VfGH G41/2014

VfGHG41/201423.9.2014

Unzulässigkeit des Individualantrags eines Bürgermeisters auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG mangels Darlegung eines Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Stmk GemeindestrukturreformG §3 Abs1 Z5
Stmk GdO 1967 §19, §23
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Stmk GemeindestrukturreformG §3 Abs1 Z5
Stmk GdO 1967 §19, §23

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG begehrt der Bürgermeister der Gemeinde Ganz "als Privatperson[…] sowie in seiner Funktion als Bürgermeister und Repräsentant der Bewohner der Gemeinde Ganz" die Aufhebung des Steiermärkischen Gemeindestrukturreformgesetzes – StGsrG, LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), in seinem gesamten Inhalt, in eventu §3 Abs1 Z5 StGsrG, und zwar die Wortfolge "Die Stadtgemeinde Mürzzuschlag mit der Gemeinde Ganz zur Stadtgemeinde Mürzzuschlag", als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, dass das StGsrG unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreife. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werde er seine Position als Bürgermeister verlieren, ihm werde folglich das Recht entzogen, 'seine' Gemeinde gem. Art116 B‑VG selbst zu verwalten". Das StGsrG werde ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam. Auch sei er durch das StGsrG aktuell betroffen; die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes könne nicht auf anderem Weg geltend gemacht werden.

2. Die Stmk. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages beantragt wird. Zur Antragslegitimation führt die Stmk. Landesregierung aus, dass der Antragsteller die aktuelle Betroffenheit und das Fehlen eines zumutbaren anderen Weges lediglich behauptet, jedoch nicht näher konkretisiert habe, weshalb der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen sei.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des StGsrG, LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), lauten:

"§1

Ziele der Strukturreform

(1) Ziel der Reform der gemeindlichen Strukturen im Land Steiermark ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur sachgerechten und qualitätsvollen Erfüllung der eigenen und übertragenen Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung. Die Strukturreform soll wirtschaftliche und leistungsfähige Gemeinden schaffen, die dauerhaft in der Lage sind, ihre Angelegenheiten ohne Haushaltsabgang zu erfüllen. Die Leistungsfähigkeit der gemeindlichen Ebene soll gestärkt und langfristig gesichert werden, um insbesondere die gemeindliche Infrastruktur effizient zu nutzen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen im jeweiligen Gemeindegebiet abzudecken und der demografischen Entwicklung gerecht zu werden.

[…]

§2

Umsetzung der Strukturreform

Die in §1 genannten Ziele werden durch Vereinigung angrenzender Gemeinden (§8 Abs3 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) und durch Aufteilung von Gemeinden auf angrenzende Gemeinden (§10 Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) unter Beachtung der in §6 Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 geregelten öffentlichen Interessen erreicht.

[…]

§3

Vereinigung von Gemeinden eines politischen Bezirkes

(1) Im politischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag werden folgende Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt:

[…]

5. die Stadtgemeinde Mürzzuschlag mit der Gemeinde Ganz zur Stadtgemeinde Mürzzuschlag;

[…]

§7

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit 1. Jänner 2015 in Kraft."

III. Erwägungen

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzufechtende Gesetz wendet, der diesem gegenüber Normadressat ist (VfSlg 8009/1977, 14.321/1995, 15.127/1998, 15.665/1999, 19.271/2010 uva). Bei der Beurteilung der Antragslegitimation kommt es ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und – im Fall der Verfassungswidrigkeit – verletzt (vgl. zB VfSlg 9185/1981, 10.353/1985, 11.610/1988, 17.768/2006).

Kraft §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten.

2. Der Antragsteller bringt vor, dass er als "Privatperson[…] sowie in seiner Funktion als Bürgermeister und Repräsentant der Bewohner der Gemeinde Ganz" zur Stellung des vorliegenden Individualantrages legitimiert sei, weil er mit Inkrafttreten des StGsrG seine Position als Bürgermeister verliere und ihm "das Recht entzogen [werde,] 'seine' Gemeinde […] selbst zu verwalten".

2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Bürgermeister lediglich Organ und als solches Träger von Kompetenzen ist, ihm jedoch keine subjektiven Rechte zukommen (vgl. etwa VfSlg 13.169/1992, 15.025/1997, 19.649/2012 und 19.681/2012; ähnlich VfSlg 17.234/2004). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes erstreckt sich das – sich aus dem passiven Wahlrecht ergebende – Recht auf Ausübung einer Funktion auf den Schutz eines durch Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, nicht aber auf den Schutz eines durch Wahl seitens eines solchen Vertretungskörpers empfangenen Mandates (vgl. zB VfSlg 13.169/1992, 19.649/2012); daher sind lediglich Gemeinderatsmitglieder, nicht aber auch durch den Gemeinderat gewählte Bürgermeister – diese werden in der Steiermark ausschließlich vom Gemeinderat gewählt (vgl. §23 Stmk. GemO) – berechtigt, ein ihren Funktionsverlust bewirkendes Gesetz mit Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG zu bekämpfen. Gesetzliche Bestimmungen, die die Funktionsperiode eines vom Gemeinderat gewählten Bürgermeisters beenden, greifen daher nicht in seine Rechtssphäre ein.

Der Antragsteller hat in seinem Antrag auf Gesetzesprüfung nicht dargelegt, Mitglied des Gemeinderates zu sein; vielmehr stellte er den Antrag ausschließlich in seiner Funktion als Bürgermeister und "Privatperson". Da gemäß §19 Stmk. GemO der Bürgermeister nicht Mitglied des Gemeinderates sein muss, kommt ihm – anders als in VfSlg 9655/1983 – daher nicht "automatisch" ein Antragsrecht als Gemeinderat zu. Der Antragsteller hat daher keine Befugnis zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG betreffend das StGsrG bzw. einzelne seiner Bestimmungen.

2.2. Soweit der Antragsteller als "Privatperson" die Aufhebung des ganzen StGsrG bzw. von Teilen dieses Gesetzes begehrt, ist festzustellen, dass sich das StGsrG weder an "Privatpersonen" richtet noch in sonstiger Weise in ihre Rechtssphäre eingreift. "Privatpersonen" sind daher nicht Normadressaten (vgl. zB VfSlg 15.157/1998, 15.665/1999) des Gesetzes. Auch wenn die im StGsrG vorgesehenen Gemeindestrukturreformen allenfalls faktische Auswirkungen auf den Antragsteller als "Privatperson" haben können, wird er nicht in seiner Rechtssphäre verletzt.

3. Der Gesetzesprüfungsantrag ist daher schon mangels Darlegung eines Eingriffes in die Rechtssphäre des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der übrigen Prozessvoraussetzungen bedarf.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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