Zwangsstrafenfestsetzung gegenüber einem Masseverwalter
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. als vorm. Masseverwalter im Konkurs der KG, Bw.-Adresse, vom 24. Februar 2012 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom 2. Februar 2012 über die Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
I.
Mit Bescheid vom 3. August 2011 wurde der Berufungswerber (Bw.) als Masseverwalter der KG aufgefordert, die offenbar übersehene fristgerechte Einreichung der Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften (Gemeinschaften) 2010 und der Umsatzsteuererklärung 2010 [in der Folge: Erklärungen] bis 24. August 2011 nachzuholen. Die Frist zur Einreichung der Erklärungen wäre zum Zeitpunkt der Ausfertigung dieses Bescheides bereits abgelaufen. Diese Frist würde durch den oben genannten Termin nicht verlängert. Vom Finanzamt könnten daher folgende Maßnahmen getroffen werden: 1. Festsetzung eines Verspätungszuschlages bis zu 10% der Abgabenschuld (§ 135 BAO); 2. nach Ablauf des oben genannten Termines Schätzung der Bemessungsgrundlagen gemäß § 184 BAO.
II.
Mit Bescheid vom 7. November 2011 wurde der Bw. als Masseverwalter der KG aufgefordert, die offenbar übersehene fristgerechte Einreichung der Erklärungen bis 28. November 2011 nachzuholen. Falls er diesem Ersuchen nicht Folge leiste, könne gegen ihn eine Zwangsstrafe von 200 Euro festgesetzt werden (Androhung im Sinne des § 111 Abs. 2 BAO). Die Frist zur Einreichung der Erklärungen wäre zum Zeitpunkt der Ausfertigung dieses Bescheides bereits abgelaufen. Diese Frist würde durch den oben genannten Termin nicht verlängert. Vom Finanzamt könnten daher folgende Maßnahmen getroffen werden: 1. Festsetzung eines Verspätungszuschlages bis zu 10% der Abgabenschuld (§ 135 BAO); 2. nach Ablauf des oben genannten Termines Schätzung der Bemessungsgrundlagen gemäß § 184 BAO.
III.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Februar 2012 wurde die angedrohte Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO mit 200 Euro festgesetzt und der Bw. gleichzeitig aufgefordert, bis 23. Februar 2012 die bisher nicht abgegebenen Erklärungen beim Finanzamt einzureichen. Laut Bescheidbegründung wäre die Festsetzung der Zwangsstrafe wegen der Nichteinreichung der Erklärungen bis 28. November 2011 erforderlich.
IV.
In der mit 24. Februar 2012 datierten, beim Finanzamt am 5. März 2012 eingelangten Berufung wurde dagegen im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bw. die geforderten Erklärungen bereits am 9. September 2011 von der Steuerberatungskanzlei Y in X erhalten und sofort nach Erhalt der Aufforderung durch das Finanzamt die Erklärungen an das zuständige Finanzamt per Post übermittelt habe. Der Bw. habe die Erklärungen rechtzeitig am 11. November 2011 abgeschickt, jedoch seien diese beim Finanzamt nicht auffindbar bzw. am Postweg verloren gegangen. Unter einem lege der Bw. die Erklärungen noch einmal vor (in Kopie). Es werde der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid "vollinhaltlich zu beheben".
V.
Laut Vorlagebericht des Finanzamtes vom 30. März 2012 sind die Erklärungen beim Finanzamt erst am 5. März 2012 Finanzamt eingelangt.
VI.
Mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates vom 3. Mai 2012 wurde der Bw. darauf aufmerksam gemacht, dass die Erklärungen beim Finanzamt erst am 5. März 2012 eingelangt seien. Der Bw. behaupte allerdings, die Erklärungen bereits am 11. November 2011 an das Finanzamt "abgeschickt" zu haben. Um die Übermittlung eines diesbezüglichen Nachweises binnen drei Wochen werde gebeten.
VII.
Dieser Vorhalt wurde nicht beantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.
Gemäß § 111 Abs. 2 BAO muss der Verpflichtete, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden.
Gemäß § 111 Abs. 3 BAO darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 5 000 Euro nicht übersteigen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zur erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen.
Gemäß § 20 Abs. 1 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Laut herrschender Rechtsauffassung sind Zwangsstrafen nicht Strafen für Verwaltungsübertretungen (Finanzvergehen) sondern reine Zwangsmittel. Die Zwangsstrafe bezweckt nicht, ein in der Vergangenheit begangenes Unrecht zu ahnden, sondern ein bestimmtes künftiges Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) herbeizuführen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1192, mwN). Zweck einer Zwangsstrafe ist es, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei zur Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen (zB Einreichung von Abgabenerklärungen) zu verhalten (vgl. Ritz, BAO4, § 111 Tz 1f, mwN).
Laut herrschender Rechtsauffassung ist der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) hinsichtlich des Insolvenzvermögens (Konkursvermögens) gesetzlicher Vertreter des Schuldners, somit gesetzlicher Vertreter iSd § 80 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO4, § 80 Tz 3, mwN). Daher können Zwangsstrafen gegen Insolvenzverwalter (Masseverwalter) verhängt werden (vgl. Ritz, BAO4, § 111 Tz 14, mwN).
Im vorliegenden Fall steht nun fest, dass der bekämpften Zwangsstrafenfestsetzung
- die schriftliche Aufforderung an den Bw. durch das Finanzamt vom 3. August 2011 zur Einreichung der Erklärungen bis 24. August 2011 sowie
- die (nochmalige) schriftliche Aufforderung an den Bw. durch das Finanzamt vom 7. November 2011 zur Einreichung der Erklärungen bis 28. November 2011 - unter gleichzeitiger Androhung einer Zwangsstrafe in Höhe von 200 Euro -
vorangegangen sind.
Weiters geht der Unabhängige Finanzsenat in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Erklärungen beim Finanzamt tatsächlich erst am 5. März 2012 (im Zusammenhang mit der Berufungseinbringung) - dh. also erst nach Erlassung des hier angefochtenen Bescheides - eingebracht wurden (vgl. Akten des Finanzamtes; Vorlagebericht des Finanzamtes vom 30. März 2012; Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates an den Bw. vom 3. Mai 2012), ist doch der Bw. einen Nachweis bzw. eine Glaubhaftmachung seiner der Aktenlage widersprechenden Behauptungen ("... am 11.11.2011 abgeschickt ...") bis zuletzt schuldig geblieben. Abgesehen davon ist auch völlig unklar, wieso der Bw. mit dem Abschicken der Steuererklärungen, welche er von der Steuerberatungskanzlei laut Berufung "bereits am 09.09.2011" erhalten hat, bis "11.11.2011" zugewartet haben sollte, wo doch bereits mit Schreiben des Finanzamtes vom 3. August 2011 an ihn eine Aufforderung zur Einreichung der Erklärungen bis 24. August 2011 ergangen war.
Vor dem o.a. rechtlichen Hintergrund und bei der o.a. Sachlage sieht der Unabhängige Finanzsenat daher keine Veranlassung für eine Aufhebung bzw. Abänderung des angefochtenen Bescheides. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen tatsächlicher "Unmöglichkeit" der vom Finanzamt verlangten Leistung (vgl. Ritz, BAO4, § 111 Tz 3, mwN) wurde mit dem Berufungsvorbringen nicht aufgezeigt. Abgesehen davon kommt es bei der Anwendung des § 111 BAO auf ein Verschulden im strafrechtlichen Sinn grundsätzlich gar nicht an (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1192, mwN).
Die vom Finanzamt getroffene (Ermessens-)Entscheidung zu Gunsten einer Zwangsstrafenfestsetzung in Höhe von 200 Euro ist daher weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
Im Übrigen ist das Finanzamt bei seiner Zwangsstrafenfestsetzung ohnedies weit unter dem gemäß § 111 Abs. 3 BAO vorgesehenen Höchstbetrag (5.000 Euro) geblieben.
Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 18. Juni 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 111 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Zwangsstrafe, Insolvenzverwalter, Masseverwalter, Erklärungen |