UFS RV/0452-W/10

UFSRV/0452-W/105.6.2012

Vorschreibung von Kapitalertragsteuer für verdeckte Ausschüttungen mittels Haftungsbescheides, ausreichende Konkretisierung des Empfängers und der Zuflüsse

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 1. September 2009 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 12. August 2009 betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 2002, 2004 und 2005 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Tätigkeit einer Werbeagentur. Der steuerliche Vertreter gab dem Finanzamt im Namen der Bw. und des A. mittels Selbstanzeige bekannt, dass im Jahr 2002 Rechnungen mit einem Gesamtnettowert von 33.008,99 € in der Buchhaltung der Bw. nicht aufgenommen worden seien. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde daraufhin festgestellt, dass in den Jahren 2002, 2004 und 2005 weitere Erlöse keiner Besteuerung unterzogen worden seien. Der Betriebsprüfer wertete diese Umsatzdifferenzen als verdeckte Gewinnausschüttung und berechnete folgende Kapitalertragsteuer:

 

2002

2004

2005

Bruttobeträge lt. Bp

47.009,53

13.272,00

14.250,00

33,333% KESt

15.669,69

4.423,96

4.749,95

Bemessungsgrundlage für KESt

62.679,22

17.695,96

18.999,95

25% KESt-Nachzahlung

15.669,70

4.424,00

4.750,00

In der Folge ergingen im wiederaufgenommenen Verfahren neue Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide. Darüberhinaus nahm das Finanzamt die Bw. für die vom Betriebsprüfer errechneten Kapitalertragsteuerbeträge mittels eines Haftungs- und Abgabenbescheides für die Jahre 2002, 2004 und 2005 in Anspruch.

Die Bw. beantragte in ihrer Berufung die Aufhebung dieses Bescheides. Sie räumte ein, dass in den gegenständlichen Jahren die vom Geschäftsführer und Machthaber der Gesellschaft, A., vereinnahmten Beträge nicht verbucht worden seien. Es handle sich dabei aber nicht um Vorteilsgewährungen, sondern um Rückzahlungen von Verbindlichkeiten der Bw. gegenüber A., die bilanztechnisch als Darlehensrückzahlungen zu behandeln seien. In eventu werde beantragt, die Umsatzsteuer von 6.601,80 € aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden, da durch die erfolgte Zahlung dieses Betrages ein Teil der verdeckten Ausschüttung rückgängig gemacht worden sei.

Das Finanzamt folgte dem Vorbringen hinsichtlich der Umsatzsteuerzahlung und gab der Berufung für 2002 teilweise statt. Betreffend 2004 und 2005 erging eine abweisende Berufungsvorentscheidung, da sowohl das objektive Tatbild als auch das subjektive Tatbild einer verdeckten Ausschüttung erfüllt sei, ein Darlehensvertrag aber mangels Fremdüblichkeit steuerlich nicht anzuerkennen sei.

Der steuerliche Vertreter der Bw. beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er wieder die Verwendung der Betriebseinnahmen durch A. für Darlehensrückzahlungen geltend machte. Diese Vorgangsweise sei allerdings in der Buchhaltung nicht erfasst worden.

Bei der folgenden Betriebsprüfung der Jahre 2005 - 2009 stellte der Betriebsprüfer weitere nicht versteuerte Umsätze in Höhe von insgesamt rund 1.500.000 € fest, wovon 325.285 € (netto) auf das Jahr 2005 entfielen. Laut Tz. 5 des Bp-Berichts vom 19. Jänner 2012 sei der Geschäftsführer A. aufgrund zweier Treuhandverträge tatsächlicher Anteilseigner der Bw., sei allein für die Tätigkeiten des Unternehmens verantwortlich gewesen und seien ihm die verdeckten Ausschüttungen zugeflossen. Der Betriebsprüfer ermittelte für 2005 eine zusätzliche Bemessungsgrundlage von 173.485 € sowie Kapitalertragsteuer von 43.371 €.

Über die Berufung wurde erwogen:

Unbestritten steht fest, dass die Bw. in den Jahren 2002, 2004 und 2005 Einnahmen erzielte, die in der Buchhaltung der Gesellschaft nicht aufscheinen. Das Finanzamt wertete die Umsatzdifferenzen als verdeckte Ausschüttungen und schrieb der Bw. nach Abschluss der Außenprüfung im Jahr 2009 entsprechende Kapitalertragsteuer vor. Bei einer späteren Betriebsprüfung (Bericht vom 19. Jänner 2012) kamen weitere Schwarzumsätze aus den Jahren 2005 - 2009 von rund 1.500.000 € zu Tage. Strittig war im Rechtsmittelverfahren, ob die im Außenprüfungsbericht vom 6. August 2009 genannten Beträge als verdeckte Ausschüttung zu qualifizieren sind und ob die Bw. zu Recht zur Haftung für Kapitalertragsteuer herangezogen wurde.

Der angefochtene Bescheid vom 12. August 2009, bezeichnet als "Haftungs- und Abgabenbescheid", erging an die Bw. Dem Bescheid ist zu entnehmen, dass die Bw. gemäß § 95 EStG als Schuldner der Kapitalerträge für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer hafte. Die Bw. wird im Bescheid für folgende Steuerbeträge in Anspruch genommen:

Zeitraum

Bemessungsgrundlage

Steuersatz

Abgabenbetrag

Nachzahlung

2002

62.679,22

25%

15.670,00

15.670,00

2004

17.696,00

25%

4.424,00

4.424,00

2005

19.000,00

25%

4.750,00

4.750,00

Zur Begründung des Bescheides wird auf den Betriebsprüfungsbericht verwiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 (in der für die Streitjahre gültigen Fassung) zählt Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Sonstige Einkünfte in diesem Sinne sind andere geldwerte Vorteile aus der Gesellschafterstellung; dazu zählen insbesondere verdeckte Ausschüttungen (vgl. VwGH 28.5.1998, 96/15/0114).

Gemäß § 93 EStG 1988 wird bei inländischen Kapitalerträgen die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer). Verdeckte Ausschüttungen sind kapitalertragsteuerpflichtige Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988. Die Höhe der Kapitalertragsteuer beträgt 25%. Hinsichtlich der Einbehaltung normiert § 95 Abs. 2 EStG 1988, dass Schuldner der Kapitalertragsteuer der Empfänger der Kapitalerträge ist. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 ist der Schuldner der Kapitalerträge bei inländischen Kapitalerträgen zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet und hat diese gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen, wobei die Kapitalerträge nach Maßgabe des § 19 EStG 1988 als zugeflossen gelten.

Gemäß § 96 Abs. 1 EStG 1988 ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer bei Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 durch den zum Abzug Verpflichteten unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" binnen einer Woche nach dem Zufließen abzuführen.

Bescheide müssen die Sache, über die sie absprechen, ausreichend konkretisieren. Damit wird die Sache des Haftungsverfahrens und insoweit für die Abgabenbehörde zweiter Instanz auch der Rahmen der Änderungsbefugnis iSd § 289 Abs. 2 BAO festgelegt. Aus § 95 Abs. 4 EStG folgt, dass die Kapitalertragsteuer auf verdeckte Ausschüttungen für jeden zugewendeten Vorteil und für jeden Empfänger der Kapitalerträge im Zuflusszeitpunkt in Abzug zu bringen ist (Zeitpunktbesteuerung). Sowohl die Zuflüsse wie auch die Zuflussempfänger sind im Bescheid (Spruch bzw. Außenprüfungsbericht) entsprechend klar zu bezeichnen, um die Sache des Bescheides zu konkretisieren. Es ist also einerseits erforderlich, dass der bzw. die Empfänger der Kapitalerträge und damit Schuldner der Kapitalertragsteuern benannt werden. Andererseits ist auch der beurteilte Sachverhalt exakt zu beschreiben und es muss ersichtlich sein, für welche Zuflusszeitpunkte Kapitalertragsteuer vorgeschrieben wird (vgl. Schwaiger, SWK 25/2010, S 777, UFS 7.4.2008, RV/0380-S/06, UFS 9.9.2009, RV/0352-S/05).

Rechtliche Würdigung:

Die Kapitalertragsteuer kann entweder dem Schuldner der Kapitalerträge mit einem Haftungsbescheid oder dem Empfänger der Kapitalerträge mit einem Abgabenbescheid vorgeschrieben werden. Im vorliegenden Fall wird der bekämpfte Bescheid als "Haftungs- und Abgabenbescheid" bezeichnet. Im weiteren Text des Bescheides wird aber jedenfalls klargestellt, dass es sich um einen Haftungsbescheid handelt.

Im Sinne der rechtlichen Ausführungen genügt dieser Haftungsbescheid den gesetzlichen Vorgaben aus folgenden Erwägungen jedoch nicht:

Die Person, der verdeckte Ausschüttungen zugeflossen sind, ist im Bescheid nicht genannt. Auch im Bericht über die Außenprüfung vom 6. August 2009, auf den zur Bescheidbegründung verwiesen wird, ist kein Empfänger der ausgeschütteten Vorteile bezeichnet. Sowohl im Bescheid als auch im Betriebsprüfungsbericht sind lediglich die Umsatzdifferenzen bzw. die Bemessungsgrundlagen für die Kapitalertragsteuer aufgegliedert nach Jahren ersichtlich.

Die erforderliche Empfängerbenennung im Kapitalertragsteuerbescheid kann nicht dadurch ersetzt werden, dass in der Berufung und in der Berufungsvorentscheidung von A. als Empfänger der Vorteilszuwendungen ausgegangen wird. Das Fehlen der Angabe des Vorteilsempfängers, also des Steuerschuldners kann das Finanzamt nicht mittels Berufungsvorentscheidung sanieren. Wenn es zutrifft, dass A., der nach außen nicht als Gesellschafter der Bw. aufscheint, mittels zweier Treuhandverträge als tatsächlicher Anteilseigner anzusehen ist, können ihm - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die zugeflossenen Beträge als verdeckte Ausschüttung zuzurechnen sein. Er muss aber im Haftungsbescheid als Empfänger der Kapitalerträge genannt werden.

Wenn dem Bescheid diese Angaben fehlen, bedingt dies die ersatzlose Bescheidaufhebung. Das Gleiche gilt für die fehlende Konkretisierung jedes einzelnen Zuflusses (Schwaiger, SWK 25/2010, S 777). Die bloße Angabe eines Gesamtbetrages pro Kalenderjahr genügt nicht und verschafft nicht ausreichend Klarheit, welche konkreten Schwarzumsätze umfasst sein sollen. Die Umschreibung des Sachverhalts wäre gerade im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung gewesen, zumal im Zuge einer späteren Außenprüfung für das Jahr 2005 weitere nicht verbuchte Umsätze aufgedeckt wurden.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Entscheidungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz durch die "Sache" (§ 289 Abs. 2 BAO) begrenzt ist. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Daher darf eine Berufungsentscheidung beispielsweise nicht eine Abgabe erstmals vorschreiben oder eine Person erstmals in die Schuldnerposition verweisen (Ritz, BAO4, § 289 Tz 38, 39). Das bedeutet einerseits, dass verdeckte Ausschüttungen im Kapitalertragsteuerbescheid so individualisiert werden müssen, dass die Berufungsbehörde erkennen kann, was Sache des erstinstanzlichen Bescheides war. Andererseits darf die Rechtsmittelbehörde nicht erstmals über neue Zuwendungen, die bisher nicht im Kapitalertragsteuerbescheid erfasst waren, absprechen (etwa über im Nachhinein zu Tage getretene zusätzliche Vorteilszuwendungen für das Jahr 2005). Die Erlassung eines Erstbescheides fällt in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz.

Der angefochtene Haftungsbescheid ist daher ersatzlos aufzuheben. Das Finanzamt ist aber nicht daran gehindert, in der Folge nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten einen neuen Bescheid zu erlassen.

Wien, am 5. Juni 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

UFS 07.04.2008, RV/0380-S/06
UFS 09.09.2009, RV/0352-S/05

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