VfGH A7/2015

VfGHA7/201529.2.2016

Zurückweisung der Klage eines Haftpflichtversicherers auf Rückzahlung des an die Gemeinde als Sozialhilfeträger geleisteten Kostenersatzes für Pflegekosten infolge Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte; kein Wegfall des zivilrechtlichen Rechtsgrundes der Zahlungspflicht wegen Aufhebung des die zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung rechtsirrig vorschreibenden Bescheides

Normen

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
Stmk SozialhilfeG §28
ABGB §1431
B-VG Art137 / ord Rechtsweg
Stmk SozialhilfeG §28
ABGB §1431

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Klage und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B‑VG begehrt die Klägerin, die beklagte Stadt Graz schuldig zu erkennen, "der Klägerin den Betrag von € 254.631,45 samt 4% Zinsen seit 1.5.2015 zu bezahlen und der Klägerin die unten verzeichneten Prozesskosten zu ersetzen; dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution."

2. Dieser Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Am 27. Jänner 2007 erlitt ***** ** als Beifahrer im PKW seines Vaters ******** ** bei einem Unfall schwere Verletzungen mit Spät- und Dauerfolgen. Er war danach beginnend mit 11. Juli 2007 in einer Pflegeanstalt des Landeskrankenhauses Leoben untergebracht, wobei sich die Unterbringungskosten für den kranken und beatmungspflichtigen Patienten auf € 239,10 pro Tag beliefen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 16. August 2007 wurde ***** ** Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Kostenübernahme für den Aufenthalt in Pflege des Landeskrankenhauses Leoben gewährt. Der Stadt Graz als Sozialhilfeträger entstanden dadurch von 11. Juli 2007 bis 30. September 2011 Kosten iHv € 254.631,45. ***** ** ist – nach Lage der vorgelegten Akten – am 9. März 2013 verstorben.

2.1.1. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 7. April 2011 wurde das Alleinverschulden des Fahrzeuglenkers ******** ** festgestellt und ein Mitverschulden des Verletzten ausgeschlossen. Die hier klagende Oberösterreichische Versicherung Aktiengesellschaft übernahm daraufhin als Haftpflichtversicherer des Fahrzeuglenkers ******** ** mit Schreiben vom 24. Mai 2011 die Haftung für sämtliche künftige Schäden des ***** **, beschränkt auf die Haftpflichtversicherungssumme von € 12 Mio. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 trat ***** *** Sachwalterin dessen Ansprüche auf Ersatz der Pflegekosten an den Sozialhilfeträger zum Zwecke der Geltendmachung gegenüber dem Haftpflichtversicherer ab.

2.1.2. Daraufhin verpflichtete der Bürgermeister der Stadt Graz die Klägerin mit Bescheid vom 2. Dezember 2011 gemäß §28 Z4 des Gesetzes über die Sozialhilfe (Steiermärkisches Sozialhilfegesetz – SHG), LGBl für Steiermark 29/1998, für ***** ** für den Zeitraum von 11. Juli 2007 bis 30. September 2011 einen Aufwandersatz iHv € 270.498,11 zu bezahlen, der dem Sozialhilfeträger durch die Kostenübernahme für den Aufenthalt entstanden sei. Die Klägerin als Dritte sei zum Ersatz dieses Aufwandes bis zur Höhe des Schadenersatzanspruches verpflichtet.

2.1.3. Gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz erhob die Klägerin Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Steiermark. In ihrer Begründung führte sie insbesondere aus, dass die zivilrechtliche Natur des Schadenersatzanspruches des Hilfeempfängers gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers durch die Abtretung an den Sozialhilfeträger in Form der Legalzession gemäß §28 Z4 SHG nicht verändert werde. Zur Entscheidung über diesen Anspruch seien daher einzig und alleine die Zivilgerichte zuständig. Der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Steiermark wies das Rechtsmittel mit Bescheid vom 15. Juni 2012 in der Hauptsache ab, reduzierte jedoch die Forderung der Höhe nach auf € 254.631,45.

2.1.4. Gestützt auf diese Entscheidung zahlte die Klägerin der Beklagten am 2. Juli 2012 den Betrag von € 254.631,45, erhob gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates jedoch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 21. Februar 2014, B893/2012, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab.

2.2. Mit Erkenntnis vom 18. März 2015, Ro 2014/10/0063, gab der Verwaltungsgerichtshof der Revision statt und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf. Begründend führte der Gerichtshof aus, dass sich der im vorliegenden Fall schadenersatzrechtliche Charakter der Forderung des ***** ** gegen den Haftpflichtversicherer durch den Übergang auf den Sozialhilfeträger nicht ändere. Insbesondere werde keine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit anstelle einer gerichtlichen Zuständigkeit begründet. Durch den Forderungsübergang sei der Sozialhilfeträger in den Besitz der Forderung des ursprünglichen Hilfeempfängers gegen den Schädiger gelangt; damit sei sein (in Wahrheit gegen den Hilfeempfänger bestehender) Anspruch gemäß §28 Z4 SHG bereits erfüllt. Im Umfang der Legalzession komme dem Sozialhilfeträger sodann das Recht zu, die Schadenersatzforderung gegen die Klägerin beim dafür zuständigen Gericht geltend zu machen, wobei im Gerichtsverfahren zu klären sei, ob und in welcher Höhe die zedierte Schadenersatzforderung zu Recht bestehe. Aus diesem Grund bleibe – entgegen der Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Steiermark – bei dieser Konstellation kein Raum für eine verwaltungsbehördliche Entscheidung über den Anspruch; es könne dem Steiermärkischen Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe mit §34 Abs2 SHG eine Zuständigkeit der Sozialhilfebehörden zur Entscheidung über solche Ansprüche normieren wollen.

2.3. In weiterer Folge gab das für das fortgesetzte Verfahren zwischenzeitig zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Steiermark der (nunmehrigen) Beschwerde, gestützt auf die Begründung des Verwaltungsgerichtshofes, mit Erkenntnis vom 15. April 2015 statt und behob den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz ersatzlos.

2.4. Mit Schreiben vom 16. April 2015 forderte die Klägerin die Beklagte sodann auf, den der Beklagten am 2. Juli 2012 gezahlten Betrag von € 270.498,11 samt 4% Zinsen seit 2. Juli 2012, die gerechnet bis zum 24. April 2015 € 30.446,07 ergeben hätten, insgesamt sohin € 300.944,18, zurückzuzahlen, übersah dabei eigenen Angaben zufolge jedoch, dass es sich hiebei um den ursprünglich vom Bürgermeister der Stadt Graz festgesetzten Betrag, nicht jedoch um jenen reduzierten Betrag gehandelt habe, der nachfolgend vom Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Steiermark festgelegt worden sei.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 mit, dass selbst mangels verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt Graz der zivilrechtliche Anspruch des Sozialhilfeträgers völlig zu Recht bestanden habe, weshalb dem Begehren der Klägerin auf Rückzahlung des Betrages nicht nachzukommen sei.

2.5. Nach Ansicht der Klägerin sei durch die Aufhebung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Steiermark und nachfolgend des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Graz der Rechtstitel, auf dessen Grundlage die Klägerin der Beklagten den Betrag von € 254.631,45 geleistet habe, im Nachhinein weggefallen und die Beklagte verpflichtet, diesen Betrag der Klägerin samt Zinsen auszuzahlen.

2.5.1. Auch habe die Klägerin im gesamten Verwaltungsverfahren die zivilrechtliche Forderung der Beklagten gegen die Klägerin insbesondere wegen Verjährung bestritten. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Rückzahlung des von ihr in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren geforderten und von der Klägerin auf Grund eines vollstreckbaren Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates gezahlten Betrages mit der Behauptung eines zivilrechtlichen Anspruchs zu verweigern. Eine Aufrechnung, die abgesehen davon aber auch nicht zulässig wäre, habe die Beklagte schließlich nicht erklärt.

2.5.2. Nach Ansicht der Klägerin seien die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage nach Art137 B‑VG erfüllt, weil es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen eine Gemeinde handle, der weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sei. Die Klägerin habe den Rückforderungsanspruch mit Schreiben vom 16. April 2015 fällig gestellt, die Beklagte verweigere jedoch die Zahlung. Aus diesem Grund begehre die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin den genannten Betrag und die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

3. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der die Zurück- bzw. Abweisung der Klage beantragt und dem geltend gemachten Anspruch wie folgt entgegengetreten wird:

"Zur Zulässigkeit der Klage gemäß Art137 B‑VG:

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, über die weder ordentliche Gerichte noch Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben.

Im gegenständlichen Anlassfall handelt es sich um einen originären zivilrechtlichen Anspruch, der (im gegenständlichen bereits ergangenen Erkenntnis des VwGH klar festgestellt) im ordentlichen Rechtsweg vor den Zivilgerichten einzuklagen ist. Die von der Klägerin von der Stadt Graz begehrte Rückzahlung wäre zuständigkeitshalber im Klagswege beim Landesgericht Graz einzufordern gewesen. Die gegenständliche Klage wäre gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität nach der Rechtsansicht der beklagten Partei vom Verfassungsgericht zurückzuweisen.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit der Klage gemäß Art137 B‑VG bejahen sollte, wird inhaltlich Folgendes ausgeführt:

Zum Einwand der Verjährung:

Mit Schreiben der Stadt Graz vom 21.06.2011 an die klagende Partei wurde der Übergang der Ansprüche des Hilfeempfängers ***** *[…] auf die Stadt Graz gemäß §28 Z4 StSHG angezeigt.

Bei dem auf die Stadt Graz gemäß §28 SHG übergegangenen Anspruch des Sozialhilfeempfängers handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall, an dem das bei der OÖ Versicherung haftpflichtversicherte Fahrzeug beteiligt war. Mit Schreiben vom 24.05.2011 an Herrn *[…] anerkannte die OÖ. Versicherungs AG ihm gegenüber die Haftung für sämtliche künftige Schäden, die aus dem Verkehrsunfall entstehen, mit der Beschränkung auf die Versicherungssumme von € 12.000.000,-- mit Wirkung eines Feststellungsurteils. Da die Klägerin eine Zahlung an die beklagte Partei verweigerte, wurde über Antrag der Stadt Graz von der Bezirksverwaltungsbehörde im Verwaltungsweg ein Aufwandersatzbescheid erlassen. Dieser wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Steiermark bestätigt, woraufhin die Klägerin die vorgeschriebenen Kosten erstattete und das außerordentliche Rechtsmittel beim VfGH / VwGH einbrachte.

Eine Klagseinreichung durch die Stadt Graz war bis zum Erkenntnis des LVwG Steiermark vom 15.04.2015 nicht notwendig und war ja die Verjährung im Verwaltungsverfahren durch den Antrag der Stadt Graz an die Bezirksverwaltungsbehörde gehemmt. Durch die Zahlung seitens der Klägerin an die Stadt Graz war ebenfalls keine Klagseinbringung bei einem Zivilgericht notwendig.

Eine Verjährung der auf die Stadt Graz im Wege der Legalzession übergegangenen Forderung ist daher aus Sicht der Beklagten nicht eingetreten.

Sollte das hohe Gericht zur Rechtsansicht gelangen, dass eine zivilrechtliche Ver-jährung sehr wohl eingetreten ist, wird hierzu Folgendes ausgeführt:

Die Verjährung hindert (nur über Einrede des Gegners) die gerichtliche Durch-setzung des davon betroffenen Anspruchs. Der Anspruch bleibt aber als Naturalobligation bestehen und kann wirksam erfüllt werden. Die klagende Partei hat bei Bezahlung eines verjährten Anspruchs eine solche Naturalobligation erfüllt. Gemäß §1432 ABGB können Zahlungen einer verjährten Schuld nicht zurückgefordert werden. Naturalobligationen rechtfertigen die Vermögensverschiebung und sind daher selbst bei Irrtum des Leistenden über die Unklagbarkeit nicht nach §1431 ABGB rückforderbar. Die Zahlung wurde keineswegs erzwungen. Die Verpflichtung zur Zahlung wurde in einem rechtsförmigen Verfahren erzeugt und diese Vorgangsweise stellt per se keinen (verpönten) Zwang dar.

Zu den Zinsen:

Die Forderung nach Zinsen gemäß §1333 Abs1 ABGB ist ein verschuldensunab-hängiger Schadenersatzanspruch, der einen objektiven Verzug voraussetzt. Die Stadt Graz befindet sich aber frühestens seit der Aufforderung der Versicherung zur Rückzahlung im April 2015 und nicht schon seit dem Jahr 2012 im Schuldnerverzug. Für die Zeit davor müsste die Versicherung einen konkreten Schaden geltend machen, der allerdings ein Verschulden der beklagten Partei voraussetzt."

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes über die Sozialhilfe (Steiermärkisches Sozialhilfegesetz – SHG), LGBl für Steiermark 29/1998, lauten in der hier maßgeblichen Fassung wie folgt:

"Ersatz für Aufwendungen der Sozialhilfe

§28

Ersatzpflichtige

Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind verpflichtet:

1. der Hilfeempfänger aus seinem Vermögen, soweit hierdurch das Ausmaß des Lebensbedarfes (§7) nicht unterschritten wird;

2. (Anm. entfallen)

3. die Erben des Hilfeempfängers bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses;

4. Dritte, soweit die Hilfeempfängerin/der Hilfeempfänger ihnen gegenüber Rechtsansprüche oder Forderungen hat, ausgenommen Rechtsansprüche nach §947 ABGB, Schmerzengeldansprüche sowie Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht, und der Sozialhilfeträger die Abtretung in Anspruch nimmt. Damit gehen Ansprüche der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers gegenüber Dritten im Ausmaß der Hilfeleistung auf den Sozialhilfeträger über. Der Übergang erfolgt mit Verständigung der/des verpflichteten Dritten;

5. Personen im Sinne des §28a.

§29

Grenzen der Einbringung

(1) Die zwangsweise Einbringung von Ersatzansprüchen hat nur soweit zu erfolgen, als hiedurch der Lebensbedarf des Ersatzflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht gefährdet wird.

(2) Erhält der Sozialhilfeempfänger Erträgnisse aus einem Vermögen, so kann auf die zwangsweise Heranziehung dieses Vermögens des Ersatzpflichtigen dann verzichtet werden, wenn dadurch der Lebensbedarf zum Teil gedeckt wird.

(3) Ersatzansprüche verjähren, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Hilfe geleistet worden ist, drei Jahre verstrichen sind. Der Ersatzanspruch nach §28 Z1 verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Hilfe geleistet worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Ersatzansprüche, die in dieser Zeit nicht oder nicht zur Gänze geltend gemacht werden konnten, erlöschen in diesem Ausmaß.

(4) Ersatzansprüche, die gemäß §5 Abs4 sichergestellt wurden, unterliegen nicht der Verjährung."

"§34

Verfahren bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen

(1) Die Sozialhilfeträger können über Ersatzansprüche mit den Ersatzpflichtigen Vergleiche abschließen. Einem solchen Vergleich kommt, wenn er von der Behörde beurkundet wird, die Wirkung eines vor einem ordentlichen Gericht geschlossenen Vergleiches zu.

(2) Kommt ein Vergleich im Sinne des Abs1 nicht zustande, so hat auf Antrag die nach §35 zuständige Behörde mit Bescheid zu entscheiden."

III. Erwägungen

1. Gemäß Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.1. Art137 B‑VG enthält demnach für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften eine suppletorische Zuständigkeitsordnung, hat aber nicht den Sinn, neben bereits bestehenden Zuständigkeiten eine konkurrierende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes einzuführen oder jene abzuändern (vgl. bereits VfSlg 3287/1957, 11.395/1987).

1.1.1. Von der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B‑VG sind zunächst Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche ausgeschlossen, die "durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind" (vgl. dazu etwa VfSlg 17.899/2006).

1.1.2. Ein Prozesshindernis liegt im Verfahren nach Art137 B‑VG ferner dann vor, wenn der geltend gemachte Anspruch im "ordentlichen Rechtsweg" auszutragen ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn entweder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich für zuständig erklärt oder sich deren Kompetenz aus §1 JN herleiten lässt (vgl. VfSlg 3076/1956, 12.049/1989, 15.397/1999).

Schadenersatzansprüche sind – sofern sie nicht ausnahmsweise vor eine Verwaltungsbehörde verwiesen sind – selbst dann als im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machende Privatrechte anzusehen, wenn sie auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhen (vgl. VfSlg 14.952/1997 sowie mwN Frank, Art137 B‑VG, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rz 14, 5. Lfg [2007]; vgl. zudem etwa VfSlg 16.107/2001, 17.002/2003, 19.430/2011; VfGH; 20.1.2015, A13/2014).

1.2. Zuständig gemäß Art137 B‑VG ist der Verfassungsgerichtshof nach dem Gesagten somit lediglich dann, wenn eine Angelegenheit weder in die Zuständigkeit der Gerichte fällt noch bescheidförmig zu erledigen ist:

Für bereicherungsrechtliche Ansprüche (sog. Ansprüche aus Zahlung einer Nichtschuld im Sinne der §§1431 ff. ABGB) hat der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, dass sie im Verfahren nach Art137 B‑VG einklagbar sind, wenn (erstens) keine Materie des Privatrechts vorliegt, der Vermögenszuwachs also auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (und nicht besondere Vorschriften das Verhältnis als privatrechtlich qualifizieren, vgl. VfSlg 5386/1966, 8065/1977, 8260/1978, 8542/1979, 8666/1979, 8812/1980, 8954/1980 und 12.020/1989) und über den Vermögenszuwachs (zweitens) nicht bescheidförmig abzusprechen ist (vgl. mwN VfSlg 12.020/1989). Als derartige, nach Art137 B‑VG einklagbare Ansprüche hat der Gerichtshof insbesondere Begehren qualifiziert, die auf die Rückerstattung zu Unrecht eingehobener Geldstrafen nach Wegfall des Strafbescheides gerichtet sind (vgl. dazu mwN Frank, aaO Rz 19).

2. Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die Rückzahlung des im Spruch bezifferten Geldbetrages aus dem Grund, dass der Bescheid, auf Grund dessen geleistet worden sei, nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre.

3. Es liegt damit unstreitig ein vermögensrechtlicher Anspruch vor. Auch ist die Stadt Graz und damit eine Gebietskörperschaft im Verfahren gemäß Art137 B‑VG (potentiell) passiv klagslegitimiert.

4. Der Anspruch der klagenden Partei wurzelt allerdings nicht im öffentlichen Recht:

4.1. Gemäß §28 Z4 SHG sind Dritte zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger verpflichtet, soweit der Hilfeempfänger ihnen gegenüber Rechtsansprüche und Forderungen hat und der Sozialhilfeträger die Abtretung in Anspruch nimmt. Damit gehen Ansprüche des Hilfeempfängers gegenüber Dritten im Ausmaß der Hilfeleistung auf den Sozialhilfeträger über, wobei der Übergang gemäß §28 Z4 leg.cit. mit Verständigung des verpflichteten Dritten erfolgt. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 18. März 2015, Ro 2014/10/0063, an, dass der auf den Sozialhilfeempfänger nach §28 Z4 SHG übergegangene Anspruch durch den Anspruchsübergang allein seinen Charakter nicht verändert. Soweit es sich daher bei dem iS der genannten Bestimmung auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Anspruch um einen Schadenersatzanspruch des Geschädigten handelt, der – wie im vorliegenden Fall – unmittelbar vom Haftpflichtversicherer des Schädigers zu liquidieren ist, liegt auch nach dem Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger ein zivilrechtlicher Anspruch vor. Der Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen die hier klagende Partei wurzelt daher iS der vorzitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht im öffentlichen Recht.

4.2. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2011 hat der Sozialhilfeträger die nunmehrige Klägerin gemäß §28 Z4 SHG über den Forderungsübergang verständigt, womit die Legalzession bewirkt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt kam somit der klagenden Partei die Verpflichtung zu, auf Grund ihres gegenüber dem Geschädigten bzw. seinen Rechtsnachfolgern abgegebenen Anerkenntnisses im Rahmen der Versicherungssumme dem Sozialhilfeträger jene Kosten zu ersetzen, die dieser aus öffentlichen Mitteln – anstelle des Schädigers bzw. des Haftpflichtversicherers – für die Pflege des Geschädigten aufgewendet hat.

4.3. Im Falle der Nichtleistung stand dem Sozialhilfeträger das Recht zu, die zedierte Schadenersatzforderung beim zuständigen ordentlichen Gericht gegen die Klägerin geltend zu machen. Dies bedeutet aber auch, dass für die Rückforderung allenfalls irrtümlich geleisteter Überzahlungen der hier klagenden Partei iSd §1431 ABGB ebenfalls die ordentlichen Gerichte zuständig sind und nicht der Verfassungsgerichtshof.

5. Die für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Klage danach noch verbleibende Frage ist daher, ob sich an diesem Ergebnis dadurch etwas ändert, dass die Behörde die zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung zunächst rechtsirrig mit Bescheid vorgeschrieben hat, die Zahlung von der verpflichteten Partei auf Grund dieses Bescheides geleistet wurde und danach dieser Bescheid wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsweges aufgehoben wurde. Diese Frage ist indes zu verneinen:

5.1. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch nach §1431 ABGB wegen Aufhebung des Bescheides kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil zwar der Bescheid, nicht aber der zivilrechtliche Rechtsgrund, aus dem die klagende Partei sich gegenüber dem Geschädigten zu leisten verpflichtet hat, weggefallen ist.

5.2. Auch kann es nicht in der Ingerenz der mit dem Vollzug des Sozialhilferechts betrauten Verwaltungsbehörde liegen, bloß durch die (unrichtige) Handhabung der Verfahrensvorschriften eine Rechtssache, die vor die ordentlichen Gerichte gehört, vor die Verwaltungsbehörden oder im Wege des Art137 B‑VG vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Wird im Rahmen zivilrechtlicher Ansprüche irrtümlich etwas geleistet, das die betreffende Partei nicht zu leisten schuldig war (§1431 ABGB), so steht ihr für die Durchsetzung der Rückforderung nur der ordentliche Rechtsweg offen, und zwar unabhängig davon, durch welche Umstände der Irrtum verursacht wurde. Ob die Zahlung der Forderung allenfalls nur deshalb irrtümlich erfolgt ist, weil die Geltendmachung der zivilrechtlichen Forderung (unzulässigerweise) mit Bescheid erfolgt ist oder ob der Irrtum auf anderen Umständen beruhte, ist für die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung dieser Rechtssache ohne Belang.

5.3. Es liegt somit eine Angelegenheit vor, die im ordentlichen Rechtsweg auszutragen ist. Dies bildet nach dem Gesagten ein Prozesshindernis im Verfahren nach Art137 B‑VG.

IV. Ergebnis

1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte