Normen
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art2, Art3, Art8
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:E1138.2019
Spruch:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Entscheidungen, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Erkenntnisse werden insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.
Insoweit werden die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, Araber und Muslime der sunnitischen Glaubensgemeinschaft. Sie haben vor ihrer Ausreise aus dem Irak in der Provinz Basra gelebt. Der Zweitbeschwerdeführer ist der Vater der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Schwester des Zweitbeschwerdeführers und Tante der Drittbeschwerdeführerin. Nach dem Tod der Mutter der Drittbeschwerdeführerin wuchs die Drittbeschwerdeführerin bei der Erstbeschwerdeführerin auf.
2. Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam mit der Mutter der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, sowie zwei weiteren Geschwistern und einem volljährigen Neffen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers nach Österreich ein und stellten am 20. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Familie sei aus dem Irak geflohen, da sie wegen ihrer Religionszugehörigkeit von den Milizen verfolgt werde und der Ehemann der Schwester der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers von den Milizen entführt worden sei. Auch die Drittbeschwerdeführerin sei entführt worden.
3. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. November 2016 bzw 1. Dezember 2016 wurden diese Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ihnen wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
4. Die gegen alle Spruchpunkte erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnissen vom 18. Februar 2019 als unbegründet abgewiesen.
4.1. In den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes finden sich zur Lage von Kindern im Irak folgende Ausführungen:
"Kinder
Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 12.2.2018). Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.4.2018).
Art29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.2.2018). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.4.2018).
Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.4.2018).
Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark ein[ge]schränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018).
Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen (UN News 19.1.2018; vgl UNICEF 31.1.2017). Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus (UNICEF 31.1.2017). 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt (AA 12.2.2018). Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw im Wachstum zurückgeblieben (UNICEF 31.1.2017).
Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem. Im Jahr 2011 waren 46 Prozent der Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren familiärer Gewalt ausgesetzt (USDOS 20.4.2018). Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018).
Auch Kinderprostitution ist ein Problem. Da die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten unter der Verwaltung der Zentralregierung neun Jahre beträgt und in der Autonomen Region Kurdistan elf, behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer. Strafen für die kommerzielle Ausbeutung von Kindern reichen von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe. Es lagen jedoch keine Informationen darüber vor, mit welcher Wirksamkeit der Staat diese Strafen durchsetzt (USDOS 20.4.2018).
Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit zB durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos (USDOS 20.4.2018)."
4.2. Im Erkenntnis betreffend den Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin führt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bezogen auf Art2 und 3 EMRK Folgendes aus:
"Dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde[n] die Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Hinblick auf die Sicherheitslage für die Provinz Basra nicht, dass diese Orte fast täglich Schauplätze von Anschlägen und Gewaltakten sind. […] Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der Beschwerdeführer in der Provinz Basra davon ausgegangen werden muss, dass diese wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würden. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. Es wird auch nicht verkannt, dass die derzeitige wirtschaftliche Lage im Süden des Iraks derzeit angespannt ist. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des [Zweit]beschwerdeführers wurden im Übrigen nicht vorgebracht und dieser gehörte auch nicht staatlichen Sicherheitskräften an.
[…]
Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Beschwerdeführer im Irak liegt ebenfalls nicht vor. Die Beschwerdeführer gehören weder einer Bevölkerungsgruppe an, die im Irak allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen vor, die dazu führen könnten, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wären.
Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art2 oder Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für den Irak keine Gründe, die nahelegen würden, dass bezogen auf die Beschwerdeführer ein reales Risiko auf eine gegen Art2 oder 3 EMRK verstoßende Behandlung oder Strafe bzw der Todesstrafe besteht.
[…]
Die Beschwerdeführer sind gesund. Der [Zweitbeschwerdeführer] ist arbeitsfähig mit hinreichender mehrjähriger Schul- und Hochschulausbildung. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehen des [Zweitbeschwerdeführers] vorausgesetzt werden, zumal er im Irak 25 Jahre (AS 193) als Selbständiger ein Bekleidungsgeschäft geführt hat und er damit seinen Lebensunterhalt bestritt. Der [Zweitbeschwerdeführer] wird im Irak grundsätzlich in der Lage sein, sich mit der damals ausgeübten Tätigkeit als Selbständiger bzw Schneider oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zur Sicherung des eigenen sowie zur Sicherung des Lebensunterhaltes der [Drittbeschwerdeführerin zu] erwirtschaften.
Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern im Fall ihrer Rückkehr auch im Rahmen ihres Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil werden wird, zumal die Angehörigen der Beschwerdeführer ebenfalls von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind. […] Die [Drittbeschwerdeführerin] ist bei [der] Schwester [des Zweitbeschwerdeführers, das ist die Erstbeschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren], welche ausgebildete Lehrerin ist (siehe I414 2142791-1) aufgewachsen und wurde von dieser auch erzogen. Ferner lebten die Beschwerdeführer und die Familienangehörigen im Irak zusammen. Somit wird die [Drittbeschwerdeführerin] von ihrer de facto Mutter nicht getrennt. Die Beschwerdeführer sind durch die Abschiebung in den Irak nicht in ihrem Recht gemäß Art3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation im Irak besser gestellt sind, genügt nicht für die Annahme, sie würden im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit [ihre] Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände."
4.3. Im Erkenntnis betreffend die Erstbeschwerdeführerin führt das Bundesverwaltungsgericht ähnliches aus.
5. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden, auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die Verwaltungsakten, das Bundesverwaltungsgericht die Gerichtsakten vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die beiden – gemäß §§187, 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen – zulässigen Beschwerden erwogen:
A. Soweit sich die Beschwerden gegen die Abweisung der Beschwerden durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise richten, sind sie auch begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
2.2. Im Rahmen der Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich einer Verletzung der Beschwerdeführer in ihren durch Art3 EMRK gewährleisteten Rechten beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht mit der grundsätzlichen Sicherheitslage in Basra, der Heimatprovinz der Beschwerdeführer, und führt im Wesentlichen aus, dass der Zweitbeschwerdeführer arbeitsfähig sei und auf Grund seiner Schul- und Hochschulbildung sowie seiner bisherigen Berufstätigkeit im Irak davon auszugehen sei, dass er ein ausreichendes Einkommen zur Sicherung des eigenen sowie zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Drittbeschwerdeführerin erwirtschaften könne. Außerdem könnten sich die Familienmitglieder, die gemeinsam geflüchtet seien, bei gemeinsamer Rückkehr in den Irak gegenseitig unterstützen.
2.3. Bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen sind, unabhängig davon, ob diese unbegleitet sind oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, zur Beurteilung der Sicherheitslage einschlägige Herkunftsländerinformationen, in die auch die Erfahrungen in Bezug auf Kinder Eingang finden, bei entsprechend schlechter, volatiler allgemeiner Sicherheitslage jedenfalls erforderlich (vgl UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz 74). Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte in den Herkunftsländerinformationen hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich mit der Situation von Minderjährigen auseinanderzusetzen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt hervorgehoben, welche Bedeutung die Länderfeststellungen im Hinblick auf Minderjährige haben (vgl zB VfGH 9.6.2017, E484/2017 ua; 11.10.2017, E1803/2017 ua; 25.9.2018, E1463/2018 ua; 26.2.2019, E3837/2018 ua; 13.3.2019, E1480/2018 ua; 26.6.2019, E2838/2018 ua; 26.6.2019, E5061/2018 ua; 26.6.2019, 1846/2019 ua).
2.4. Das Bundesverwaltungsgericht gibt in seinem Erkenntnis zwar Länderberichte zur Situation von Kindern im Irak wieder, unterlässt es jedoch, sich konkret damit auseinander zu setzen, ob der zum Zeitpunkt der Entscheidung zwölfjährigen Drittbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (VfGH 11.6.2018, E4469/2017 ua; 25.9.2018, E1764/2018 ua; 11.12.2018, E2025/2018 ua). Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht die Minderjährigkeit der Drittbeschwerdeführerin im Rahmen seiner Abwägung nach Art8 EMRK berücksichtigt, lässt es diese bei der Prüfung nach Art2 und Art3 EMRK außer Acht. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Drittbeschwerdeführerin begründungslos ergangen.
3. Soweit das angefochtene Erkenntnis die Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten an die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und – daran anknüpfend – die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise ausspricht, ist es somit mit Willkür behaftet. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend den Zweitbeschwerdeführer durch (VfSlg 19.855/2014; VfGH 24.11.2016, E1085/2016 ua) und belastet auch diese mit (objektiver) Willkür (etwa VfSlg 19.401/2011 mwN). Daher ist das Erkenntnis auch betreffend den Zweitbeschwerdeführer – im selben Umfang wie hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin – aufzuheben (vgl VfGH 21.09.2017, E2130/2017 ua). Da das Bundesverwaltungsgericht bei der Abwägung nach Art8 EMRK im Rahmen der Beurteilung der Rückkehrentscheidung davon ausgeht, dass die Familienangehörigen der erweiterten Familie gleichermaßen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind, und die Drittbeschwerdeführerin nach dem Tod ihrer Mutter bei der Erstbeschwerdeführerin aufgewachsen ist und diese daher für die Drittbeschwerdeführerin de facto die Rolle der Mutter angenommen hat, erfordert der Zusammenhang dieser Entscheidungen auch die Aufhebung des Erkenntnisses betreffend die Erstbeschwerdeführerin im selben Umfang wie hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin.
B. Im Übrigen (also soweit sich die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richten) wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt:
4. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
5. Die vorliegenden Beschwerden rügen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerden, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richten, abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtenen Entscheidungen, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen werden, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Die Erkenntnisse sind daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerden abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 327,– und Umsatzsteuer in Höhe von € 501,40 enthalten.
Da die gegen gleichartige Entscheidungen gerichteten Beschwerden im Zuge einer gemeinsamen Rechtsvertretung eingebracht wurden, ist insgesamt nur der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen (zB VfSlg 17.317/2004, 17.482/2005, 19.404/2011, 19.709/2012).
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