UFS FSRV/0090-W/11

UFSFSRV/0090-W/1123.12.2011

Verkürzung von Grunderwerbsteuer eines Rechtsanwaltes, wobei ein entschuldbarer Irrtum geltend gemacht wird

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 1, JG, in der Finanzstrafsache gegen Herrn HM, wegen des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Beschuldigten vom 30. Juli 2006 gegen das Erkenntnis des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 7. Juli 2006, StrNr. XY,

zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und das Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136, 157 FinStrG eingestellt.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis vom 7. Juli 2006, StrNr. YX, hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Bw. nach § 34 FinStrG für schuldig erkannt, weil er fahrlässig als anzeige- und abgabenpflichtiger Veräußerer sämtlicher Anteile der S-GmbH. mit Abtretungsvertrag vom 25. Mai 2000 mit Herrn SK (im Vermögen der S-GmbH befand sich bei Abschluss des o. a. Abtretungsvertrages das auf der Liegenschaft EZ-x GB-y Adresse-x stehende Gebäude auf fremden Boden gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 GrEStG) durch nicht ordnungsgemäße Anzeige im Sinne des § 10 GrEStG beim Finanzamt [(bzw. der Angabe im Pkt. "Sechstens" des o. a. Abtretungsvertrages (Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 3 Z. 3 GrEStG), dass die o. a. Gesellschaft über keine Liegenschaft verfügt)] die Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und dadurch eine Verkürzung an Grunderwerbsteuer in Höhe von € 15.164,64 (3,5 % vom Einheitswert des Gebäudes auf fremden Boden gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 GrEStG in Höhe von € 433.275,44) bewirkt habe.

Aus diesem Grund wurde über ihn gemäß § 34 Abs. 4 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von € 5.000,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen ausgesprochen.

Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG pauschal mit € 363,00 bestimmt.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten vom 30. Juli 2006, wobei im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Das Straferkenntnis werde zur Gänze angefochten, und zwar dem Grunde nach und auch bezüglich der Strafhöhe.

Als Berufungsgründe werden Verfahrensmängel, unrichtige Sachverhaltsfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

1) Verfahrensgegenständlich sei der Abtretungsvertrag vom 25. Mai 2000, mit dem der Beschuldigte die zur Gänze bar eingezahlte Stammeinlage von S 500.000,00 an der S-GmbH um den Abtretungspreis von S 1,00 an SK abgetreten habe.

Bei diesem Abtretungsvertrag habe der Bw als Treuhänder des Steuerberaters WB fungiert. WB habe die Textierung dieses Abtretungsvertrages von Rechtsanwalt M erhalten, dem Rechtsvertreter von S. WB habe den Abtretungsvertrag an den Bw weitergeleitet, ohne dass ihm aufgefallen wäre, dass in dessen Vertragsbestimmung "Sechstens" festgestellt werde, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfügt. Der Bw habe keine Informationen über das Betriebsvermögen der Gesellschaft gehabt und sei davon ausgegangen, dass die von einem Rechtsanwalt erarbeitete Vertragstextierung, die ihm vom Steuerberater WB als seinem Treugeber übermittelt worden sei, inhaltlich richtig sei.

Den Notariatsakt dieses Abtretungsvertrages vom 25. Mai 2000 habe Notar K errichtet, der den Vertrag am 5. Juni 2000 dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien zu BRP-x angezeigt habe. Ebenso wie der Bw sei auch Notar K davon ausgegangen, dass die Gesellschaft laut "Sechstens" des Abtretungsvertrages über keine Liegenschaft verfüge, sodass kein Formular bezüglich einer Grunderwerbsteueranzeige ausgefüllt worden sei.

In der weitaus überwiegenden Anzahl von Abtretungsverträgen von Geschäftsanteilen an einer GmbH finde sich kein Hinweis, ob die Gesellschaft über Liegenschaftsvermögen verfügt oder nicht. Da dieser von einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt übermittelte Abtretungsvertrag explizit die Regelung enthalten habe, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, sei der Bw davon ausgegangen, dass der Steuerberater und der Rechtsanwalt, die die Gesellschaft jeweils vertraten und daher über diesbezügliche Informationen verfügten, diesen Umstand geprüft und deshalb diese Regelung in den Abtretungsvertrag aufgenommen haben. Damit hätten weder der Bw noch der Urkundenerrichter Notar K im Entferntesten vermutet, dass diese Vertragsregelung inhaltlich unrichtig sein könnte.

Zu "Sechstens" regle der Abtretungsvertrag weiters, dass die durch diesen Vertrag ausgelösten Gebühren und Abgaben unbeschadet der Solidarhaftung der Übernehmende (sohin SK) trage.

Wie die Finanzstrafbehörde erster Instanz zutreffend festgestellt habe, habe der Bw bei Abschluss des Abtretungsvertrages vom 25. Mai 2000 als Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes gehandelt.

2) Die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe es als fahrlässig beurteilt, dass der Bw bei Übertragung der Geschäftsanteile an der S-GmbH an SK keine Grunderwerbsteueranzeige gemacht habe und durch die unrichtige Angabe zu "Sechstens" des Abtretungsvertrages, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, die Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt habe.

Unter Fahrlässigkeit verstehe man eine objektive und subjektive Sorgfaltswidrigkeit.

Der Steuerberater WB habe den Bw, mit dem er als Rechtsanwalt laufend beruflich zusammengearbeitet habe, um Übernahme einer Treuhandschaft bezüglich eines um S 1,00 zu übernehmenden Geschäftsanteils an einer GmbH ersucht. Diesbezüglich hätten der Steuerberater WB und der Bw als Rechtsanwalt den vorliegenden Treuhandvertrag vom 4. August 1999 geschlossen. Bereits am 30. Juli 1999 habe die WB Steuerberatungs-GmbH, unterfertigt durch den Steuerberater WB , ein Telefax mit der gewünschten Textierung des Abtretungsvertrages übersandt, den der Bw als Treuhänder auftragsgemäß wortgleich abgeschlossen habe. Dieser Abtretungsvertrag habe von der Rechtsanwaltskanzlei MM (siehe Telefaxvermerk und Aussage WB vom 29. Juni 2005) gestammt. Außer diesem Abtretungsvertrag seien dem Bw keinerlei sonstigen Unterlagen vorgelegen und hätte er nicht gewusst, dass die Gesellschaft als Liegenschaftsbesitz über ein Superädifikat verfügt habe. Aus dem Abtretungsvertrag habe der Bw über die Information verfügt, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, und sei der Bw von der Richtigkeit dieser Information ausgegangen.

Da sich jetzt nachträglich herausgestellt habe, dass diese Information unrichtig gewesen sei, stelle sich die Frage, ob dem Bw ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei, als er sich auf die Richtigkeit dieser Information verlassen habe.

Bei Beurteilung des objektiven Sorgfaltsmaßstabes sei vorerst davon auszugehen, dass der Bw in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt für einen Steuerberater als Treugeber gehandelt habe. Der Bw habe bereits damals diesen Steuerberater seit mehr als zehn Jahren gekannt und habe dessen Berufsausübung als erstklassig, sehr erfahren, umsichtig und sorgfältig eingeschätzt. Auch aufgrund dieser persönlichen Wertschätzung des Steuerberaters WB durch den Bw habe er auf die sorgfältige Ausarbeitung und Richtigkeit der ihm übermittelten Textierung des Abtretungsvertrages vertraut. Diese damalige Einschätzung sei zusätzlich noch dadurch unterstützt worden, dass der Bw die Vertragstextierung ein zweites Mal seitens der Rechtsanwaltskanzlei MM erhalten habe, bei der es sich um eine renommierte Wirtschaftskanzlei mit langjähriger Berufserfahrung handle. Der Bw sei damals davon ausgegangen, dass sowohl die Rechtsanwaltskanzlei MM wie auch die Steuerberatungskanzlei WB mit der S-GmbH eingehend vertraut und über den Sachverhalt informiert seien, sodass er nicht im Entferntesten daran gezweifelt habe, dass die ihm von diesen beiden Kanzleien übermittelte Information und die vertragliche Regelung, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, richtig seien.

Der Bw sei - wohl zutreffend - davon ausgegangen, dass sowohl die Steuerberatungskanzlei WB wie auch die Rechtsanwaltskanzlei MM gewusst haben, dass die Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile einer GmbH, die über eine Liegenschaft verfüge, grunderwerbsteuerpflichtig sei. Da der Bw weiters davon ausgegangen sei, dass beide Kanzleien aufgrund erfolgter lnformationsaufnahme über den maßgeblichen Sachverhalt informiert seien, habe er ausgeschlossen, dass die Information laut "Sechstens" der ihm übermittelten Vertragstextierung unrichtig sei, wonach die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge. Eine solcherart unrichtige Information würde den Tatbestand einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung verwirklichen und habe der Bw ausgeschlossen, dass sein Treugeber, der Steuerberater WB, oder die Rechtsanwälte MM sich derart verhalten würden.

Jetzt im Nachhinein habe der Bw erfahren, dass durch eine Verkettung unglücklicher Umstände (oder Sorglosigkeit in anderen Kanzleien) diese unrichtige Vertragsformulierung entstehen konnte. In der Rechtsanwaltskanzlei MM habe den Abtretungsvertrag ein im Detail nicht informierter Kanzleimitarbeiter verfasst und sei der Abtretungsvertrag versandt worden, ohne dass er durch den diesen Fall bearbeitenden RA M ausreichend kontrolliert worden wäre. Am 30. Juli 1999, offenbar in der Sommerhitze, habe die Steuerberatungskanzlei WB diesen durch die Rechtsanwaltskanzlei MM ausgearbeiteten Vertrag an den Bw weitergeleitet, ohne ihn ausreichend zu kontrollieren (weshalb die Unrichtigkeit zu "Sechstens" nicht aufgefallen sei). Der Bw selbst habe nicht mit einem Fehlverhalten der Rechtsanwaltskanzlei MM sowie der Steuerberatungskanzlei WB gerechnet und sei daher von der Richtigkeit der Information sowie der Vertragstextierung ausgegangen, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge.

Sowohl ein Rechtsanwalt wie auch ein Steuerberater würden strengen Berufspflichten und einer erhöhten Sorgfaltspflicht unterliegen. Entgegen der Finanzstrafbehörde erster Instanz vertrete der Bw weiterhin die Auffassung, dass ihm kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen sei, wenn er auf die Richtigkeit der ihm von einer anderen Rechtsanwaltskanzlei und gleichlautend von einer Steuerberatungskanzlei gegebenen Information vertraut habe.

Der Bw habe aus dem Firmenbuch die Geschäftsanschrift der S-GmbH mit "Adresse-x" gekannt. Aufgrund der unrichtigen Information, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, habe der Bw keine Einsicht ins Grundbuch genommen. Das gegenständliche Grundstück N-x sei eines von insgesamt 65 Grundstücken, die in der EZ-x GB-y H einer Gesamtfläche von 201506 m² zusammengefasst sind. Als Eigentümer scheine die Marktgemeinde HK auf und finde sich zu A-x der Hinweis "Superädifikat auf Gst-x". Es sei selbst für einen sorgfältigen Rechtsanwalt fast auszuschließen, dass er mit entgegengesetzten Informationen, wonach die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, eine Grundbuchseinsicht vornehme, auch ein Superädifikat in Betracht ziehe und ein solches bei diesem derart umfangreichen Grundbuchstand laut Beilage im A2-Blatt finde. Entgegen der Begründung auf Seite 7, erster Absatz des Erkenntnisses reiche "ein Blick ins Grundbuch" nicht aus, um dieses Superädifikat in diesem Grundbuchsauszug zu finden. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Grundbuchsauszug nicht, dass die S-GmbH Eigentümer des Superädifikats sei, sodass selbst bei genauem Studium des Grundbuchsauszuges die Unrichtigkeit des Abtretungsvertrages, wonach die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfügt, nicht erkennbar sei (s. beiliegender Grundbuchsauszug, A-x).

Der Eigentümer des Superädifikats ergebe sich erst bei einer Einsicht in die Urkundensammlung beim Bezirksgericht Krems an der Donau. Eine solche Urkundeneinsicht sei mit der dem Bw gegebenen Information, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfügt, sicher nicht indiziert gewesen.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz werfe dem Bw vor, dass der Inhalt des Abtretungsvertrages vom 4. August 1999 unrichtig sei, wonach der Beschuldigte laut "Fünftens" des damaligen Abtretungsvertrages erklärt habe, die Gesellschaft und das Unternehmen aus eigener Anschauung zu kennen und wonach ihm die zu übernehmende Bankverbindlichkeit bekannt sei.

Diesbezüglich übergehe das angefochtene Erkenntnis die Darstellung des Bw, dass es sich bei der Regelung "Fünftens" des Abtretungsvertrages um eine Gewährleistungsbestimmung zwischen dem abtretenden und dem übernehmenden Gesellschafter handle. Bei Autoverkäufen wird häufig geregelt "wie besichtigt und Probe gefahren unter Ausschluss einer Gewährleistung für Sachmängel". Im Liegenschaftsverkehr würden sich in den Kaufverträgen die Standardformulierungen finden, wonach dem Käufer die Liegenschaft aus eigener eingehender Wahrnehmung bekannt sei und übernehme der Verkäufer für eine bestimmte Eigenschaft des Kaufobjektes, insbesondere Beschaffenheit, Ausmaß etc. keine Haftung. Bei Abtretungsverträgen über Geschäftsanteile seien stets vertragstypisch die Regelungen enthalten, wonach der übernehmende Gesellschafter das Unternehmen aus eigener Anschauung kenne und in die Geschäftsbücher und Buchhaltungsunterlagen Einsicht genommen habe. Derartige Vertragsregelungen hätten keine Drittwirkung gegenüber dem Finanzamt, sondern handle es sich dabei um Vereinbarungen zwischen den Vertragsteilen hinsichtlich der Gewährleistung für den Sachzustand und die Eigenschaften des Kaufobjektes bzw. des abzutretenden Geschäftsanteils.

Wenn der Treugeber und Steuerberater WB dem Bw eine derartige Textierung mit dem Auftrag zur Unterfertigung als Treuhänder übermittelt habe, gehe der Bw selbstverständlich davon aus, dass dem Steuerberater WB die Geschäftsbücher, Buchhaltungsunterlagen und Bankverbindlichkeiten bekannt seien. Wenn daher der Bw als Treuhänder stellvertretend für den Treugeber in der Person des Steuerberaters WB diesen Abtretungsvertrag unterfertigt habe, ohne dass er selbst in die Geschäftsbücher und Buchhaltungsunterlagen eingesehen habe und die Bankverbindlichkeiten kenne, liege darin keine Fahrlässigkeit, sondern handle es sich dabei um das auftragsgemäße Verhalten des Treuhänders für den Treugeber, von dem er berechtigt annehme, dass er Geschäftsbücher, Buchhaltungsunterlagen und Bankverbindlichkeiten kenne.

Ganz abgesehen davon sei nicht der Abtretungsvertrag vom 4. August 1999 Verfahrensgegenstand, sondern beziehe sich das dem Bw vorgeworfene fahrlässige Verhalten auf den Abtretungsvertrag vom 25. Mai 2000, mit dem der Bw den Geschäftsanteil an der Gesellschaft an SK übertragen habe. In diesem Abtretungsvertrag vom 25. Mai 2000 habe nicht der Bw erklärt, sondern SK zu "Fünftens", dass der übernehmende Gesellschafter erkläre, die Gesellschaft und das Unternehmen aus eigener Anschauung zu kennen und dass ihm insbesondere die zu übernehmende Bankverbindlichkeit bekannt sei und werde im Übrigen auf die Buchhaltungsunterlagen verwiesen. Der Bw sei bei diesem Abtretungsvertrag vom 25. Mai 2000 davon ausgegangen, dass diese Umstände für SK zutreffen, und er sich daher über die zur Gänze zu übernehmende Gesellschaft zuvor informiert habe.

Es sei in der täglichen Berufspraxis einer Rechtsanwaltskanzlei bei der Vielzahl der zu bearbeitenden Akten nicht möglich, jede gegebene Information auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und zu hinterfragen, ob eine solche Information nicht vielleicht unrichtig sei. Das Vertrauen auf die richtige Information sei umso größer, wenn eine solche gleichlautend von einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt komme. Es habe für den Bw nicht den geringsten Hinweis darauf gegeben, dass die Gesellschaft über ein Liegenschaftsvermögen verfüge und daher die von einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt stammende Information unrichtig seien, wonach kein Liegenschaftsvermögen bestehe. Bei dieser gleichlautend vom Steuerberater und Rechtsanwalt gegebenen Information sei es nach Auffassung des Bw nicht indiziert, weitere Erhebungen anzustellen, ob diese Information richtig sei, und stelle es daher kein sorgloses Verhalten dar, auf die Richtigkeit dieser Information zu vertrauen. Entgegen der rechtlichen Beurteilung der Finanzstrafbehörde erster Instanz bestehe somit keine objektive und subjektive Sorgfaltswidrigkeit im Verhalten des Bw.

3) Sollte entgegen diesen Ausführungen den Bw dennoch eine fahrlässige Tatbegehung angelastet werden, was er bestreite, so entspreche sein Verhalten entgegen der Beurteilung der Finanzstrafbehörde erster Instanz einem entschuldbaren Irrtum bzw. einer entschuldbaren Fehlleistung und bestehe demnach Straffreiheit gemäß § 9 FinStrG.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe argumentiert, dass der Bw verpflichtet gewesen wäre, keine Vertragsbestimmungen zu unterschreiben, die nicht den Tatsachen entsprechen. Da der Bw in dem hier nicht verfahrensgegenständlichen Abtretungsvertrag vom 4. August 1999 zu "Fünftens" jedoch unterschrieben habe, dass er erkläre, die Gesellschaft und das Unternehmen aus eigener Anschauung zu kennen und dass ihm insbesondere die zu übernehmende Bankverbindlichkeit bekannt sei, habe er wissentlich nicht den Tatsachen entsprechende Vertragsbestimmungen unterzeichnet, weshalb keinesfalls ein entschuldbarer Irrtum nach § 9 FinStrG vorliege.

Dieser Argumentation sei nicht zu folgen, da nicht das Verhalten des Bw bei Unterfertigung des Abtretungsvertrages vom 10. August 1999 und dessen Regelung zu "Fünftens" zu beurteilen sei, ob die dortigen Gewährleistungsregeln inhaltlich richtig sind oder nicht, sondern sei Verfahrensgegenstand die Regelung zu "Sechstens" des Abtretungsvertrages vom 5. Juni 2000, wonach "festgestellt wird, dass die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfügt".

Zur Regelung "Fünftens" des Abtretungsvertrages vom 4. August 1999 habe der Bw bereits dargelegt, dass ihm diese Vertragsformulierung vom Steuerberater WB als seinen Treugeber zwecks Unterfertigung übermittelt worden sei und er als Treuhänder deshalb in diesem Sinne vorgegangen sei, da er von der Kenntnis der Geschäftsbücher, Buchhaltungsunterlagen und Bankverbindlichkeit durch den Treugeber Steuerberater WB ausgegangen sei. In dieser Konstellation stelle es keine Fahrlässigkeit und kein Verschulden dar, dass der Bw als bloßer Treuhänder nicht selbst in die Geschäftsbücher, Buchhaltungsunterlagen und den Bankkredit Einsicht genommen habe, wenn er davon ausgehen habe können, dass sein Treugeber Steuerberater WB dies veranlasst und diesbezügliche Kenntnis gehabt habe.

Nach ständiger Rechtsprechung dürfe sich ein Steuerpflichtiger, der einen sowohl mit der Materie als auch mit dem Sachverhalt vertrauten Vertreter oder Berater habe, auf dessen fachkundige Meinung verlassen, weshalb ihm eine Abgabenverkürzung dann kaum anzulasten sein wird, wenn er sich bei seiner auf einen Rechtsirrtum zurück zu führenden Handlungsweise bloß an diese Meinung gehalten habe (Dorazil-Harbich, FinStrG, E 5, 29 zu § 9). Im Übrigen sei es belanglos, ob der Täter den Abgabepflichtigen mit oder ohne formelle Vertretungsbefugnis vertrete oder nur sonst wie diese Angelegenheiten wahrnehme. Es komme nicht auf eine formelle Vertretungsbefugnis, sondern allein auf die faktische Besorgung an. Wer es etwa übernimmt, für einen anderen eine Steuererklärung zu verfassen, sei auch verbunden, sich die für deren ordnungsgemäße Erstellung erforderlichen Grundlagen zu verschaffen (Dorazil-Harbich, FinStrG, E 40ff zu § 34).

Da sich der Bw auf die fehlerfreie Vertretungstätigkeiten des Steuerberaters WB sowie der Rechtsanwaltskanzlei MM verlassen habe, stelle dieses enttäuschte Vertrauen einen entschuldbaren Irrtum bzw. eine entschuldbare Fehlleistung gemäß § 9 FinStrG dar und sollte demnach bei richtiger Würdigung der Tatumstände straflos bleiben.

4) Sollte entgegen den obigen Ausführungen von einem fahrlässigen Verhalten des Beschuldigten auszugehen sein, so sei auf den gegenständlichen Sachverhalt die Bestimmung des § 34 Abs. 3 FinStrG anzuwenden, wonach, wenn sich ein Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig mache, er nur dann strafbar ist, wenn ihn ein schweres Verschulden treffe. Dazu habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz ausgeführt, dass der Bw zwar als Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes gehandelt habe, doch sei das Tatbestandsmerkmal "bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen" nicht erfüllt. Diese Beurteilung sei unrichtig.

Der Vorwurf der Finanzstrafbehörde erster Instanz laute, dass der Bw die für einen Parteienvertreter notwendigen Überprüfungshandlungen (etwa Einsicht in die Geschäftsbücher, Bilanzen, Steuererklärungen oder ins Grundbuch) nicht durchgeführt habe. Eine solche Überprüfung der ihm gegebenen Information, wonach die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, wäre jedoch im Rahmen der Berufsausübung des Bw als Rechtsanwalt erfolgt, sodass das Fehlverhalten des Bw auch in diesem Rahmen gesetzt worden sei. Diese dem Bw als Unterlassung vorgeworfenen mangelnden Überprüfungshandlungen würden die Kontrolle des Anfallens einer Steuer darstellen und daher im Rahmen der Berufsausübung bei der Vertretung und Beratung in Abgabensachen erfolgen. Auch die Regelung zu "Sechstens" des Abtretungsvertrages, wonach die Gesellschaft über keine Liegenschaft verfüge, stelle typischerweise auf das Grunderwerbsteuerrecht ab und erfolge daher bei der Vertretung in Abgabensachen.

5) Wenn im angefochtenen Erkenntnis auf Seite 5, sechster Absatz angeführt sei, dass sich der Bw auf eine Kürzung bei der Feststellung des Einheitswertes nach § 8 BewG berufen habe und diese Bestimmung keine Kürzungen des Einheitswertes enthalte, berufe sich der Bw für die Finanzstrafbehörde erster Instanz erkennbar auf die Regelung des § 53 Abs. 8 BewG, die eine Kürzung des Einheitswertes vorsehe, wenn die bebaute Fläche 2000 m² übersteige.

Es bestehe im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens keine Bindungswirkung an andere Bescheide der Finanzverwaltung (umso weniger an solche bezüglich des Einheitswertes einer Liegenschaft oder einem Superädifikat), an denen der Bw nicht mitgewirkt habe. Die Finanzstrafbehörde habe daher im Rahmen der Beweiswürdigung Feststellungen darüber zu treffen, ob der Bescheid über die Höhe des Einheitswertes richtig oder falsch sei. Die Finanzstrafbehörde sei im Rahmen des Vorbringens des Bw verpflichtet, den Einheitswertbescheid inhaltlich zu überprüfen und auf Basis dieser Verfahrensergebnisse einen strafbestimmenden Wertbetrag festzusetzen.

Neben der vorgebrachten und auch amtswegig durchzuführenden Kürzung nach § 53 Abs. 8 BewG habe der Bw in seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2006 weiters vorgebracht, dass laut Grundbuchsauszug das Grundstück Gst-x lediglich eine Baufläche für das Gebäude von 2109 m² ausweise, während in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes bebauter Grundstücke der STH-GmbH, eingelangt im Finanzamt Krems am 8. Juli 1994, zu Pkt. 2.1 die Gesamtgröße des Grundstücks Gst-x mit 2332,40 m² angegeben sei. Im Amtshilfeersuchen der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 15. Mai 2006 sei dieses Vorbringen enthalten, jedoch sei darauf vom Finanzamt Waldviertel in dessen Beantwortung vom 30. Mai 2006 nicht eingegangen worden. In diesem Vorgehen sei ein Verfahrensmangel begründet und wäre die Finanzstrafbehörde erster Instanz verpflichtet gewesen, den Einheitswert selbstständig zu ermitteln und damit einen strafbestimmenden Wertbetrag festzusetzen.

6) Die Finanzstrafbehörde erster Instanz gehe von einer Verkürzung an Grunderwerbsteuer in Höhe von € 15.164,64 aus und habe über den Bw eine Geldstrafe von € 5.000,00 verhängt. Dies entspreche knapp 33% der Grunderwerbsteuerverkürzung.

Eine Geldstrafe in dieser Höhe sei nicht tatschuldangemessen. Es bestehe jedenfalls kein schweres Verschulden des Bw und seien die von der Finanzstrafbehörde erster Instanz angeführten mildernden Umstände nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die verhängte Geldstrafe sei demnach tatschuldangemessen wesentlich herabzumindern.

Der Bw stelle den Antrag

- eine mündliche Berufungsverhandlung unter Ladung und Einvernahme des Bw zu seinem gesamten Vorbringen durchzuführen und

- seiner Berufung Folge zu geben, das angefochtene Erkenntnis des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz aufzuheben und das gegen den Bw eingeleitete Finanzstrafverfahren ohne Bestrafung einzustellen, in eventu die verhängte Geldstrafe tatschuldangemessen herabzumindern.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2011 wurde die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 22. Dezember 2010, FSRV/0113-W/06, mit der der Berufung vom 30. Juli 2006 teilweise Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG macht sich einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig, wer fahrlässig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Macht sich gemäß § 34 Abs. 3 FinStrG ein Notar, ein Rechtsanwalt oder ein Wirtschaftstreuhänder in Ausübung seines Berufes bei der Vertretung oder Beratung in Abgabensachen einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig, so ist er nur dann strafbar, wenn ihn ein schweres Verschulden trifft.

Gemäß § 8 Abs. 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet ist und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einen gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Zur Begründung wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2011, 2011/16/0039, verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 23. Dezember 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 34 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 34 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958

Stichworte