VfGH G378/2015

VfGHG378/201514.6.2016

Zurückweisung des aus Anlass einer zweitinstanzlichen Gerichtsentscheidung eingebrachten Parteiantrags im Anlassfall mangels Legitimation

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z4
AußStrG §63
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z4
AußStrG §63

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt, Antrag und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin bringt vor, sie sei (schlichte) Miteigentümerin eines Hauses in 1160 Wien, verbunden mit dem alleinigen Benützungsrecht an einer Wohnung in ebendiesem Haus. Das Haus stehe teilweise im Wohnungseigentum, teilweise im schlichten Miteigentum, weshalb die Mehrzahl der Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 (WEG 2002) auf Grund des §56 Abs12 WEG 2002 auf alle Miteigentümer zur Anwendung käme.

2. Die Antragstellerin habe zur Z 22 MSch 1/13x beim Bezirksgericht Hernals einen Antrag auf Abrechnungsüberprüfung nach §§20 Abs3 und 34 Abs3 iVm 52 Abs1 Z6 WEG 2002 gegen die Hausverwaltung für das Abrechnungsjahr 2009 gestellt. Dieser Antrag sei mit Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 21. Juli 2014, Z 22 MSch 1/13x-35, abgewiesen worden. Dagegen habe die Antragstellerin am 19. August 2014 Rekurs erhoben. Dieser sei mit Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zur Z 39 R 414/14t vom 24. Juni 2015 ebenfalls abgewiesen worden. Gegen diesen Beschluss habe die Antragstellerin rechtzeitig das Rechtsmittel der Zulassungsvorstellung (§63 AußStrG), verbunden mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs (§62 Abs5 AußStrG), erhoben.

3. Die Antragstellerin stellt aus Anlass der Zulassungsvorstellung und des außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien beim Verfassungsgerichtshof den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag, mit dem die Aufhebung des §63 AußStrG, BGBl I 111/2003, idF BGBl I 52/2009, begehrt wird.

4. Die Antragstellerin führt weiter aus, dass sie nicht verkenne, dass eine Antragstellung nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gemäß §62a Abs1 Z4 VfGG in Verfahren gemäß §52 Abs1 WEG 2002 unzulässig sei. Sie vertrete jedoch die Auffassung, "dass sich diese materienbezogene Unzulässigkeit einer VfGH-Individualbeschwerde auf das materielle (Wohnungseigentums-) Recht bezieh[e], und nicht auf das angewendete Verfahrensrecht, konkret auf […] §63 AußStrG, bei dem es sich um eine Bestimmung des Verfahrensrechts, und nicht des materiellen Rechtes [handle], und daher dessen Anfechtung zulässig [sei]."

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof "die Anfechtungsausnahme des §62a Abs1 Z4 VfGG interpretativ auch auf das Verfahrensrecht (und nicht nur auf das materielle Recht) beziehen sollte, [werde] jedoch auch die in §62a Abs1 Z4 VfGG enthaltene Wortfolge '§52 Abs1 WEG 2002' angefochten."

5. Mit Note vom 3. September 2015 teilte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien dem Verfassungsgerichtshof mit, dass "das Rechtsmittel (Zulassungsvorstellung gem. §63 AußStrG) rechtzeitig" erhoben worden sei.

6. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung zum Antrag, in der sie vorbrachte, dass der Antrag entgegen Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG bzw. §62a Abs1 VfGG nicht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels gegen eine erstinstanzliche Entscheidung gestellt worden sei. Aus diesem Grund sei er unzulässig. Abgesehen davon sei er in einem Verfahren über einen Antrag auf Abrechnungsüberprüfung gemäß §20 Abs2 und §34 Abs3 iVm §52 Abs1 Z6 WEG 2002 gestellt worden. Gemäß §62a Abs1 Z4 VfGG sei ein Parteiantrag auf Normenkontrolle jedoch in Verfahren gemäß §52 Abs1 WEG 2002 unzulässig.

7. Die Antragstellerin erstattete eine Äußerung, in der sie der Äußerung der Bundesregierung entgegentritt und im Wesentlichen vorbringt, dass der Begriff der "ersten Instanz" nur funktionell verstanden werden könne. Es müsse sich um die erste "mögliche (funktionelle) Instanz" handeln, die eine beim Verfassungsgerichtshof anzufechtende Bestimmung anwende. §63 AußStrG regle nur die Zulassung von Rechtsmitteln gegen die zweite Instanz an die dritte Instanz und sei deshalb beim Rechtsmittel von der ersten in die zweite Instanz nie präjudiziell, da die Revisionsbeschränkung weder angewendet wurde noch anwendbar sei. Die Ansicht der Bundesregierung würde dazu führen, dass §63 AußStrG der Überprüfung beim Verfassungsgerichtshof mittels Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd. B‑VG entzogen wäre.

8. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "§52 Abs1 WEG 2002 und" in §62a Abs1 Z4 VfGG, BGBl 85/1953, idF BGBl I 124/2015, entstanden. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Wortfolge ein.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2016, G72/2016, wurde die Wortfolge "§52 Abs1 WEG 2002 und" in §62a Abs1 Z4 VfGG, BGBl 85/1953, idF BGBl I 124/2015, wegen Verstoßes gegen Art140 Abs1a B‑VG aufgehoben.

II. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß dem durch BGBl I 114/2013 in das B‑VG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels". Auch §62a Abs1 erster Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 verlangt als Voraussetzung einer derartigen Antragstellung u.a. die Einbringung eines (zulässigen) Rechtsmittels gegen eine "von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache".

3. Die Antragstellerin hat den Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG aus Anlass einer Zulassungsvorstellung verbunden mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen einen Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gestellt. Damit hat die Antragstellerin keinen Antrag aus Anlass einer "von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG (s. auch §62a Abs1 erster Satz VfGG) gestellt (vgl. zB VfGH 2.7.2015, G121/2015; VfGH 28.9.2015, G272/2015).

4. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

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