UFS RV/0009-F/09

UFSRV/0009-F/0928.12.2010

Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte eines in Österreich ansässigen Bediensteten der Liechtensteinischen Post AG

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bf., gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungsführer ist bei der Liechtensteinischen Post AG als Bereichsleiter nichtselbständig tätig, wobei er in der Regel arbeitstäglich zwischen seinem (grenznahen) inländischen Wohnsitz und seinem (grenznahen) Arbeitsplatz in Liechtenstein pendelt.

Nachdem die daraus resultierenden Einkünfte in den Vorjahren den eingereichten Erklärungen entsprechend jeweils der inländischen Besteuerung unterzogen worden waren, ging der Berufungsführer betreffend das Jahr 2007 gestützt auf ein Schreiben der Liechtensteinischen Post AG vom 20. März 2008, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Liechtensteinische Post AG mit Entscheid vom 20. Oktober 2006 sowohl von der Liechtensteinischen als auch von der eidgenössischen Steuerverwaltung als öffentlich-rechtliche Unternehmung klassifiziert worden sei, was - nach Rücksprache mit der Liechtensteinischen Steuerverwaltung - für alle MitarbeiterInnen ua. mit Wohnsitz in Österreich (sogenannte GrenzgängerInnen) bedeute, dass ihr Lohn von der Liechtensteinischen Post AG ab 1. Jänner 2007 ausschließlich in Liechtenstein steuerpflichtig sei, von einem liechtensteinischen Besteuerungsrecht aus.

Das Finanzamt verneinte die Anwendbarkeit der Bestimmung des Art. 19 DBA-Liechtenstein und behandelte die Einkünfte aus der Grenzgängertätigkeit des Berufungsführers im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 als in Österreich steuerpflichtig.

Dagegen wandte sich der Berufungsführer mit Berufung und nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung, in der das Finanzamt darauf hinwies, dass die Vergütungen weder vom Fürstentum Liechtenstein noch einer seiner Gebietskörperschaften noch aus einem vom Fürstentum Liechtenstein oder einer seiner Gebietskörperschaften errichteten Sondervermögen bezahlt worden seien und die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 19 DBA-Liechtenstein daher nicht gegeben seien, mit Vorlageantrag. Begründend verwies er im Wesentlichen auf ein Schreiben der Liechtensteinischen Steuerverwaltung vom 18. November 2008, in dem bestätigt wird, dass die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit bei der Liechtensteinischen Post AG gemäß Art. 19 DBA-Liechtenstein in Liechtenstein steuerpflichtig seien.

Auf Vorhalt der Abgabenbehörde zweiter Instanz teilte der Berufungsführer mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 mit, er sei für die komplette IT-Infrastruktur der Liechtensteinischen Post AG verantwortlich. Sein Verantwortungsbereich umfasse folgende Tätigkeiten:

- Sicherstellung einer hoch verfügbaren IT-Infrastruktur für die einzelnen Bereiche wie die Poststellen, das Verteilerzentrum, die Philatelie und die administrativen Abteilungen;

- Betrieb der an den Schaltern der Poststellen für das tägliche Kundengeschäft notwendigen Applikationen;

- Unterhalt und Weiterentwicklung der für den Betrieb der postalischen Dienstleistungen und Verrechnung notwendigen Serverinfrastruktur und den dazu gehörenden Applikationen (ERP-System, Datawarehouse usw.);

- Betrieb und Weiterentwicklung des postalischen Adressmanagementsystems für die automatische und händische Brief- und Paketsortierung sowie der Zustellung;

- Verantwortung für den Informatikteil beim Aufbau der automatischen Briefsortieranlage;

- Unterhalt der Schnittstellen und Vernetzung zwischen der Liechtensteinischen Post und der schweizerischen Post unter anderem für das Track & Trace (Briefe, Gerichtsurkunden und Pakete) und den Zahlungsverkehr;

- Datenaufbereitung für die statistischen Mengenerhebungen der Briefpost und der Paketpost;

- Datenbereitstellung für die Rechnungsstellung postalischer Dienstleistungen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein werden Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens 4 v.H. im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.

Nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dürfen Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Nach Art. 19 Abs. 2 DBA-Liechtenstein finden auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, die Art. 15, 16 und 18 Anwendung.

Abweichend von Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein, der das Besteuerungsrecht bezüglich Grenzgängern grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zuweist, erfolgt die Besteuerung öffentlicher Bezüge im Sinne des Art. 19 DBA-Liechtenstein somit regelmäßig in jenem Staat, der die Bezüge auszahlt (Kassenstaatprinzip). Voraussetzung für die Anwendung des Kassenstaatprinzips nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein ist einerseits die Leistung von Diensten für den Staat oder eine Gebietskörperschaft bzw. ein von diesen errichtetes Sondervermögen, wobei die erbrachten Dienstleistungen nicht im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit der öffentlichen Hand bzw. der betreffenden Einrichtung stehen dürfen, und andererseits die "Ausübung einer öffentlichen Funktion".

Das Tatbestandsmerkmal "in Ausübung öffentlicher Funktionen" ist weder im DBA-Liechtenstein noch im OECD-Musterabkommen 1963, in dem dieser Wortlaut ebenfalls noch enthalten war, näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Tatbestandsmerkmal einer in einer öffentlichen Funktion ausgeübten Tätigkeit in seinem ebenfalls zu Art. 19 DBA-Liechtenstein ergangenen Erkenntnis vom 21.3.1996, 94/15/0128, betreffend einen an einem Krankenhaus beschäftigten Diplomkrankenpfleger, ausgesprochen, dass der an die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers und nicht (allein) an den Aufgabenbereich der betreffenden Einrichtung anknüpfende Begriff der "öffentlichen Funktionen" nicht dem Begriff der "Wahrnehmung von Aufgaben des Staates oder einer Gebietskörperschaft" gleichgesetzt werden könne, sondern vielmehr auf jene Dienstnehmer Bezug nehme, die als Organe bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben tätig würden. Dabei sei zu bemerken, dass das Kassenstaatsprinzip dem Prinzip der Achtung der Souveränität der Vertragstaaten dienen solle. Wenn die Vertragstaaten das Kassenstaatsprinzip nicht allein an die Auszahlung der Bezüge aus öffentlichen Kassen bzw. umfassend an den Umstand einer Dienstleistung für die öffentliche Hand unter der Einschränkung der Erwerbsklausel anknüpften, sondern darüber hinaus an ein zusätzliches, auf die "öffentliche Funktion" des Betreffenden bezogenes Merkmal, erscheine es auch unter dem Gesichtspunkt der Staatensouveränität sachgerecht, das erwähnte Merkmal auf die Wahrnehmung hoheitlicher Staatsaufgaben zu beziehen.

Der Hoheitsbereich eines Staates wiederum ist nach dem Erkenntnis vom 4.11.1998, 93/13/0201, betreffend Art. 19 DBA-Italien, gekennzeichnet von der Ausübung hoheitlicher Gewalt. Mit dieser würden den Bürgern Rechte zuerkannt und Pflichten auferlegt, deren Umsetzung in die Wirklichkeit im öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und in der Regel mit der Erlassung individueller normativer Akte erfolge. Eine künstlerische Darbietung könne darunter nicht subsumiert werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Künstler in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen sollte. Auch solche Personen könnten nämlich im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung von Gebietskörperschaften tätig werden.

Ebenso stellt der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 19.9.2007, 2007/13/0080, vom 17.10.2007, 2007/13/0088, und vom 21.11.2007, 2007/13/0087, betreffend Art. 20 DBA-Spanien ("Öffentlicher Dienst"), in dem ebenfalls vorgesehen ist, dass die Dienste "in Ausübung öffentlicher Funktionen" erbracht werden müssen, auf die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben, konkret auf die Erlassung individueller Verwaltungsakte (Bescheide) ab. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bejaht, wenn ein Angestellter bei einer österreichischen Pensionsversicherungsanstalt mit dem Vollzug der Sozialversicherungsgesetze im Bereich der Pensionsversicherung und der Setzung der damit zusammenhängenden Verwaltungsakte (zB die Feststellung hinsichtlich des Ausmaßes von Leistungsansprüchen sowie die bescheidmäßige Erledigung) betraut ist (VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080). Bürohilfstätigkeiten und Tätigkeiten in der EDV-Abteilung (Betreuung, Wartung, Optimierung und Überwachung der EDV-Betriebsanlagen) einschließlich Personalführung bei der selben Pensionsversicherungsanstalt fallen demgegenüber nicht in den Bereich der Ausübung öffentlicher Funktionen, selbst wenn diese indirekt die hoheitliche Verwaltung und die Vollzugsorgane unterstützen (VwGH 17.10.2007, 2007/13/0088).

Der Begriff der "öffentlichen Funktion" knüpft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit an die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers und nicht - wie vom Bundesministerium für Finanzen vertreten (vgl. ARD 5925/14/2009; Erlass des BMF vom 15.12.2008, BMF-010221/3364-IV/4/2008) - allein an den Aufgabenbereich der betreffenden Einrichtung an. Darüber aber, dass der Berufungsführer nicht in Ausübung öffentlicher Funktionen im dargelegten Sinne tätig war, kann angesichts des geschilderten Tätigkeitsbereichs kein Zweifel bestehen, kam ihm doch keinerlei Befugnis zur Erlassung individueller Verwaltungsakte zu. Die Kassenstaatregelung des Art. 19 DBA-Liechtenstein kommt somit schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung und fallen die in Rede stehenden Einkünfte des Berufungsführers daher unter die Zuteilungsregelung des Art. 15 DBA-Liechtenstein. Folglich kann dahingestellt bleiben, ob die Liechtensteinische Post AG, nachdem ihr den vorgelegten Unterlagen zufolge der Rechtsstatus eines öffentlich rechtlichen Unternehmens zugesprochen wurde, als vom Fürstentum Liechtenstein errichtetes Sondervermögen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 des Abkommens anzusehen sein sollte bzw. ob im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit der Liechtensteinischen Post AG stehende Dienstleistungen erbracht wurden und die sogenannte "Erwerbsklausel" des Art. 19 Abs. 2 DBA-Liechtenstein eine Anwendung der Vorschriften des Art. 15 DBA-Liechtenstein bewirkt.

Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein sind unbestritten gegeben und kommt das ausschließliche Besteuerungsrecht im Berufungsfall sohin Österreich zu. Dass die Liechtensteinische Steuerverwaltung im Schreiben vom 18. November 2008 die Steuerpflicht der Bezüge in Liechtenstein bestätigt hat, steht dem nicht entgegen, besteht doch keine Bindung an eine solche Bestätigung (vgl. VwGH 26.07.2000, 97/14/0070). Zudem ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, worauf die Liechtensteinische Steuerverwaltung ihre Beurteilung stützt. Auch mit dem Hinweis im Schreiben der Liechtensteinischen Post AG vom 20. März 2008, dass es sich um eine Unternehmung des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des Steuerabkommens Liechtenstein-Schweiz handle, ist für den Berufungsführer nichts zu gewinnen. Nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über verschiedene Steuerfragen können ua. Vergütungen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an eine natürliche Person für die der juristischen Person geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat, d.h. im Kassenstaat, besteuert werden. Die Regelung für öffentliche Bezüge nach diesem Abkommen umfasst damit - anders als Art. 19 DBA-Liechtenstein - ausdrücklich auch Vergütungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Zudem sieht Art. 7 des Abkommens zwischen Liechtenstein und der Schweiz auch weder die Einschränkung auf für in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachte Dienste gezahlte Vergütungen noch eine Erwerbsklausel vor und ist der Regelungsinhalt dieser Bestimmung damit in keiner Weise mit jener des Art. 19 DBA-Liechtenstein vergleichbar.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Feldkirch, am 28. Dezember 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

Art. 15 Abs. 4 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
Art. 19 Abs. 1 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971

Verweise:

VwGH 19.09.2007, 2007/13/0080
VwGH 17.10.2007, 2007/13/0088
VwGH 21.11.2007, 2007/13/0087
VwGH 26.07.2000, 97/14/0070
VwGH 21.03.1996, 94/15/0128

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