Die Rückgängigmachung des bloß obligatorischen Übereignungsanspruches aus dem Kaufvertrag ist kein Erwerbsvorgang iSd § 1 GrEStG 1987 (VwGH 26.5.2011, 2011/16/0002.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Radel Stampf Supper, Rechtsanwälte OG, 7210 Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien betreffend den Antrag vom 8. Juni 2010 auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer entschieden:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Der zwischen A.A., als Verkäufer, und B.B., als Käufer am 30. September2005 abgeschlossene Kaufvertrag lautet wie folgt:
I.1) Die verkaufende Partei ist zur Gänze grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. xxx Wald mit einem Flächenausmaß von yyy m2, inneliegend in EZ. 1.
2) Das vorgenannte Grundstück bildet nunmehr den "Kaufgegenstand".
II. Die verkaufende Partei, A.A., geb. 000, wohnhaft in aaa, österreichischer Staatsbürger, verkauft und übergibt, und die kaufende Partei B.B., geb. 111, österreichischer Staatsbürger und wohnhaft in bbb, kauft und übernimmt zur Gänze in sein Eigentum den unter Punkt 1. näher bezeichneten Kaufgegenstand mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör um den angemessenen und einvernehmlich vereinbarten Gesamtkaufpreis von € 5.000,00 (in Worten: EURO fünftausend).
III. Die Entrichtung des Kaufpreises in Höhe von € 5.000,00 an die verkaufende Partei erfolgt bei Vertragsunterfertigung und bestätigt die verkaufende Partei den Erhalt des Kaufpreises mit ihrer Unterschrift.
IV. Stich- und Verrechnungstag ist der Tag der Vertragsunterfertigung durch die kaufende Partei. Von diesem Tag an ist die kaufende Partei berechtigt, die Nutzungen zu ziehen und verpflichtet, die Lasten zu tragen. Mit diesem Tag gehen Gefahr und Zufall auf die kaufende Partei über. Auch die Übernahme und Übergabe des Kaufgegenstandes in den physischen und tatsächlichen Besitz der kaufenden Partei erfolgt zu dem genannten Tag. Die verkaufende Partei haftet für die gänzliche satz- und lastenfreie Übergabe der Liegenschaft, jedoch nicht für ein bestimmtes Ausmaß, einen bestimmten Ertrag oder eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufgegenstandes. Die kaufende Partei hat den Kaufgegenstand besichtigt und diesen für In Ordnung befunden.
V. Die Vertragsteile erklären, dass Ihnen der tatsächliche Wert des Kaufgegenstandes bekannt ist, und verzichten auf die Einwendung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes.
VI. Die für die Errichtung und grundbücherliche Einverleibung dieses Kaufvertrages auflaufenden Kosten, Gebühren, Grunderwerbsteuer samt Zuschlägen und allen anderen sich aus diesem Kaufvertrag ergebenden öffentlichen Abgaben und sonstigen Auslagen trägt die kaufende Partei.
VII. Herr A.A., geb. 000, wohnhaft in aaa, erklärt hiermit seine ausdrückliche, unwiderrufliche Zustimmung und Einwilligung, dass ohne sein weiteres Wissen und Einvernehmen aufgrund dieses Kaufvertrages ob dem in Punkt l näher bezeichneten Kaufgegenstand das Eigentumsrecht für B.B., geb. 111 wohnhaft in bbb, zur Gänze einverleibt wird.
Sofern für die Übertragung des Eigentumsrechtes Grundbuchshandlungen im Zuge von Ab- und Zuschreibungen vorzunehmen sind, erklären die Vertragsparteien dazu ihre ausdrückliche Zustimmung und Einwilligung.
VIII. Die kaufende Partei erklärt an Eides statt Österreichische Staatsbürgerin und Deviseninländerin zu sein.
Für diesen Erwerbsvorgang wurde dem Käufer mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 4. November 2005 die Grunderwerbsteuer mit € 175,00 vorgeschrieben und in der Folge von diesem entrichtet.
Der Verkäufer verstarb am 222.
Sein Vermögen wurde der Berufungswerberin, (Bw), als dessen Tochter, mit Beschluss des Bezirksgerichtes G. vom 8. September 2008 zur Gänze eingeantwortet.
In Unkenntnis des Kaufvertrages vom 30. September.2005 verkaufte diese am 31. Oktober 2009 das genannte Grundstück an das Ehepaar D.D.. Der Übergabestichtag war nach diesem Kaufvertrag der Zeitpunkt der Entrichtung des Kaufpreises € 5.500, welcher nach diesem Kaufvertrag bei Vertragsabschluss bereits entrichtet worden war.
Laut dem, in diesem Kaufvertrag enthaltenen, Grundbuchsauszug lag keine grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechtes des Eigentumsrechtes des B.B. vor.
Am 2. Juni.2010 wurde zwischen der Bw. und B.B. nachstehende Auflösungsvereinbarung abgeschlossen:
Mit in Kopie beigeschlossenem Kaufvertrag hat A.A. dem B.B. die dort näher bezeichnete Liegenschaft übertragen. Eine Verbücherung dieses Vertrages ist unterblieben. A.A. ist am 222 verstorben. Dessen Vermögen wurde seiner Tochter C.C. mit Beschluss des Bezirksgericht G. vom 08.09.2008 eingeantwortet. Der Erbin war oben bezeichneter Kaufvertrag nicht bekannt. Diese hat sodann das dem B.B. veräußerte Grundstück ihrerseits in Unkenntnis dieses Umstandes dem Ehepaar D.D. veräußert. Die Erfüllung des Anspruches des B.B. auf Eigentumserwerb ist durch diese weitere Veräußerung vereitelt worden, sodass dieser Anspruch wegen Verletzung einer Vertragspflicht nicht mehr erfüllt werden kann.
Auflösungsvereinbarung
Zum Zweck der Vermeidung eines Rechtsstreites haben nun die Vertragsteile in beiderseitigem Interesse den oben beschriebenen Kaufvertrag in Kenntnis der damit verbundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen mit schuldrechtlicher "Wirkung ex-tunc", daher mit Wirksamkeit per Vertragsunterzeichnung seinem gesamten Inhalte im Einvernehmen auf.
Rückstellungsverpflichtung
Sämtliche sich aus diesem Vertrag ergebenden wechselseitigen Rechte und Pflichten gelten demnach als mit Unterfertigung des Kaufvertrages und mit diesem Stichtag als aufgehoben, sodass alle auf Grund dieses Vertrages von einem Vertragsteil dem anderen erbrachten Leistungen unverzüglich zurückzustellen sind.
Dementsprechend hat Gerda Reismüller dem Ing.Wolfgang Poglitsch den seinerzeit bezahlten Kaufpreis in Höhe von € 5000,-- bereits rückerstattet worüber dieser mit Vertragsunterzeichnung quittiert. Eine Rückstellung der Liegenschaft ist nicht erforderlich, da diese niemals in dem Besitz des Käufers gelangte.
keine Rückstellung gezogener Früchte
Die aus den empfangenen und nun zurückzustellenden Leistungen zwischenzeitig gezogenen Nutzungen und Früchte gelten als verrechnet und sind nicht zurückzuerstatten.
Vertragskosten, Original und Ausfertigungen
Alle mit der Errichtung dieses Vertrages verbundenen Kosten, Steuern und Gebühren trägt, unbeschadet der alle Vertragsteile hiefür treffenden gesetzlichen Solidarhaftung, die erwerbende Partei, welche auch den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt hat.
Die Vertragsteile verweisen auf § 17 Abs. 1 Zif. 2 GrEStG wonach bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges wegen nicht Erfüllung von Vertragsbestimmungen Grunderwerbsteuer auf Antrag nicht festgesetzt wird bzw. eine bereits festgesetzte Steuer entsprechend abzuändern ist und § 17 Abs. 2 leg cit wonach diese Bestimmungen sinngemäß gelten, wenn zur Durchführung der Rückgängigmachung ein Rechtsvorgang erforderlich ist der einen steuerlichpflichtigen Erwerbsvorgang darstellt.
Das Original dieses Vertrages gebührt der erwerbenden Partei. Der übergebenden Partei sind über deren Verlangen auf ihre Kosten einfache oder beglaubigte Abschriften in beliebiger Anzahl zu erteilen.
Am 8.6.2010 beantragte die Bw, durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter, gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Wien "für diese Auflösungsvereinbarung die Grunderwerbsteuer nicht festzusetzen".
Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 16 .Juni 2010 wurde gegenüber der Bw. hinsichtlich des Erwerbsvorganges laut Auflösungsvereinbarung die Grunderwerbsteuer mit € 175,00 festgesetzt. Als Gegenleistung wurde der vormalige Kaufpreis von € 5000,00, zugrunde gelegt. Als Begründung wurde- unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.1998, Zl.98/16/0015- ausgeführt, dass die Vereinbarung, welche zur Rückgängigmachung des Kaufes vom 30.9.2005 geführt hatte, nicht- wie in §17 Abs.2 GrEStG gefordert- zwischen den Vertragspartnern angeschlossen worden war, zwischen welchen der seinerzeitige Erwerbsvorgang vereinbart worden war.
Dagegen erhob die Bw. durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung. Als Begründung dazu führte sie aus, dass es sich weder aus § 17 GrEStG noch aus dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ableiten ließe, dass der Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge zu einer Änderung der Parteienidentität führen würde. Die sich in dem bekämpften Bescheid manifestierende Rechtsansicht der Abgabenbehörde erster Instanz würde zu,"durch in den Lebensumständen begründete, Zufälligkeiten führen: ist der Vertragspartner aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen zur Geltendmachung seiner Rechte gehindert (z.B. weil er von seinem Anspruch auf Rückgängigmachung keine Kenntnis hatte ) und der Vertragspartner vor Kenntnisnahme verstirbt, wäre den Anspruchsberechtigten jegliche Möglichkeit zur Geltendmachung des Nichtfestsetzungs- bzw. -Abänderungsanspruches genommen".
Auch Fellner würde in Grunderwerbsteuer Rz 10 zu § 17 die Rechtsansicht vertreten, dass es dem Rechtsnachfolger im Erbwege zustände, den Erwerbsvorgang aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig zu machen, wenn eine Vertragsbestimmung nicht erfüllt wird.
Diese Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom 7 .Juli 2010 als unbegründet abgewiesen. Als Begründung dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Maßgabe des Gesetzeswortlautes des § 17 Abs.2 GrEStG, auf die physischen Personen des seinerzeitigen Erwerbsvorganges abgestellt werde, und daher im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger nicht als ident anzusehen wären. Nur wenn die Vereinbarung zur Rückgängigmachung von den identen Personen des seinerzeitigen Rechtsvorganges abgeschlossen worden wäre, würde das Antragsrecht gemäß § 17 GrEStG auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen.
Dagegen brachte die Bw. durch ihren ausgewiesenen rechtlichen Vertreter fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 276 Abs.2 Bundesabgabenordnung, (BAO), an den Unabhängigen Finanzsenat,(UFS), ein und führte dazu- in Replik auf den Inhalt der Berufungsvorentscheidung- aus, dass der Wortlaut des § 17 Abs.2 GrEStG die Anwendung des § 19 BAO nicht einschränken würde. Eine Verweigerung der Begünstigung des § 17 Abs.2 GrEStG bei einer Gesamtrechtnachfolge würde mit dem Wesen der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer in Widerspruch stehen .Der RFH habe diese Begünstigung auch dann gelten lassen, wenn nach dem Tod einer der ursprünglichen Vertragsparteien an die Stelle des Verstorbenen sein Erbe als Gesamtrechtsnachfolger tritt, der als Partei am Rückerwerb beteiligt ist. Auch Czurda in seinem seinerzeitigen Standardwerk zur Grunderwerbsteuer (Nachweise bei Takacs GrEStG, Rz 4.3. zu § 17) würde diese Rechtsansicht vertreten.
Der UFS wies diese Berufung mit Berufungsentscheidung vom 19.11.2010 als unbegründet ab. Als Begründung dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die begünstigende Bestimmung des § 17 Abs.2 GrEStG schon deshalb nicht zur Anwendung gelangen könne, weil keine Rückgängigmachung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn des ersten Erwerbsvorganges ( Kaufvertrag vom 9. September 2005) vorliegen würde, da die Bw. vor Abschluss der Auflösungsvereinbarung vom 2. Juni 2010, die verfahrensgegenständliche Liegenschaft bereits mit Kaufvertrag vom 31. Oktober 2009 an Zweitkäufer veräussert hatte, sodass sie nicht die Verfügungsmacht erlangt hätte, die ihr Gesamtrechtsvorgänger bei Abschluss des Kaufvertrages vom 30. September 2005 innegehabt hatte.
Dagegen erhob die Bw. fristgerecht Beschwerde an den VwGH.
Mit Erkenntnis vom 26. Mai 2011, Zl. 2011/16/0002, hob der VwGH diesen bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Über die Berufung wurde erwogen:
Die auf den zu beurteilenden Fall bezogenen wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1987, (GrEStG), lauten in ihrer verfahrensrelevanten Form wie folgt:
Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden. (§ 17 Abs.1 Z 2 GrEStG)
Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs.1 Z 1, 2 und 4 sinngemäß. (§17 Abs.2 GrEStG)
Mit dem o.a. Erkenntnis stellt der VwGH, im Hinblick auf die aufgezeigte Begründung, der diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden, Berufungsentscheidung, im Wesentlichen fest:
Im Falle des § 17 Abs.2 GrEStG 1987 stellt der " Rückerwerb" selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG 1987 dar. Allerdings stellt die Rückgängigmachung eines bloß obligatorischen Übereignungsanspruches keinen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG 1987 dar. Sie unterliegt daher auch nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. die zur vergleichbaren Rechtslage nach § 20 GrEStG 1955 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 11 .Juni 1981, Zl. 16/1235, 1379, 1380/80 und vom 13 .März 1986, Zl. 84/16/0196).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die kaufende Partei des Kaufvertrages vom 30 . September 2005 niemals als Eigentümer im Grundbuch einverleibt wurde. Nachdem die verfahrensgegenständliche Liegenschaft aufgrund des weiteren Kaufvertrages vom 31 .Oktober 2009 an die Zweitkäufer auch übereignet, d.h. die Zweitkäufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren, war die Erfüllung des ersten Kaufvertrages (nachträglich) unmöglich geworden, woraus der kaufenden Partei des ersten Kaufvertrages schon von Gesetz wegen, nämlich nach § 920 ABGB und ohne dass es dazu noch einer eigenen vertraglichen Bestimmung bedurft hätte, ein Anspruch auf "Rückgängigmachung" zukam ( vgl. das zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag sowie Aicher in Rummel, Kommentar zum ABGB, I³, Rz 10f zu § 1053 mwN). Unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Rechtssprechung stelle jedoch die Rückgängigmachung des bloß obligatorischen Übereignungsanspruches aus dem Kaufvertrag vom 30 .September 2005 keinen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG 1987 dar, weshalb schon aus diesem Grund die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für diesen Rechtsvorgang rechtswidrig war, die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 17 Abs.2 GrEStG 1897 war daher nicht mehr zu überprüfen.
Im Lichte dieser rechtlichen Ausführungen war daher im fortgesetzten Verfahren der Berufung stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 11. Juli 2011
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 17 Abs. 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |