bürgermeister sind von den Bürgern der Gemeinde und den ausländischen Unionsbürgern, die nach dem Gemeindewahlgesetz das aktive Wahlrecht besitzen, zu wählen.

§21

Volksbegehren

(1) Durch Volksbegehren kann verlangt werden, dass Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in bestimmter Weise erledigt werden.

(2) Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten, können nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein.

(3) Ein Volksbegehren muss von der Gemeindevertretung behandelt werden, wenn es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist:

a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon;

zuzüglich

b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon;

zuzüglich

c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon.

(4) Lehnt es die Gemeindevertretung ab, einem Volksbegehren, das von wenigstens 25 % der Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) gestellt wurde, Rechnung zu tragen, so ist es der Volksabstimmung zu unterziehen.

(5) Beschließt die Gemeindevertretung, dass dem Volksbegehren Rechnung zu tragen ist, so hat sie die für die Besorgung der betreffenden Angelegenheit allenfalls zuständigen anderen Organe der Gemeinde entsprechend anzuweisen.

§22

Volksabstimmung

(1) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann durch eine Abstimmung der Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) entschieden oder verfügt werden (Volksabstimmung). Eine Volksabstimmung ist durch Verordnung des Bürgermeisters anzuordnen, wenn es nach §21 Abs4 geboten ist, es die Gemeindevertretung beschließt oder es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist:

a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon;

zuzüglich

b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon;

zuzüglich

c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon.

(2) Der Bürgermeister kann eine Volksabstimmung auch dann anordnen, wenn

a) die Gemeindevertretung einen Beschluss entgegen einem Antrag des Bürger-meisters gefasst oder einem Antrag des Bürgermeisters auf Beschlussfassung über einen auf der Tagesordnung stehenden Gegenstand wiederholt nicht statt-gegeben hat und

b) es sich nicht um eine behördliche Angelegenheit handelt.

(3) Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten, können nicht Gegenstand einer Volksabstimmung sein.

(4) Die Äußerung der Gemeinde zu einer Bestandsänderung gemäß §7 Abs1 ist aufgrund einer Volksabstimmung abzugeben, wobei im betroffenen Gebietsteil gesondert abzustimmen ist.

(5) Das Ergebnis einer Volksabstimmung ist öffentlich kundzumachen.

§22a

Volksabstimmung über die Abberufung des Bürgermeisters

(1) Ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde unmittelbar gewählter Bürgermeister kann durch Volksabstimmung abberufen werden.

(2) Eine Volksabstimmung über die Abberufung des von den Wahlberechtigten der Gemeinde unmittelbar gewählten Bürgermeisters kann nur aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung angeordnet werden. Die Volksabstimmung ist durch Verordnung des Vizebürgermeisters anzuordnen. Die Bestimmungen des §31 Abs2 und 4 sind sinngemäß anzuwenden.

§23

Volksbefragung

(1) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Meinung der Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) durch eine Abstimmung erfragt werden (Volksbefragung). Eine Volksbefragung ist durch Verordnung des Bürgermeisters anzuordnen, wenn es die Gemeindevertretung beschließt oder es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist:

a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon;

zuzüglich

b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon;

zuzüglich

c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon.

(2) Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein.

(3) Aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung kann eine Volksbefragung auch nur in einem Gebietsteil der Gemeinde durchgeführt werden, wenn die Angelegenheit ausschließlich diesen Teil berührt.

§24

Wahl- und Abstimmungsverfahren

 

Das Verfahren bei Wahlen und Abstimmungen nach diesem Hauptstück wird durch ein eigenes Gesetz geregelt.

[…]

IV. HAUPTSTÜCK

Organe der Gemeinde

[…]

§66

Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich

(1) Dem Bürgermeister obliegen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde:

[…]

d) die Durchführung der durch Volksabstimmung und durch Kollegialorgane der Gemeinde gefassten Beschlüsse;

[…].

[(2)–(7) …]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Gesetzes über das Verfahren bei Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen (Landes-Volksabstimmungsgesetz), LGBl 60/1987 idF LGBl 34/2018, lauten wie folgt:

"V. HAUPTSTÜCK

Volksabstimmung nach dem Gemeindegesetz

1. Abschnitt

Antragsverfahren

§58

Antrag

(1) Ein Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung hat die den Stimmberechtigten vorzulegende Frage und eine allfällige Begründung des Antrages zu enthalten. Die Frage darf nur eine einzige Angelegenheit des eigenen Wirkungs-bereiches der Gemeinde betreffen, ist möglichst kurz zu fassen und hat so zu lauten, dass sie eindeutig mit 'ja' oder 'nein' beantwortet werden kann. Ein Antragsberechtigter (§2 Abs4) ist als Bevollmächtigter und ein weiterer als sein Stellvertreter namhaft zu machen. Im Übrigen hat der Antrag dem in der Anlage 6 dargestellten Muster zu entsprechen und ist vom Bevollmächtigten und seinem Stellvertreter zu unterschreiben.

(2) Die in den Antrag aufzunehmende Kurzbezeichnung der Volksabstimmung hat auf den Inhalt der Volksabstimmung hinzuweisen und muss sich deutlich von der Kurzbezeichnung anderer Volksabstimmungen, hinsichtlich derer ein Antrag bei der Gemeindewahlbehörde anhängig ist, unterscheiden.

(3) Der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung ist bei der Gemeinde-wahlbehörde einzubringen. Bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages kann der Bevollmächtigte den Antrag zurückziehen.

§59

Kaution

(1) Gleichzeitig mit der Überreichung des Antrages nach §58 ist ein Betrag von 360 Euro zu hinterlegen, widrigenfalls der Antrag als nicht eingebracht gilt.

(2) Wenn die Gemeindewahlbehörde gemäß §62 entscheidet, dass eine Volks-abstimmung durchzuführen ist, ist die Kaution unverzüglich zurückzuerstatten. Die Kaution ist ferner zurückzuerstatten, wenn der Antrag gemäß §58 Abs3 zurückgezogen wird. Die Hälfte der Kaution ist zurückzuerstatten, wenn die Gemeindewahlbehörde den Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung für unzulässig erklärt oder wenn innerhalb der nach §60 Abs2 festgesetzten Frist wenigstens die Hälfte der erforderlichen Unterstützungserklärungen vorgelegt wird.

(3) In dem Umfang, in dem die Kaution nach Abs2 nicht zurückzuerstatten ist, verfällt sie zugunsten der Gemeinde.

§60

Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages

(1) Die Gemeindewahlbehörde hat über die Zulässigkeit des Antrages auf Durch-führung einer Volksabstimmung ohne unnötigen Aufschub, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Überreichung zu entscheiden. Der Antrag ist für zulässig zu erklären, wenn das Verlangen nach den Bestimmungen des Gemeindegesetzes zulässig ist, der begehrte Akt übergeordnetem Recht nicht offensichtlich widerspricht und die Voraussetzungen der §§58 und 59 erfüllt sind. Andernfalls ist der Antrag für unzulässig zu erklären. Der Bescheid ist dem Bevollmächtigten zu eigenen Handen zuzustellen.

(2) Wenn der Antrag nach Abs1 für zulässig erklärt wird, ist in der Entscheidung eine Frist von zehn Wochen festzusetzen, innerhalb welcher die von den Antragsberechtigten unterschriebenen Unterstützungserklärungen (§61 Abs3) samt der Bestätigung des Bürgermeisters (§61 Abs4) vom Bevollmächtigten der Gemeindewahlbehörde vorgelegt werden können. Die Frist ist so festzusetzen, dass sie spätestens zwei Wochen nach der Entscheidung beginnt.

(3) Wenn der Antrag nach Abs1 für zulässig erklärt wird, hat die Gemeinde-wahlbehörde dem Bürgermeister eine Ausfertigung der Entscheidung nach Abs1 sowie des Antrages samt einer allfälligen Begründung zu übermitteln. Der Bürgermeister hat den Text des Antrages auf Durchführung einer Volksabstimmung samt einer allfälligen Begründung im Gemeindeamt während der ersten acht Wochen der nach Abs2 festgesetzten Frist aufzulegen und den Antragsberechtigten zumindest während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden Gelegenheit zur Einsicht und Abschriftnahme zu geben.

§61

Unterstützungserklärungen

(1) Der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung muss mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten (§2 Abs3) der Gemeinde unterstützt werden, die wie folgt zu ermitteln ist:

a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon;

zuzüglich

b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon;

zuzüglich

c) für die darüber hinausgehende Anzahl von Stimmberechtigten: 10 % davon.

(2) Die Stimmberechtigten müssen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit gemäß §60 in die Wählerkartei aufgenommen sein.

(3) Die Unterstützungserklärungen haben dem in der Anlage 7 dargestellten Muster zu entsprechen. Sie sind nur gültig, wenn sie innerhalb der ersten acht Wochen der nach §60 Abs2 festgesetzten Frist unterschrieben wurden.

(4) Der Bürgermeister hat innerhalb von zwei Wochen auf der Unterstützungserklärung zu bestätigen, dass

a) die Unterstützungserklärung während der ersten acht Wochen der nach §60 Abs2 festgesetzten Frist eingelangt ist,

b) die in der Unterstützungserklärung genannte Person antragsberechtigt ist und

c) die Unterstützungserklärung nicht von einer Person stammt, die bereits eine Unterstützungserklärung abgegeben hat.

Diese Bestätigung ist nur zu erteilen, wenn die Unterstützungserklärung alle im Formular nach Abs3 verlangten Angaben und die Unterschrift des Antragsberechtigten, die während der ersten acht Wochen der nach §60 Abs2 festgesetzten Frist zu erfolgen hat, enthält. Die Ausstellung der Bestätigung ist in der Wählerkartei anzumerken. Die bestätigten Unterstützungserklärungen sind dem Bevollmächtigten auszufolgen.

(5) Der Bürgermeister hat jedem Antragsberechtigten auf Verlangen die Anzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Wählerkartei aufgenommenen Stimmberechtigten bekannt zu geben.

§62

Entscheidung über die Durchführung

(1) Die Gemeindewahlbehörde hat zu entscheiden, dass eine Volksabstimmung durchzuführen ist, wenn der Bevollmächtigte innerhalb der nach §60 Abs2 festgesetzten Frist die erforderliche Anzahl von Unterstützungserklärungen samt der Bestätigung des Bürgermeisters vorlegt. Andernfalls ist der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung abzuweisen. Die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde hat spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage der Unterstützungserklärungen zu erfolgen.

(2) Wenn infolge der Ungültigkeit von Unterstützungserklärungen die erforderliche Anzahl von Unterstützungserklärungen nicht erreicht wird, hat die Gemeindewahlbehörde den Bevollmächtigten und den Bürgermeister zu verständigen. Der Bürgermeister hat in der Wählerkartei bei den betroffenen Antragsberechtigten die Anmerkung über die Ausstellung der Bestätigung zu löschen. Der Bevollmächtigte kann innerhalb eines Monats nach der Verständigung neue Unterstützungserklärungen derselben Personen samt der Bestätigung des Bürgermeisters vorlegen.

(3) Der Bescheid der Gemeindewahlbehörde ist dem Bevollmächtigten zu eigenen Handen zuzustellen.

(4) Wenn zwei oder mehreren Anträgen mit einem gleichartigen Verlangen stattgegeben wird, kann die Gemeindewahlbehörde mit Zustimmung der Bevollmächtigten die verschiedenen Anträge zu einem einzigen zusammenfassen. In diesem Fall kommt jedem Antragsberechtigten, welcher in den einzelnen Anträgen als Bevollmächtigter namhaft gemacht wurde, die Rechtsstellung eines Bevollmächtigten zu.

§63

Weiterleitung an den Bürgermeister

Wenn dem Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung stattgegeben wird, hat die Gemeindewahlbehörde die Entscheidung unverzüglich dem Bürgermeister zur Kenntnis zu bringen.

2. Abschnitt

Vorbereitungs- und Abstimmungsverfahren

§64

Anordnung

(1) Der Bürgermeister hat innerhalb einer Woche durch Verordnung eine Volksabstimmung anzuordnen, wenn

a) die Voraussetzungen für eine obligatorische Volksabstimmung nach den §§21 Abs4 oder 22 Abs4 des Gemeindegesetzes vorliegen,

b) die Gemeindevertretung die Durchführung einer Volksabstimmung beschlossen hat; für diesen Beschluss gilt der §58 Abs1 erster und zweiter Satz sinngemäß, oder

c) die Gemeindewahlbehörde nach §62 entschieden hat, dass eine Volksabstimmung durchzuführen ist.

(2) Die Verordnung hat zu enthalten

a) die den Stimmberechtigten zur Entscheidung vorzulegende Frage; im Falle einer obligatorischen Volksabstimmung nach §21 Abs4 des Gemeindegesetzes hat die Frage zu lauten, ob die Gemeinde dem Volksbegehren Rechnung tragen soll,

b) den Tag der Abstimmung,

c) den Stichtag.

(3) Der Bürgermeister kann nach Anhörung des Bevollmächtigten unwesentliche textliche Änderungen der den Stimmberechtigten zur Entscheidung vorzulegenden Frage vornehmen.

(4) Der Abstimmungstag ist auf einen Sonntag festzusetzen. Zwischen dem Tag, an dem der Bürgermeister von der Entscheidung oder vom Beschluss über die Durchführung der Volksabstimmung in Kenntnis gesetzt wurde, und dem Abstimmungstag darf kein längerer Zeitraum als zwölf Wochen liegen.

(5) Wenn außerordentliche Verhältnisse (Kriege oder Unruhen im Innern, Elementarereignisse oder Unglücksfälle außergewöhnlichen Umfanges u.dgl.) eintreten, hat der Bürgermeister erforderlichenfalls den Abstimmungstag auf einen Sonntag innerhalb von zwölf Wochen nach Beendigung der außerordentlichen Verhältnisse festzusetzen oder einen bereits festgesetzten Abstimmungstag auf längstens zwölf Wochen nach Beendigung der außerordentlichen Verhältnisse zu verschieben. Als Stichtag ist der Tag der Anordnung der Volksabstimmung zu bestimmen.

(6) Für den gleichen Abstimmungstag kann die Durchführung mehrerer Volksabstimmungen und auch von Volksbefragungen angeordnet werden. Die Durchführung einer Volksabstimmung oder Volksbefragung darf aber nicht auf einen Tag festgelegt werden, an dem eine Wahl in einen allgemeinen Vertretungskörper oder in das Europäische Parlament stattfindet.

§65

Kundmachung der Anordnung der Volksabstimmung

Die Verordnung über die Anordnung der Volksabstimmung ist ortsüblich, jeden-falls auch durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde sowie an sonstigen öffentlichen Anschlagstafeln und, wenn für die Gemeinde ein Amtsblatt (Gemeindeblatt) besteht, auch in diesem kundzumachen.

§66

Abstimmungsbroschüre

(1) Der Bürgermeister hat eine Abstimmungsbroschüre zu verfassen, die zu enthalten hat:

a) eine Ausfertigung der Verordnung über die Anordnung der Volksabstimmung,

b) kurz gefasst eine allfällige Begründung des Antrages nach §58 durch die Antragsteller oder des Beschlusses nach §64 Abs1 litb durch die Gemeindevertretung,

c) die Auffassung des Gemeindevorstandes hiezu.

(2) Den Antragstellern ist vor Verfassung der Broschüre Gelegenheit zu geben, die Begründung des Antrages innerhalb angemessener Frist nachzuholen oder nachzubessern. Die Argumente der Antragsteller sowie jene des Gemeindevorstandes nach Abs1 litc sollen möglichst objektiv und möglichst im gleichen Umfang wiedergegeben werden.

(3) Der Bürgermeister hat die Abstimmungsbroschüre mindestens zwei Wochen vor dem Abstimmungstag jedem Stimmberechtigten zuzustellen.

§67

Wählerverzeichnisse, Abstimmungsverfahren

Für die Anlegung der Wählerverzeichnisse und das Abstimmungsverfahren gelten die §§43, 44, 45 sowie 47 bis 53 mit der Maßgabe sinngemäß, dass

a) im Falle einer Volksabstimmung gemäß §22 Abs3 des Gemeindegesetzes der betroffene Gebietsteil zu einem oder mehreren gesonderten Abstimmungssprengeln zusammenzufassen ist,

b) die Stimmkarte den Stimmberechtigten zur Ausübung seines Stimmrechtes auf dem Briefwege oder persönlich vor der nach seiner Eintragung im Wählerverzeichnis zuständigen Wahlbehörde berechtigt.

§68

Amtlicher Stimmzettel

(1) Für die Volksabstimmung sind amtliche Stimmzettel zu verwenden. Der Bürgermeister hat die Stimmzettel und die Stimmkuverts den Gemeinde- und Sprengelwahlbehörden rechtzeitig in genügender Anzahl zur Verfügung zu stellen.

(2) Der Stimmzettel ist, sofern im Abs3 nichts anderes bestimmt wird, aus weichem weißlichem Papier herzustellen, hat ungefähr 21 cm lang und 15 cm breit oder nach Bedarf ein Vielfaches davon zu sein und muss enthalten

a) die Bezeichnung 'Amtlicher Stimmzettel' und 'Volksabstimmung' mit Beifügung des Datums der Volksabstimmung,

b) die den Stimmberechtigten zur Abstimmung vorzulegende Frage,

c) unterhalb des Wortlautes der Frage auf der linken Seite das Wort 'ja' und daneben einen Kreis und auf der rechten Seite das Wort 'nein' und daneben einen Kreis.

(3) Wenn am gleichen Tag mehrere Volksabstimmungen oder Volksbefragungen durchgeführt werden, sind die für jede Volksabstimmung und Volksbefragung bestimmten Stimmzettel aus deutlich unterscheidbar verschiedenfarbigem Papier herzustellen.

§69

Feststellung des Abstimmungsergebnisses

(1) Für die Feststellung des Abstimmungsergebnisses sind die Bestimmungen der §§53a bis 55 mit folgenden Abweichungen sinngemäß anzuwenden:

a) Die Gemeindewahlbehörde hat das Abstimmungsergebnis für das gesamte Gemeindegebiet festzustellen und durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen;

b) die Übermittlung einer Ausfertigung der Niederschrift an die Landeswahlbehörde hat zu entfallen.

(2) Die Gemeindewahlbehörde hat das endgültige Ergebnis der Volksabstimmung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde und, wenn für die Gemeinde ein Amtsblatt (Gemeindeblatt) besteht, auch in diesem kundzumachen. Wenn eine Gemeinde eine Homepage im Internet besitzt, hat sie das Ergebnis überdies auf der Homepage für die Allgemeinheit abrufbar zu halten.

(3) Die Entscheidung des Volkes tritt an die Stelle der Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans. Soweit weitere Entscheidungen notwendig sind, sind diese vom zuständigen Gemeindeorgan zu treffen.

3. Abschnitt

Absage einer Volksabstimmung

§69a

(1) Wenn sich nach einer Entscheidung nach §60, dass eine Volksabstimmung zulässig ist, die für die Durchführung der Volksabstimmung maßgebliche Sach- oder Rechtslage wesentlich ändert, können der Bevollmächtigte und sein Stellvertreter bis zum zehnten Tag vor dem Tag der Abstimmung bei der Gemeindewahlbehörde beantragen, dass die Volksabstimmung nicht durchgeführt wird. Die Gemeindewahlbehörde hat darüber unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen mit Bescheid zu entscheiden. Der Bescheid ist dem Bevollmächtigten zu eigenen Handen zuzustellen und unverzüglich dem Bürgermeister zur Kenntnis zu bringen.

(2) Sofern dem Antrag nach Abs1 stattgegeben wird, haben keine weiteren Verfahrensschritte nach den §§61 bis 69 stattzufinden. Die Kaution ist zurückzuerstatten, sofern dies nicht ohnehin schon erfolgt ist. Wurde die Durchführung der Volksabstimmung vom Bürgermeister bereits mit Verordnung nach §64 angeordnet, so hat der Bürgermeister die Durchführung unverzüglich mit Verordnung abzusagen; für die Kundmachung gilt §65 sinngemäß mit der Maßgabe, dass eine Kundmachung im Amtsblatt (Gemeindeblatt) nur zu erfolgen hat, wenn dieses noch vor dem ursprünglich festgelegten Tag der Abstimmung erscheint."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1. Die auf Art141 Abs1 lith B‑VG gestützte Anfechtung im Anlassverfahren ist zulässig.

1.1.1. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof, soweit bundesgesetzliche Regelungen fehlen, die Legitimationsvoraussetzungen für die Anfechtung direkt-demokratischer Ereignisse unmittelbar aus Art141 B‑VG selbst abgeleitet (vgl VfSlg 15.816/2000, 19.648/2012, 19.784/2013, 19.785/2013 und VfGH 13.9.2013, V50/2013, jeweils zu Art141 Abs3 B‑VG idF vor BGBl I 51/2012; zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Art141 Abs1 lite B‑VG idF BGBl I 51/2012 bzw lith leg.cit. idF BGBl I 41/2016 vgl VfGH 12.6.2015, WIII1/2015; 18.2.2016, WIII1/2016; 24.11.2017, G278/2017). Dabei wurde auf Gemeindeebene im Fall von Gemeinden mit einer geringen Anzahl an Stimmberechtigten bereits die Anfechtung durch mindestens zwei Stimmberechtigte für zulässig befunden (vgl VfSlg 19.648/2012 sowie VfGH 13.9.2013, V50/2013; zur grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Anfechtung durch eine Einzelperson siehe hingegen VfGH 12.6.2015, WIII1/2015 und 18.2.2016, WIII1/2016). Diese Überlegungen sind auch auf den vorliegenden Fall der Volksabstimmung in der Gemeinde Ludesch übertragbar. Die Legitimation zur Anfechtung dieser Volksabstimmung ist bei einer Anfechtung durch 15 stimmberechtigte Gemeindemitglieder jedenfalls gegeben.

1.1.2. Die Anfechtung im Anlassverfahren wurde am 6. Dezember 2019 und damit innerhalb von vier Wochen nach der am 10. November 2019 erfolgten Kundmachung des Ergebnisses der Volksabstimmung eingebracht. Sie ist somit nach §68 Abs1 VfGG rechtzeitig erfolgt.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über die Anfechtung im Anlassverfahren in der Sache zu entscheiden haben. In seinem Prüfungsbeschluss ging er davon aus, dass dabei unter anderem auch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden sein werden.

1.2.1. Die Landesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des Art76 LV in Zweifel. Die Gemeindewahlbehörde habe diese Bestimmung in dem der Anfechtung zugrunde liegenden Verfahren über die Durchführung der Volksabstimmung nicht angewendet und sei zu deren Anwendung auch nicht verpflichtet gewesen.

Mit diesem Vorbringen ist die Landesregierung nicht im Recht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind auch jene Bestimmungen präjudiziell, die der Verfassungsgerichtshof selbst anzuwenden hätte, obgleich sie von der belangten Behörde weder angewendet wurden noch anzuwenden waren (vgl zB VfSlg 14.257/1995, 16.241/2001, 19.169/2010 jeweils mwN). Die Bestimmung des Art76 LV beschränkt ihrem Wortlaut nach die Zulässigkeit der einfachgesetzlich vorzusehenden Gemeindevolksabstimmungen auf den Bereich der Landesvollziehung. Sie ist daher im Anlassverfahren insofern anzuwenden, als bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Volksabstimmung auch zu klären ist, ob §22 Abs1 GG und §§58 ff. LVAG im Sinn der genannten Bestimmung auszulegen sind und, sofern dies der Fall ist, ob sich der Gegenstand der angefochtenen Volksabstimmung in diesem Rahmen hält. Unabhängig vom Ergebnis dieser Beurteilung ist Art76 LV somit präjudiziell.

1.2.2. Auch die übrigen in Prüfung gezogenen Bestimmungen erweisen sich als präjudiziell. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der im Anlassverfahren angefochtenen Volksabstimmung hat der Verfassungsgerichtshof jedenfalls §22 Abs1 erster Satz und zweiter Satz dritter Fall GG, §64 Abs1 litc LVAG sowie die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen im Neugut" anzuwenden, weil diese Bestimmungen die rechtliche Grundlage für die Abhaltung der angefochtenen Volksabstimmung bilden. Die §§58 bis 63 LVAG stehen mit den genannten gesetzlichen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang, weil sie das Verfahren zur Einleitung einer Volksabstimmung auf Antrag des Gemeindevolkes nach §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG regeln. Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt schließlich bei §69 Abs3 LVAG vor, weil diese Bestimmung die Rechtswirkungen des Ergebnisses der Volksabstimmung regelt.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich sowohl das Gesetzesprüfungsverfahren als auch das Verordnungsprüfungsverfahren als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen mit Art117 Abs8 B‑VG konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

2.1.1. Die in Prüfung gezogenen landesgesetzlichen Bestimmungen sehen ein Modell der Gemeindevolksabstimmung vor, das sich wie folgt darstellt:

Nach §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG kann auf Initiative einer bestimmten Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde durch eine Volksabstimmung in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches "entschieden oder verfügt werden". Im Verfahren zur Einleitung der Volksabstimmung hat die Gemeindewahlbehörde neben dem Vorliegen dieser Voraussetzungen, der Erfüllung der Anforderungen an den Antrag nach §58 LVAG und der Hinterlegung einer Kaution nach §59 LVAG auch zu prüfen, ob "der begehrte Akt übergeordnetem Recht nicht offensichtlich widerspricht" (§60 Abs1 LVAG).

Nach §69 Abs3 LVAG tritt die Entscheidung des Volkes an die Stelle der Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans. Sofern darüber hinaus weitere Entscheidungen notwendig sind, sind diese vom zuständigen Gemeindeorgan zu treffen. Im Gegensatz zur Volksbefragung nach §23 GG, mit der lediglich "die Meinung der Stimmberechtigten der Gemeinde […] erfragt werden" kann, und zum Volksbegehren nach §21 leg.cit., mit dem nur "verlangt werden [kann], dass Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in bestimmter Weise erledigt werden", kann daher mit der Volksabstimmung nach §22 Abs1 leg.cit. vom Gemeindevolk in einer für alle Gemeindeorgane verbindlichen Weise in jeder Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches entschieden werden. Auch die in §21 Abs4 iVm §22 Abs1 leg.cit. vorgesehene Verknüpfung eines qualifizierten Volksbegehrens mit einer zwingenden Volksabstimmung legt dies insofern nahe, als damit eine Bindungswirkung für Gemeindeorgane letztlich der Volksabstimmung vorbehalten bleibt. Dies wird auch durch die folgenden Erläuterungen zu §69 Abs3 LVAG (Selbständiger Antrag 3/2014 BlgLT 29. GP, 11) bestätigt:

"Mit der vorgesehenen Änderung wird ausdrücklich klargestellt, dass das Ergebnis einer Volksabstimmung auf Gemeindeebene bindend sein soll; im Fall einer entsprechenden Fragestellung entscheiden die Stimmberechtigten anstelle der sonst zuständigen Gemeindeorgane. Anders als auf Landesebene ist dies verfassungsrechtlich zulässig (s 446 BlgNR 16. GP  7 zu Art117 Abs7 B‑VG). Soweit weitere Entscheidungen notwendig sind, sind diese vom zuständigen Gemeindeorgan zu treffen. So hat etwa im Falle einer obligatorischen Volksabstimmung nach §21 Abs4 des Gemeindegesetzes das zuständige Gemeindeorgan dem Volksbegehren Rechnung zu tragen."

Nach den in Prüfung gezogenen Bestimmungen ist es somit möglich, dass mit einer Volksabstimmung, die durch einen Antrag des Gemeindevolkes eingeleitet wird, eine Entscheidung getroffen wird, an welche die sonst zuständigen Gemeindeorgane inhaltlich gebunden sind. Diese Möglichkeit besteht in sämtlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sowohl im Bereich der Landesvollziehung als auch in dem der Bundesvollziehung. Ausgenommen sind nach §22 Abs3 GG lediglich Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten. Die Volksabstimmung kann daher grundsätzlich Angelegenheiten sowohl der Hoheits- als auch der Privatwirtschaftsverwaltung umfassen – im Einzelnen somit etwa auch den Bereich der Haushaltsführung, der Abgabenausschreibung und der Wahlen sowie Angelegenheiten, für die der Gesetzgeber zwingende Anhörungsrechte und dergleichen vorgesehen hat. Insbesondere ist daher auch die Erlassung von Verordnungen erfasst.

Die in §69 Abs3 LVAG vorgesehene Bindungswirkung hat zur Folge, dass die Willensbildung des sonst zuständigen Gemeindeorgans in der betroffenen Angelegenheit durch die Entscheidung des Gemeindevolkes ersetzt wird. Damit treten zwar durch die Volksabstimmung selbst (bzw durch die Kundmachung des Ergebnisses) keine unmittelbaren außenwirksamen Rechtsfolgen ein. Die Gemeindeorgane sind nach dieser Bestimmung jedoch verpflichtet, alle erforderlichen Schritte zu setzen, um den Rechts- oder Tatsachenzustand herzustellen, der durch die Volksabstimmung vorgegeben ist. Dies hätte beispielsweise im Fall einer Volksabstimmung zu einer Verordnungsangelegenheit durch den Erlass einer entsprechenden Verordnung zu erfolgen. Diese Bindungswirkung hat letztlich auch zur Folge, dass die Gemeindeorgane bis zur (rechts)wirksamen Umsetzung des Ergebnisses der Volksabstimmung keine Akte setzen dürfen, die diesem Ergebnis zuwiderlaufen.

2.1.2. Nach Art117 Abs8 B‑VG ist die Landesgesetzgebung ermächtigt, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches eine "unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten" vorzusehen. In seinen im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass diese Bestimmung im Lichte des repräsentativ-demokratischen Systems der Gemeindeselbstverwaltung auszulegen sei und damit keine Ermächtigung für Bestimmungen geschaffen habe, die mit diesem System nicht vereinbar seien.

Die Vorarlberger Landesregierung wendet unter Hinweis auf VfSlg 15.302/1998 ein, dass die Erlassung des Art117 Abs8 B‑VG im Hinblick auf direkt-demokratische Elemente in der Gemeindeselbstverwaltung ebenso wie zuvor bereits die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters nach Art117 Abs6 B‑VG einen "Systemwechsel" begründet habe. Demnach sei mit dieser Bestimmung jedenfalls eine verfassungsrechtliche Grundlage auch für solche direkt-demokratische Einrichtungen geschaffen worden, wie sie die in Prüfung gezogenen Bestimmungen vorsehen. Zuzustimmen ist zunächst dahingehend, dass der Verfassungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung in Art117 Abs6 B‑VG jenen "Systemwechsel" erblickt hat, für den er zuvor in VfSlg 13.500/1993 eine ausdrückliche bundesverfassungsgesetzliche Grundlage für erforderlich befunden hatte, weil die Einführung einer Direktwahl des Bürgermeisters eine Modifikation des repräsentativ-demokratischen Systems der Gemeindeselbstverwaltung darstellte. Dementsprechend kann auch in Art117 Abs8 B‑VG eine ausdrücklich vom genannten System abweichende Bestimmung erblickt werden. Darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 13.500/1993 hingewiesen:

"Diese Ermächtigung [des Art117 Abs8 B‑VG] erfolgte im Hinblick auf das verfassungspolitische Anliegen der Einführung direkt-demokratischer Mitwirkungsrechte des Gemeindevolkes; ihre Existenz bestätigt das eben skizzierte Grundkonzept einer repräsentativ-demokratischen Verfassung mit jeweils ausdrücklich formulierten direkt-demokratischen Elementen."

Damit ist jedoch für die von der Vorarlberger Landesregierung vertretene Position im Ergebnis nichts gewonnen. Die in VfSlg 15.302/1998 enthaltenen Aussagen des Verfassungsgerichtshofes zur Frage, ob Art117 Abs6 B‑VG neben der Direktwahl des Bürgermeisters auch die darin nicht ausdrücklich erwähnte Abwahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk auf Initiative des Gemeinderates ermöglicht, lassen sich nicht auf die Frage nach der Reichweite des Art117 Abs8 B‑VG übertragen. Neben der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte der beiden Bestimmungen (vgl Punkt 2.1.4.) ist auch deren grundsätzlich unterschiedliche Ausgestaltung zu berücksichtigen. In Art117 Abs6 B‑VG wird ausdrücklich die Direktwahl des Bürgermeisters für zulässig erklärt. Diese Bestimmung weist insofern einen eindeutigen Bezugspunkt für den "Systemwechsel" auf, der durch dieses konkrete direkt-demokratische Element begründet wurde und an den der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 15.302/1998 in weiterer Folge bei der Beurteilung der Zulässigkeit auch der Abwahl des Bürgermeisters anknüpft. Demgegenüber enthält Art117 Abs8 B‑VG keine Aussage zu konkreten direkt-demokratischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich somit nicht ableiten, wie weit solche Einrichtungen, die grundsätzlich von der bloßen Meinungserhebung bis hin zu einer Entscheidungsbefugnis des Gemeindevolkes in hoheitlichen Angelegenheiten reichen können, in das repräsentativ-demokratische System der Gemeindeselbstverwaltung eingreifen dürfen.

2.1.3. Die Ermächtigung des Art117 Abs8 B‑VG ist im Gesamtgefüge des zuvor genannten repräsentativ-demokratischen Systems auszulegen. Dem Gemeinderat kommt in diesem System nach Art118 Abs5 B‑VG die zentrale Stellung zu. Er wird nach Art117 Abs2 B‑VG vom Gemeindevolk gewählt und ihm sind nach Art118 Abs5 B‑VG alle anderen Gemeindeorgane bei der Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben verantwortlich; er ist insofern das oberste Organ der Gemeinde (vgl VfSlg 13.304/1992, 13.500/1993, 17.001/2003, 17.052/2003). Vor diesem Hintergrund bestehen zwar grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen verbindliche Gemeindevolksabstimmungen, denen eine Willensbildung des Gemeinderates zugrunde liegt – etwa indem der Gemeinderat die Volksabstimmung selbst eingeleitet hat oder diese für verbindlich erklärt. Die besondere Stellung des Gemeinderates schließt es jedoch jedenfalls aus, Art117 Abs8 B‑VG so zu verstehen, dass eine Volksabstimmung den Gemeinderat auch gegen dessen Willen zur Erlassung von verbindlichen Rechtsakten (wie beispielsweise Verordnungen) und zur Unterlassung entgegenstehender Rechtsakte verpflichten kann.

Diese Überlegungen sind im Hinblick darauf, dass im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art118 Abs5 B‑VG letztlich alle Gemeindeorgane dem Gemeinderat verantwortlich, diesem gegenüber also weisungsgebunden sind, generell auf verbindliche Entscheidungen des Gemeindevolkes anstelle von Gemeindeorganen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu übertragen. Die Verbindlichkeit einer Volksabstimmung für das jeweils zuständige Gemeindeorgan konkurriert mit der Bindung dieses Organs an Weisungen des Gemeinderates nach Art118 Abs5 B‑VG. Daher hat Art117 Abs8 B‑VG auch keine Grundlage dafür geschaffen, dass ein Gemeindeorgan, das an Weisungen des Gemeinderates gebunden ist, auch gegen dessen Willen durch eine vom Gemeindevolk eingeleitete Volksabstimmung zur Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes und zur Unterlassung entgegenstehender Rechtsakte verpflichtet werden kann.

Für diese Auslegung spricht auch ein Vergleich zu jener "Volksgesetzgebung", die der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 16.241/2001 für den Bereich der Landesgesetzgebung im Hinblick auf das repräsentativ-demokratische Grundprinzip bereits für verfassungswidrig erklärt hat. Entgegen der Ansicht der Vorarlberger Landesregierung ist diese Entscheidung hier insofern zu berücksichtigen, als die Bundesverfassung sowohl das System der Landesgesetzgebung als auch jenes der Gemeindeselbstverwaltung als repräsentativ-demokratisches System ausgestaltet (vgl nochmals VfSlg 13.500/1993; vgl auch Gamper, Parlamentarische Rechtsetzung und direkte Demokratie: Verfassungsrechtliche Grenzen, in: Lienbacher/Pürgy [Hrsg.], Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise, 2014, 101 [117]). Der von der Vorarlberger Landesregierung erhobene Einwand, dass ein Vergleich schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Rechtsetzung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde weder Gesetzgebung im formellen noch im materiellen Sinn sei, sondern als Verwaltungshandeln dem Legalitätsprinzip unterworfen sei und der Aufsicht des Bundes und des Landes unterliege, ist nicht nachvollziehbar. Der Gemeinde kommt bei der Erlassung von Verordnungen (wie beispielsweise jenen nach Art118 Abs6 B‑VG) mitunter ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Die formelle Zurechnung dieses Bereiches zur Verwaltung ändert nichts daran, dass die Bundesverfassung wie zuvor dargelegt auch für die Gemeindeselbstverwaltung ein repräsentativ-demokratisches System vorsieht; allein auf dieses kommt es in diesem Zusammenhang an. Der in VfSlg 16.241/2001 (unter ausdrücklichem Verweis auch auf VfSlg 13.500/1993) hervorgehobene Ausnahmecharakter direkt-demokratischer Elemente in der Bundesverfassung ist daher insbesondere im Hinblick auf die Stellung des Gemeinderates als direkt-demokratisch legitimiertes oberstes Organ auch bei der Auslegung entsprechender Bestimmungen für die Gemeindeselbstverwaltung zu berücksichtigen.

2.1.4. An diesem Ergebnis kann auch eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte nichts ändern. Durch die Einführung des Art117 Abs8 B‑VG (damals Abs7) mit BGBl 490/1984 sollte eine verfassungsgesetzliche Grundlage für direkt-demokratische Einrichtungen auch auf Gemeindeebene geschaffen werden. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (446 BlgNR 16. GP , 7) halten dazu Folgendes fest:

"Ziel dieser Bestimmung ist es, mögliche Einrichtungen und zum Teil derzeit bereits praktizierte Formen direkter Demokratie auf Gemeindeebene bundesverfassungsgesetzlich abzusichern.

Dabei soll die unmittelbare Teilnahme der zum Gemeinderat Wahlberechtigten darin bestehen, daß ihnen – wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane überlassen wird. Dagegen erfaßt der Begriff der Mitwirkung andere Formen direkter Demokratie, wie zB Volksbegehren oder Volksbefragungen.

[…]" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

Aus diesen Erläuterungen kann entgegen der Äußerung der Vorarlberger Landesregierung nicht geschlossen werden, dass sämtliche Modelle direkt-demokratischer Einrichtungen, die bereits zum Zeitpunkt der Erlassung der Bestimmung des Art117 Abs8 B‑VG landes(verfassungs)gesetzlich vorgesehen waren, schlechthin bundesverfassungskonform sind. Für eine solche Annahme bieten die zitierten Erläuterungen keinen Hinweis (vgl demgegenüber die in VfSlg 15.302/1998 zur Auslegung des Art117 Abs6 B‑VG herangezogenen Materialien, die ausdrücklich auf konkrete landesgesetzliche Bestimmungen verweisen). Ihnen lässt sich keine eindeutige Aussage zur zulässigen Reichweite direkt-demokratischer Einrichtungen entnehmen. Nach den Erläuterungen soll die "unmittelbare Teilnahme" darin bestehen, dass dem Volk "die Entscheidung anstelle der an sich zuständigen Gemeindeorgane" überlassen wird. Dass dem (im Original hervorgehobenen) Begriff "anstelle" eine weitreichende Bedeutung beizumessen sei, kann allerdings nicht angenommen werden, worauf auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt in seiner Stellungnahme hinweist. Die entsprechende Aussage wird durch die Beifügung "wie dies etwa bei einer Volksabstimmung der Fall ist" insofern relativiert, als bei der Volksabstimmung nach Art43 B‑VG, die zunächst als Bezugspunkt dieser Aussage naheliegt, gerade nicht gänzlich "anstelle" des Nationalrates, sondern auf dessen Initiative hin über einen bereits von ihm gefassten Beschluss entschieden wird. Doch auch jene Modelle von Gemeindevolksabstimmungen, die nach der damaligen Rechtslage auf Landesebene bereits bestanden, waren offensichtlich von diesem Verständnis geprägt, da für sie überwiegend eine Einleitung allein durch den Gemeinderat vorgesehen war (vgl §§112e ff. Wr. Stadtverfassung, LGBl 28/1968 idF LGBl 12/1978; §§51 ff. Ktn. Allgemeine Gemeindeordnung 1982, LGBl 8/1982 [siehe auch §§42 ff. Klagenfurter Stadtrecht 1967, LGBl 58/1967, und §§42 ff. Villacher Stadtrecht 1965, LGBl 2/1966]; §§53a ff. Sbg Stadtrecht 1966, LGBl 47/1966 idF LGBl 17/1974; anders nur §20 Vbg GG 1965, LGBl 45/1965, iVm §§49 ff. Vbg LVAG 1969, LGBl 10/1969 [jedoch gemäß §20 Abs2 GG 1965 ausgenommen Aufhebung und Abänderung von privatrechtlichen Willensäußerungen und behördlichen Entscheidungen oder Verfügungen], und §43 ff. Stadtrecht Innsbruck 1975, LGBl 53/1975 [jedoch gemäß §44 Abs1 iVm §43 Abs4 leg.cit. insbesondere ausgenommen privatrechtliche Willensäußerungen und behördliche Entscheidungen und Verfügungen]). Der Begriff "anstelle" lässt sich daher zumindest so verstehen, dass dem Volk die Möglichkeit zur letztgültigen Entscheidung eingeräumt werden kann. Aus ihm kann jedoch nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass auch Fälle erfasst sein sollten, in denen das Gemeindevolk eine Volksabstimmung einleitet, die eine eigene Willensbildung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ausschließt und dieses zur Erlassung eines Rechtsaktes mit einem bestimmten Inhalt verpflichtet. Dass eine Absicherung aller bereits bestehenden Formen direkter Demokratie durch die genannte B‑VG-Novelle nach den Materialien – wie von der Vorarlberger Landesregierung angenommen – "unzweifelhaft" sei, kann daher nicht erkannt werden. Den Materialien zu Art117 Abs8 B‑VG ist zur Frage, welche Formen der direkten Demokratie über die im B‑VG selbst vorgesehenen hinaus im Bereich der Gemeindeselbstverwaltung zulässig sind, daher insgesamt keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass direkt-demokratische Modelle auf Gemeindeebene schlechthin bundesverfassungskonform wären.

2.1.5. Das in §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG und §§58 ff., §64 Abs1 litc und §69 Abs3 LVAG vorgesehene System ermöglicht eine Volksabstimmung auf Initiative des Gemeindevolkes, mit der in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches verbindlich entschieden wird. Demnach sind die Gemeindeorgane durch das (je nach Fragestellung positive oder negative) Ergebnis einer solchen Volksabstimmung dazu verpflichtet, den damit vorgegebenen Inhalt durch einen entsprechenden Rechtsakt – beispielsweise eine Verordnung – umzusetzen und entgegenstehende Rechtsakte bis dahin zu unterlassen. In diesem Verfahren haben weder das jeweils zuständige Gemeindeorgan noch der weisungsbefugte Gemeinderat die Möglichkeit, über die Abhaltung der Volksabstimmung einen eigenständigen Beschluss zu fassen (vgl im Gegensatz dazu die von der Gemeindevertretung eingeleitete Volksabstimmung nach §22 Abs1 zweiter Satz zweiter Fall GG) oder hinsichtlich des umzusetzenden Inhalts eine eigene Willensbildung vorzunehmen. Dieses Modell einer Gemeindevolksabstimmung ist mit dem zuvor dargelegten Verständnis von Art117 Abs8 B‑VG nicht vereinbar (vgl in diesem Sinn zB Gamper, Parlamentarische Rechtsetzung und direkte Demokratie: Verfassungsrechtliche Grenzen, in: Lienbacher/Pürgy [Hrsg.], Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise, 2014, 101 [117]; Giese, Direktdemokratische Willensbildung in der Gemeindeselbstverwaltung – Stand, Rechtsfragen, Perspektiven, FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle, 2012, 109 [124 f.]; Oberndorfer/Pabel, Einrichtungen der direkten Demokratie in den Gemeinden, in: Pabel [Hrsg.], Das österreichische Gemeinderecht, Stand 2018, Rz 6).

2.1.6. An diesem Ergebnis kann auch der Einwand der Vorarlberger Landesregierung, dass die entsprechenden Regelungen des GG und des LVAG "zahlreiche Einschränkungen und Hürden für die Durchführung einer Volksabstimmung" enthalten würden, nichts ändern. Zwar sehen §22 Abs1 GG und §§58 ff. LVAG formale Anforderungen an die Einleitung einer Volksabstimmung durch das Gemeindevolk vor, die geeignet sind zu verhindern, dass die Volksabstimmung tatsächlich den Regelfall der Entscheidungsfällung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde bildet. Letztlich kann nach diesen Regelungen jedoch grundsätzlich in jeder Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Wege einer solchen Volksabstimmung entschieden werden. Ausgenommen sind nach §22 Abs3 GG lediglich Verwaltungsakte, die sich an bestimmte Personen richten. Alle anderen hoheitlichen wie privatwirtschaftlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sind hingegen erfasst (vgl Punkt 2.1.1.). Dass verbindliche Volksabstimmungen auf Initiative des Gemeindevolkes nur ausnahmsweise vorgesehen sind, kann vor diesem Hintergrund nicht erkannt werden (vgl in diesem Sinn auch VfSlg 16.241/2001).

2.1.7. Die dargelegten Bedenken können auch nicht durch eine (landes)verfassungskonforme Interpretation ausgeräumt werden. Die Verpflichtung des sonst zuständigen Gemeindeorgans, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen, wird ausdrücklich in §69 Abs3 LVAG angeordnet. Diese Bestimmung differenziert nicht danach, auf welche der in §21 Abs1 GG bzw §64 Abs1 LVAG vorgesehenen Arten eine Volksabstimmung eingeleitet wurde. Schon insofern scheidet es daher aus, selektiv für den Fall einer vom Gemeindevolk unmittelbar durch einen Antrag eingeleiteten Volksabstimmung vom Fehlen einer Bindungswirkung auszugehen. Im Übrigen würde damit – worauf auch die Vorarlberger Landesregierung in ihrer Äußerung hinweist – der Unterschied zwischen einer Volksabstimmung und einem Volksbegehren nach dem GG entgegen der eindeutigen Absicht des Gesetzgebers (vgl Selbständiger Antrag 3/2014 BlgLT 29. GP, 11) relativiert werden.

Das im Prüfungsbeschluss dargelegte Verständnis von §69 Abs3 LVAG, nach dem die darin vorgesehene Bindungswirkung auch zur Folge habe, dass vom Ergebnis einer Volksabstimmung selbst durch einen neuerlichen Beschluss eines Gemeindeorgans wiederum nur nach Durchführung einer Volksabstimmung abgewichen werden könne, lässt sich hingegen nicht aufrechterhalten. Mit diesem Inhalt würde §69 Abs3 LVAG zwar die zuvor dargelegte Grenze des Art117 Abs8 B‑VG auch insofern überschreiten, als die Bindungswirkung der Volksabstimmung in diesem Fall über die verpflichtende Erlassung eines Rechtsaktes hinausgehen und dem sonst zuständigen Gemeindeorgan die Zuständigkeit für die konkrete Angelegenheit gleichsam entziehen würde. §69 Abs3 LVAG ist diesbezüglich jedoch einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich, nach der die darin angeordnete Bindungswirkung nur bis zur vollständigen Umsetzung des Ergebnisses der Volksabstimmung besteht. Diese Bestimmung verpflichtet die Gemeindeorgane somit zwar den Rechts- oder Tatsachenzustand herzustellen, der dem Ergebnis der Volksabstimmung entspricht, und gegenläufige Handlungen zu unterlassen. Sie schließt es jedoch nicht aus, dass nach der Erfüllung dieser Pflicht ein Akt ergeht, der diesen Zustand wieder – in welche Richtung auch immer – abändert.

2.2. Da das in §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG und §64 Abs1 litc iVm §69 Abs3 LVAG vorgesehene Modell der Gemeindevolksabstimmung bereits aus diesen Gründen verfassungswidrig ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den weiteren im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012).

Die dargelegte Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Bestimmungen des §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG sowie des §64 Abs1 litc und des §69 Abs3 LVAG. Demgegenüber erweisen sich die in Prüfung gezogene Wortfolge des Art76 LV und der erste Satz des §22 Abs1 GG nicht als verfassungswidrig, weil sich aus diesen Bestimmungen – insbesondere aus der jeweiligen Anordnung, dass durch eine Volksabstimmung "entschieden oder verfügt" wird – nicht zwingend das aus den dargelegten Gründen verfassungswidrige Modell einer Volksabstimmung ergibt. Die zuletzt genannten Bestimmungen lassen sich nämlich auf jene Fälle reduzieren, in denen der Volksabstimmung eine Willensbildung des Gemeinderates zugrunde liegt (vgl Punkt 2.1.3.). Sie können insofern bundesverfassungskonform interpretiert werden.

Zur Herstellung eines Rechtszustandes, gegen den die dargelegten Bedenken nicht bestehen, genügt es, die Wortfolge "oder es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist: a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon; zuzüglich b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon; zuzüglich c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon" in §22 Abs1 zweiter Satz GG sowie §64 Abs1 litc LVAG aufzuheben, weil diese Bestimmungen es ermöglichen, dass eine Volksabstimmung mit der beschriebenen Bindungswirkung auch ohne Zustimmung des Gemeinderates auf Grund eines Antrages des Gemeindevolkes eingeleitet werden kann und in der Folge auch zwingend durchzuführen ist. Eine Aufhebung bloß bzw auch der Bestimmung des §69 Abs3 LVAG, aus der sich die genannte Bindungswirkung ergibt, könnte zwar ebenfalls die verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigen. Sie würde jedoch einerseits das Wesen der in §22 Abs1 GG vorgesehenen Volksabstimmung über die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit hinaus maßgeblich verändern, weil dadurch die Volksabstimmung im Ergebnis an eine Volksbefragung angeglichen wäre. Andererseits wäre damit nicht nur die Bindungswirkung einer vom Gemeindevolk eingeleiteten Volksabstimmung beseitigt, sondern auch jene der anderen in §22 Abs1 GG vorgesehenen Arten der Volksabstimmungen, weil §69 Abs3 LVAG insofern nicht differenziert und alle Fälle des §22 Abs1 GG gleichermaßen erfasst (siehe dazu auch Punkt 2.1.7.). Vor diesem Hintergrund bewirkt die Aufhebung im zuvor dargelegten Umfang die weniger weitreichende Veränderung. Dabei kann schließlich unbeachtet bleiben, ob gegen die so angeordnete Bindungswirkung nach §69 Abs3 LVAG auch im Hinblick auf die anderen in §22 Abs1 GG bzw §64 Abs1 LVAG vorgesehenen Arten der Volksabstimmung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Solche würden sich nämlich erst aus dem Zusammenspiel des §69 Abs3 LVAG mit den genannten Bestimmungen ergeben, die jedoch hier schon insofern keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden können, als sie im Anlassverfahren nicht präjudiziell sind. Durch die Aufhebung im zuvor dargelegten Umfang wird jedenfalls für das Anlassverfahren eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtslage geschaffen.

§§58 bis 63 LVAG stehen mit diesen Bestimmungen insofern in einem untrennbaren Zusammenhang, als sie das Verfahren zur Entscheidung über einen Antrag regeln, mit dem eine Volksabstimmung vom Gemeindevolk eingeleitet werden kann. Sie sind daher ebenfalls aufzuheben.

2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 17.341/2004, 17.967/2006, 18.556/2008, 19.270/2010, 19.448/2011, 20.000/2015) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmungen, die die Verordnung tragen, zur Folge, dass die Verordnung damit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt. Die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen im Neugut" stützt sich auf §22 Abs1 zweiter Satz dritter Fall GG iVm §64 Abs1 litc LVAG. Aus der Aufhebung dieser Bestimmungen folgt demnach die Gesetzwidrigkeit der genannten Verordnung. Sie ist daher gemäß Art139 Abs3 Z1 B‑VG in ihrem gesamten Umfang als gesetzwidrig aufzuheben.

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge "oder es mindestens von einer Zahl an Stimmberechtigten der Gemeinde (§20) verlangt wird, die wie folgt zu ermitteln ist: a) für die ersten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 20 % davon; zuzüglich b) für die nächsten bis zu 1.500 Stimmberechtigten: 15 % davon; zuzüglich c) für die darüber hinausgehende Zahl von Stimmberechtigten: 10 % davon" in §22 Abs1 GG sowie §§58 bis 63 und §64 Abs1 litc LVAG sind wegen Widerspruchs zu Art117 Abs8 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.

Hingegen sind die Wortfolge "entschieden oder verfügt (Volksabstimmung) und" in Art76 LV und der erste Satz des §22 Abs1 GG sowie §69 Abs3 LVAG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 über die Anordnung der Volksabstimmung "Widmung von Flächen im Neugut", kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Ludesch vom 26. August 2019 bis 10. November 2019, ist gemäß Art139 Abs3 Z1 B‑VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG.

4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes bzw der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG bzw aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG jeweils iVm §2 Abs1 litf Vbg Kundmachungsgesetz.

5. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz in Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren (von den – hier nicht gegebenen – Fällen der §§61a und 65a VfGG abgesehen) im VfGG nicht vorgesehen ist.

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