Zurücknahmebescheid durch den UFS, wenn einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes nicht (ausreichend) entsprochen wurde
Entscheidungstext
Bescheid
Die Berufung der X, vom 1. März 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom 3. Februar 2010 betreffend Familienbeihilfe gilt gemäß § 85 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) als zurückgenommen.
Begründung
Die Berufungswerberin beantragte am 15.12.2009 mittels Formblatt Beih 1 die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn Y, der in der Zeit vom 1.9.2009 bis zum 22.12.2009 einen Lehrgang zum Nukleartechniker im Zuge der Bildungskarenz absolvierte.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 3.2.2010 diesen Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2009 ab, da es sich bei dem erwähnten Lehrgang um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes handle.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom 1.3.2010 Berufung erhoben. Diese Eingabe war jedoch nicht unterschrieben.
Das Finanzamt forderte daher die Berufungswerberin mit Mängelbehebungsauftrag vom 9.4.2010 auf, den angeführten Mangel (Fehlen der Unterschrift) "beim Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum 30.04.2010 zu beheben." Bei Versäumung dieser Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.
Am 3.5.2010 langte beim Finanzamt eine mit 29.4.2010 datierte Eingabe der Berufungswerberin mit folgendem Inhalt ein: "Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit wird die Unterschrift der Berufung nachgereicht." Diese Eingabe war von der Berufungswerberin unterschrieben, als Beilage wurde der Mängelbehebungsauftrag vom 9.4.2010 angeschlossen. Das Datum der Postaufgabe dieser Eingabe ist nicht aktenkundig.
Am 17.5.2010 legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
§ 85 Abs. 2 BAO in der ab 26.3.2009 geltenden Fassung des BGBl I 2009/20 normiert: Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Da die Berufung vom 1.3.2010 nicht unterschrieben war, trug das Finanzamt der Berufungswerberin zu Recht mit Mängelbehebungsauftrag vom 9.4.2010 die Behebung dieses Mangels auf, und gewährte dazu eine Frist bis 30.4.2010.
Die Nachreichung einer fehlenden Unterschrift kann auf verschiedene, je für sich zulässige Arten erfolgen. So kann das Finanzamt die Nachholung der Unterschrift "beim Finanzamt", somit im Zuge einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers bzw. hier der Berufungswerberin anordnen. In Betracht käme aber auch die Zurückstellung der mangelhaften Eingabe (als Beilage zum Mängelbehebungsauftrag), welche innerhalb der gesetzten Frist verbessert (unterschrieben) neuerlich an das Finanzamt zu übermitteln wäre. Schließlich wäre es auch denkbar, eine unterschriebene Ausfertigung des Anbringens innerhalb der gewährten Frist nachzureichen.
Das Finanzamt hatte der Berufungswerberin im vorliegenden Fall ausdrücklich aufgetragen, den aufgezeigten Mangel "beim Finanzamt ..." zu beheben. Eine solche Vorsprache beim Finanzamt, bei der die Berufungswerberin die fehlende Unterschrift auf dem Berufungsschriftsatz nachholen hätte können, ist jedoch nicht aktenkundig.
Durch die Eingabe vom 29.4.2010 wurde der Formmangel der Berufung jedoch nicht behoben. Unterschrieben ist eine Urkunde dann, wenn der Aussteller eigenhändig zumindest seinen Familiennamen unter den Text der Urkunde gesetzt hat. Die Unterschrift muss entweder unter dem ganzen Text stehen, oder ihn jedenfalls als Ganzes decken. Es genügt nicht, dass sie im Text steht (vgl. hilfsweise Bittner in Fasching, Zivilprozessgesetze, § 294 ZPO, Tz 2). Eine Urkunde ist daher nur dann unterschrieben, wenn die Unterschrift auf eben dieser Urkunde geleistet wird.
Die Berufungswerberin hat die fehlende Unterschrift auf der Berufung mit der Eingabe vom 29.4.2010 jedoch nicht nachgeholt. Die Berufungswerberin brachte keine Gründe vor, aus denen ihr eine Nachholung der Unterschrift auf der Berufung im Zuge einer Vorsprache beim Finanzamt nicht möglich gewesen wäre. Es wurde auch nicht behauptet, dass dazu die vom Finanzamt gesetzte Frist nicht ausreichend gewesen wäre.
Da dem Mängelbehebungsauftrag somit nicht entsprochen wurde, war der Unabhängige Finanzsenat nicht zu einem meritorischen (inhaltlichen) Abspruch über die Berufung berechtigt, sondern die Formalerledigung zwingend (kein Ermessen) geboten (Stoll, BAO, 866).
Da der Unabhängige Finanzsenat nicht berechtigt ist, das Finanzamt zur Erlassung eines derartigen Bescheides anzuweisen, ihm jedoch gemäß § 279 Abs. 1 die Obliegenheiten und Befugnisse zukommen, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind, war er zur Erlassung dieses Bescheides zuständig (vgl. VwGH 11.12.1990, 90/14/0241).
Es trat daher die in § 85 Abs. 2 BAO vorgesehene Rechtsfolge ein, und war somit auszusprechen, dass die Berufung als zurückgenommen gilt.
Linz, am 7. Juni 2010