UFS RV/0599-G/08

UFSRV/0599-G/0825.2.2010

Keine Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide mangels Gewissheit der Rechtswidrigkeit der Miteinbeziehung der NoVA in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer

 

Anmerkungen:
Abweichend UFS 12.5.2010, RV/0424-I/09

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Dr. Ursula Leopold und die weiteren Mitglieder HR Dr. Jutta Mayer-Rieckh, Mag. Heinz Zavecz und Dr. Wolfgang Bartosch im Beisein der Schriftführerin Dagmar Brus über die Berufung der Bw., vertreten durch Steuerberater vom 30. Juli 2008 gegen die Bescheide des Finanzamt vom 1. und 2. Juli 2008 betreffend Abweisung der Anträge auf Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 bis 2006 nach der am 25. Februar 2010 in 8018 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18, durchgeführten Verhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung richtet sich gegen die Abweisung des Antrages auf Aufhebung (gemäß § 299 BAO) der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006 durch das zuständige Finanzamt.

Die Berufungswerberin (=Bw.) betreibt einen Autohandel und vertritt die Ansicht, dass die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer rechtswidrig sei.

Dennoch hat sie in den Streitjahren ihren Kunden die auf die Normverbrauchsabgabe entfallende Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuererklärungen dieser Jahre miteinbezogen. Die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2002 bis 2006 wurden erklärungsgemäß veranlagt und hat die Bw. auch die danach geschuldete Umsatzsteuer entrichtet.

Die Bw. stellte in der Folge mit Eingabe vom 10. April 2008 einen Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung der erklärungsgemäß veranlagten Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006. Sie begründete den Aufhebungsantrag im wesentlichen damit, dass sich aus dem gegen Österreich in Folge der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-98/05 "De Danske Bilimporter" eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren (Aktenzeichen bei der Kommission 2007/2176, Gz. des EuGH IP/09/1455) ) ergebe, dass die Einbeziehung der österreichischen Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei der Lieferung von Fahrzeugen rechtswidrig sei.

Das Finanzamt wies die Anträge gemäß § 299 BAO mit den angefochtenen Bescheiden vom 1. und 2. Juli 2008 zurück. Das Finanzamt begründete die Abweisung damit, dass die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspreche. Die Normverbrauchsabgabe sei als Abgabe im Sinne des Art. 78 lit. a der Richtlinie 2006/112/EG und nicht als durchlaufender Posten im Sinne des Art. 79 lit. c der Richtlinie 2006/112/EG zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht der Europäischen Kommission erfolge daher die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer zu Recht.

In der Folge bekämpfte die Bw. die Abweisungsbescheide mit Berufung vom 30. Juli 2008. Die Bw. legt darin, wie schon zuvor im Aufhebungsantrag dar, dass die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe die Bemessungsgrundlage einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle. Gleichzeitig regte sie die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 281 BAO bis zur Klärung dieser Frage durch den EuGH an.

Mit Vorhalt vom 21. Dezember 2009 wurde die Bw vom Unabhängigen Finanzsenat (=UFS) befragt, ob sie ihrer Rechtsansicht folgend die in den betroffenen Jahren gegebenenfalls zu hoch ausgestellten Rechnungen gegenüber ihren Kunden mittlerweile berichtigt habe. Überdies wurde um Mitteilung und Darstellung der zu vermindernden Zahllasten der einzelnen Jahre aufgrund der allenfalls eingetretenen Entgeltsminderung ersucht. Die Beantwortung dieser Fragen unterblieb. Stattdessen nahm die Bw. mit Eingabe vom 3. Februar 2010 den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurück.

In dieser Eingabe regte die Bw. nochmals die Aussetzung der Entscheidung gemäß § 281 BAO bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof an.

Über die Berufung wurde erwogen:

Unstrittig liegen im Berufungsfall Fahrzeugverkäufe, die der Normverbrauchsabgabe unterliegen, vor.

Die Bw. hat unstrittig die auf die geschuldete Normverbrauchsabgabe entfallende Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, vereinnahmt und auch in die Umsatzsteuererklärungen aufgenommen. Die aus diesen Vorgängen geschuldete Umsatzsteuer wurde erklärungsgemäß festgesetzt und in der Folge auch entrichtet.

Eine Berichtigung der Rechnungen im Sinne des Antrages nach § 299 BAO bzw. des Berufungsbegehrens dahingehend, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer um die geschuldete Normverbrauchsabgabe gekürzt wurde, wurde nicht vorgebracht. Es wurde auch keine entsprechende Preisminderung und eine Rückzahlung des Differenzentgeltes (Umsatzsteuer, die auf die Normverbrauchsabgabe entfällt) von der Bw. dargelegt oder behauptet.

Die Bw. hat auch nicht die ihrer Ansicht nach richtige Höhe der Bemessungsgrundlage bzw. der Abgabenschuld bekanntgegeben.

Gemäß § 299 Abs 1 der Bundesabgabenordnung in der Fassung des AbgRmRefG, Bundesgesetzblatt I 2002/97 (BAO) kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Nunmehr hat die Bw. beantragt, dass das Finanzamt die erklärungsgemäß ergangenen Bescheide gemäß § 299 BAO aufhebt, weil die Normverbrauchsabgabe zu Unrecht in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen wurde.

Eine Rechnungsberichtigung und Rückzahlung in der Form, dass die Umsatzsteuer um die auf die Normverbrauchsabgabe entfallende Komponente gekürzt wurde, wurde weder behauptet noch nachgewiesen.

Im gegenständlichen Verfahren ist nicht die Rechtskonformität der österreichischen Gesetzeslage, wonach die Normverbrauchsabgabe Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist, zu klären.

Denn nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 wird die in Rechnung gestellte und ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann geschuldet, wenn diese nach dem Gesetz nicht geschuldet wird. Die Umsatzsteuer wird diesfalls auf Grund der Rechnung geschuldet, wenn sie nicht gegenüber dem Empfänger der Lieferung berichtigt wird. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so ist nach § 16 Abs. 1 UStG 1994 im Veranlagungszeitraum der Entgeltsminderung die geschuldete Umsatzsteuer und die in Anspruch genommene Vorsteuer zu berichtigen. Im Berufungsfall wurde aber eine derartige Entgeltminderung gar nicht behauptet. Es wird daher unabhängig von der Frage der Rechtsrichtigkeit der umsatzsteuerlichen Behandlung der gegenständlichen Lieferungen durch die Bw. die Steuer in den Streitjahren zumindest nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldet, selbst wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Normverbrauchsabgabe nicht Teil der Bemessungsgrundlage ist.

Abgesehen davon kann eine Änderung der Bemessungsgrundlage definitiv immer erst im Jahr der Rechnungsberichtigung vorgenommen werden.

Die von der Bw. begehrte Aufhebung gemäß § 299 BAO der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 setzt außerdem die Gewissheit der Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Bescheide (arg. "erweist") voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht (siehe Ritz in BAO, Tz 13 zu § 299 mwN).

Hiezu wird festgehalten, dass im Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich strittig ist, ob sich die österreichische Normverbrauchsabgabe von der dänischen Zulassungssteuer (diese war Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, Rs C- 98/05) unterscheidet. Seitens des Bundesministeriums für Finanzen (=BMF, siehe dazu ÖStZ 2008, 62) wird dazu die Ansicht vertreten, dass die Normverbrauchsabgabe kein durchlaufender Posten ist, da diese im Regelfall an die Lieferung (und nicht an die Zulassung) der Schuldner der Normverbrauchsabgabe anknüpfe und nach der EU-MwStRl weiterverrechnete Abgaben des Lieferers zur Bemessungsgrundlage gehörten. Seitens des Fachsenates für Steuerrecht der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wurde in einem Rundschreiben vom 2. Juli 2008 festgehalten (siehe ÖStZ 2008, 296), dass nicht gesichert davon ausgegangen werden könne, dass die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer als gemeinschaftsrechtswidrig erkannt werden wird.

Da der Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich in dieser Sache jedenfalls offen ist, liegt im Berufungsfall die für eine Aufhebung geforderte Gewissheit der Rechtswidrigkeit nicht vor.

Darüber hinaus liegt eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO im Ermessen der Behörde.

Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Eine Aufhebung wird jedoch nur dann zu unterlassen sein, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig ist bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof (siehe etwa VwGH vom 26.11.2002, 98/15/0204 oder mwN VwGH vom 14.12.2000, 95/15/0113) hielt in der bisherigen Rechtsprechung zu § 299 BAO in der vor dem Abgabenrechtsmittelreformgesetz gültigen Fassung fest, dass für den Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt. Das eingeräumte Ermessen wird regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn die Behörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des bereits rechtskräftigen Bescheides vorgeht, gleichgültig ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabenpflichtigen. Eine bloß geringfügige Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der gem. § 299 Abs. 2 BAO mit dem Aufhebungsbescheid zu verbindende Abgabenbescheid im Spruch lediglich geringfügig vom bisher im Rechtsbestand befindlichen Bescheid abweicht. Sind die Auswirkungen der Aufhebung der Bescheide geringfügig, so spricht der Grundsatz der Sparsamkeit gegen die Aufhebung des Bescheides.

Diese Ausführungen des VwGH sind auch auf die nach dem AbgRmRefG gültige Fassung des § 299 BAO anzuwenden (siehe auch Ritz, BAO Tz 55 zu § 299 BAO).

Die Berufung ist daher mangels Gewissheit der Rechtswidrigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 sowie unter dem Blickwinkel des Ermessens abzuweisen.

Entscheidend für das gegenständliche Verfahren ist aber unabhängig von den obigen Ausführungen zu § 299 BAO und der Frage der Rechtskonformität der Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer der Umstand, dass die auf die Normverbrauchsabgabe entfallende Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde. Für die Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer ist es aber unbeachtlich, ob diese auf Grund der Lieferung oder auf Grund der Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldet wird. Eine Korrektur der gegenständlichen Rechnungen kann umsatzsteuerlich aber erst im Jahr der Berichtigung berücksichtigt werden.

Die Berufung war daher insgesamt spruchgemäß abzuweisen.

Für die von der Bw. angeregte Aussetzung gemäß § 281 BAO sind daher mangels unmittelbarer Auswirkungen des Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH auf die Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Ergänzender Hinweis:

Im Einklang mit der Nichtstattgabe des Antrages auf Aufhebung steht auch der Umstand, dass nach § 299 Abs. 2 BAO mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden ist. Vor entsprechenden Rechnungsberichtigungen, Rückzahlungen und Ermittlung der neuen Bemessungsgrundlagen für die beantragten Jahre wäre dies aber gar nicht möglich. Solange die Rechtswidrigkeit der Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer nicht gewiss ist, können derartige Rechnungsberichtigungen oder Rückzahlungen vernünftigerweise auch nicht erfolgen. Abgesehen davon kann, wie bereits dargelegt, eine Berichtigung immer erst im Veranlagungszeitraum der Änderung der Bemessungsgrundlage vorgenommen werden.

Sollte sich in der Folge die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer tatsächlich als rechtwidrig erweisen, steht der Bw. die Möglichkeit offen, die ausgestellten Rechnungen zu berichtigen und ihre Ansprüche im Veranlagungszeitraum der Berichtigung der Rechnung geltend zu machen.

Graz, am 25. Februar 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 16 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Schlagworte:

Bescheidaufhebung, Normverbrauchsabgabe, Bemessungsgrundlage, Umsatzsteuer, durchlaufender Posten, Rechnungsberichtigung, Ermessen, Rechtswidrigkeit, Gewissheit

Verweise:

EuGH, RS C-98/05
ÖStZ 2008, 296
UFS, RV/0589-L/08

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