UFS RV/1620-W/10

UFSRV/1620-W/1015.11.2012

Investitionszuwachsprämie § 299 BAO - EuGH Urteil Rs "Jobra"

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/13/0117 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 25.11.2015 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der
Bw., vertreten durch Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, 1010 Wien, Renngasse 1 / Freyung, vom 29. Jänner 2010
gegen den
Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 29. Dezember 2009 betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO betreffend den Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie gem. § 108e EStG für das Jahr 2004
entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Infolge einer bei der Berufungswerberin (Bw.), einem Leasingunternehmen, durchgeführten Außenprüfung (AP) wurde mit Bescheid vom 10. November 2005 die Investitionszuwachs-prämie (IZP) für das Jahr 2004 gem. § 108e EStG 1988 iHv Euro 2.643.647,96 festgesetzt. Die im Zuge der AP durchgeführten Änderungen hinsichtlich der ursprünglich beantragten IZP waren unstrittig.

Mit Schreiben der Bw. vom 5. August 2009 wurde ein Antrag gem. § 299 BAO
1) auf Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2005 betreffend die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie (IZP) gemäß § 108e EStG für das Jahr 2004 sowie
2) auf Erlassung eines neuen Bescheides betreffend Festsetzung der IZP für das Jahr 2004 iHv Euro 3.249.676,18
gestellt.

Aufgrund des iS "Jobra" ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gelangte die Bw. zur Ansicht, dass auch die von ihr im Ausland vermieteten Wirtschaftsgüter die Voraussetzungen für die Gewährung der IZP erfüllten und keine Ausschlussgründe vorlägen.

Grundlage dieses Urteils war ein Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Finanzsenates (UFS). Dieses betraf die Frage, ob Art. 43 ff EG (Niederlassungsfreiheit) und/oder Art. 49 EG (Dienstleistungsfreiheit) einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die Gewährung einer steuerlichen Begünstigung (IZP) an Unternehmer für die Anschaffung ungebrauchter körperlicher Wirtschaftsgüter auch davon abhängig ist, dass diese Wirtschaftsgüter ausschließlich in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, wogegen für die Anschaffung ungebrauchter körperlicher Wirtschaftsgüter, die in einer ausländischen und somit auch in einer im übrigen Raum der Europäischen Union gelegenen Betriebsstätte Verwendung finden, die Gewährung dieser steuerlichen Begünstigung versagt bleibt.

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 4. Dezember 2008, Rs C-330/07 , für Recht erkannt:
Art. 49 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaates wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach Unternehmen die Gewährung einer Investitionsprämie für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter allein aus dem Grund versagt wird, dass die entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter, für die diese Prämie geltend gemacht wird, überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden.

Nach Darlegung des wesentlichen Urteilsinhaltes hielt die Bw. fest, dass somit die Regelung des § 108e Abs. 2 2. Satz 4. Fall EStG 1988 von vornherein eine dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union widersprechende Bestimmung gewesen und damit rückwirkend nicht anzuwenden sei.

Weiter wurde ausgeführt, dass die im Jahr 2004 seitens der Bw. für im Ausland eingesetzte (vermietete) Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens getätigte Investitionen Euro 6.239.240,08 betrugen. Eine Detailaufstellung liege dem Antrag bei. Es handle sich dabei ausschließlich um ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens. Es lägen keine Ausschlussgründe nach § 108e Abs. 2 2. Satz 1. - 3. Fall EStG vor.
Die im Jahr 2003 für im Ausland eingesetzte (vermietete) Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens getätigten Investitionen betrugen Euro 536.873,66. In den Jahren 2001 und 2002 seien keine ungebrauchten körperlichen Wirtschaftsgüter, welche im Ausland eingesetzt worden wären, angeschafft worden.

Die IZP sei für das Jahr 2004 unter Einbeziehung der im Ausland eingesetzten und infolge des Urteils des EuGH als prämienbegünstigt zu beurteilende Wirtschaftsgüter antragsgemäß neu zu ermitteln. Die IZP betrage daher Euro 3.249.676,18.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 wurde der Antrag vom 5. August 2009 betreffend Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2005 sowie Gewährung einer (zusätzlichen) IZP für das Jahr 2004 durch die Abgabenbehörde erster Instanz abgewiesen.
Als Begründung wurde lediglich auf die gesetzliche Bestimmung des § 108e Abs. 4 EStG hingewiesen, wonach die Prämie nur in einer Beilage zur Steuererklärung des betreffenden Jahres bzw. überdies in einer bis zur Rechtskraft des Steuerbescheides nachgereichten Beilage geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber habe die Antragsfrist dieser Regelung erkennbar nur bis zum erstmaligen Eintritt der Rechtskraft erstreckt. Dementsprechend könnten Wirtschaftsgüter für eine IZP nicht berücksichtigt werden, die nicht schon in einer Beilage enthalten waren, die bis zum erstmaligen Eintritt der Rechtskraft vorgelegt wurde. Aufgrund des Ablaufs der genannten Frist könnten nachträglich eingereichte Beilagen nicht mehr für die IZP berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 29. Jänner 2010 Berufung erhoben.
Nach Darstellung des Verfahrensganges vom in Rechtskraft erwachsenen Bescheid zur IZP 2004 vom 10. November 2005 bis zum nunmehr angefochtenen abweisenden Bescheid zum Aufhebungsantrag vom 29. Dezember 2009 führte die Bw. aus, warum es für den Anspruch auf IZP für die im Ausland verwendeten Wirtschaftsgüter nicht erforderlich gewesen sei, diese in das ursprüngliche IZP-Verzeichnis aufzunehmen.
Gemäß § 108e Abs. 4 EStG 1988 (idF ab dem Jahr 2004) kann "die Prämie nur in einer Beilage zur Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Festellungserklärung des betreffenden Jahres geltend gemacht werden. Sie kann überdies in einer bis zum Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides nachgereichten Beilage geltend gemacht werden. In der Beilage sind die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte IZP darzustellen".
Diese Vorlage des IZP-Verzeichnisses sei eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Zuerkennung der IZP gewesen. Die Abgabe des Verzeichnisses habe spätestens an dem Tag erfolgen müssen, an dem der angeführte Bescheid in erstmalige Rechtskraft erwachsen sei. Es sei jedoch zulässig gewesen und auch gängig, das IZP-Verzeichnis zeitlich vor der Steuererklärung abzugeben.

Es wurde festgehalten, dass die Bestimmung des § 108e Abs. 2 2. Satz 4. Teilstrich (keine Prämienbegünstigung für Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden) eine von vornherein dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Bestimmung gewesen und damit rückwirkend nicht anzuwenden sei.

Zum Zeitpunkt der Erstellung der Körperschaftsteuererklärung 2004 bzw. der Beilage zur Geltendmachung der IZP habe dies aber noch nicht bekannt sein können. Bei, aus damaliger Sicht, gesetzeskonformer Anwendung des § 108e stand für Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet worden seien, keine IZP zu. Ihre Aufnahme in das IZP-Verzeichnis, in welcher die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus errechnete IZP darzustellen war, wäre damit eine verfahrenstechnisch verfehlte oder überhaupt unrechtmäßige Vorgangsweise gewesen und sei daher auch nicht vorgenommen worden.

Würde die - nach heutiger Sicht zustehende - Prämienbegünstigung für Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, an die Voraussetzung geknüpft, dass diese Wirtschaftsgüter schon im ursprünglichen IZP-Verzeichnis enthalten gewesen seien, würde dies bedeuten, dass die Zuerkennung der IZP von der (seinerzeitigen) Vornahme einer verfahrenstechnisch verfehlten oder überhaupt unrechtmäßigen (!) Vorgangsweise abhängig gemacht werde. Da aus a priori-Sicht auch andere rückwirkende Änderungen des § 108e EStG nicht denkunmöglich gewesen wären, wäre der Steuerpflichtige auf Basis einer solchen Rechtsauslegung geradezu gezwungen gewesen, alle nur erdenklichen Anträge zu stellen, um seiner ihm gesetzlich zustehenden Rechte nicht verlustig zu gehen. Die Erstellung der Beilage zur Geltendmachung der IZP wäre damit weniger die Ausarbeitung eines (juristischen) Antrages zur Rechtsverfolgung, sondern mehr die Lösung einer Rätselaufgabe gewesen. Dies sei mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar.

Dass die Regelung des § 108e Abs. 2 2. Satz 4. Teilstrich eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Bestimmung gewesen sei, sei erst mit dem Urteil des EuGH vom 4. Dezember 2008, C-330/07 (Jobra) bekanntgeworden. Die IZP für im Ausland eingesetzte (vermietete) Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens könne damit auch nach Rechtskraft des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides für 2004, soweit diese vor Ergehen dieses EuGH-Urteils eingetreten sei, durch nachträgliche Aufnahme in das IZP-Verzeichnis (Einreichung eines Ergänzungsverzeichnisses) beantragt werden, sofern dies durch die Verfahrensvorschriften der BAO gedeckt sei.

Der mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 2009 abgewiesene Antrag vom 5. August 2009, samt ergänzendem Verzeichnis, sei gemäß § 299 Abs. 1 iVm § 302 Abs. 2 lit c BAO (in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung) zulässig gewesen und fristgerecht eingebracht worden.

Die durch die Abgabenbehörde erster Instanz vertretene Rechtsansicht, dass, nach der erstmaligen Rechtskraft des entsprechenden Steuerbescheides, eingereichte Beilagen zur Geltendmachung der IZP nicht mehr berücksichtigt werden können, sei im gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Die Abweisung des Antrages sei nach (nationalem Recht) rechtswidrig.

Mit dem angeführten Urteil des EuGH sei zu Recht erkannt worden, dass die Regelung des § 108e Abs. 2 2. Satz 4. Teilstrich EStG eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Bestimmung sei. Vorabentscheidungen des EuGH wirken "erga-omnes" und es könne sich jeder (andere) Steuerpflichtige auf ein EuGH-Urteil berufen, sofern er die Unvereinbarkeit einer vergleichbaren Regelung mit dem EU-Recht geltend macht. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die nationalen Gerichte und der UFS an die Auslegung des EuGH gebunden seien.

Würde die - nach der aktuellen Rechtslage - zustehende Prämienbegünstigung für im Ausland eingesetzte Wirtschaftsgüter an die Voraussetzung geknüpft, dass diese Wirtschaftsgüter schon im ursprünglichen IZP-Verzeichnis enthalten gewesen seien, also § 108e Abs. 4 EStG wörtlich ausgelegt werden, würde dies für jeden (anderen) Steuerpflichtigen die Umsetzung der im EuGH-Urteil vertretenen Rechtsansicht unmöglich machen. Zum Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des jeweiligen Steuerbescheides für 2004 sei die betreffende Rechtsansicht noch nicht bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt des Ergehens der Vorabentscheidung sei, von ganz speziellen Ausnahmen abgesehen, die Rechtskraft der jeweiligen Steuerbescheide für 2004 und damit die Sperrwirkung für die Gewährung der IZP für im Ausland eingesetzte Wirtschaftsgüter bereits eingetreten gewesen. Eine nachträgliche IZP für im Ausland eingesetzte (vermietete) Wirtschaftsgüter könne damit nur die Partei des Ausgangsverfahrens geltend machen. Eine solche Auslegung würde die "erga-omnes"-Wirkung des zitierten EuGH-Urteiles blockieren und das Urteil nur mehr "inter-patres" wirken.

Eine nationale materiell-rechtliche Regelung, die so ausgelegt werde, dass sie die Umsetzung von EU-Gemeinschaftsrecht verhindere, sei ihrerseits eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Bestimmung und damit gemeinschaftsrechtswidrig.
Die von der Finanzverwaltung vertretene Auslegung, d.h. Abstellung auf die erstmalige Rechtskraft des entsprechenden Steuerbescheides bei Geltendmachung der IZP, verhindere die (nachträgliche) Prämienbegünstigung für im Ausland verwendete Wirtschaftsgüter.

Es liege aber auch ein Verstoß gegen Art. 10 EG vor. Der EuGH habe im Urteil vom 13. Jänner 2004, C-453-00 "Kühne & Heitz NV" judiziert, dass eine Verwaltungsbehörde nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet sei, eine von ihr gefällte Entscheidung zu überprüfen, um einer mittlerweile durch den EuGH vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechtes Rechnung zu tragen. Die Behörde müsse entscheiden, inwieweit sie verpflichtet sei, die in Rede stehende Entscheidung zurückzunehmen, ohne die Belange Dritter zu verletzen.
Wenn es zur Beseitigung von EU-Gemeinschaftsrechtswidrigkeiten erforderlich sei, sei eine Verwaltungsbehörde nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit unter bestimmten Umständen also verpflichtet, die Bestandskraft (Rechtskraft) von Bescheiden zu beseitigen und in weiterer Folge in dieser Verwaltungssache eine neue (geänderte) Entscheidung zu erlassen. Diese Verpflichtung der Verwaltungsbehörde müsse konsequenterweise auch gegeben sein, wenn zwar ein rechtskräftiger Bescheid vorhanden sei, dessen Aufhebung nach nationalem Recht zulässig sei, ein (letztinstanzliches) Gerichtsurteil aber - mangels Beschwer beim ursprünglichen Bescheid - nicht ergangen sei bzw. nicht ergangen sein könne.

Im gegenständlichen Fall liege ein auf § 299 Abs. 1 iVm § 302 Abs. 2 lit c BAO (in der zum Zeitpunkt der Antragstellung gF) gestützter Antrag auf Aufhebung des Bescheides zur IZP 2004 und Neufestsetzung der IZP vor. Der vorliegende Antrag sei nach nationalem Recht zulässig und fristgerecht bei der zuständigen Finanzbehörde eingebracht worden.
Die ex-tunc Wirkung von Vorabentscheidungen werde durch nationales Verfahrensrecht (nur) insoweit eingeschränkt, als dieses regelt, dass ein rechtskräftiger Bescheid ohne gesonderte Vorschrift nicht mehr geändert werden könne. Wenn (bzw. insoweit) solche Einschränkungen im nationalen Verfahrensrecht nicht vorhanden seien, sei der Behörde aber eindeutig eine gesetzliche Pflicht zur Aufhebung und Änderung des Bescheides auferlegt.

Dass die begünstigungsfähigen Wirtschaftsgüter in ein dem Finanzamt vorzulegendes Verzeichnis aufzunehmen waren, ist keine verfahrensrechtliche Bestimmung, sondern eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Zuerkennung der IZP. Die Vorlage dieses Verzeichnisses habe bis spätestens an dem Tag, an dem der entsprechende Steuerbescheid in Rechtskraft erwachsen ist, erfolgen müssen. In dem Fall, dass die Prämienbegünstigung für bestimmte Wirtschaftsgüter infolge einer Vorabentscheidung des EuGH erst später bekanntgeworden sei, sei eine nachträgliche Aufnahme in das IZP-Verzeichnis zulässig.
Die Abweisung des vorliegenden Antrages sei damit auch wegen des Verstoßes gegen Art. 10 EG ("Grundsatz der Zusammenarbeit") gemeinschaftsrechtswidrig.

Die Bw. stellte daher den Antrag, den abweisenden Bescheid vom 29. Dezember 2009 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufzuheben.
Der Bescheid vom 10. November 2005 betreffend Festsetzung der IZP gemäß § 108e EStG für das Jahr 2004 sei gemäß dem ursprünglichen Antrag aufzuheben. Es sei ein neuer Bescheid für das Jahr 2004 zu erlassen und die IZP iHv Euro 3.249.676,18 festzusetzen. In eventu wurde beantragt den abweisenden Bescheid vom 29. Dezember 2009 aufzuheben und den Antrag an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom 22. April 2010 als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung verwies die Abgabenbehörde erster Instanz insbesondere auf die gesetzliche Bestimmung des § 108e Abs. 4 EStG wonach sich die Antragsfrist nur bis zum erstmaligen Eintritt der Rechtskraft des entsprechenden Steuerbescheides erstrecke. Im konkreten Fall seien die ins Ausland vermieteten Wirtschaftsgüter nicht im vorgelegten Verzeichnis enthalten gewesen. Der Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 5. Jänner 2006 sei (nach Ablauf der Berufungsfrist) in Rechtskraft erwachsen. Die in der berichtigten Beilage vom 5. August 2009 zusätzlich aufgenommenen Wirtschaftsgüter seien daher nicht mehr zu berücksichtigen gewesen.
Der EuGH habe zwar festgestellt, dass eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechtes immer schon und von allem Anfang an verstanden hätte werden müssen. Diese ex-tunc Wirkung werde jedoch gegebenenfalls durch die nationalen Verfahrensrechte insoweit eingeschränkt, als sie regeln, dass ein rechtskräftiger Bescheid (Bescheid über die Festsetzung der IZP 2004 vom 10. November 2005) ohne gesonderte Vorschrift nicht mehr geändert bzw. auch erstmalig in dieser Form erlassen werden könne. Wenn nun der nationale Gesetzgeber bei der Geltendmachung der Prämie erkennbar auf die erstmalige Rechtskraft des entsprechenden Steuerbescheides abstelle, könnten nachträglich eingereichte Beilagen aufgrund des Ablaufs dieser Frist nicht mehr für die IZP berücksichtigt werden.
§ 299 BAO gestattet Aufhebungen, wenn der Bescheid nicht richtig ist. Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspreche. Nach der Aktenlage sei der Bescheid über die Festsetzung der IZP 2004 vom 10. November 2005 rechtsrichtig.
Eine Aufhebung käme nur dann in Betracht, wenn die im Ausland eingesetzten (vermieteten) Wirtschaftsgüter bereits in der ursprünglichen Beilage enthalten gewesen wären und die Prämie dafür vom Finanzamt versagt worden wäre. Dies sei jedoch hier nicht der Fall.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2010 wurde der Antrag auf Vorlage eingebracht. Die Vorbringen aus der Berufung wurden nochmals zusammengefasst dargelegt.

Im weiteren Verfahren vor dem UFS wurde durch Erhebungen des im Jahr 2005 mit der Außenprüfung befassten Prüfers der Großbetriebsprüfung Klagenfurt geklärt, dass die nunmehr zusätzlich für das Jahr 2004 angeführten Wirtschaftsgüter in der ursprünglichen Beilage nicht angeführt waren. Es wurde geklärt, dass keine Identität mit jenen Wirtschaftsgütern bestand, die im Zuge der Außenprüfung zur Geltendmachung der IZP aus der Bemessungsgrundlage gestrichen worden waren, sondern dass es sich um tatsächlich zusätzlich zum Anlagevermögen gehörende Wirtschaftsgüter handelte. Ebenso wurde in die Verträge Einsicht genommen und festgestellt, dass die Wirtschaftsgüter an Kunden im Ausland verleast worden waren.

In der Folge wurde die Bw. seitens des UFS ersucht darzulegen, inwieweit diese Wirtschaftsgüter für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt gewesen seien und sie iSd Rechtsprechung des VwGH "über einen längeren Zeitraum als Anlagevermögen" gedient hatten. Als Indiz für diese längere Widmung sei grundsätzlich eine tatsächlich erfolgte Absetzung für Abnutzung von zumindest 50% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis zu einem eventuellen Ausscheiden aus dem Anlagevermögen zu sehen. Es sei jedoch ein mäßiges Unterschreiten dieses Wertes bzw. das frühere Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aufgrund von nachweislich unvorhersehbaren Unwägbarkeiten, wie z.B. Insolvenz eines Kunden, nicht schädlich für die Anerkennung als prämienbegünstigtes Wirtschaftsgut.

Mit Schreiben vom 6. August 2012 brachte die Bw. eine modifizierte Liste über die zusätzlich beantragten Wirtschaftsgütern für das Jahr 2003 und 2004 bei. Es wurden darin nur diejenigen Wirtschaftsgüter angeführt deren Restbuchwert im Verhältnis zu den Anschaffungskosten zum Zeitpunkt des Ausscheidens nicht mehr als 50% betrugen. Wirtschaftsgüter, die einen Restbuchwert von mehr als 50% der Anschaffungskosten zum Zeitpunkt des Ausscheidens hatten und deren Ausscheiden nicht durch Unwägbarkeiten, wie etwa Insolvenz oder sonstige Zahlungsunfähigkeit des Mieters, verursacht worden waren, waren nicht angeführt.

Die Bw. hielt fest, dass sich daraus eine Änderung der beantragten zusätzlichen Wirtschaftsgüter für das Jahr 2004 ergebe. Entgegen dem ursprünglichen Antrag vom 5. August 2009 seien für das Jahr 2004, unter Berücksichtigung der Behaltedauer, Wirtschaftsgüter iHv Euro 5.171.575,34 der Berechnung der IZP zugrunde zu legen.

Es wurde daher beantragt, die IZP für das Jahr 2004 dementsprechend zu berechnen und neu festzusetzen:

Prämienbegünstigte Investitionen 2004 (=32.016.436,56+5.171.575,34)

37.188.011,90

Prämienbegünstigte Investitionen in den Wirtschaftsjahren

 

2001

3.326,62

 

2002

592.268,40

 

2003

16.681.149,43 (16.144.275,77+536.873,66)

 

Summe

17.276.744,45 geteilt durch 3

5.758.914,82

Investitionszuwachs 2004

 

31.429.097,08

Davon 10% IZP

 

3.142.909,71


Daraus ergebe sich für das Jahr 2004 eine zusätzlich zu gewährende IZP iHv Euro 499.261,75 anstatt wie bisher beantragt iHv Euro 606.028,22.

Mit Schreiben vom 10. September 2012 wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob der Antrag gemäß § 299 BAO iVm § 302 Abs. 2 lit.c BAO, den Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie (IZP) gem. § 108e EStG für das Jahr 2004 aufzuheben, zu Recht abgewiesen worden ist.

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. D. h., wenn dieser nicht dem Gesetz entspricht. § 299 BAO gilt auch für dynamische, also erst später erweisliche Unrichtigkeiten. Eine Rechtswidrigkeit kann sich demnach auch aus Änderungen der Judikatur, z.B. des VwGH, des EuGH, ergeben. Für die Frage, ob ein Bescheid sich als nicht richtig erweist, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufhebung maßgebend.
Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Im Zuge einer Berufungsentscheidung hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz selbst Ermessen zu üben. Nach § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen. Bei der Ermessensübung sind der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie das Prinzip der Rechtsrichtigkeit vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten.
Gemäß Abs. 2 ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid mit dem aufhebenden Bescheid zu verbinden. Dies gilt jedoch nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Gemäß § 302 Abs. 2 lit. c BAO (idF vor AbgVRefG BgBl. I 2009/20, d.h. idF bis 1. November 2009) waren Aufhebungen gem. § 299 wegen Widerspruchs mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der EU bis zum Ablauf der Verjährungsfrist möglich oder, wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht wurde, auch bis nach Ablauf der Frist. Im Allgemeinen war daher nach dieser Bestimmung ein Eingriff in die Rechtskraft von Bescheiden bis zu fünf Jahre nach Ablauf des Jahres des Entstehens des Abgabenanspruchs erlaubt.

Hinsichtlich der hier verfahrensrechtlich zu beachtenden Fristen wird festgestellt, dass die Bw. den gegenständlichen Antrag gem. § 299 BAO auf Aufhebung des Bescheides über die Festsetzung der IZP für das Jahr 2004 vom 10. November 2005 wegen Widerspruchs mit dem Unionsrecht am 5. August 2009, somit vor dem 1. November 2009, eingebracht hat.

Da der Abgabenanspruch für die IZP des Jahres 2004 mit Ende des Jahres 2004 entstanden ist, wurde der Antrag innerhalb der Verjährungsfrist von fünf Jahren eingebracht.
Lag hinsichtlich der beantragten IZP ein Widerspruch mit dem Unionsrecht (was noch zu prüfen sein wird) vor, so wurde der Antrag, nach der zum Zeitpunkt der Einbringung im August 2009 geltenden Rechtslage, fristgerecht eingebracht und wäre eine Aufhebung demnach grundsätzlich zulässig.

Eine Aufhebung gemäß § 299 BAO setzt aber die "Gewissheit der Rechtswidrigkeit" des Inhaltes des Bescheides voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (s. Ritz, BAO4, § 299 Tz 13). Die Aufhebung eines Bescheides ist nur dadurch gerechtfertigt, dass eine falsche Rechtsanwendung festgestellt wird.
Dazu ist es erforderlich, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu klären und unter Berücksichtigung der für das Jahr 2004 für die befristete IZP maßgebenden Rechtslage zu würdigen.

Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 108e Abs. 1 EStG 1988 konnte für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine IZP von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung war, dass die Aufwendungen für Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt wurden.
Gemäß Abs. 2 waren prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens.

Nicht zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zählten u.a. gemäß Abs. 2 4. Teilstrich Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet wurden, die der Erzielung von Einkünften iSd § 2 Abs.3 Z 1 bis 3 dient. Dabei galten Wirtschaftsgüter, die aufgrund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend im Ausland eingesetzt wurden, nicht als in einer inländischen Betriebsstätte verwendet.

Gemäß Abs. 4 konnte die Prämie nur in einer Beilage zur Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungserklärung (§ 188 BAO) des betreffenden Jahres geltend gemacht werden. Sie konnte überdies in einer bis zum Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides nachgereichten Beilage geltend gemacht werden. In dieser Beilage (Verzeichnis) waren die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen und die daraus ermittelte IZP darzustellen (StReformG 2005, BGBl I 2004/57 ab 2004).

Im gegenständlichen Fall wurde im Jahr 2005 eine u.a. die IZP betreffende Außenprüfung (AP) durchgeführt. Dabei wurden hinsichtlich der ursprünglich beantragten IZP abändernde (hier aber unstrittige) Feststellungen getroffen, die eine neue Ermittlung der Bemessungsgrundlagen zur Folge hatten.
Die IZP für das Jahr 2004 wurde mit Bescheid vom 10. November 2005 iHv Euro 2.643.647,96 festgesetzt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Aufgrund des EuGH-Urteils vom 4. Dezember 2008, in der Rechtssache C-330/07 , "Jobra", stellte die Bw. wegen Vorliegens der Unionsrechtswidrigkeit am 5. August 2009 gemäß § 299 BAO den Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2005 zur IZP 2004 sowie auf Erlassung eines neuen Bescheides unter Berücksichtigung von im Jahr 2003 und 2004 angeschafften und im Ausland eingesetzten (vermieteten) Wirtschaftsgütern.

Das Urteil des EuGH, das infolge eines Vorabentscheidungsersuchens des UFS, Außenstelle Wien, aus dem Jahr 2007 erging, betraf die in § 108e EStG 1988 geregelte befristete IZP. Im Ausgangsverfahren wurde die IZP nicht gewährt, da die gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung der Prämie, nämlich die Nutzung der Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte, nicht vorlag.

Mit dem Urteil hat der EuGH jedoch zu Recht erkannt: "Art. 49 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaates [...] entgegen, wonach Unternehmen die Gewährung einer IZP für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter allein aus dem Grund versagt wird, dass die entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter, für die diese Prämie geltend gemacht wird, überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden."
In einem weiteren - vergleichbaren - Urteil des EuGH vom 22. Dezember 2010, Rs C-287/10 , Tankreederei, wurde ebenfalls entschieden, dass Art. 56 AEUV (ex Art. 49 EG) so auszulegen ist, "dass er der Bestimmung eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der einem ausschließlich in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift deshalb versagt wird, weil das Investitionsgut, für das die Gutschrift verlangt wird, physisch im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eingesetzt wird."

Aufgrund des in der Rs C-330/07 , "Jobra" ergangenen Urteils des EuGH stellt § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988 eine dem Unionsrecht, konkret der Dienstleistungsfreiheit, entgegenstehende, somit unionsrechtswidrige Bestimmung dar. Das Urteil wirkt ex tunc. § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988 ist daher nicht anzuwenden. Wirtschaftsgüter, die nicht im Inland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat eingesetzt (vermietet, verleast) werden, sind demnach ebenfalls zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zu zählen.

Dementsprechend sind aber auch die seitens der Bw. im Jahr 2004 in einem anderen Mitgliedstaat verleasten Wirtschaftsgüter grundsätzlich als prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter zu beurteilen.

Die Höhe der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter der Bw., inklusive der im Ausland verwendeten, wäre somit neu entsprechend der Darstellung in der Ergänzung zur Berufung, Schreiben der Bw. vom 6. August 2012 unter Beachtung der Behaltefrist iSd Judikatur des VwGH, zu berechnen:
für das Jahr 2003 Euro 16.144.275,77 + 536.973,66 (im Ausland verwendete Wirtschaftsgüter) somit insgesamt Euro 16.681.149,43;
für das Jahr 2004 Euro 32.016.436,56 + Euro 5.171.575,34 (im Ausland verwendete Wirtschaftsgüter) somit insgesamt Euro 37.188.011,90.
Die IZP für das Jahr 2004 wäre dementsprechend iHv Euro 3.142.909,71 festzusetzen.

Das Verzeichnis zur Geltendmachung der IZP für das Jahr 2004 wurde seitens der Bw. rechtzeitig im Oktober 2005 eingebracht. In den damit gemeldeten Bemessungsgrundlagen für die IZP waren, entsprechend der im Jahr 2005 geltenden gesetzlichen Bestimmung des § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988, keine Wirtschaftsgüter enthalten, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte bzw. die im Ausland eingesetzt wurden. Die Änderungen durch die AP und die Festsetzung der IZP für das Jahr 2004 erfolgten mit dem nunmehr in Rede stehenden Bescheid vom 10. November 2005. Dieser erwuchs, ebenso wie der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 5. Jänner 2006, in Rechtskraft.

Weder bei Einreichung des Verzeichnisses im Jahr 2005, noch im Zeitraum der Durchführung der AP war, wie die Bw. auch in ihrer Berufung vorbrachte, damit zu rechnen, dass sich die gesetzliche Bestimmung des § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988 als unionsrechtswidrig herausstellen würde. Für die Bw. war somit ursprünglich kein gesetzlich begründetes Recht gegeben, die im Ausland eingesetzten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in das Verzeichnis zur IZP 2004 aufzunehmen und dafür eine IZP zu beantragen. Es lag weiters kein Grund vor gegen den Bescheid zur IZP vom 10. November 2005 ein Rechtsmittel zu ergreifen.
Erst nach dem Vorliegen des EuGH-Urteils id Rs "Jobra" vom 4. Dezember 2008 wurde demzufolge der Antrag auf Aufhebung des Bescheides zur IZP 2004 eingebracht.

Dieser am 5. August 2009 eingebrachte Antrag der Bw. gem. § 299 BAO den Bescheid zur IZP 2004 aufzuheben und einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung der zusätzlichen im EU-Ausland verleasten Wirtschaftsgüter zu erlassen, wurde seitens der Abgabenbehörde erster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dass Wirtschaftsgüter für die Berechnung der IZP nur berücksichtigt werden könnten, wenn sie gem. § 108e Abs. 4 EStG längstens in einer bis zur Rechtskraft des Steuerbescheides (hier Ablauf der Berufungsfrist zum Körperschaftsteuerbescheid 2004) nachgereichten Beilage geltend gemacht wurden. Nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz könne auch die Tatsache, dass das Urteil des EuGH ex tunc wirke, zu keiner anderen Entscheidung führen, da die nunmehr angeführten Wirtschaftsgüter nicht schon im ursprünglichen Verzeichnis zur IZP angeführt bzw. nicht bis zur Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides gemeldet worden wären. Die Begründung enthielt keine Ausführungen über die bei einer Ermessensentscheidung erforderliche Abwägung der ermessensrelevanten Umstände.

Damit bleibt in Verbindung mit der unstrittig vorliegenden Unionsrechtswidrigkeit des § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988 jedoch die Frage zu klären, ob, unter Beachtung des EuGH-Urteils, die in § 108e Abs. 4 EStG 1988 idF StReformG 2005 enthaltene materiell-rechtliche Befristung der Vorlage des Verzeichnisses einer späteren, zusätzlichen Beantragung einer IZP entgegensteht.

Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollte mit der Befristung der Anträge für die IZP das Ziel erreicht werden, dass die abzuwickelnden Prämienanträge und -volumina und in der Folge auch der "finanzielle Bedeckungsbedarf des Staates" zeitnah feststehen. Auch sollte dadurch die Verfahrensabwicklung hinsichtlich der IZP ökonomisch und zeitlich überschaubar gestaltet werden (s. Rz 8229 EStR).

Dieser Wunsch nach Kalkulierbarkeit der beantragten IZP und nach Verwaltungsökonomie im Verfahren kann jedoch nicht dazu führen, dass die Durchsetzung des Unionsrechts beeinträchtigt wird. Dies ist aber dann der Fall, wenn die Bestimmung des § 108e Abs. 4 EStG 1988 auch nach Ergehen des EuGH-Urteils zum Tragen kommt.

Es erscheint nicht gerechtfertigt die aufgrund der Rechtsprechung des EuGH nachträglich erfolgte Vorlage eines abgeänderten, dem Unionsrecht entsprechenden, Verzeichnisses, mit dem nunmehr auch die im Ausland eingesetzten Wirtschaftsgüter des Bw. in die Bemessungsgrundlage für die IZP einbezogen wurden, mit der Begründung abzulehnen, dass die Vorlage des Verzeichnisses befristet gewesen sei.
Hätte die Bw. diese Frist wahren wollen, hätte sie, wenn man den Ausführungen der Abgabenbehörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid folgt, ursprünglich ein Verzeichnis abgeben müssen, das im Jahr 2005 jedenfalls nicht den damals geltenden gesetzlichen Vorgaben entsprochen hätte.
Weiters kann auch die zu anderen Antragstellern ungleiche Behandlung der Bw. bei Gewährung der IZP nicht durch die o.a. Intentionen des Gesetzgebers gerechtfertigt werden. Die Ungleichbehandlung resultiert aus der folgenden Vorgangsweise der Abgabenbehörden erster Instanz: Antragstellern, die in ihren ursprünglich eingereichten, den gesetzlichen Vorgaben aber nicht entsprechenden, Verzeichnissen Wirtschaftsgüter, die im Ausland eingesetzt waren aufgenommen hatten, wurde zwar in den ursprünglich erlassenen Bescheiden zur IZP die Einbeziehung dieser Wirtschaftsgüter entsprechend dem Gesetz versagt. Es wurden jedoch diese Bescheide nach Ergehen des EuGH-Urteils id RS "Jobra" bei diesen Antragstellern auf Antrag gem. § 299 BAO aufgehoben bzw. offene Berufungen mittels stattgebender Berufungsvorentscheidungen erledigt und neue Bescheide auf Basis der früher gemeldeten Bemessungsgrundlagen inklusive der im Ausland eingesetzten Wirtschaftsgüter erlassen und somit dafür auch die IZP gewährt (s. ÖStZ 2009, 136, Heft 6 v. 16.3.2009).
Ein sich ursprünglich aber rechtskonform verhaltender Abgabepflichtiger ist durch diese Verwaltungspraxis insofern benachteiligt als ihm die Gewährung der IZP für die im Ausland eingesetzten Wirtschaftsgüter versagt wurde, da diese nicht im ursprünglichen Verzeichnis enthalten waren.
Dies führt zum Schluss, dass ein gesetzeskonform handelnder Abgabepflichtiger, um etwaige Nachteile für sich zu verhindern und um in einem späteren (Rechtsmittel-)Verfahren noch zu seinem Recht zu gelangen, gezwungen wäre schon bei Abgabe der (Steuer-)Erklärungen auf jede mögliche (rückwirkende) Gesetzesänderung oder Änderung der Judikatur Bedacht zu nehmen und auch gegebenenfalls im Augenblick der Abgabe der Erklärungen rechtswidrige Anträge zu stellen. Ein derartiges Ansinnen kann aber nicht mehr als der geltenden Rechtsordnung entsprechend beurteilt werden.

Für den gegenständlichen Fall wird daher unter Bezug auf die obigen Ausführungen festgestellt, dass der Antrag der Bw. gem. § 299 BAO auf Aufhebung des Bescheides zur IZP 2004 iVm § 302 Abs. 2 lit. c BAO (idF vor AbgVRefG BgBl. I 2009/20, d.h. idF bis 1. November 2009) wegen Verstoßes gegen Unionsrecht rechtzeitig eingebracht worden und eine Aufhebung daher zulässig ist.

Der Spruch des Bescheides war inhaltlich rechtswidrig, da die Anwendung der Bestimmung des § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988 gegen Unionsrecht, konkret gegen die Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV (ex Art. 49 EG), verstößt. Nach dem Urteil des EuGH in der Rs "Jobra" stellen auch Wirtschaftsgüter, die im Ausland eingesetzt, vermietet, verleast werden, prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter dar. Die Anwendung der in § 108e Abs. 4 EStG 1988 enthaltenen Frist für die Vorlage des Verzeichnisses zur IZP steht der Durchsetzung des Unionsrechts entgegen.

Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung auf Antrag der Partei oder von Amts wegen erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt. Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zentrale Bedeutung zu.
Das Prinzip der Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) hat dabei Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Rechtssicherheit). Unter dem Aspekt der Anwendung des Unionsrechts bedeutet dies, dass das Unionsrecht auch im Hinblick auf die Bestandskraft eines Bescheides, weder in seiner Wirkung noch in seiner Durchsetzung beeinträchtigt werden darf.

Die inhaltliche Unrichtigkeit des Bescheides wurde nicht durch ein Verschulden der Bw., etwa durch die nachträgliche Abgabe des geänderten Verzeichnisses zur IZP verursacht, sondern resultierte aus dem Vertrauen auf die letztlich als unionsrechtswidrig beurteilte gesetzliche Bestimmung des § 108e Abs. 2 4. Teilstrich EStG 1988.

Es überwiegen die zugunsten der Bw. für eine Aufhebung sprechenden Gründe. Zudem ist die Rechtswidrigkeit nicht als geringfügig zu beurteilen. Dem Interesse der Bw. auf Durchsetzung der Rechtsrichtigkeit steht lediglich das grundsätzliche Interesse des Staates an der Vermeidung von Ausgaben für die Gewährung der wirtschaftspolitisch zur Ankurbelung der Investitionen eingeführten befristeten IZP entgegen.

Der Bescheid vom 10. November 2005 betreffend die Festsetzung der IZP für das Jahr 2004 ist daher aufzuheben.

Die Verbindung von Aufhebung und neuem Sachbescheid setzt gem. § 299 Abs. 2 BAO voraus, dass dieselbe Behörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist. Dies ist im gegenständlichen Fall, nicht gegeben, da dem Antrag auf Aufhebung erst durch die Berufungsentscheidung entsprochen wird.
Der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zur IZP 2004 muss somit durch die Abgabenbehörde erster Instanz erlassen werden. Bei Neufestsetzung durch den UFS würde der Instanzenzug ohne gesetzliche Grundlage verkürzt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 15. November 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108e Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 108e Abs. 2 vierter Teilsatz EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

EuGH, C-330/07
EuGH, C-287/10

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