Anwendung von § 2 Energieabgabenvergütungsgesetz idF BGBl. I Nr. 111/2010
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/17/0273 eingebracht (Amtsbeschwerde). Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2012 abgelehnt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bwin., vertreten durch WT, vom 23. Mai 2012 gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom 7. Mai 2012 betreffend Energieabgabenvergütung 2011 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Vergütung sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin reichte am 25.4.2012 einen Antrag auf Energieabgabevergütung für die Monate 1/2011 bis 11/2011 in Höhe von 6.383,70 € ein, für den Monat Dezember fiele lt. Auskunft der steuerlichen Vertretung keine Vergütung an (AV vom 7.5.2012). Dem Antrag waren monatsweise Aufstellungen über die für die Berechnung der Energieabgabenvergütung erforderlichen Daten für die Monate 12/2010 bis 11/2011 beigeschlossen. Die Abgabenbehörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 7.5.2012 den Vergütungsbetrag ab und setzte die Energieabgabenvergütung für das Wirtschaftsjahr 2011 mit € 0,00 fest, da ab dem Jahr 2011 die Energieabgabenvergütung nur mehr den Produktionsbetrieben zustehe, nicht aber mehr den Dienstleistungsbetrieben.
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 23.5.2012 Berufung eingebracht und zur Begründung ausgeführt, dass die Genehmigung der Europäischen Kommission nur für den Zeitraum 1.2.2011 bis 31.12.2013 erteilt worden sei und die Energieabgabenvergütung daher noch für Jänner 2011 zustehe. Weiters wandte sich der Berufungswerber gegen die Anwendung von § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz (im Folgenden: EAVG) idF BGBl. I Nr. 111/2010, weil diese Regelung dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitssatz widerspreche. Der Berufung angeschlossen waren eine monatsweise Aufstellung der geleisteten Energieabgaben und eine Ermittlung des Nettoproduktionswertes für die Zeiträume 12/2010, 1-11/2011 und 1/2011. Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung auf Antrag der Berufungswerberin direkt vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1) Über die Qualifikation des Unternehmens der Berufungswerberin als "Dienstleistungsbetrieb" im Sinne des Energieabgabenvergütungsgesetzes (kurz: EAVG) und über die Höhe des auf im Jahr 2011 liegende Antragszeiträume entfallenden Vergütungsbetrages herrscht zwischen den Verfahrensparteien Einigkeit.
2) a) Nach § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Vergütung von Energieabgaben (Energieabgabenvergütungsgesetz) in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, besteht ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.
b) Nach § 4 Abs. 7 EAVG sind die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem 31. Dezember 2010 beziehen. Da das BGBl. I Nr. 111/2010 am 30.12.2010 kundgemacht wurde, wird durch § 4 Abs. 7 EAVG der Beginn des zeitlichen Bedingungsbereich der Neufassungen von §§ 2 und 3 dahingehend verschoben, dass nur nach dem 31.12.2010 geleistete Energieabgaben betroffen sind und auch die qualifizierte Verwendung nur für solche zu Grunde liegenden Energieträger und bezogenen Wärmeprodukte zu fordern ist, hinsichtlich derer die darauf lastenden Energieabgaben nach dem 31.12.2010 geleistet wurden. Durch die gewählte Formulierung in § 4 Abs. 7 EAVG wurde der Inkrafttretenszeitpunkt der Neufassung von § 2 EAVG sohin mit 1.1.2011 festgelegt. Für eine Auslegung der Bestimmung des § 4 Abs. 7 EAVG dahingehend, dass die Bescheiderlassung nicht dem Rechtsfolgenbereich des Gesetzes zuzurechnen sei, sondern der Zeitpunkt der Bescheiderlassung den Inkrafttretenszeitpunkt der Neuregelung für jede einzelne Beihilfe auf der Grundlage dieser Beihilferegelung zu völlig unterschiedlichen und unbestimmten Zeitpunkten (vgl. § 2 Abs. 2 Z. 1 EAVG, wonach der Antrag spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren eingebracht werden kann) bewirke, bestehen keine Anhaltspunkte. Eine derartige Auslegung widerspräche vielmehr den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien (Besonderer Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 981 d. B. XXIV. GP, S. 141), wonach - vorbehaltlich der Zustimmung der Europäischen Kommission - die gesetzlich vorgesehene Einschränkung auf Produktionsbetriebe mit dem Zeitpunkt 1. Jänner 2011 anzuwenden ist, ab diesem Zeitpunkt Dienstleistungsbetriebe keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben und daher für Zeiträume nach dem 31.12.2010 Anträge von Dienstleistungsbetrieben nicht mehr zulässig sind. Darüber hinaus stünde ein solches Verständnis des § 4 Abs. 7 EAVG auch im Spannungsverhältnis zu § 2 Abs. 2 Z. 1 EAVG, da die erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung entstehende, qualifizierte Anspruchsberechtigung bereits Voraussetzung für die einer Bescheiderlassung zwingend vorgelagerte Antragstellung wäre.
c) Durch die mit der Neufassung des § 2 Abs. 1 EAVG erfolgte Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf nur mehr solche Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträgern erzeugt wurden, liefern (im Folgenden: Produktionsbetriebe), wandelte sich die der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG entsprechende Energieabgabenvergütung zu einer grundsätzlich nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (nunmehr Art. 108 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) anzumeldenden und genehmigungspflichtigen Beihilfe, die auf einer Beihilferegelung beruht.
d) Mit der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6.8.2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung; im Folgenden: AGVO) wurden die Bestimmungen von fünf Verordnungen zusammengefasst und vereinheitlicht und die Beihilfenvorschriften vereinfacht (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/gber_citizen_summary_sheet_de.pdf ). Unter diese Verordnung fallende Beihilferegelungen sind iS von Art. 87 Abs. 3 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag freigestellt, wenn die Beihilferegelungen u.a. allen Voraussetzungen des Kapitels I AGVO erfüllen (Art. 3 Abs. 1 AGVO), sodass auch die Einhaltung der Transparenzbestimmungen in Art. 9 AGVO Voraussetzung für eine Freistellung nach der AGVO ist. Demnach hat der betreffende Mitgliedstaat binnen 20 Tagen ab Inkrafttreten einer Beihilferegelung oder Bewilligung einer Ad-hoc-Beihilfe (gem. Art. 2 Z. 3 lit. a i.V.m. Art. 2 Z. 3 lit. b AGVO eine Einzelbeihilfe, die nicht auf der Grundlage einer Beihilferegelung gewährt wird), der Kommission eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme in elektronischer Form und nach dem Muster in Anhang III zu übermitteln, deren Eingang unverzüglich von der Kommission bestätigt und die im Amtsblatt der Europäischen Union und auf der Website der Kommission veröffentlicht wird (Abs. 1). Des Weiteren hat der Mitgliedstaat nach Abs. 2 der Bestimmung bei Inkrafttreten einer Beihilferegelung oder Bewilligung einer Ad-hoc-Beihilfe, die nach dieser Verordnung freigestellt ist, den vollständigen Wortlaut der Maßnahme im Internet zu veröffentlichen und während der gesamten Laufzeit der Beihilfemaßnahme den Internetzugang zu deren vollständigem Wortlaut zu gewährleisten. Im Muster in Anhang III der AGVO sind unter anderem die einzelstaatliche Rechtsgrundlage, die Art der Maßnahme (Regelung oder Ad-hoc-Beihilfe mit Name des Beihilfeempfängers) und die Laufzeit einer Regelung (nach FN 3: Zeitraum, in dem die (Anm.: antragstellende) Bewilligungsbehörde sich zur Gewährung von Beihilfen verpflichten kann) oder der Bewilligungszeitpunkt einer Ad-hoc-Beihilfe (nach FN 4: Bewilligungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, zu dem der Beihilfenempfänger nach dem mitgliedstaatlichen Recht einen Anspruch auf die Beihilfe erwirbt) anzugeben. Die Verpflichtung zur Gewährung einer Beihilfe wird im Fall einer Beihilferegelung durch das Inkrafttreten der Regelung für die Dauer des zeitlichen Bedingungszeitraumes eingegangen.
e) Im Fall der gegenständlichen Beihilfenregelung registrierte die Kommission den Eingang der Kurzbeschreibung mit 7.2.2011 zur Zl. SA.32526. In der Kurzbeschreibung wurden als bezughabende einzelstaatliche Rechtsgrundlage die Novelle zum EAVG, BGBl. I Nr. 111/2010, genannt, die Art der Maßnahme mit "Regelung" und deren Ziele als "Beihilfen in Form von Umweltsteuerermäßigungen (Artikel 25)" angegeben sowie die Laufzeit mit "1.2.2011 - 31.12.2013" ausgewiesen. Die Kurzbeschreibung wurde am 30.9.2011 im Amtsblatt der Europäischen Union zu C 288/21 unter Verweis auf die Referenz-Nummer der staatlichen Beihilfe SA.32526 (11/X) veröffentlicht. Nach der AGVO sind daher Maßnahmen nach der bezeichneten Novelle zum EAVG nur insoweit freigestellt, als eine Verpflichtung zur Vergütung von Energieabgaben ab dem 1.2.2011 eingegangen und korrespondierend hierzu ein Rechtsanspruch der Beihilfenempfänger entstanden ist. Eine Rückwirkung der Genehmigung auf den 1.1.2011 kann aus der Tatsache, dass sich die Freistellung auf sämtliche Bestimmungen der Novelle bezieht, schon deswegen nicht abgeleitet werden, weil die AGVO selbst zwar eine Rückwirkung zulässt, dies aber nur eingeschränkt und für höchstens 20, im gegenständlichen Fall für 6 Tage (Art. 9 Abs. 1 AGVO). Für den Zeitraum Jänner/2011 lag daher weder eine Freistellung von der Anmeldung nach der AGVO vor noch bestand eine Genehmigung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV, sodass die Beihilfe für diesen Zeitraum mit einem - nicht rückwirkend sanierbaren - Durchführungsverbot belegt war. Im Einklang damit enthält die Bestimmung des § 4 Abs. 7 EAVG den Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission für die Anwendbarkeit der neuen Regelungen, sodass auf Anträge betreffend den Zeitraum 1/2011 auch nach dieser Bestimmung noch die Regelungen vor BGBl. I Nr. 111/2010 anzuwenden sind.
f) § 2 des EAVG in der Fassung des BGBl. I Nr. 111/2010 ist sohin auf Vergütungsanträge, die sich auf einen Zeitraum nach dem 31. Dezember 2010 beziehen (vgl. § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz), insoweit anzuwenden, als sie die Vergütung von nach dem 31.1.2011 geleistete Energieabgaben betreffen. Eine Normprüfungskompetenz kommt dem Unabhängigen Finanzsenat nicht zu. Er ist an die bestehenden und ordnungsgemäß kundgemachten Gesetze gebunden (vgl. VfGH 12.12.2002, B 1348/02), weshalb dem Berufungsbegehren auf Nichtanwendung des Ausschlusses der Dienstleistungsbetriebe auf der Grundlage des § 2 EAVG idF BGBl. 111/2010 bezogen auf Vergütungszeiträume ab dem 1.2.2011 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken in Bezug auf die Gleichbehandlung nicht beigetreten werden kann.
3) Selbstbehalt: Gemäß § 2 Abs. 2 letzter Satz EAVG wird der nach Anwendung des höheren Selbstbehaltes in Höhe von 0,5% des Nettoproduktionswertes oder des sich gem. § 2 Abs. 2 erster bis sechster Teilstrich EAVG verbrauchsbezogen zu errechnenden Betrages ergebende Vergütungsbetrag abzüglich eines allgemeinen Selbstbehaltes von 400 € gutgeschrieben.
Das EAVG regelt die Vergütung der auf die in § 1 Abs. 3 aufgezählten Energieträger entfallenden Energieabgaben dergestalt, dass jeweils für ein volles Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr entrichtete Energieabgaben vergütet werden, enthält aber keine Bestimmung für "Rumpf"-Kalender- bzw. "Rumpf"-Wirtschaftsjahre, somit für nicht volle 12 Monate umfassende Zeiträume. Für die Berechnung des Vergütungsbetrages sind die entstandenen Energieabgabenschuldigkeiten und der Nettoproduktionswert gleicher Zeiträume oder die entstandenen Energieabgabenschuldigkeiten und die sich aus dem tatsächlichen Verbrauch der jeweiligen Energieträger in diesen Zeiträumen errechnenden Mindestselbsthalte heranzuziehen. Die Normierung des in § 2 Abs. 2 erster bis sechster Teilstrich EAVG festgelegten, nach dem tatsächlichen Verbrauch zu berechnenden Mindestselbstbehaltes erfolgte in Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom mit BGBl. I Nr. 92/2004, wohingegen der allgemeine Selbstbehalt als solcher und unabhängig davon bereits in der Stammfassung des EAVG vorgegeben war (§ 2 Abs. 2 letzter Satz Energieabgabenvergütungsgesetz idF BGBl. Nr. 201/1996: "Der Vergütungsbetrag wird abzüglich eines Selbstbehaltes von höchstens 5.000 S ausbezahlt."). Demnach bezieht sich auch der (lediglich angehobene) allgemeine Selbstbehalt von € 400 auf den im Gesetz geregelten Vergütungszeitraum von einem Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr, sohin einen Zeitraum von 12 Monaten, sodass für kürzere Zeiträume mangels Vorliegen einer Regelung für kürzere "Rumpf"-Kalenderjahre bzw. "Rumpf"-Wirtschaftsjahre in - systematisch - teleologischer Interpretation nur ein aliquoter Anteil des allgemeinen Selbstbehaltes, hier in Höhe von 2/12 von € 400,-- für den Zeitraum 12/2010 bis 1/2011, zu berücksichtigen war (vgl. VwGH vom 25.6.2002, 2002/17/0028).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Innsbruck, am 12. Juli 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 |
Schlagworte: | Vergütungszeitraum, Genehmigungszeitraum, Gruppenfreistellungsverordnung |
Verweise: |