UFS RV/0902-L/05

UFSRV/0902-L/0527.8.2009

Kein Vorsteuerabzug für Körperschaften öffentlichen Rechts im Hoheitsbereich

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Gemeinde G, vertreten durch L, inO, vom 12. September 2005 gegen die Bescheide des Finanzamtes Z vom 20. Juli 2005 und 21. Mai 2007 betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 (ursprünglich gerichtet gegen den Bescheid über die Umsatzsteuerfestsetzung 12/2004, der Umsatzsteuerbescheid 2004 tritt an die Stelle des Festsetzungsbescheides) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

1. Bei der Gemeinde (G), also einer Körperschaft öffentlichen Rechts (KöR), wurde eine Betriebsprüfung (BP) durchgeführt. Dabei führte die BP zum Vorsteuerabzug "Bauhof/Feuerwehrzeughaus" folgendes aus:

a. Im Jahr 2003 sei mit dem Neubau eines Bauhofes, Feuerwehrzeughauses, Altstoffsammelzentrums, Musikheims und einer Aufbahrungshalle begonnen worden. Die Inbetriebnahme des Bauhofes und des Feuerwehrzeughauses sei im Dezember 2004 erfolgt. Das gesamte Projekt sei unter dem Konto "Bauvorhaben" verbucht worden und man habe unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 8.5.2003, C-269/00 , "Seeling", den Vorsteuerabzug zu 100% in Anspruch genommen. Folgende Vorsteuerbeträge seien abgezogen worden: Für 2003 gesamt 77.480,00 € und für 2004 gesamt 93.000,00 €.

b. Das Musikheim sei noch nicht ganz fertiggestellt und werde in Zukunft vermietet. Bei der Aufbahrungshalle werde das blosse Gebäude (ohne Einrichtung) ebenfalls in Zukunft vermietet. Ein Vorsteuerabzug für Musikheim und Aufbahrungshalle stehe daher zu. Ebenso sei für das Altstoffsammelzentrum ein Vorsteuerabzug möglich.

c. Der Bauhof werde aufgrund der Aufzeichnungen der Arbeitsstunden zu 17% unternehmerisch gegenüber den gemeindeeigenen Betrieben gewerblicher Art genutzt und diene daher überwiegend dem Hoheitsbereich der Gemeinde.

d. Gemäß § 2 Abs 5 KStG 1988 liege ein Betrieb gewerblicher Art dann nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt diene. Da der Bauhof nachhaltig für den Unternehmensbereich der Gemeinde tätig werde, stehe im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit (17%) ein Vorsteuerabzug zu. Dagegen stehe der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug für den nichtunternehmerisch genutzten Teil sowohl für 2003 als auch für 2004 nicht zu. Der Vorsteuerausschluss wirke hier auch für den Zeitraum Januar 2004 bis 30. April 2004, da die Gemeinde hoheitlich tätig werde. Eine Ausdehnung der unternehmerischen Tätigkeit der KöR über die Betriebe gewerblicher Art hinaus, sei gesetzlich ausgeschlossen. Dies unterscheide die KöR von den natürlichen und juristischen Personen des Privatrechtes, denen zur Gänze die Unternehmereigenschaft zukomme (Ruppe, UStG, § 2, Rz 122).

e. Die Nutzung des Feuerwehrzeughauses stelle eine hoheitliche (nichtunternehmerische) Nutzung dar, weil die aufgrund der im oö. Feuerpolizeigesetz (LGBl Nr. 113/1998), dem oö. Feuerwehrgesetz (LGBl Nr: 111/1996 idF LGBl Nr. 84/2002) und der oö. Brandbekämpfungsverordnung 1985 (LGBl 133/1985), getroffenen Regelungen zum Feuerwehrwesen eine hoheitliche Aufgabe der Gemeinde betreffen würden und diese sich hierzu öffentlicher Feuerwehren bediene.

f. Das Urteil des EuGH vom 8.5.2003, C-269/00 , "Seeling", sei für den Bereich des UStG 1994 nicht maßgeblich, weil bereits zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU ein Vorsteuerausschluss für die nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteile bestanden habe. Maßgeblich sei der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie im betreffenden Mitgliedstaat. Dies sei für Österreich der 1. Januar 1995 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe ein Vorsteuerausschluss für jene Teile des Gebäudes bestanden, die nicht unternehmerisch genutzt worden seien.

Für den durch den Bauhof genutzten Gebäudeteil habe zum Beitrittszeitpunkt ein Vorsteuerabzug von 17% und für das Musikheim, das Altstoffsammelzentrum und die Aufbahrungshalle ein Vorsteuerabzug von 100% zugestanden. Durch die Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen werde kein Vorsteuerabzug begründet (Verweis auf EuGH 8.1.2002, C-409/99 , "Metropol Treuhand und Stadler").

g. Die Vorsteuern nach den Baukosten seien bezüglich Feuerwehr zu 100%, Bauhof zu 83% und in den anderen Bereichen (Altstoffsammelzentrum, Musikheim und Aufbahrungshalle) zu 0% dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Daraus ergebe sich folgende Aufteilung (in €):

 

Vorsteuer

     
 

2003

hoheitl.

unternehm.

2004

hoheitl.

unternehm.

Feuerwehr

24.096,28

-24.096,28

0,00

28.823,00

-28.823,00

0,00

Bauhof

22.081,80

-18.327,89

3.751,91

26.505,00

-21.999,15

4.505,85

Altstoffs.

4.106,44

 

4.106,44

4.929,00

 

4.929,00

Musikheim

15.341,04

 

15.341,04

18.414,00

 

18.414,00

Aufbahr.

11.854,44

 

11.854,44

14.229,00

 

14.229,00

Gesamt

77.480,00

-42.424,17

35.055,83

93.000,00

-50.922,15

42.077,85

Das ergebe

 

2003

2004

100% Vorsteuer bisher

77.480,00

93.000,00

Vorsteuer laut BP

-35.055,83

-42.077,85

Vorsteuerkürzung

42.424,17

50.922,15

Die Festsetzung der Vorsteuerkürzung für 2004 erfolge im Dezember 2004.

2. Gegen die aufgrund der BP ergangenen Bescheide - Umsatzsteuer 2003 und Festsetzung 12/2004 vom 20. Juli 2005 - wurde mit Schreiben vom 12. September 2005 innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt:

a. Die Bw. beantrage die Festsetzung der Umsatzsteuer des Jahres 2003 mit -99.812,35 € (statt mit -57.388,18 €) und der Umsatzsteuer 12/2004 mit -6.772,16 € (statt mit 44.149,99 €). Der volle Vorsteuerabzug gründe sich auf das EuGH-Urteil vom 8.5.2003, Rs C-269/00 , "Seeling". In eventu beantrage man die im Jahr 2003 auf den hoheitlichen Bereich entfallende Vorsteuer im Jahr 2004 zu berücksichtigen.

b. Im Jahr 2003 habe die Gemeinde mit dem Neubau eines Bauhofes, Feuerwehrzeughauses, Altstoffsammelzentrums, Musikheims und einer Aufbahrungshalle begonnen. Die Inbetriebnahme von Bauhof und Feuerwehrzeughaus sei im Dezember 2004 erfolgt.

Im vorliegenden Fall handle es sich um ein typisch gemischt genutztes Gebäude, welches zum Teil für hoheitliche (private) und zum Teil für unternehmerische Zwecke genutzt werde. Der Bauhof sei nach den Aufzeichnungen der Arbeitsstunden zu 17% unternehmerisch tätig.

Die Gemeinde habe unter Berufung auf das Urteil "Seeling" den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten zu 100% in Anspruch genommen (2003 mit 77.480,00 € und 2004 mit 93.000,00 €).

Das Finanzamt habe die in Zusammenhang mit der Errichtung des Feuerwehrzeughauses stehenden Vorsteuern vom Abzug ausgeschlossen und den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug für den nichtunternehmerisch genutzten Teil des Bauhofes (83%) ebenfalls nicht anerkannt (Festsetzung 12/2004).

Nach Ansicht des Finanzamtes sei das Urteil Seeling für den Bereich des UStG nicht maßgeblich.

c. Europarechtliche Grundlagen:

Im Urteil vom 8.5.2003, Rs C-269/00 , "Seeling", habe der EuGH ausgesprochen, dass die Behandlung des Verwendungseigenverbrauches von Gebäuden als unecht steuerbefreit und der damit verbundene Ausschluss vom Vorsteuerabzug nicht in der Sechsten Richtlinie vorgesehen und damit gemeinschaftswidrig sei.

Einzelne könnten sich gegenüber einem Mitgliedstaat vor einem nationalen Gericht sowohl auf Art. 6 Abs 2 Buchstabe a als auch auf Art. 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Mehrwersteuerrichtlinie berufen.

d. Zuordnung:

Die Ausführungen des EuGH zur Steuerpflicht des Nutzungseigenverbrauches würden nur hinsichtlich jener Gebäude gelten, die im Zeitpunkt der Lieferung zur Gänze dem Unternehmensbereich zugeordnet worden seien. Seit 1. Januar 2000 seien Vorleistungen betreffend gemischt genutzte Gebäude bereits ex lege (und nicht mehr auf Antrag) zur Gänze dem Unternehmensbereich zuzuordnen. Eine nur anteilige Zuordnung müsse seit diesem Zeitraum bis zum Ablauf des Veranlagungsjahres dem Finanzamt schriftlich mitgeteilt werden. Eine solche schriftliche Mitteilung sei seitens der Gemeinde nicht erfolgt. Das Gebäude sei 2003 und 2004 errichtet worden, es gelte demnach bereits ex lege als zur Gänze dem Unternehmensbereich zugeordnet.

e. Europarechtswidrigkeit des Umsatzsteuerbescheides 2003 und des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2004:

Bei gemischt genutzten Gebäuden, die zur Gänze dem Unternehmensbereich zugeordnet seien, müsse man den vollen Vorsteuerabzug nach der Rspr "Seeling" anerkennen. Die auf die hoheitliche Nutzung entfallenden Kosten seien der Eigenverbrauchsbesteuerung zu unterwerfen.

Der EuGH habe im Urteil vom 17. April 2005, Rs C-434/03 , "Charles Tijmens" die Grundsätze der EuGH-Rspr "Seeling" neuerlich bestätigt. Der Argumentation des Finanzamtes, die Beibehaltung des anteiligen Vorsteuerabzuges für 2003 und für 2004 finde - entgegen der Rspr des EuGH in der Rs "Seeling" - Deckung in der Regelung des Art. 17 Abs 6 der Sechsten Richtlinie, sei nicht zuzustimmen. Denn mit der Neuregelung durch das AbgÄG 1997 sei die in Art. 17 Abs 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene "Stand-Still-Klausel" durchbrochen worden, weil auch inhaltliche Änderungen vorgenommen worden seien. Implizit lasse sich dies auch aus der Änderung des UStG durch BGBl I 134/2003 ableiten.

Die Argumentation der Verwaltung lasse sich zudem nur bis 2003 führen, weil mit 1. Januar 2004 die Steuerfreiheit für den Eigenverbrauch gestrichen worden sei und Österreich damit sein Beibehaltungsrecht jedenfalls endgültig aufgegeben habe. Im Fall der gegenständlichen Gemeinde sei nach nationalem Recht die ab 1. Mai 2004 geltende Rechtslage nach BGBl I 27/2004 anzuwenden, da die Inbetriebnahme im Dezember 2004 erfolgt sei. Auch die Literatur habe die Gemeinschaftsrechtskonformität der Rechtslage ab dem 1. Mai 2004 bereits vielfach bezweifelt (Achatz, RFG 04, 54; Prodinger SWK 04, S 447; Beiser/Pülzl SWK 04, S 444).

Unterstützt werde die Literaturmeinung durch das Urteil des EuGH vom 14. Juli 2005, C-434/03 , "Charles Tijmens", das zu jener gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung ergangen sei, die die Grundlage für die ab 1. Mai 2005 in Österreich geltende Rechtslage bilde. Der Gerichtshof komme in diesem Urteil zu dem Ergebnis, dass Art. 6 Abs 2 der Sechsten Richtlinie eine allgemeine Ausnahme von der Besteuerung nicht zu stützen vermöge. Die Nichtsteuerbarkeit der privaten Verwendung nach § 3a Abs 1a Z 2 letzter Satz UStG, die zum Verlust des Vorsteuerabzuges führe, widerspreche dem Gemeinschaftsrecht (Prechtl/Aigner SWK 05, S 671 ff) und könne aus den oben dargestellten Gründen nicht mit Art. 17 Abs 6 der Sechsten Richtlinie gerechtfertigt werden. Der Umsatzsteuerbescheid 2003 und der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2004 würden aufgrund der zitierten Rspr gegen die Sechste Richtlinie verstoßen und zwar insoweit, als darin der Vorsteuerabzug nur im Ausmaß der unternehmerischen Nutzung (anstatt in voller Höhe) gewährt worden sei.

f. Beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide:

Die Gesamtsumme der Vorsteuern aus den getätigten Gebäudeerrichtungskosten belaufe sich im Jahr 2003 auf 77.480,00 € sowie im Jahr 2004 auf 93.000,00 €. Davon würden im Jahr 2003 gesamt 35.055,83 € sowie im Jahr 2004 gesamt 42.077,85 € auf den unternehmerischen Bereich entfallen, welche der Gemeinde bereits bescheidmäßig zugesprochen worden seien.

In Entsprechung des EuGH-Urteils "Seeling" stünden der Gemeinde aus dem Jahr 2003 noch offene Vorsteuern iHv 42.424,17 € und aus dem Jahr 2004 noch 50.922,15 € zu.

Es werde beantragt, die Bescheide wie folgt abzuändern:

In Euro

Veranlagung 2003

12/2004

Bescheid laut BP

-57.388,18

44.149,99

Zusätzl. Vorsteuerabzug

-42.424,17

-50.922,15

Beantragte Festsetzung

-99.812,35

-6.772,16

Sollte die "Stand-Still-Regelung" bis 31. Dezember 2003 anwendbar sein und der Anwendung des EuGH-Urteiles Seeling entgegenstehen (wovon nicht ausgegangen werde), beantrage man in eventu die Bescheide wie folgt abzuändern:

In Euro

Veranlagung 2003

12/2004

Bescheid laut BP

Zusätzlicher Vorsteuerabzug

-57.388,18

44.149,99

-50.922,15

-42.424,17

Beantragte Festsetzung

-57.388,18

-49.163,33

Für den Fall der Berufungsentscheidung durch den UFS beantrage man gemäß § 284 Abs 1 Z 1 BAO eine mündliche Verhandlung sowie gemäß § 282 Abs 1 Z 1 BAO die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.

3. Am 21. Mai 2007 wurde die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 veranlagt. Seitens der Finanzverwaltung wurden die für 2004 geltend gemachte Vorsteuer iHv. 50.922,15 € und der Eigenverbrauch iHv 1.750,42 € wiederum bei der Veranlagung korrigiert.

4. Am 17. August 2009 wurde mit der steuerlichen Vertretung die Rechtslage betreffend Vorsteuerabzug von Körperschaften öffentlichen Rechts, wie sie nach Ergehen der VNLTO-Rspr des EuGH und der Rspr des VwGH zu interpretieren (und für den gegenständlichen Fall maßgeblich) ist, besprochen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Der Antrag auf Entscheidung durch den Berufungssenat und mündliche Verhandlung wurde mit Schreiben vom 25. August 2009 zurückgenommen.

2. a. Von der Bw. wird einerseits für 2004 der Ansatz des Eigenverbrauches iHv. 1.750,42 € im Ausmaß der hoheitlichen Nutzung beantragt und andererseits der Abzug einer zusätzlichen Vorsteuer iHv. 42.424,17 € (2003) und 50.922,15 € (2004) für den Hoheitsbereich (Feuerwehrzeughaus zu 100% und Bauhof zu 83%). Die Bw. stützt sich dabei auf die bis zur Berufung ergangene "Seeling-Rechtsprechung" und die österreichische Rechtslage, wonach die Zuordnung des gesamten Gebäudes zum Unternehmen und der Vorsteuerabzug zu 100% (auch für den hoheitlichen Bereich) möglich sein soll. Dies werde auch durch das EuGH-Urteil vom 17.4.2005, Rs C-434/03 , "Charles Tijmens", gestützt. Zudem widerspreche § 3a Abs 1a Z 2 letzter Satz UStG 1994 dem Gemeinschaftsrecht.

b. Dagegen stützt sich die Finanzverwaltung auf ein zum Beitrittszeitpunkt bestehendes Vorsteuerausschlussrecht und darauf, dass das EuGH-Urteil "Seeling" und die Folgerechtsprechung für Österreich keine Gültigkeit erlangt hätten.

3. Die nach Einbringung der Berufung vom 12. September 2005 ergangene Rspr des EuGH und VwGH hat allerdings die Rechtslage wie folgt neu interpretiert:

a. Im EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009, C-515/07 , "VNLTO" (eine Gesellschaft, die die Interessen des Agrarsektors fördert), prüfte der EuGH die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern, die in Bezug auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder entstanden waren. In der "Antwort des Gerichtshofes" (Rz 26 ff) finden sich folgende Aussagen:

Soweit der Steuerpflichtige bezogene Gegenstände und Dienstleistungen

- für Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder

- für Zwecke solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer umfasst werden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (Rz 28).

Die VNLTO führt besteuerte und nicht besteuerte Tätigkeiten (Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder) aus (Rz 30). Dabei steht außer Frage, dass Tätigkeiten wie die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine der Mehrwertsteuer unterliegenden Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen (Rz 34). Nichtwirtschaftliche Tätigkeiten fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie (Rz 36). Führt ein Unternehmer zugleich steuerpflichtige oder steuerfreie wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche (nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende) Tätigkeiten durch, ist der Abzug der Vorsteuer nur soweit zulässig, als diese Aufwendungen den wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzurechnen sind (Rz 37).

Im vorliegenden Fall geht es um die nicht besteuerten Umsätze der VNLTO, die in der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder bestehen und nicht als unternehmensfremd betrachtet werden können, da sie den Hauptzweck dieser Vereinigung darstellen (Rz 39). Die entsprechenden Umsätze sind aber den Zwecken anderer als der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen zugeordnet, sodass die dafür geschuldete Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist (Rz 40).

b. Die bezeichnete "VNLTO-Entscheidung" des EuGH ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates offenkundig so zu verstehen, dass bestimmte Zwecke zwar nicht unternehmensfremd (also "privat") sind, aber trotzdem nichtunternehmerisch sein können und die Verwendung von Gegenständen für nichtunternehmerische Zwecke (für "Zwecke anderer als der besteuerten Umsätze", zB die Wahrnehmung von Mitgliederinteressen) zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt. Dies eröffnet nicht eine "dritte umsatzsteuerliche Sphäre", sondern präzisiert lediglich - innerhalb der den Unternehmensbereich berührenden Tätigkeiten - jene Bereiche, die nicht dem Regime der Richtlinie unterstehen und somit keinen Vorsteuerabzug vermitteln (s auch Korn, ÖStZ 20097/531).

c. Der Verwaltungsgerichtshof hat die bezeichnete Rspr des EuGH zum Anlass genommen, den Vorsteuerabzug bei Gemeinden im Bereich der Hoheitsverwaltung zu untersuchen und kommt bei einer Gemeinde, die einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich aufweist, zu folgenden Ergebnissen (VwGH 24.6.2009, 2007/15/0192):

(1) Angesprochen wird zunächst die Rs "Securenta" (C-437/06 ), wonach den Mitgliedstaaten ein Ermessen bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge eingeräumt wurde, welches so auszuüben ist, dass der Abzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer erfolgt, der auf die zum Abzug berechtigenden Umsätze entfällt. Die Berechnung durch die Mitgliedstaaten muss objektiv widerspiegeln, welcher Teil der Aufwendungen jedem dieser beiden Bereiche zuzurechnen ist.

(2) Nach der VNLTO-Entscheidung des EuGH besteht bei der Verwendung von Gegenständen für nichtunternehmerische, aber nicht unternehmensfremde Zwecke keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Soweit in den Regelungen des Abgabenänderungsgesetzes 1997 und des BGBl I Nr. 27/2004 der Vorsteuerausschluss für Grundstücke (bei nichtunternehmerischen, aber nicht unternehmensfremden Zwecken) normiert wurde, hat der Gesetzgeber einer Verpflichtung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie entsprochen.

(3) Es begegnet nach der vorangehend geschilderten Auslegung des Gemeinschaftsrechtes keinen rechtlichen Zweifeln, dass Körperschaften öffentlichen Rechts der Vorsteuerabzug in Bezug auf Grundstücke (Gebäude) insoweit nicht gewährt werden darf, als diese Gegenstände dem nichtunternehmerischen hoheitlichen Bereich dienen. Beim Erwerb vertretbarer Sachen, die beiden Bereichen dienen (zB Heizöl), ist eine Zuordnung zu diesen Bereichen vorzunehmen und die Vorsteuer in einen abziehbaren und einen nichtabziehbaren Teil aufzuteilen. Dabei ist ein Maßstab zu wählen, der im Einzelfall zu einem möglichst sachgerechten Ergebnis führt.

d. In einer weiteren Entscheidung, die eine zu 46% schulisch (und damit hoheitlich) und zu 54% zu Vermietungszwecken (unternehmerisch) genutzte Sporthalle betraf, hat der Gerichtshof seine vorangehend dargestellte Rspr bestätigt. Hinsichtlich der schulischen Nutzung der Sporthalle liegt eine nichtwirtschaftliche Betätigung vor, insoweit kann kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden (VwGH 8.7. 2009, 2006/15/0231).

4. a. Im vorliegenden Fall weist die Gemeinde einen (rein) unternehmerischen Bereich (Altstoffsammelzentrum, Musikheim und Aufbahrungshalle) auf.

Bezüglich der Aufbahrungshalle ist festzuhalten, dass ein Gebäude (ohne Einrichtung) an die Pfarre vermietet wird; da nach § 30 Abs 2 oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 - anders als in anderen Bundesländern - die Gemeinde nur dann zur Errichtung einer Leichenhalle verpflichtet ist, wenn nicht ein anderer Rechtsträger eine solche zur Verfügung stellt, liegt kein verpflichtender Hoheitsbereich vor. Die unternehmerische Betätigung bezüglich der (Vermietung der) Aufbahrungshalle wurde zu Recht von der Betriebsprüfung angenommen.

b. Dazu kommt ein unbestritten hoheitlicher Bereich (Feuerwehrzeughaus und Bauhof zu 83%). Die auf den hoheitlichen Bereich entfallende und zusätzlich geltend gemachte Vorsteuer beträgt 42.424,17 € (2003) und 50.922,15 € (2004).

c. Da das Feuerwehrzeughaus und der überwiegende Teil des Bauhofes zum hoheitlichen Bereich gehören und deren Verwendung nach der Rspr des EuGH (und diesem folgend des VwGH) insoweit - zwar nicht unternehmensfremden, aber - nichtunternehmerischen Zwecken dient, erfolgt weder eine Eigenverbrauchsbesteuerung (da die genannten Zwecke keine besteuerten Umsätze betreffen), noch kann die auf diesen Bereich entfallende Vorsteuer abgezogen werden.

Dem Antrag in der Berufung auf Eigenverbrauchsbesteuerung iHv 1.750,42 € (2004) und Vorsteuerabzug iHv 42.424,17 € (2003) und 50.922,15 € (2004) für den hoheitlichen Bereich, konnte aus den bezeichneten Gründen nicht stattgegeben werden.

5. Ergänzend wird hinzugefügt, dass der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 21. Mai 2007 an die Stelle der Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2004 vom 20. Juli 2005 tritt. Die am 5. Juni 2007 eingebrachte Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2007 ist als ergänzender Schriftsatz anzusehen (s. VwGH 4.6.2008, 2004/13/0124; VwGH 3.9.2008, 2005/13/0033; UFS 20.5.2009, RV/3506-W/07).

Linz, am 27. August 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

Art. 6 Abs. 2 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG , ABl. Nr. L 145 vom 13.06.1977 S. 1
Art. 17 Abs. 2 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG , ABl. Nr. L 145 vom 13.06.1977 S. 1

Schlagworte:

KöR, Hoheitsbereich, Vorsteuerabzug, VNLTO

Verweise:

VwGH 24.06.2009, 2007/15/0192

Stichworte