Streit der Gesellschafter über die Verteilung des Gewinnes
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0076 eingebracht. Mit Erk. v. 21.12.2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Absenger - Dr. Rathausky Steuerberatungs GmbH, 8160 Weiz, Dr.-Karl-Widdmann-Straße 55, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 16. März 2005 betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO 2003 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die Art und die Höhe der im angefochtenen Bescheid festgestellten Einkünfte bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Gesellschaft (OEG), an welcher der Berufungswerber (Bw.) beteiligt war, erzielte für das Rumpfwirtschaftsjahr 1.1. - 30.4.2003 einen Gewinn in Höhe von 76.768,37 Euro.
Strittig ist im vorliegenden Fall die Aufteilung dieser Einkünfte: In einer von dem Gesellschafter Dietmar G. unterfertigten Erklärung wurden diese Einkünfte im Verhältnis 1:1 auf beide Gesellschafter aufgeteilt. Vom Bw. wurde in einer in der Folge eingereichten Erklärung sein Ertragsanteil mit 50 Prozent angegeben, die Einkünfte wurden jedoch zur Gänze dem zweiten Gesellschafter zugewiesen.
Mit Berufungsentscheidung vom 19. September 2005, RV/0410-G/05, wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit dem die Einkünfte zu 60% Herrn Dietmar G. und zu 40% dem Bw. zugeteilt wurden, als unbegründet ab.
Dagegen richtete sich der Bw. mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hob den Bescheid mit Erkenntnis vom 28. November 2007, 2005/15/0134, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und führte darin aus:
"Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass der Bw. als Gesellschafter, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, aus der Gesellschaft (OEG) ausgeschieden ist. Bei einer solchen Konstellation kommt es zu einem Veräußerungsgewinn iSd § 24 EStG 1988. Die - im Beschwerdefall erfolgte - Übernahme einer betrieblichen Schuld in die Zahlungsverpflichtung eines Gesellschafters wirkt sich auf das Kapitalkonto dieses Gesellschafters aus. Die Höhe des Kapitalkontos schlägt sich auf den genannten Veräußerungsgewinn nieder. Dazu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Der festgestellte Sachverhalt ist insofern ergänzungsbedürftig geblieben.
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Die belangte Behörde hat den Gewinn aus dem laufenden Geschäftsjahr nach dem Gesellschaftsvertrag zugewiesen. Nach dem oben wiedergegebenen Inhalt des Gesellschaftsvertrages ist unter dem Titel "Gewinnanteil und Verlustaufteilung" vorgesehen, dass der Gewinnanteil - bei einer Gewinnausschüttung einmal jährlich - des Gesellschafter Dietmar G. 60 % und der des Beschwerdeführers 40 % beträgt. Unter dem Titel "Änderung oder Auflösung" ist eine Aufteilung des Gewinnes mit 50:50 vorgesehen. In der Beilage zur Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften (Gemeinschaften) für das Jahr 2003 hat der Gesellschafter Dietmar G. eine Aufteilung des Gewinnes im Sinne der letztgenannten Vertragsbestimmung vorgenommen. Bei seiner Einvernahme vor dem Finanzamt hat er die Aufteilung des Gewinnes bei Auflösung der Gesellschaft mit 50:50 ebenso bestätigt wie die Aufteilung des laufenden Gewinnes im Verhältnis 60:40 zu seinen Gunsten. Der Beschwerdeführer hat sich in seinen Eingaben an das Finanzamt auf die Vereinbarung vom 10. April 2003 berufen, wonach dem Gesellschafter Dietmar G. das gesamte Aktivvermögen der OEG zukommt und er lediglich die offene Forderung der OEG in Höhe von 3.270,28 Euro zu übernehmen habe.
Bereits daraus ergibt sich, dass zwischen den Gesellschaftern Streit über die Verteilung des Gewinnes besteht. Die belangte Behörde hatte daher die Verpflichtung, diese Frage in freier Beweiswürdigung zu entscheiden (vgl. Hofstätter/Reichel, a.a.O.,Tz 26). Warum die belangte Behörde eine Gewinnverteilung vorgenommen hat, die von keinem der Gesellschafter beantragt worden ist, wird im Bescheid nicht begründet. Eine Auseinandersetzung mit den gegenteiligen Vorbringen der beiden Gesellschafter ist ebenfalls nicht erfolgt. Auch diesbezüglich ist die Begründung des Bescheides daher ergänzungsbedürftig."
Diesem Auftrag entsprechend unternahm das Finanzamt in der Folge Ermittlungen dahingehend, auf welche Weise der Betrieb der Gesellschaft beendet worden sei, welchen Einfluss die Beendigung auf die Kapitalkonten der Gesellschafter hatte, ob Abschichtungszahlungen geboten waren und wie die Ergebnisse des Streitjahres in der Realität auf beide Gesellschafter verteilt worden sind.
Diesbezüglich ergingen an beide Gesellschafter Ergänzungsaufträge. Den Gesellschaftern wurde nochmals die von ihnen vorgelegte "Gewinn- und Verlustrechnung 2003" zur Kenntnis gebracht und dazu folgende Fragen gestellt:
"Betrifft die oben wiedergegebene "Gewinn- und Verlustrechnung 2003" den Zeitraum 1.1.2003 bis 31.12.2003, den Zeitraum von 1.1. 2003 bis 10.4.2003 oder einen anderen Rumpfzeitraum?
Aus welchen Wirtschaftsgütern ergibt sich die AfA in Höhe von 1.083,93 Euro?
Gibt die Gewinn- und Verlustrechnung ausschließlich die laufenden Geschäftsvorfälle wieder oder sind darin auch Elemente einer Betriebsaufgabe/Liquidation/Anwachsung an den letzten Gesellschafter enthalten?"
Zur vorgelegten Bilanz zum 10.4.2003 ergaben sich folgende Fragen:
"Versteht sich diese Bilanz als Aufgabebilanz nach Beendigung der werbenden Tätigkeit und vor Abschichtung bzw. vor "Liquidation"?
Sind in der oben wiedergegebenen Bilanz jene Verbindlichkeiten, die mit einer Quote im Rahmen des Zwangsausgleiches zu befriedigen waren (lt. Vereinbarung vom 10.4.2003: Fa. P.K., Stmk. Bank und Sparkassen AG), enthalten oder nicht? Nach Auffassung des Finanzamtes bleibt die Verbindlichkeit bis zur Erfüllung der Quote aufrecht und ist bis dahin zu bilanzieren. Im Zeitpunkt der Erfüllung der Quote entsteht durch den Wegfall der betrieblich veranlassten Restverbindlichkeit eine Betriebsvermögensvermehrung und damit in weiterer Folge ein "Sanierungsgewinn", der ertragsteuerlich einer Sonderbesteuerung nach Maßgabe der jeweils geltenden Rechtslage unterliegt. Es ergeht das Ersuchen zu dieser speziellen Frage eingehend, auch unter Anführung von konkreten Beträgen (Verbindlichkeiten insgesamt, Prozentsatz der Quote, Ausmaß und Zeitpunkt der Erfüllung der Quote), Stellung zu nehmen, allenfalls die Bilanz zum 10.4.2003 zu berichtigen."
Weiters wurden die Gesellschafter danach befragt, ob Verwertungshandlungen nach dem 10.4.2003 gesetzt und ob Vermögensteile in das Privatvermögen übernommen worden seien.
Aus der Bilanz zum 10.4.2003 ergebe sich für den ausgeschiedenen Gesellschafter ein positives Kapitalkonto. Es werde ersucht - unter Aufwertung der Wirtschaftsgüter des Aktivvermögens auf den Teilwert - darzustellen, in welchem Ausmaß der Berufungswerber zum Zeitpunkt 10.4.2003 an den stillen Reserven beteiligt gewesen wäre.
Auch eine Abschichtungsbilanz für diesen Gesellschafter wurde angefordert. Weiters wurde die Frage gestellt, weshalb der Berufungswerber trotz Vorliegens eines positiven Kapitalkontos keinen Anspruch auf Bar- oder Sachabfindung geltend gemacht habe. Ebenso wurde um Vorlage eines belegmäßigen Nachweises ersucht, aus dem hervorgehe, dass eine offene Quotenforderung der OEG gegenüber der Fa. P.K. in Höhe von 3.270,28 Euro tatsächlich aus dem Privatvermögen des Berufungswerbers berichtigt worden und zu welchem konkreten Zeitpunkt dies geschehen sei. Letztendlich wurde ein eindeutiger Nachweis darüber gefordert, dass das laufende Betriebsergebnis 2003 anders als nach dem Gesellschaftsvertrag vom 18. Jänner 1999 zu verteilen gewesen wäre.
Der steuerliche Vertreter des Bw. gab in seiner Vorhaltsbeantwortung an, dass die Abschreibung die Maschinen und Fahrzeuge lt. Bilanz zum 10.4.2003 betreffe. Die Gewinnermittlung sei von Herrn "Rathenschlager" im Auftrag von Herrn G. für den Zeitraum bis zum 10.4.2003 erstellt worden. Die Gewinn- und Verlustrechnung gebe ausschließlich Auskunft über die laufenden Geschäftsfälle. Die Bilanz verstehe sich als Aufgabebilanz nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit vor Abschichtung unter der Voraussetzung, dass der laufende Gewinn zur Gänze Herrn G. zugewiesen werde. Die Verbindlichkeit an die Firma "P.K." sei nicht erhalten. Es seien jedoch die Verbindlichkeiten gegenüber der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG in die Bilanz aufgenommen worden. Der Sanierungsgewinn sei bereits in der Bilanz 2002 verbucht und entsprechend veranlagt worden. Nach dem 10. April 2003 habe der Bw. keine Verwertungshandlungen gesetzt und keine Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen übernommen. Die beiden Gesellschafter hätten eine mündliche Vereinbarung dahingehend geschlossen, dass der wirtschaftliche Gewinn zur Gänze Herrn G. hinzugerechnet werde und der Bw. ohne weitere Zuzahlung in die OEG ausscheide und seine Anteile an die Firma verkaufen könne. Zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung sei die OEG noch überschuldet gewesen, sodass es beim Verkauf gegen Schuldübernahme durch den Erwerber dem Verkehrswert entsprochen habe. Aus diesem Grund sei auch von Herrn G. keine Abschichtungsbilanz erstellt worden. Der Bw. habe niemals einen Willen zur Bereicherung des Gesellschafters Dietmar G. gehabt. Die abgeschlossene Vereinbarung zur Auflösung der Gesellschaft sei zu dem Zeitpunkt getroffen worden, in dem nach objektiven Kriterien davon auszugehen gewesen wäre, dass der Anteil des Bw. einen Wert von 0,00 Euro aufweise.
Der Gesellschafter Herr G. führte in seiner Vorhaltsbeantwortung aus, dass es sich bei den in der Vereinbarung aus dem Jahr 2003 genannten rückzuzahlenden Beträgen nicht mehr um Quotenverbindlichkeiten gehandelt habe. Diese Zahlungen wären auf Grund von persönlichen Haftungen zu leisten gewesen. Bei den 3.270,28 Euro handle es sich um Leihgeld (4.000 Euro minus 25%) von Frau P.K., welche eine Bekannte bzw. entfernt Verwandte des Bw. wäre und den Betrag schon vor Konkurseröffnung zur Rettung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt habe. Die Stmk. Bank habe sich mit der Quote nicht zufrieden gegeben, weil die Eltern beider Gesellschafter als Bürgen persönliche Haftungen für den gegenständlichen Kredit übernommen hätten. Daher wäre die von der Quote nicht umfasste Differenz zusätzlich zu tilgen gewesen.
Im ersten Quartal hätten die Gesellschafter ihre übliche Geschäftstätigkeit fortgesetzt. Während dieser Zeit habe es keine Sondervereinbarungen gegeben und die bestehenden Gesellschaftsverträge hätten weiter gegolten. Der Bw. habe nicht mehr mitarbeiten wollen, weshalb zu Jahresbeginn 2003 eine Trennung in Betracht gezogen wurden sei. Es sollten nur noch die offenen Geschäftsfälle gemeinsam abgewickelt werden.
Zu den einzelnen Fragen des Finanzamtes gab dieser Gesellschafter an, dass es sich bei der "Gewinn- und Verlustrechnung 2003", in welcher ausschließlich laufende Betriebsvorgänge enthalten seien, um die Ermittlung des laufenden Gewinnes für den Zeitraum 1.1. - 10.4.2003 gehandelt habe. Die Abschreibungen würden sich aus den vorhandenen Maschinen und einem Kleinbus ergeben.
In der Bilanz werde die Vermögenslage nach Verbuchung der laufenden Geschäftsfälle bis 10.4.2003 wieder gegeben und es seien darin keine Aspekte einer Aufgabe/Veräußerung/Abschichtung/Liquidation enthalten. Die (restliche) Verbindlichkeit gegenüber der Stmk. Bank im Betrag von 46.590,66 Euro sei in der Bilanz zum 10.4.2003 enthalten. Die Schuld gegenüber Frau P.K. sei unter der Annahme, dass das Leihgeld aus privaten Gründen zur Verfügung gestellt worden sei, nie bilanziert worden.
Weiters gab der Gesellschafter bekannt, dass das gesamte Vermögen im Sinn der Bilanz vom 10.4.2003 als Einzelunternehmen unverändert fort geführt worden sei und keine betrieblichen Vermögenswerte in das Privatvermögen übernommen worden seien. Der Bw. sollte zum Stichtag 10.4.2003 ohne Schulden, aber auch ohne Abfindungsleistungen aus der Gesellschaft entlassen werden. Im Anlagevermögen seien keine relevanten stillen Reserven enthalten. Sie seien von der Annahme ausgegangen, dass der reale Wert des Geschäftsanteils des Bw. +/- 0 Euro betragen habe. Unter Annahme einer Hälftebeteiligung an den Aktiva und Passiva könne diese Ansicht durchaus vertreten werden, weil ja die Rückzahlung der Verbindlichkeit an die Stmk. Bank mit entsprechenden weiteren Zinsendiensten verbunden sei. Da der Wert des Gesellschaftsvermögens um 0 Euro betragen habe, sei keine Ausgleichszahlung des einen oder anderen Gesellschafters geboten gewesen. Er sei der Meinung, die Verteilung des laufenden Gewinnes aus dem Rumpfzeitraum 2003 sei dem Gesellschaftsvertrag aus 1999 entsprechend zu verteilen, und zwar im Verhältnis 60:40. Die ursprüngliche Aufteilung des Gewinnes 50:50 sei fälschlicherweise so vorgenommen worden. Dieser Fehler sei jedoch im Vorverfahren richtig gestellt worden.
Zusätzlich wurde vom Finanzamt Herr R., der die Gewinnermittlung für 2003 erstellt hatte, als Zeuge vernommen.
Dieser gab an, auch der Verfasser der Dokumente "Kapitalkonto zum 31.12.2003 Variables Kapital G. " und "Kapitalkonto zum 10.4.2003 Variables Kapital W. " zu sein. Das Dokument "Bilanz zum 10.4.2003" sei ihm völlig unbekannt. Bei der Bezeichnung "Kapitalkonto zum 31.12.2003 Variables Kapital G. " handle es sich um einen Schreibfehler. Es sollte der Kapitalkontenstand des Gesellschafters Dietmar G. zum 10.4.2003 dargestellt werden. Aus der Kapitalkontenentwicklung sei ersichtlich, dass in der Zeit vom 1.1.2003 bis 10.4.2003 vom Gesellschafter G. Privatentnahmen in Höhe von 42.802,73 Euro und vom Bw. in Höhe von 658,33 Euro getätigt worden seien. Die Originalkonten für die getätigten Einlagen und Entnahmen stünden ihm nicht (mehr) zur Verfügung. Seiner Erinnerung nach habe es sich bei der Entnahme in Höhe von 658,33 Euro um die Bezahlung eines Pflichtversicherungsbeitrages gehandelt.
Die Frage, weshalb in der "Bilanz zum 10.4.2003" ein "Variables Kapital G. " in Höhe von 27.872,47 Euro und ein "Variables Kapital W." in Höhe von 0 Euro zu ersehen sei, könne er nicht beantworten, da die Bilanz nicht von ihm stamme. Aus seiner Sicht hätten die Konten jeweils mit -12.215,13 Euro und 40.087,60 Euro (Bw.) abgeschlossen werden müssen.
Darüber befragt, ob es einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Grund gegeben habe, den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 1.1.2003 bis 10.4.2003 den variablen Kapitalkonten der beiden Gesellschafter zu je 50% zuzuschreiben, gab der Zeuge an, dass es sich dabei um einen Irrtum gehandelt habe, der im Vorverfahren ohnehin bereits berichtigt worden sei.
Die an ihn gerichtete Fragen: "Wurde Ihnen irgendwann in der Zeit, während der Sie mit buchhalterischen Aufgaben für die Fa. X.G. und W. OEG betraut waren, bekannt, dass die Gesellschafter von der mit Gesellschaftsvertrag vom 18.1.1999 vereinbarten Gewinn -bzw. Verlustverteilung abweichen wollte? Stand irgendwann zur Diskussion, dass nur einer der beiden Gesellschafter den laufenden Gewinn aus der Zeit von 1.1.2003 bis 10.4.2003 erhalten sollte?", verneinte der Zeuge ausdrücklich.
In der Folge übermittelte der Zeuge dem Finanzamt seinen handschriftlichen Entwurf der seinerzeitigen Bilanz. Die sich daraus ergebende Frage, weshalb der Bw. bei einem Kapitalkontenstand von rund 40.000 Euro im Zeitpunkt seiner Abschichtung bereit gewesen war ohne Abfindung auszuscheiden, beantwortete der Zeuge: "Bei dem variablen Kapitalkonto von 40.087,60 Euro des Bw. zum Stichtag 10.4.2003 ist einzuräumen, dass es sich bloß um den rechnerischen Kontenabschluss handelt. Während der Periode zum 1.1.2003 bis 10.4.2003 standen zur Einbuchung der Entnahmen nur Bankauszüge zur Verfügung; die daraus ersichtlichen Barbehebungen sind von mir in jedem Fall dem Gesellschafter G. angelastet worden, weil eine korrekte Differenzierung erst im Rahmen der Bilanzerstellung hätte vorgenommen werden sollen. Dazu ist es nicht mehr gekommen, weil Herr W. zu Auskünften nicht mehr zur Verfügung gestanden ist und Herr G. nicht mehr ausreichend Auskunft über die Entnahmen geben konnte."
Die Frage, ob das Finanzamt daraus die Schlussfolgerung ziehen müsse, dass die betragliche Richtigkeit der Kapitalkontenstände zum Stichtag 10.4.2003 von vornherein in Frage zu stellen sei, wurde vom Zeugen bejaht ("Ja, aus den in der Bilanz ersichtlichen Kapitalkontenständen zum Stichtag 10.4.2003 können keine unmittelbaren Schlussfolgerungen für die Besteuerung gezogen werden.").
Die Unterlagen des Ermittlungsverfahrens wurden zusammen mit der im fortgesetzten Verfahren nunmehr offenen Berufung neuerlich dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Daraufhin wurden die mit dem zweiten Gesellschafters und dem Zeugen aufgenommenen Niederschriften dem Bw. zur Stellungnahme weiter geleitet.
In seiner Replik kritisierte der Bw., dass er keinen Einfluss auf die buchhalterische Behandlung der X. G. & W. OEG gehabt hätte, da ab 1.1.2003 alle Gebarungen dieser Firma ausschließlich von Herrn G. durchgeführt worden seien. Der Wert seiner Anteile habe 0 Euro betragen, "dieser Wert ergibt sich eben dadurch, dass die laufenden Gewinne nicht ihm, sondern Herrn G. zugerechnet wurden bzw. wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, hätte man ihm die Gewinne zugerechnet, hätte er einen positiven Buchwert, der bei einer Abgeltung mit 0 Euro einen entsprechenden Veräußerungsverlust darstellen würde ." Mit anderen Worten formulierte der steuerliche Vertreter des Bw. dies auch am Ende seiner Replik: "Ein Wert von 0 Euro für die Beteiligung konnte sich nur dann ergeben, wenn wie von Herrn W. dargestellt wurde, ihm kein Gewinnanteil für 2003 zugeflossen ist. Sollte wie Herr G. behauptet, der Gewinn nach der ursprünglichen gesellschaftsvertraglichen Regelung aufgeteilt worden sein, hätte sich für Herrn W. ein positiver Buchwert ergeben, der bei einer Abtretung um 0 Euro zu einem entsprechenden Veräußerungsverlust geführt hätte, der nach § 24 EStG zu berücksichtigen ist."
Ausdrücklich bestätigte der Bw. in seinem Schriftsatz die Richtigkeit der Bilanz zum 10.4.2003, da sich dieses Kapitalkonto unter der Voraussetzung ergebe, dass ihm kein Gewinnanteil zugerechnet worden sei. Mehrmals wies er auf den Umstand hin, Herrn R. nie mit der Durchführung der Buchhaltung betraut zu haben und übte Kritik an dessen Naheverhältnis zu Herrn G..
Über die Berufung wurde erwogen:
Im fortgesetzten Verfahren war zu klären, auf welche Weise der Betrieb der Gesellschaft beendet wurde, welchen Einfluss die Beendigung auf die Kapitalkonten der Gesellschafter hatte und wie das Ergebnis des Jahres 2003 in der Realität auf die beiden Gesellschafter verteilt wurde.
In einem sehr aufwändigen Ermittlungsverfahren ist das Finanzamt den Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes gerecht geworden und hat mit äußerster Sorgfalt versucht den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Aus den der Behörde zur Verfügung gestellten spärlichen Unterlagen und aus der Beantwortung der präzis gestellten Fragen kann jedoch von nachstehendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ausgegangen werden.
Durch das Ermittlungsverfahren konnten die jeweiligen Verfasser der zu den Erklärungen abgegeben Beilagen eindeutig festgestellt werden: Die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die variablen Kapitalkonten wurden vom Buchhalter des Herrn G. wie in der vorangegangenen Jahren auf Grund der (in der Zwischenzeit nicht mehr) vorliegenden Unterlagen verfasst. Dieser gab auch an, dass es zur Erstellungen einer Endbilanz auf Grund der Auflösung nicht mehr gekommen sei. Eine vorläufige Bilanz wurde jedoch vorgelegt. Die als Beilage abgegebene Bilanz wurde vom Bw. selbst erstellt.
Die Frage, ob noch offene Quotenforderungen zu berücksichtigen seien, wurde ebenfalls eindeutig geklärt: Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Formulierung unter Punkt III der Vereinbarung vom 10. April 2003, "Die Vertragsparteien halten fest, dass aus dem abgeschlossenen Zwangsausgleich noch eine Quotenforderung zu Gunsten P.K. in Höhe von 3.270,28 Euro sowie zu Gunsten der Steiermärkischen Bank & Sparkassen AG laut deren Schreiben vom 6.2.2003, das den Vertragspartnern bekannt ist, von insgesamt 24.702,06 Euro unberichtigt ist.", irreführend ist. Nunmehr stellte sich heraus, dass es sich bei der Verbindlichkeit in Höhe von 3.270,28 Euro nicht um eine Quotenverbindlichkeit, die in der Bilanz zu erfassen gewesen wäre, sondern um eine private Verbindlichkeit des Bw. handelt, die steuerlich irrelevant ist.
Ausdrücklich bestätigt wurde von beiden Gesellschaftern auch, dass alle Folgen des Zwangsausgleiches bereits im Jahr 2002 Berücksichtigung gefunden haben.
Die Behauptung des Bw. in der Berufung, bereits im Jahr 2002 seine Tätigkeit eingestellt zu haben, widerspricht der Darstellung des Sachverhaltes des zweiten Gesellschafters in seiner Vorhaltsbeantwortung vom 10. März 2003 ("Im ersten Quartal des Jahres 2003 haben wir unsere übliche Geschäftstätigkeit fortgesetzt."). In seiner dazu ergangenen Stellungnahme nimmt der Bw. diese Aussage nunmehr unwidersprochen hin. Für die Version, dass die Gesellschafter beschlossen hätten, im Jahr 2003 noch alle offenen Aufträge zu beenden, spricht aber auch das vom Bw. vorgelegte Schreiben vom 3. Februar 2005 des seinerzeitigen Masseverwalters, in dem er bestätigt, den Entschluss der Gesellschafter erst kurz vor dem 17. März 2003 mitgeteilt bekommen zu haben.
Übereinstimmend beantwortet wurden die Fragen im Vorhalt des Finanzamtes vom 13. April 2008 nach dem Zeitraum der Gewinn- und Verlustrechnung, der AfA, und ob in der Gewinn- und Verlustrechnung ausschließlich laufende Geschäftsfälle erfasst worden seien. Beide Gesellschafter haben dazu übereinstimmend ausgesagt, dass ausschließlich die laufenden Geschäftsfälle des Rumpfzeitraumes 1.1.2003 - 10.4.2003 erfasst werden sollten. Keiner der Gesellschafter hat die Richtigkeit der dort enthaltenen Daten angezweifelt. Aus der übereinstimmenden Antwort, dass es sich bei dem Gewinn nur um die Erfassung der laufenden Geschäftsfälle gehandelt habe, ergibt sich als Konsequenz, dass - falls nichts Anderes vereinbart, wie in weiterer Folge zu überprüfen sein wird - der Gewinn grundsätzlich im Verhältnis 60:40 aufzuteilen ist.
Die Frage nach den Verwertungshandlungen und einer allfälligen Übernahme ins Privatvermögen wurde von beiden Gesellschaftern verneint.
Naturgemäß divergierend wurde die Frage hinsichtlich der Gewinnaufteilung beantwortet.
Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind. Diese Regelung des § 188 BAO dient in besonderer Weise der Streitvermeidung. Im Steuerrecht richtet sich die Gewinnverteilung grundsätzlich nach der Vereinbarung. Dieser Grundsatz gilt aber nicht - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. November 2007 ausgeführt hat -, wenn einem Gesellschafter tatsächlich ein höherer als der gesellschaftsvertraglich vorgesehene Gewinnanteil zukommt. Das kann jedoch nur dann zutreffen, wenn sich aus der Entnahmesituation klar und deutlich eine andere Gewinnverteilung ableiten lässt.
Um dies zu verifizieren, wurden vom Finanzamt Ermittlungen dahingehend getätigt, ob im vorliegenden Fall das Entnahmeverhalten zu einer anderen Zuweisung des Ergebnisses des Rumpfwirtschaftsjahres führen hätte können. Zu diesem Zweck wurde versucht, etwaige Entnahmen von der Wurzel her zu überprüfen.
Dazu boten sich mehrer Möglichkeiten an, nämlich die Befragung der betroffenen Parteien und die Hinterfragung der Buchungen als Dokumentation des Vorganges.
Im Ermittlungsverfahren ergab sich jedoch das Problem, dass weder die Parteien, noch der mit der Buchhaltung befasste und dazu befragte Zeuge konkrete Angaben machen konnten. Letztgenannter bestätigte vielmehr, dass die vorliegende Kapitalkontenentwicklung keine Aussagekraft bezüglich der Verteilung auf die beiden Gesellschafter hat, da die Entnahmebuchungen willkürlich erfolgt sind und es sich nicht mehr fest stellen lässt, wem die Entnahmehandlungen zu Gute gekommen sind.
Der Unabhängige Finanzsenat muss somit im vorliegenden Fall von der Tatsache ausgehen, dass es trotz umfangreicher Ermittlungen keine Beweismittel (mehr) gibt, die die Entnahmehandlungen ausreichend konkretisieren könnten.
Dem Bw. ist zuzustimmen, dass das Nichtvorhandensein von Buchungsunterlagen etc. viele Vermutungen offen lässt. Diese Tatsache allein gilt jedoch noch nicht automatisch als Beweis für die Annahme eines anderen Sachverhaltes. Wie bereits erwähnt, hat der Buchhalter ausgesagt, dass das Kapitalkonto im vorliegenden Fall nicht aussagekräftig ist, denn er habe die Entnahmen in Unkenntnis der wirtschaftlichen Wahrheit gebucht. Entgegen der Auffassung des Bw. lässt sich jedoch nicht bereits deshalb ein anderer Sachverhalt annehmen, weil keine Belege vorhanden sind oder auch nur nicht zur Verfügung gestellt werden.
Der diesbezüglich vom Bw. geübten Kritik muss entgegengehalten werden, dass ihm als Gesellschafter sehr wohl Kontrollrechte zustehen, die aber offensichtlich von ihm nicht ausgeübt wurden. Es wäre ihm durchaus zuzumuten gewesen, seinen Standpunkt rechtzeitig durchzusetzen und für eine Beweissicherung zu sorgen. Nicht von Bedeutung dabei ist der vom Bw. gerügte Umstand, dass er keinen Auftrag zur Führung der Bücher an Herrn R. erteilt hätte.
Fest steht, es gibt keine Buchungen, aber auch keine Belege, als Beweise für ein Entnahmeverhalten, das ausreichen könnte, um zu einer abweichenden Gewinnverteilung zu kommen.
Der Bw. entgegnet im Schriftsatz vom 29. April 2008 nun lapidar: "Der Rechtsgrund für die Änderung der Gewinnverteilung ist, wie bereits mehrfach dargestellt wurde, eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern. Die Vereinbarung wurde mündlich abgeschlossen, da in Österreich Formfreiheit bei Verträgen besteht, ist auch eine mündlich abgeschlossene Vereinbarung rechtsgültig."
Vom Unabhängigen Finanzsenat wird die Formfreiheit von Verträgen in keiner Weise bestritten. Gerade bei mündlich abgeschlossenen Verträgen ist jedoch nicht die bloße Behauptung, es sei ein mündlicher Vertrag abgeschlossen worden, ausreichend, sondern es müssen die wesentlichen Punkte der Vereinbarung nach außen hin dokumentierbar sein. Dem Bw. kommt die Beweislast zu, schriftlich darzutun, was und wann sich etwas geändert hat, bzw. welche Punkte gleich geblieben sind. Nur dann wäre eine Auseinandersetzung mit seinem Begehren überhaupt erst möglich gewesen. Die bloße Behauptung kann nicht ausreichen, um einen anderen, als in einer schriftlichen Vereinbarung (hier: Gesellschaftsvertrag vom 18. Jänner 1999) festgehaltenen Sachverhalt anzunehmen.
Der Gewinn für den Zeitraum 1.1.- 10.4.2003 erfasst einen Zeitraum, in dem die beiden Gesellschafter beschlossen hatten, sich zu trennen. Es sollten, wie aus der Vorhaltsbeantwortung vom 10. März 2008 ersichtlich, "nur noch die offenen Geschäftsfälle abgeschlossen werden." Weitere darüber hinausgehende Vereinbarungen wurden nicht getroffen. Dem Ersuchen des Finanzamtes, die realen Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zum Stichtag 10.4.2003 offen zu legen, um ersehen zu können, ob (fremdübliches Verhalten vorausgesetzt) Abschichtungszahlungen geboten gewesen wären und der eine oder andere Gesellschafter bei der Auseinandersetzung bevorzugt werden hätte sollen, wurde einhellig dahingehend beantwortet, dass in den Aktiven praktisch keine stillen Reserven vorhanden gewesen seien. Beide Gesellschafter gehen - wie die Ermittlungen ergeben haben - davon aus, dass der Wert des Gesellschaftsanteils des Bw. mit Null anzusehen sei. So gibt der steuerliche Vertreter des Bw. (Schriftsatz vom 25. Februar 2008) dazu an: "Die abgeschlossene Vereinbarung zur Auflösung der Gesellschaft wurde zu dem Zeitpunkt getroffen, wo nach objektiven Kriterien davon auszugehen war, dass der Anteil von Herrn W. einen Wert von € 0,00 aufweist." Dementsprechend führt Herr G. (Niederschrift vom 10. März 2008) aus: "Wir sind damals davon ausgegangen, dass der reale Wert des Gesellschaftsanteils von Herrn W. +/- € 0 betragen hat. Unter der Annahme einer Hälftebeteiligung an den Aktiva und Passiva kann diese Ansicht durchaus vertreten werden, weil ja die Rückzahlung der Verbindlichkeit an die Stmk. Bank mit entsprechenden weiteren Zinsendiensten verbunden ist." Wie das Finanzamt zutreffend festgestellt hat, hätte sich eine Auswirkung nach § 24 EStG 1988 für den Ausscheidenden - trotz grundsätzlicher Entgeltlichkeit des Vorganges - kaum ergeben können.
Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nicht hervorgekommen, dass eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gewinnverteilung vereinbart gewesen oder tatsächlich gehandhabt worden sei. Das Vorliegen eines Sondergewinnes wurde von den Gesellschaftern ausdrücklich negiert und kann sich auf Grund der aufgezeigten Werteäquivalenz nicht stellen. Somit hat für die Verteilung des Gesellschaftsgewinnes auf die Gesellschafter die schriftlich abgeschlossene Vereinbarung vom 18. Jänner 1999 Gültigkeit.
Wie schon bereits das Finanzamt aufgezeigt hat, kann die Bestimmung des § 24 Abs. 2 EStG 1988 das negative Kapitalkonto betreffend nicht mit umgekehrten Vorzeichen gesehen werden. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsentwicklung. § 23a EStG 1972 lag die Überlegung zugrunde, dass der Wegfall der einen Kommanditisten mit negativen Kapitalkonto treffenden bedingten Auffüllungsverpflichtung - wirtschaftlich betrachtet - einen betrieblich veranlassten Vermögensvorteil darstellt. Die Ausgangssituation war somit die Verlustzuweisung an beschränkt haftende Gesellschafter. Daraus lässt sich aber ableiten, dass die Bestimmung, die im § 24 Abs. 2 EStG 1988 Eingang gefunden hat, auf Grund ihres Zweckes und ihrer eindeutigen Wortwahl nicht umgekehrt interpretiert werden kann.
Es war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 6. Februar 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |