UFS RV/0095-S/12

UFSRV/0095-S/125.7.2012

Das während der Polizeiausbildung bezogene Gehalt stellt keine Lehrlingsentschädigung im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG dar.

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom 15. Dezember 2011 gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom 23. November 2011, SV-Nr., betreffend Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Beträgen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) hinsichtlich der Zeiträume Jänner bis Dezember 2010 sowie Juni bis August 2011 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der angefochtene Bescheid umfasst die Zeiträume Jänner bis Dezember 2010 sowie Juni bis August 2011. Hinsichtlich des ersten Zeitraumes wurde die Einkommensgrenze überschritten. Im zweiten Zeitraum lag keine Ausbildung mehr vor.

Die Bw bringt vor,

dass in der Mitteilung über die Auszahlung der Familienbeihilfe keine Ausführungen zur Einkommensgrenze enthalten waren,

dass das während der Ausbildung bezogene Entgelt als "Lehrlingsentschädigung" zu werten ist, was ihr auch seinerzeit vom Finanzamt Braunau-Ried-Schärding mitgeteilt wurde,

dass es nicht sein kann, dass das Finanzamt Salzburg-Land nunmehr eine andere Rechtsansicht vertritt,

dass - soweit ihr bekannt ist - kein Ausbildungskollege von einer Rückforderung betroffen ist,

dass ihr im Finanzamt Braunau-Ried-Schärding ein leitender Beamter versichert hat, dass von seinem Finanzamt keine Rückforderung betrieben worden wäre.

Mit ausführlich begründeter Berufungsvorentscheidung vom 21.02.2012, SV-Nr., wurde über die Berufung negativ entschieden.

Im direkt eingebrachten Vorlageantrag vom 19.03.2012 wurden die Berufungsgründe wiederholt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt ist unstrittig:

# Die Bw hatte im Jahre 2010 laut dem Einkommensteuerbescheid vom 13.10.2011, StNr., ein Einkommen in Höhe von € 12.414,49.

# Die Bw hat im relevanten Zeitraum die Ausbildung zur Polizistin absolviert und die Dienstprüfung am 19.05.2011 erfolgreich abgelegt.

Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967:

Rechtslage bis 28. Februar 2011:

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung.

Rechtslage ab 1. März 2011:

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das den Betrag von 9 000 € übersteigt, besteht im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wobei § 10 Abs. 2 nicht anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes bleiben außer Betracht: a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis, c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

Nach § 10 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Rechtliche Würdigung:

Vorliegen einer Ausbildung:

Die Ausbildung zum Polizisten in der Dauer von 24 Kalendermonaten stellt nach der Verwaltungspraxis grundsätzlich eine Berufsausbildung dar. In dieser Zeit erfolgt eine umfassende Ausbildung des Polizeischülers auf theoretischem und praktischem Gebiet, die den Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch nimmt, mit einer Abschlussprüfung endet und unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufes ist. Im Vordergrund steht die Ausbildung für den Beruf und nicht die Ausübung des Berufes. (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 45, UFS vom 21.03.2012, RV/0055-S/12).

Daher besteht - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen und dem Fehlen von Ausschließungsgründen - Anspruch auf Familienbeihilfe.

Einkommensgrenze:

Was nicht zum Einkommen zählt ist im § 5 Abs. 1 lit. b und c FLAG ausdrücklich angeführt. Bei der Polizeischule handelt es sich zweifelsfrei um kein Lehrverhältnis im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes. Das bezogene Gehalt ist keine Lehrlingsentschädigung und daher in die Einkommensberechnung einzubeziehen.

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, das für die Familienbeihilfe inhaltlich zuständig ist, ("http://www.bmwfj.gv.at/Familie/FinanzielleUnterstuetzungen/familienbeihilfe/Seiten/Anpruchsvoraussetzungen.aspx ") ist die Information bezüglich der Einkommensgrenze unschwer abzufragen:

"Volljährige Kinder dürfen ein eigenes, zu versteuerndes Einkommen von max. 10.000,- € (bis inkl. 2007: 8.725€; bis inkl. 2010: 9.000€) pro Kalenderjahr erzielen, um den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht zu verlieren. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Bemessungsgrundlage der Lohn- bzw. Einkommenssteuer, ohne 13. und 14. Monatsgehalt. Lehrlingsentschädigungen, Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse erhöhen das zu versteuernde Einkommen nicht."

Die Überschreitung dieser Einkommensgrenze im Jahre 2010 ist unstrittig. Die Rückforderung den Zeitraum 2010 betreffend erfolgte zu Recht; auch wenn eine gegenteilige Auskunft erteilt worden sein sollte.

Weiterbezug nach Ausbildungsende:

Vor dem Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011 bestand Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung. Diese Regelung wurde mit 1. März 2011 abgeschafft. Die Bw hat ihre Ausbildung im Mai 2011 beendet, für die Monate Juni 2011 bis August 2011 stand daher keine Familienbeihilfe mehr zu.

Unterschiedliche Vorgangsweisen der Finanzämter:

Die Abgabenbehörde I. Instanz hat aufgrund des Berufungsvorbringens am 21.02.2012 mit der zuständigen Bediensteten des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding Rücksprache gehalten und in einem Aktenvermerk festgehalten, dass aufgrund der Höhe der Einkünfte auch diese Abgabenbehörde die gleichen Verfahrensschritte gesetzt hätte.

Treu und Glauben:

Aber auch eine möglicherweise unrichtig erteilte Auskunft hinsichtlich der Einkommensgrenze kommt nicht zum Tragen, da ja die Bw im Hinblick auf diese Auskunft keine Dispositionen gesetzt hat, die zu einem Vertrauensschaden geführt haben. Sie hat lediglich nicht mit der Rückforderung gerechnet.

Allgemeine Anmerkungen:

Zum Verbrauch der Familienbeihilfe im guten Glauben wird festgestellt, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Beträge sehr weit geht, da die Rückzahlungsverpflichtung auf objektiven Sachverhaltselementen beruht und subjektive Momente wie Verschulden oder Gutgläubigkeit unbeachtet bleiben. Für die Rechtmäßigkeit der Rückforderung ist es daher unbedeutend, ob die Bw die bezogenen Beträge im guten Glauben bereits verbraucht hat.

Das FLAG sieht in § 26 Abs. 4 die Möglichkeit der Oberbehörde vor, das Absehen von einer Rückforderung der unrechtmäßig bezogenen Beträge anzuordnen, wenn die Rückforderung als unbillig anzusehen wäre. Dazu wird ausgeführt, dass der UFS nicht die dafür zuständige Behörde ist und diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz besitzt (UFS vom 29.4.2004, RV/0379-F/02). Die dafür zuständige Behörde ist das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; ein Antrag wäre dort zu stellen. Ein Rechtsanspruch auf eine Anordnung des Ministeriums besteht aber nicht.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag der Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Dies zu beurteilen obliegt jedoch dem zuständigen Finanzamt und bedarf eines gesonderten Antrages. Ob dabei unrichtige Auskünfte "leitender Beamter" im Rahmen der Ermessensentscheidung zum Tragen kommen könnten, kann nach dem bisherigen wenig konkreten (arg.: "Mir wurde seinerzeit mitgeteilt") Vorbringen nicht beurteilt werden (vgl. Ritz, BAO Kommentar, 4. Aufl., § 114, RZ 10ff).

Salzburg, am 5. Juli 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

UFS 21.03.2012, RV/0055-S/12
UFS 29.04.2004, RV/0379-F/02

Stichworte