VfGH G56/2016

VfGHG56/20169.6.2016

Unzulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des Tir Seveso III-AnpassungsG mangels Zuordnung der Bedenken; Unzulässigkeit der Anfechtung der Novellierungsanordnung

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
VfGG §62 Abs1
Tir Seveso III-AnpassungsG
Tir BauO 2011
Tir RaumOG 2011
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
VfGG §62 Abs1
Tir Seveso III-AnpassungsG
Tir BauO 2011
Tir RaumOG 2011

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Die Einschreiterin begehrt mit ihrem (ersichtlich) auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag, folgende Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Das Tiroler Seveso III-Anpassungsgesetz vom 12.11.2014, in der Fassung der Kundmachung LGBl 187/2014 zur Gänze, in eventu

- den Artikel II des genannten Gesetzes, indem die Bestimmungen der TROG 2011 geändert wurden, nämlich §§1 Abs2 lite Zif 3, 37 Abs3 und 38 Abs3 lita, alle TROG 2011,

- den Artikel III des genannten Gesetzes, indem die Bestimmungen der TBO 2011 geändert wurden, nämlich §§2 Abs32, 3 Abs3, 22 Abs3 litb), 26 Abs6 und 27 Abs4 litb) und f), alle TBO 2011."

II. Rechtslage

Das Tiroler Seveso III-Anpassungsgesetz, LGBl 187/2014, lautet:

"Artikel I

Änderung des Tiroler Katastrophenmanagementgesetzes

Das Tiroler Katastrophenmanagementgesetz, LGBl Nr 33/2006, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 150/2012, wird wie folgt geändert:

[…]

Artikel II

Änderung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011

Das Tiroler Raumordnungsgesetz 2011, LGBl Nr 56, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, wird wie folgt geändert:

1. Im Abs2 des §1 wird die lite durch folgende lite und f ersetzt:

'e) die Verhütung schwerer Unfälle in Betrieben im Sinn der Richtlinie 2012/18/EU (Seveso-Betriebe) und die Begrenzung der Folgen derartiger Unfälle für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch die Überwachung

1. der Ansiedlung derartiger Betriebe,

2. der Änderung bestehender derartiger Betriebe und

3. von neuen Entwicklungen in der Nachbarschaft derartiger Betriebe, einschließlich der Verkehrswege, der öffentlich genutzten Örtlichkeiten und der Siedlungsgebiete,

wenn diese Maßnahmen oder Entwicklungen Ursache schwerer Unfälle sein oder das Risiko solcher Unfälle vergrößern oder deren Folgen verschlimmern können,

f) der Schutz von Siedlungsgebieten, von öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, von Erholungsgebieten, von Hauptverkehrswegen, soweit dies unter Berücksichtigung ihrer Schutzinteressen möglich ist, und von ökologisch besonders wertvollen oder empfindlichen Gebieten durch die Wahrung angemessener Sicherheitsabstände zwischen Seveso-Betrieben und den betreffenden Gebäuden, Gebieten oder Verkehrswegen; bei ökologisch besonders wertvollen oder empfindlichen Gebieten können statt dessen andere im Hinblick auf die Schutzinteressen gleichwertige Maßnahmen getroffen werden,'

2. Im Abs2 des §1 erhalten die bisherigen litf bis m die Buchstabenbezeichnungen 'g)' bis 'n)'.

3. Im Abs1 des §3 wird der dritte Satz durch folgende Sätze ersetzt:

'In gleicher Weise sind die Inhaber von Seveso-Betrieben und die Projektwerber bezüglich solcher Betriebe verpflichtet, ausreichende Informationen zu den vom Betrieb ausgehenden Risiken zur Verfügung zu stellen. Bei Betrieben der unteren Klasse im Sinn des Art3 Z2 der Richtlinie 2012/18/EU müssen diese Informationen nur auf Verlangen der Behörde zur Verfügung gestellt werden.'

4. Der Abs4 des §3 hat zu lauten:

'(4) Die gegenseitige Informationspflicht nach den Abs1 und 2 besteht jedenfalls in dem zur Erreichung der Ziele nach §1 Abs2 lite und litf erforderlichen Ausmaß.'

5. Im §7 Abs2 litf, §27 Abs2 litc, §39 Abs4 litb und §40 Abs1 wird die Wortfolge 'Betrieben im Sinn des §1 Abs2 lite' jeweils durch das Wort 'Seveso-Betrieben' ersetzt.

6. Der Abs6 des §9 wird aufgehoben.

7. Im Abs3 des §37 hat der dritte Satz zu lauten:

'Weiters ist dem Erfordernis Rechnung zu tragen, dass zwischen Grundflächen für Anlagen von Seveso-Betrieben und anderen Grundflächen im Bauland mit Ausnahme des Gewerbe- und Industriegebietes angemessene Sicherheitsabstände gewahrt bleiben.'

8. Der Abs3 des §39 hat zu lauten:

'(3) Im Gewerbe- und Industriegebiet dürfen Gebäude für Anlagen von Seveso-Betrieben nur errichtet werden, wenn dies durch eine entsprechende Festlegung im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt worden ist. Solche Festlegungen dürfen nur im Einklang mit den im Abs2 genannten Interessen und nur bei Vorliegen der Voraussetzung des §37 Abs3 dritter Satz getroffen werden.'

9. Die Abs2 und 3 des §65 haben zu lauten:

'(2) Die Entwürfe über die Änderung von örtlichen Raumordnungsprogrammen bedürfen einer Umweltprüfung, soweit sie die Möglichkeit der Errichtung von Seveso-Betrieben oder von UVP-pflichtigen Anlagen zum Gegenstand haben oder ein Natura-2000 Gebiet betreffen.

(3) Die Entwürfe über die Neuerlassung oder Gesamtänderung von Flächenwidmungsplänen nach §31a Abs2 zweiter Satz und über die Änderung von Flächenwidmungsplänen bedürfen einer Umweltprüfung, soweit sie

a) die Festlegung von Gewerbe- und Industriegebieten nach §39 Abs3 vorsehen,

b) die Festlegung von Sonderflächen für UVP-pflichtige Anlagen nach §49a oder für Sonderflächen nach §50 Abs1 zweiter Satz oder §50a Abs1 zweiter Satz vorsehen oder

c) ein Natura 2000-Gebiet betreffen.

Entwürfe über Widmungskorrekturen im Sinn des §70 Abs2 lita bedürfen keiner Umweltprüfung.'

10. Im Abs2 des §123 hat lita zu lauten:

'a) Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates, ABl. 2012 Nr L 197, S. 1,'

Artikel III

Änderung der Tiroler Bauordnung 2011

Die Tiroler Bauordnung 2011, LGBl Nr 57, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, wird wie folgt geändert:

1. Im §2 werden folgende Bestimmungen als Abs30, 31 und 32 angefügt:

'(30) Seveso-Betrieb ist ein Betrieb, der dem Geltungsbereich der Richtlinie 2012/18/EU unterliegt.

(31) Schwerer Unfall ist ein Ereignis, insbesondere eine Emission, ein Brand oder eine Explosion größeren Ausmaßes, das sich aus unkontrollierten Vorgängen in einem Seveso-Betrieb ergibt, das unmittelbar oder später innerhalb oder außerhalb des Seveso-Betriebes zu einer ernsten Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt führt und bei dem ein oder mehrere gefährliche Stoffe im Sinn von Art2 Z10 der Richtlinie 2012/18/EU beteiligt sind.

(32) Gefährdungsbereich eines Seveso-Betriebes ist jener angemessene Sicherheitsabstand von der Betriebsanlage, der sich aufgrund von mengenschwellenbezogenen Abstandsmodellen oder standardisierten Einzelfallbetrachtungen ergibt.'

2. Die Überschrift des §3 hat zu lauten:

'Bauplatzeignung'

3. Im §3 wird folgende Bestimmung als Abs3 eingefügt:

'(3) Auf Grundstücken im Gefährdungsbereich eines Seveso-Betriebes sind der Neu-, Zu- und Umbau und die sonstige Änderung von Gebäuden mit Ausnahme von Gebäuden nach §39 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 sowie die Errichtung und die Änderung von entsprechenden sonstigen baulichen Anlagen nur unter der Voraussetzung zulässig, dass durch die Anordnung oder die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes bzw. der sonstigen baulichen Anlage, durch sonstige bauliche Vorkehrungen in deren Bereich oder durch bestimmte organisatorische Vorkehrungen, wie insbesondere durch ein Sicherheitskonzept, gewährleistet ist, dass weder schwere Unfälle bewirkt noch das Risiko oder die Folgen solcher Unfälle vergrößert bzw. verschlimmert werden können. §3 Abs1 dritter und vierter Satz und 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 sind anzuwenden.'

4. Die bisherigen Abs3, 4 und 5 des §3 erhalten die Absatzbezeichnungen '(4)', '(5)' und '(6)'.

5. Der nunmehrige Abs6 des §3 hat zu lauten:

'(6) Die Abs1 bis 5 gelten sinngemäß für die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden.'

6. Der Abs3 des §22 hat zu lauten:

'(3) Wenn dies in den Fällen des

a) §3 Abs2 erster Satz zur Gewährleistung eines im Hinblick auf den vorgesehenen Verwendungszweck ausreichenden Schutzes vor Naturgefahren oder

b) §3 Abs3 zur Gewährleistung des Schutzes vor schweren Unfällen oder vor einer Vergrößerung des Risikos oder einer Verschlimmerung der Folgen solcher Unfälle

erforderlich ist, ist dem Bauansuchen ein Sicherheitskonzept anzuschließen.'

7. Im §26 wird folgende Bestimmung als Abs5 eingefügt:

'(5) Nachbarn nach Abs2, die Eigentümer eines bereits bebauten, betrieblich genutzten Grundstückes sind, sind weiters berechtigt, die Zulässigkeit jener Immissionen geltend zu machen, die von diesem Grundstück aus rechtmäßig auf den Bauplatz einwirken. Abs2 zweiter Satz ist anzuwenden.'

8. Im §26 wird folgende Bestimmung als Abs6 eingefügt:

'(6) Nachbarn sind überdies die Inhaber von Seveso-Betrieben. Sie sind, auch wenn sie nicht Nachbarn nach Abs2 sind, berechtigt, bei Bauvorhaben im Gefährdungsbereich solcher Betriebe das Risiko eines schweren Unfalles oder, soweit ein solches Risiko bereits besteht, dessen Vergrößerung oder die Verschlimmerung der Folgen eines solchen Unfalles geltend zu machen.'

9. Die bisherigen Abs5, 6 und 7 des §26 erhalten die Absatzbezeichnungen '(7)', '(8)' und '(9)'.

10. Der Abs4 des §27 hat zu lauten:

'(4) Das Bauansuchen ist weiters abzuweisen, wenn

a) im Zug des Verfahrens ein Abweisungsgrund nach Abs3 hervorkommt oder wenn der Bauwerber ungeachtet eines Auftrages der Behörde die Angaben nach §22 Abs4 oder 5 nicht macht,

b) der Bauplatz für die vorgesehene Bebauung nach §3 Abs2 oder 3, gegebenenfalls in Verbindung mit §3 Abs6, nicht geeignet ist,

c) der Bauplatz außer im Fall von Sonderflächen im Sinn des §2 Abs12 keine einheitliche Widmung aufweist,

d) eine zulässigerweise erhobene Einwendung nach §26 Abs5 in der Sache zutrifft, sofern dieser mit Auflagen oder Bedingungen nach Abs7 nicht entsprochen werden kann,

e) im Fall des §24 Abs3 zweiter Satz den Erfordernissen der Gesamtenergieeffizienz und der Energieeinsparung mit einem hocheffizienten alternativen System mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand wesentlich besser entsprochen werden könnte oder

f) das Bauvorhaben sonst baurechtlichen Vorschriften widerspricht.'

11. Im Abs8 des §27 wird das Zitat '§3 Abs2 erster Satz' durch das Zitat '§3 Abs2 erster Satz oder 3' ersetzt.

12. Im Abs10 des §27 wird in der litb das Zitat '§3 Abs2 erster Satz' durch das Zitat '§3 Abs2 erster Satz oder 3' ersetzt.

13. Im Abs4 des §28 hat der erste Satz zu lauten:

'Den Nachbarn und dem Straßenverwalter kommt zur Frage des Vorliegens der Voraussetzung nach Abs3 erster und zweiter Satz Parteistellung im Umfang des §26 Abs3 bis 7 zu.'

14. Der Abs5 des §46 hat zu lauten:

'(5) Parteien im Verfahren um die Erteilung einer Bewilligung nach Abs1 sind der Antragsteller, die Nachbarn im Sinn des §26 Abs2 und 6 sowie der Straßenverwalter. Die Nachbarn und der Straßenverwalter sind berechtigt, das Fehlen der Voraussetzung nach Abs1 geltend zu machen. §26 Abs8 und 9 gilt sinngemäß.'

15. Im §62 erhalten die Abs4 bis 13 die Absatzbezeichnungen '(3)' bis '(12)'.

16. Im §62 werden im nunmehrigen Abs5 das Zitat 'Abs5 erster Satz' durch das Zitat 'Abs4 erster Satz' sowie im nunmehrigen Abs10 das Zitat '§27 Abs4 litb' durch das Zitat '§27 Abs4 litc' ersetzt.

17. Im Abs4 §63 wird nach der Z2 der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und folgende Z3 angefügt:

'3. Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates, ABl. 2012 Nr L 197, S. 1.'

Artikel IV

Änderung des Tiroler Straßengesetzes

Das Tiroler Straßengesetz, LGBl Nr 13/1989, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, wird wie folgt geändert:

[…]

Artikel V

Änderung des Tiroler Elektrizitätsgesetzes 2012

Das Tiroler Elektrizitätsgesetz 2012, LGBl Nr 134/2011, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, wird wie folgt geändert:

[…]

Artikel VI

Inkrafttreten, Übergangsrecht

(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. Juni 2015 in Kraft, soweit im Abs2 nichts anders bestimmt ist.

(2) Mit 1. Jänner 2015 treten in Kraft:

a) ArtII Z6;

b) ArtIII Z2, 4, 5, 7, 9, 10 (mit Ausnahme des §27 Abs4 litb), 13 und 14 (jeweils mit Ausnahme des §26 Abs6), 15 und 16;

c) ArtIV Z2, 11 und 14;

d) ArtV Z1 bis 11, 13 bis 18, 22 bis 29, 31 und 32.

(3) §1 Abs2 lite und f, §37 Abs3, §39 Abs3 und §65 Abs2 und 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 in der Fassung des ArtII sind auf die am 31. Mai 2015 anhängigen Verfahren zur Erlassung oder Änderung von Verordnungen nach diesem Gesetz nicht anzuwenden. Auf diese Verfahren sind die entsprechenden Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 130/2013 weiter anzuwenden.

(4) §2 Abs30, 31 und 32, §3 Abs3, §22 Abs3, §26 Abs6, gegebenenfalls in Verbindung mit §46 Abs5, §27 Abs4 litb, 8 und 10 sowie §28 Abs4 erster Satz hinsichtlich des §26 Abs6 der Tiroler Bauordnung 2011 in der Fassung des ArtIII sind auf die am 31. Mai 2015 anhängigen Bauverfahren und Verfahren über Bauanzeigen nicht anzuwenden. Auf diese Verfahren sind die entsprechenden Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2011 in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 130/2013 weiter anzuwenden.

(5) §2 Abs21, 22 und 23, §37 Abs3 und 4, §41 Abs4 und §44 Abs3 und 4 des Tiroler Straßengesetzes in der Fassung des ArtIV sind auf die am 31. Mai 2015 anhängigen Straßenbaubewilligungsverfahren nicht anzuwenden. Auf diese Verfahren sind die entsprechenden Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 130/2013 weiter anzuwenden."

III. Antragsvorbringen

1. Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben Alleineigentümerin des unbebauten Grundstücks Nr 1294/27, EZ1457, GB 83007 Kirchbichl, und unmittelbare Anrainerin des Seveso-Betriebes "***** *** ****" mit der Anschrift *************, **** **********.

Die Antragstellerin werde durch das angefochtene Gesetz, insbesondere durch die damit verbundenen Änderungen in der Tiroler Raumordnung und der Tiroler Bauordnung in ihren subjektiven Rechten unmittelbar verletzt. Es sei der Antragstellerin nicht zumutbar, eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde herbeizuführen, indem sie "pro forma" einen Antrag auf Baubewilligung stellt, zumal sie derzeit nicht vorhabe, die Bauparzelle zu bebauen. Ein "Erzwingen" eines Baubescheides sei mit hohen Kosten verbunden.

Die Antragstellerin sei überdies auch Eigentümerin des unmittelbar vor dem ob genannten Grundstück gelegenen Grundstücks Nr 1294/2, EZ269, GB 83007 Kirchbichl, auf welchem ein Einfamilienhaus errichtet worden sei, das von ihr und ihrem Ehegatten bewohnt werde. Durch das angefochtene Gesetz werde sie auch insoweit beschränkt, als keine Zu- und Anbauten am bestehenden Gebäude vorgenommen werden dürfen, bei denen Wohnraum geschaffen werde, um damit die Gefahr eines größeren Personenschadens (bei einem Störfall) hintanzuhalten.

2. Die Antragstellerin bringt vor, sie werde durch das Tiroler Seveso III-Anpassungsgesetz und die damit verbundenen Änderungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes und der Tiroler Bauordnung "in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten (Recht auf ein Bauverfahren aufgrund der bisher geltenden Tiroler Bauordnung und ihr Recht auf Ausübung ihres Eigentumsrechtes, ihr Grundstück nach Belieben zu nutzen (§354 ABGB)), sowie in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich dem Grundrecht auf Freiheit des Eigentums und der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, verletzt und beantragt die Aufhebung dieses Gesetzes".

Das angefochtene Gesetz wirke sich auf die Antragstellerin im Grunde wie eine Enteignung aus, die Umsetzung der Seveso-Richtlinie sei zu Lasten der Antragstellerin und zu Gunsten des Seveso-Betreibers erfolgt. Es sei auch gleichheitswidrig, dass durch das angefochtene Gesetz Eigentümer ungleich behandelt würden.

IV. Zulässigkeit

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich auf ein Gesetz seinem ganzen Inhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes darlegen (vgl. VfGH 13.9.2013, G61/2013 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, jeweils mwN).

Die Antragstellerin unterlässt es, die von ihr dargelegten Bedenken konkreten Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes zuzuordnen, weswegen dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG nicht entsprochen worden ist und der Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist.

Im Übrigen ficht die Antragstellerin nicht die als verfassungswidrig gerügten Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2011 und des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011, sondern die entsprechenden Novellierungsanordnungen im Tiroler Seveso III-Anpassungsgesetz, LGBl 187/2014, an. Ein solches Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn eine Bestimmung durch eine Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet, die behauptete Verfassungswidrigkeit auf anderem Wege also nicht beseitigt werden kann (vgl. VfSlg 19.658/2012 mwN). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt:

Die behauptete Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Bestimmungen ergibt sich nämlich ausschließlich daraus, dass in das Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 und die Tiroler Bauordnung 2011 neue Bestimmungen eingefügt bzw. Bestimmungen geändert wurden. Es wäre grundsätzlich möglich, die neu eingefügten bzw. geänderten Bestimmungen der beiden Landesgesetze mittels Antrag beim Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit anzufechten.

Der Antrag ist sohin auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Prüfung, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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