VfGH G266/2016

VfGHG266/201621.6.2017

Zurückweisung eines Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung von Bestimmungen betr Voraussetzungen für den gewerberechtlichen Geschäftsführer einer juristischen Person als zu eng gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
GewO 1994 §39 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G266.2016

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, "§39 Abs2 dritter und vierter Satz Gewerbeordnung 1994, BGBI. I Nr 194 idF BGBI. I Nr 85/2012 (GewO 1994), als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu §39 Abs2 dritter Satz Gewerbeordnung 1994, BGBI. I Nr 194 idF BGBI. I Nr 85/2012 (GewO 1994), als verfassungswidrig aufzuheben."

II. Rechtslage

§39 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 (im Folgenden: GewO), BGBl 194/1994 idF BGBl I 85/2012, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"a) Gewerberechtlicher Geschäftsführer

 

§39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Der Gewerbeinhaber hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat. Für Gewerbeinhaber, die keinen Wohnsitz im Inland haben, entfällt die Verpflichtung, einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn

 

1. die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen durch Übereinkommen sichergestellt sind, oder

 

2. es sich um Staatsangehörige eines Vertragsstaates des EWR handelt, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR haben, oder

 

3. es sich um Staatsangehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt, die ihren Wohnsitz in der Schweiz oder in einem Vertragsstaat des EWR haben.

 

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. Er muß der Erteilung der Anordnungsbefugnis und seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß §9 Abs1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

 

1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder

 

2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

 

Diese Bestimmung gilt nicht für die im §7 Abs5 angeführten Gewerbe, die in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt werden. Innerhalb eines Konzerns kann eine Bestellung zum Geschäftsführer auch für mehrere Konzernunternehmen erfolgen, wenn der Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes zumindest bei einem der Konzernunternehmen ist. Der gemäß Abs1 für die Ausübung eines Gewerbes, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, zu bestellende Geschäftsführer muß ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein. Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl Nr 29/1993 geltenden Bestimmungen des §39 Abs2 gelten für Personen, die am 1. Juli 1993 als Geschäftsführer bestellt waren, bis zum Ablauf des 31. Dezember 1998 weiter.

 

(2a) Der Geschäftsführer muss seinen Wohnsitz im Inland haben. Dies gilt nicht, sofern

 

1. die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen durch Übereinkommen sichergestellt sind, oder

 

2. es sich um Staatsangehörige eines Vertragsstaates des EWR oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz haben, oder

 

3. es sich um Drittstaatsangehörige handelt, denen ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' oder 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger' erteilt wurde und die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz haben.

 

(3) In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muß der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

 

(4) Der Gewerbeinhaber hat die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§345 Abs1). Die zuständige Behörde hat in jenen Fällen, in denen dieses Bundesgesetz die Bestellung eines Geschäftsführers vorschreibt und ein Arbeitnehmer als Geschäftsführer angezeigt oder genehmigt (§176) wird, die Bestellung oder das Ausscheiden mit Sozialversicherungs- und Dienstgeberkontonummer auf automationsunterstütztem Weg dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zur Weiterleitung an den Versicherungsträger (§321 ASVG) anzuzeigen. Der Versicherungsträger hat das Ende der Pflichtversicherung eines ihm angezeigten und nicht ausgeschiedenen Geschäftsführers möglichst auf automationsunterstütztem Weg der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

 

(5) Der Gewerbeinhaber ist von seiner Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des §370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs4 angezeigt hat."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist eine Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25. Jänner 2016, Z LVwG-2015/41/1675-7, anhängig, in welchem die Beschwerde der (nunmehrigen) Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 1. Juni 2015, mit dem festgestellt wurde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung des Herrn S. als gewerberechtlichen Geschäftsführer nach §39 GewO nicht vorgelegen seien und die Geschäftsführerbestellung nicht zur Kenntnis genommen werde, als unbegründet abgewiesen wurde.

1.2. Bei der Revisionswerberin – einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zur Ausübung des Gewerbes "Erdbau gemäß §1 Z7 Teilgewerbe-Verordnung" berechtigt ist – handelt es sich um ein Familienunternehmen. Herr S. hatte bis zum 1. Jänner 2015 die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers inne – er besitzt den zur Ausübung des Gewerbes der Revisionswerberin notwendigen Befähigungsnachweis – und war bis 31. Dezember 2014 bei der Tiroler Gebietskrankenkasse nach den Bestimmungen des ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) versichert. Er ist jedoch nicht handelsrechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerberin. Mit Abtretungsvertrag vom 8. Juli 2014 erwarb Herr S. von seinen Großeltern 75% der Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin und wurde damit zum Mehrheitsgesellschafter. Als GmbH‑Gesellschafter wurde er jedoch ab dem 1. Jänner 2015 nicht mehr bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, sondern bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als Neuer Selbständiger versichert. Die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers übte er weiter aus.

1.3. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 12. Jänner 2015 wurde die Revisionswerberin zur Namhaftmachung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers aufgefordert. Mit näherer Begründung teilte die Revisionswerberin mit, dass Herr S. weiterhin als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt sei. Mangels Namhaftmachung eines anderen gewerberechtlichen Geschäftsführers stellte sich daher die Frage, ob Herr S. als Mehrheitsgesellschafter einer GmbH mit 75%-Beteiligung, der zugleich in dieser GmbH (rund 50 Stunden die Woche) beschäftigt sei und der auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung aber nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG, sondern dem GSVG (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz) unterliege, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer nach §39 Abs2 Z2 GewO bestellt werden könne. Dies verneinte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz und führte aus, dass Herr S., um die Bestellungsvoraussetzungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO erfüllen zu können, entweder dem vertretungsbefugten Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) zugehörig gemacht werden müsse oder eine dem Gesetz entsprechende Anmeldung (als voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer) bei der Tiroler Gebietskrankenkasse zu erfolgen habe.

1.4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz insbesondere vor dem Hintergrund, dass Herr S. – abgesehen davon, dass er unzweifelhaft nicht dem vertretungsbefugten Organ angehöre – auf Grund seiner 75%-Beteiligung der Geschäftsführung jederzeit Weisungen erteilen könne, sich seine Aufgaben zu großen Teilen selbst (‑verantwortlich) gebe, er daher gegenüber dem Betriebsinhaber nicht wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer abhängig sei und Herr S. daher insgesamt keinem voll versicherungspflichtigen Arbeitnehmer entspreche. Gegen das Erkenntnis erhob die GmbH ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Der Verwaltungsgerichtshof erhebt Bedenken ob der Verfassungskonformität des §39 Abs2 dritter Satz GewO im Hinblick auf das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG).

2.1. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §39 Abs2 dritter Satz GewO legt der Verwaltungsgerichtshof auf das Wesentlichste zusammengefasst wie folgt dar: Die zusätzlich zu §39 Abs2 erster und zweiter Satz GewO geltenden, abschließend normierten Voraussetzungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO seien sachlich nicht gerechtfertigt, weil es, wie der vorliegende Fall zeige, durchaus Konstellationen gebe, in denen die mit dieser Bestimmung verfolgten Ziele – den Geschäftsführer einer juristischen Person enger als bisher an das Unternehmen zu binden und dem Scheingeschäftsführerwesen entgegenzuwirken – (über-)erfüllt seien, ohne dass diese zusätzlichen, in §39 Abs2 dritter Satz GewO normierten Merkmale erfüllt seien. Trotz (Über-)Erfüllung dieser Zielsetzungen schließe die angefochtene Bestimmung diese Konstellationen auf Grund ihrer taxativen Normierung aus. Die Regelung beschränke daher die unternehmerische Entscheidung, welche Person innerhalb einer Gesellschaft welche Funktion ausüben solle, in derartigen Fällen in unverhältnismäßiger Weise.

2.2. Zum Anfechtungsumfang bringt der Verwaltungsgerichtshof Folgendes vor: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bestünden die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die mit dem dritten Satz des §39 Abs2 GewO abschließend normierten zusätzlichen Voraussetzungen zur Geschäftsführerbestellung. §39 Abs2 GewO sei daher in diesem Umfang anzufechten gewesen.

2.2.1. §39 Abs2 vierter Satz GewO sei jedoch auf Grund der Anknüpfung an §39 Abs2 dritter Satz GewO (arg.: "Diese Bestimmung") in den Anfechtungsumfang miteinzubeziehen, obwohl diese Bestimmung in der vorliegenden Rechtssache mangels Ausübung des Gewerbes in Form eines Industriebetriebes nicht präjudiziell sei. Würde alleine §39 Abs2 dritter Satz GewO angefochten und aufgehoben werden, so würde diese Anknüpfung nicht mehr bestehen, was zur Folge hätte, dass sich §39 Abs2 vierter Satz GewO dann auf die vorher stehenden Sätze des §39 Abs2 bezöge und §39 Abs2 insgesamt einen veränderten Inhalt bekommen würde.

2.2.2. Daher sei der Anfechtungsumfang derart zu ziehen gewesen, dass der mit dem aufzuhebenden §39 Abs2 dritter Satz GewO untrennbar zusammenhängende vierte Satz miterfasst werde.

2.3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er bei der Prüfung des bekämpften Erkenntnisses den angefochtenen §39 Abs2 dritter Satz GewO anzuwenden habe. Auch das Landesverwaltungsgericht habe die den Bescheid bestätigende Abweisung der Beschwerde tragend auf den angefochtenen dritten Satz des §39 Abs2 GewO gestützt und festgestellt, dass zwar die persönlichen Voraussetzungen des angezeigten gewerberechtlichen Geschäftsführers (und damit auch ein entsprechender Befähigungsnachweis) vorliegen würden, aber das Vorliegen der Voraussetzungen nach §39 Abs2 dritter Satz GewO strittig gewesen sei.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs5 B‑VG eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten bestimmen.

3.1. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung das Folgende vor:

3.1.1. Die Bundesregierung stellt in Frage, ob der Anfechtungsumfang durch den Verwaltungsgerichtshof richtig abgegrenzt wurde: §39 Abs2 fünfter Satz GewO sehe nämlich vor, dass innerhalb eines Konzerns eine Bestellung zum Geschäftsführer auch für mehrere Konzernunternehmen erfolgen könne, wenn der Geschäftsführer "Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes" zumindest bei einem der Konzernunternehmen sei. Wenn nun aber der Verfassungsgerichtshof die Regelung des §39 Abs2 dritter und vierter Satz GewO (Hauptantrag) aufheben würde, wäre aus Sicht der Bundesregierung dieser verbleibende Satz unverständlich bzw. sogar unanwendbar. Indem der fünfte Satz durch die Aufhebung von §39 Abs2 dritter und vierter Satz selbst zum dritten Satz der Bestimmung würde, wäre die getroffene Anordnung selbstreferenziell und es könne nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall – nämlich ein "Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes" – vorliegen würde.

3.1.2. Dies habe auch für die bloße Aufhebung von §39 Abs2 dritter Satz GewO (Eventualantrag) zu gelten, denn auch dann würde §39 Abs2 vierter Satz GewO ("Die Bestimmung gilt nicht für die im §7 Abs5 angeführten Gewerbe, die in der Form eines Industriebetriebs ausgeübt werden") zum neuen dritten Satz der Bestimmung werden. Auch in diesem Fall würde die inhaltliche Anknüpfung an den vormals dritten Satz nicht mehr bestehen, sondern wäre §39 Abs2 fünfter Satz (alt) bzw. vierter Satz (neu) GewO auf den vorher stehenden Satz bezogen.

3.2. In der Sache trat die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Freiheit der Erwerbsbetätigung entgegen.

4. Die mitbeteiligte Partei (die revisionswerbende GmbH) erstattete eine Äußerung, in der sie sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes vollinhaltlich anschließt. Sinn und Zweck des Rechtsinstitutes des gewerberechtlichen Geschäftsführers iSd §39 GewO sei es, dass im Betrieb eine Person vorhanden sei, die entsprechende fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufweise und dem Gewerbeinhaber sowie – insbesondere – der Behörde gegenüber verantwortlich sei. Durch die taxative Regelung in §39 Abs2 dritter Satz GewO gebe es keine andere Möglichkeit der Bestellung, auch wenn die allgemeinen Forderungen des §39 Abs2 erster Satz GewO auf andere Weise erfüllt oder – wie im vorliegenden Fall – sogar übertroffen werden würden. Dies sei unter keinen Umständen die Intention des Gesetzgebers gewesen. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass die GmbH einen unternehmensfremden Fachmann in ihrem Unternehmen anstellen müsse, nur um den Anforderungen des §39 Abs2 dritter Satz GewO gerecht zu werden, obwohl dieser als Angestellter zwangsläufig wesentlich schwächer in die Unternehmensstruktur der GmbH eingebunden wäre als Herr S. als Mehrheitsgesellschafter.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag eines Gerichtes, wenn dieses in der bei ihm anhängigen Rechtssache das betreffende Gesetz anzuwenden hätte. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines über Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens ist somit die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung (vgl. etwa VfSlg 17.237/2004).

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

2.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was den Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall an der Präjudizialität des §39 Abs2 dritter Satz GewO zweifeln ließe: Sowohl dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes als auch dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes (sowie dem damit bestätigten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz) ist zu entnehmen, dass der Gegenstand der vorliegenden Entscheidungen das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der in §39 Abs2 dritter Satz GewO normierten Voraussetzungen zur Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für juristische Personen, die im reglementierten Gewerbe tätig sind, war. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher jedenfalls denkmöglich von der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung ausgegangen.

3. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung zu den Prozessvoraussetzungen von Normenkontrollverfahren von dem Grundgedanken aus, dass ein solches Verfahren dazu führen soll, die behauptete Verfassungswidrigkeit – wenn sie tatsächlich vorläge – zu beseitigen, dass aber der nach Aufhebung verbleibende Teil der Norm möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. zB VfSlg 8461/1979, 11.737/1988, 18.412/2008). Unzulässig ist ein Antrag daher auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 13.299/1992, 14.740/1997, 16.191/2001, 19.496/2011, 19.824/2013; VfGH 14.12.2016, G573/2015 ua.).

4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der vorliegende Antrag als zu eng gefasst:

4.1. Dem Verwaltungsgerichtshof ist zuzustimmen, dass §39 Abs2 dritter Satz GewO und §39 Abs2 vierter Satz GewO in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, weshalb sich der Eventualantrag als unzulässig erweist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof seinen (Haupt-)Antrag auf §39 Abs2 dritter und vierter Satz GewO beschränkt, übersieht er jedoch, dass §39 Abs2 sechster Satz GewO durch die Aufhebung von §39 Abs2 dritter und vierter Satz GewO – mangels (sprachlicher) Differenzierung – einen Bedeutungswandel dergestalt erfahren würde, dass er nicht mehr nur auf Konzerne, sondern allgemein auch auf juristische Personen Anwendung finden würde, wodurch die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde. Die Regelung des §39 Abs2 sechster Satz GewO betreffend Konzerne bekäme im Fall der Aufhebung der §39 Abs2 dritter und vierter Satz GewO folglich einen Inhalt, der identisch wäre mit einem Teil des Inhalts der aufgehobenen Norm.

4.2. Mit der Aufhebung im beantragten Umfang vermag der antragstellende Verwaltungsgerichtshof die Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit sohin nicht zu erreichen.

5. Der Antrag (Haupt- und Eventualantrag) ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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