UFS RV/2642-W/07

UFSRV/2642-W/0720.9.2010

Wiederaufnahme von Amts wegen bei mangelhafter Begründung

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Pavlik, Mag. Belinda Maria Eder und Walter Supper im Beisein der Schriftführerin über die Berufung der Bw., vertreten durch Stb., vom 20. April 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg vom 30. März 2006 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 und Einkommensteuer 2002 sowie betreffend Umsatzsteuer 2002 und Einkommensteuer 2002, nach der am 15. September 2010 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 und Einkommensteuer 2002 wird Folge gegeben.

Diese Bescheide werden aufgehoben.

Die Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2002 und Einkommensteuer 2002 wird als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt (FA) erließ am 11.3.2004 Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002.

Am 3.3.2006 versandte das FA einen Vorhalt betreffend "Anschaffungskosten der Wohnung GasseNr", in dem geplante steuerliche Auswirkungen betreffend Umsatzsteuer 2002, dass nämlich die Vorsteuer aus der Rechnung der ARGE Ausbau GasseNr "Abrechnung Bauauftrag" nicht abgezogen werden könne, die Gründe hiefür und die daraus folgenden Auswirkungen bei der Einkommensteuer durch die sich ergebenden Änderungen der AfA-Bemessungsgrundlage dargestellt wurden.

Mit Schreiben vom 27.3.2006 beantwortete die Bw diesen Vorhalt und bestritt das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen.

Am 30.3.2006 erließ das FA Wiederaufnahmebescheide gemäß § 303 Abs 4 BAO betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002 und führte als Begründung für die Wiederaufnahme jeweils aus:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Gleichzeitig wurden neue Sachbescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002 erlassen und in der Begründung jeweils ausgeführt:

"Der im Vorhalt vom 3.3.2006 dargelegte Sachverhalt wurde durch das Schreiben vom 24.3.2006 nicht widerlegt, sodass die Voraussetzungen für eine amtliche Wiederaufnahme gegeben sind. Auf die Sachverhaltsdarstellung vom 3.3.2006 wird neuerlich hingewiesen. Im übrigen wurde die gegenständliche Wohnung im vermieteten Zustand erworben."

In der Berufung vom 20.4.2006 wurde iw vorgebracht, die Begründung des Wiederaufnahmebescheides sei nicht ausreichend, da keine Wiederaufnahmegründe angegeben seien. Zur Umsatzsteuer wurden inhaltliche Ausführungen zum Vorsteuerabzug vorgebracht.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20.4.2006 wurde die Berufung betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2002 begründe sich in der am Abgabenbescheid ausführlich dargestellten Begründung.

Die Bw stellte am 2.8.2006 den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.

Die Amtspartei brachte am 25.2.2010 einen Schriftsatz beim UFS ein, in dem Überlegungen zur Vorsteuerabzugsberechtigung der Bw getätigt wurden.

Die Bw verwies in ihrem Schriftsatz vom 18.8.2010 einerseits auf das Fehlen von Wiederaufnahmegründen in der Begründung der Wiederaufnahmebescheide und andererseits darauf, dass auch die Begründung in den Sachbescheiden (bei rechtswidriger Unterstellung, dass die Ausführungen im Sachbescheid als Begründung des Wiederaufnahmebescheides anzusehen sind) im Lichte des Erkenntnisses des VwGH vom 25.2.2009, Zl 2006/13/0128, keine tauglichen Wiederaufnahmegründe darstellten.

In der am 15. September 2010 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Senat wurde von Seiten der Bw ergänzend ausgeführt, aG der Rechtsansicht, dass das Verfahren zu Unrecht wieder aufgenommen worden sei, würden sich Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des Sachbescheides erübrigen.

Die Vertreter der Amtspartei brachten iw vor, eine Verknüpfung zwischen Wiederaufnahme- und Sachbescheid sei zulässig. Es sei zB möglich, im Wiederaufnahmebescheid auf eine bestimmte Tz eines Bp-Berichtes zu verweisen. Im ggstdl Fall sei für den Stpfl aus dem zugleich erlassenen neuen Sachbescheid ersichtlich, auf welche neuen Tatsachen sich die Wiederaufnahme gründe. Auch eine solche Verknüpfung sei nach der Judikatur des UFS möglich, wobei die etwaige fehlende Verknüpfung auch im Zuge einer BVE hergestellt werden könne. Inhaltlich sei die Sanierungsleistung von der ARGE an die KEG erbracht worden. Die Sanierung des Hauses sei Ende 2001 abgeschlossen worden; die Bw habe die Wohnung erst im März 2002 erworben; damit sei klar, dass der Leistungsgegenstand der an sie ergangenen Rechnung, nämlich die Sanierungsaufwendungen, nicht zutreffen könnte. Daher stehe der Bw der Vorsteuerabzug nicht zu.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Wortlaut der Bescheidbegründungen ist unbestritten und obigem Verfahrensablauf zu entnehmen.

Strittig ist, ob die amtswegige Wiederaufnahme zu Recht erfolgte.

Aus rechtlicher Sicht ist auszuführen wie folgt.

Gemäß § 303 Abs 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs 1 lit a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 303 Abs 1 lit a und c leg cit lauten: Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der Bestimmung des § 307 Abs 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden.

Wie jeder andere Bescheid bedarf auch der die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügende Bescheid einer Begründung (s § 93 BAO). Diese Begründung hat die Wiederaufnahmegründe, also die Tatsachen und Beweise anzugeben, die neu hervorgekommen sind. Weiters muss auch die Qualifikation dieser Umstände als bedeutsam für den anders lautenden Spruch des neuen Sachbescheides dargelegt werden. Neben diesen zwei Erfordernissen hat die Begründung auch die für die Ermessensentscheidung maßgebenden Umstände zu enthalten (siehe Ritz, BAO-Kommentar 2. Auflage, RZ 3 zu § 307 und die dort zitierte Judikatur, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 2943, Orac 1994). Eine bloß schematische, floskelhafte Begründung, die auf die individuellen Verhältnisse des konkreten Falles nicht Bedacht nimmt und sich in ihrer Allgemeinheit auf jeden anderen Fall anwenden ließe, ist dabei nicht ausreichend. Allerdings wird die Begründung des Ermessens dann nicht fehlerhaft sein, wenn in Fällen einer offensichtlichen Verletzung der Anzeige- Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die Zweckmäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung begründet und zudem dargelegt wird, dass auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (welches Tatbestandsmerkmal sich auf die Interessen des Abgabepflichtigen bezieht) in Anbetracht der Rechtsverletzung des Abgabepflichtigen die gebotene Interessensabwägung zu einem Übergewicht der Gründe der Zweckmäßigkeit der Wiederaufnahme und damit zu einer Richtigstellung der Besteuerung geführt hat (vgl Stoll, aaO, S 2944).

Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind nach der oben angeführten Gesetzesbestimmung zwar miteinander zu verbinden, es handelt sich jedoch rechtlich um zwei voneinander getrennte Bescheide, die jeder für sich zu begründen ist und die auch jeder für sich einer Berufung zugänglich ist (siehe Ritz, aaO, RZ 7 zu § 307).

Im Wiederaufnahmebescheid ist bzw sind - wie eingangs ausführlich dargelegt - der Wiederaufnahmetatbestand bzw die -tatbestände und die Gründe für die gebotene Ermessensübung darzulegen. Im neuen Sachbescheid müssen die konkreten Änderungen gegenüber dem bisherigen Sachbescheid ausgeführt sein.

Gemäß § 289 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz - außer in den Fällen des Abs 1 - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und sie kann demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.

Wie bereits dargestellt, ist die Wiederaufnahme von Amts wegen nur aus den im Gesetz angeführten Wiederaufnahmegründen zulässig. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als Gründe zur Wiederaufnahme des Verfahrens herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen jedoch die gemäß § 305 Abs 1 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde.

Daraus folgt, dass Sache, über die die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs 2 BAO selbst zu entscheiden hat, bei einer Berufung der Partei gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs 1 BAO zuständige Finanzamt, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen sein kann. Das sind jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hatte.

Unter "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid, wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen, wird die Identität der Sache, über die erstinstanzlich abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde. Die Rechtsmittelbehörde darf die Wiederaufnahme daher nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die vom Finanzamt nicht herangezogen wurden. Sie darf nur die von der die Wiederaufnahme verfügenden Behörde geprüften und herangezogenen Gründe (die verfahrensbestimmend gewesenen gleichen tatsächlichen Grundlagen) einer anderen rechtlichen Wertung unterziehen.

Aufgabe der Berufungsbehörde bei Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist daher, zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wiederaufnehmen durfte. Nicht geprüft werden darf jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Die Beschränkung der Berufungsbehörde auf die - auf diese Weise zu beurteilende - Sache erster Instanz schließt somit aus, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz neue Wiederaufnahmegründe einführt und dadurch an Stelle der Behörde, die gemäß § 305 Abs.1 BAO für die Wiederaufnahme zuständig ist, aus anderen Gründen die Wiederaufnahme bewilligt.

Verstößt die Berufungsbehörde gegen diese Beschränkung auf die Sache des Berufungsverfahrens, belastet sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat dieses die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss die Berufungsbehörde daher den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben.

In der Folge ist es dann dem Finanzamt überlassen, ob es allfällige andere Wiederaufnahmegründe aufgreift und zu einer (neuerlichen) Wiederaufnahme heranzieht. Dass die Berufungsbehörde keine "neuen" Wiederaufnahmegründe einführen darf, ist auch durch die zeitliche Begrenzung der Wiederaufnahme, wie sie sich aus § 304 BAO ergibt, geboten. Auch kann wohl in erster Linie nur die gemäß § 305 Abs 1 BAO zuständige Behörde beurteilen, welche Tatsachen und Beweismittel ihr anlässlich der seinerzeitigen Sachentscheidung noch nicht bekannt waren (vgl VwGH, 14.5.1991, 90/14/0262; 30.11.1999, 94/14/0124; 2.2.2000, 97/13/0199; Stoll, aaO S 2803).

Überträgt man diese Ausführungen auf den gegenständlichen Berufungsfall, so ergibt sich Folgendes:

Die Wiederaufnahmebescheide weisen als Begründung ausschließlich die inhaltleere Floskel auf, wonach auf "neu hervorgekommene Tatsachen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die allein oder in Verbindung mit einem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten", verwiesen wird. Die Bescheide beinhalten somit überhaupt keine Wiederaufnahmegründe, sondern nur einen standardisierten Textbaustein ohne spezifische Ausführungen. (Siehe Berufungsentscheidung des UFS v 28.7.2004, Zl RV/0658-L/03). Aus den bekämpften (Wiederaufnahme-) Bescheiden ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt hat. Das Finanzamt verabsäumte jedoch in seiner Begründung der Wiederaufnahmebescheide, die "neu hervorgekommenen Tatsachen" und das "sonstige Ergebnis des Verfahrens" dezidiert zu benennen und diese näher auszuführen. Da aus den angefochtenen Bescheiden somit nicht nachvollziehbar ist, auf welche neu hervorgekommenen Tatsachen oder auf welches Ergebnis des Verfahrens sich die Wiederaufnahmen der Verfahren stützen, erfolgte die Wiederaufnahme in Wahrheit ohne Begründung durch das Finanzamt.

Hieran können auch die Begründungsausführungen zu den (Sach)Bescheiden betreffend Umsatz- und Einkommensteuer nichts ändern, da der Begründungsmangel der bekämpften Bescheide auf Grund eines fehlenden Verweises in diesen auf die angeführten Begründungsausführungen in den Sachbescheiden nicht nachgeholt werden kann.

Darüber hinaus kann auch die Bescheidbegründung in der Berufungsvorentscheidung betreffend Wiederaufnahme (siehe oben) den Begründungsmangel der angefochtenen Wiederaufnahmebescheide nicht sanieren. Dies deshalb, weil auch in einer Berufungsvorentscheidung dieselben Grenzen zu beachten sind, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach der oben angeführten Rechtsprechung gesetzt sind: auch in der Berufungsvorentscheidung darf nur eine Entscheidung getroffen werden, die dem Gegenstand nach bereits mit dem angefochtenen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz zu behandeln war (siehe Stoll, aaO, Seite 2712). Da nach dem oben Gesagten die Berufungsbehörde von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht herangezogene Gründe für eine Verfahrenswiederaufnahme nicht nachträglich in der Berufungsentscheidung einführen darf, ist es somit auch dem Finanzamt verwehrt, derartige Gründe - in diesem Fall: Verweis auf den Sachbescheid - in der Berufungsvorentscheidung über den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens erstmals heranzuziehen.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch die in den Sachbescheiden enthaltene Begründung für die Wiederaufnahme (abgesehen von dem fehlenden Verweis in den Wiederaufnahmebescheiden) nur dann ein tauglicher Grund für die Wiederaufnahme von Amts wegen sein könnte, wenn es sich um neue Tatsachen handelt, die allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, was im Lichte der aufhebenden Erkenntnisse des VwGH vom 25.2.2009, Zl 2006/13/0128 ua, der daraufhin ergangenen Berufungsentscheidungen des UFS und der erfolgten Aussetzung ggstdl Falles zum zit Verfahren vor dem VwGH zu prüfen wäre.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch die in den Wiederaufnahmebescheiden seitens des Finanzamtes vorgenommene untaugliche Begründung nicht vom Vorliegen neu hervor gekommener Tatsachen oder Beweismittel ausgegangen werden kann. Das Finanzamt hat somit die Wiederaufnahme auf keinen im Gesetz vorgesehenen Wiederaufnahmegrund gestützt. Da die Wiederaufnahmebescheide auch keinen Verweis auf die Sachbescheide enthalten und allfällige Gründe für eine Wiederaufnahme weder in der Berufungsvorentscheidung noch in der Berufungsentscheidung nachgeholt werden dürfen, ist der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002 Folge zu geben und die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide des Finanzamtes sind ersatzlos zu beheben.

Mit der ersatzlosen Aufhebung dieser Bescheide scheiden die vom Finanzamt in Verbindung mit der Wiederaufnahmeverfügung neu erlassenen Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002 gemäß § 307 Abs 3 BAO aus dem Rechtsbestand aus. Die Berufung gegen die Sachbescheide war daher als gegenstandslos (geworden) zurückzuweisen. Das Verfahren tritt somit wieder in die Lage zurück, in der es sich vor der Wiederaufnahme befunden hat.

Wien, am 20. September 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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