Dienstgebereigenschaft
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/13/0243 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 20.11.2012 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0850-G/12 erledigt.
Anmerkungen:
Vgl. RV/1593-W/08 (anderer Sachverhalt)
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat im Senat über die Berufung des Berufungswerbers, vertreten durch Mag. Franz Kienast, 1020 Wien, Praterstr. 17, vom 27. November 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 24. Oktober 2006 betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide der Jahre 2000, 2001, 2002 und 2003 werden aufgehoben. Der Bescheid 2004 wird auf € 54,05 (€ 49,27 DB und € 4,78 DZ) abgeändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw) besitzt einen Gewerbeschein zur "Vermittlung von Werkverträgen für Personen, die nach den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes zur freiberuflichen Ausübung des Krankenpflegefachdienstes (§ 5 Krankenpflegegesetz) berechtigt sind, sowie für Institutionen, die Krankenpflege anbieten und im Rahmen dieser Tätigkeit Pflegehelfer bzw. Pflegehelferinnen zur Verfügung stellen (§ 52 Abs 5 Krankenpflegegesetz)". Auf Basis dieses Gewerbescheins schloss der Berufungswerber mit diversen Krankenhäusern und Pflegeheimen Verträge ab, denen zufolge er diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal bei Personalbedarf vermittelte.
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben durch Organe der Gebietskrankenkasse des Zeitraumes 10/2000 bis 12/2004 wurde festgestellt, dass in tatsächlicher Hinsicht keine Vermittlung einer freiberuflichen Tätigkeit des Pflegepersonals, sondern eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Das Finanzamt erließ (nach Aufhebung und Zurückverweisung der ursprünglichen Haftungs- und Abgabenbescheide vom 10. Juni 2005 wegen fehlender Bescheidbegründung) am 27. November 2006 die nunmehr angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2000 - 2004.
Der Bescheidbegründung ist dazu folgendes zu entnehmen:
Verschiedene Krankenhäuser/Pflegeheime würden dem Bw ihren Bedarf an Pflegepersonal, sowie den Bedarfstag und die genaue Arbeitszeit mitteilen. Vom Bw würde dann Pflegepersonal zur Verfügung gestellt, das vor allem dem Abdecken von Personalmangel in Notsituationen diene. Die geleisteten Dienste seien dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim vom Bw in Rechnung gestellt worden. Die Entlohnung der Pflegekräfte erfolge nach geleisteten Stunden, wobei das Entgelt ausschließlich durch den Bw ausbezahlt würde. Zu einem Geldfluss zwischen dem jeweiligen Krankenhaus und den überlassenen Pflegekräften sei es nie gekommen. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der zu verrichtenden Arbeiten kein Unterschied zwischen den Poolschwestern und den angestellten Schwestern bestehe. Das Poolpersonal habe sich an der Dienstübergabe aktiv zu beteiligen. Anschließend erfolge die Dienstzuteilung durch das Stammpersonal. Bei seinen Tätigkeiten unterliege das Poolpersonal den Weisungen und der Kontrolle durch die Stationsleitung und das Stammpersonal. Sämtliche Betriebsmittel wären durch die Krankenhäuser zur Verfügung gestellt worden.
Nach der Beurteilung sämtlicher Umstände seien die Voraussetzungen für das Vorliegen von Dienstverhältnissen klar gegeben. Unter Verweis auf den VwGH (Erk. vom 20.12.1972, 2340/71) wurden dem Bw die lohnabhängigen Abgaben mittels Haftungs- und Abgabenbescheiden vorgeschrieben, da bei der Überlassung von Arbeitskräften an Dritte, derjenige als Arbeitgeber anzusehen ist, der die Arbeitnehmer dem Dritten überlassen hat und sie entlohnt (Überlasser), und nicht jener (Beschäftiger), der diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb zur Arbeitsleistung einsetzt. Bei der Arbeitskräfteüberlassung treffen daher die steuerlichen Verpflichtungen des Arbeitsgebers den Überlasser von Arbeitspersonal.
Mit der Berufung beantragte der Bw die Aufhebung der angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheide (mit Ausnahme einer Rechendifferenz) und führte dafür im wesentlichen folgende Gründe an:
Zwischen dem Bw und dem von ihm vermittelten Pflegepersonal bestünde kein Dauerschuldverhältnis. Vielmehr handle es sich um eine Vielzahl von Werkverträgen, allenfalls freien Dienstverträgen, da die Pooldienstleistung nicht auf Dauer ausgerichtet, sondern jeweils mit Erfüllung der Pflegedienstleistung abgeschlossen und erfüllt sei. Auch die Erbringung der Pflegeleistungen in mehr als einem Krankenhaus lasse auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen. Die für ein Arbeitsverhältnis typischen Merkmale wie z.B. die Weisungsgebundenheit oder persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit seien nicht gegeben. Das vermittelte Pflegepersonal handle eigenständig und eigenverantwortlich. Es bestehe keine Pflicht zur persönlichen Arbeitserbringung, bei Dienstverhinderung könne ein geeigneter Vertreter bestimmt werden. Das Risiko sei vom verhinderten Poolpersonal zu tragen. Das Pflegepersonal habe die Möglichkeit die durch den Berufungswerber angebotenen Dienste sanktionslos abzulehnen. Bei angenommenen Diensten sei das Pflegepersonal nicht aus der persönlichen Abhängigkeit, sondern aus den allgemeinen Vertragsgrundsätzen (pacta sunt servanda) ab dem Zeitpunkt der Zusage zur Einhaltung von Arbeitszeit- und Arbeitsort verpflichtet. Bezüglich des geleisteten Entgelts liege zwar kein direkter Geldfluss zwischen vermittelter Stelle und Pflegepersonal vor, jedoch sei der Beschwerdeführer auch nur mit bloßer Inkassobevollmächtigung ausgestattet worden. Der Bw biete dem Poolpersonal keine regelmäßigen Angebote und kein regelmäßiges Einkommen. Ihn treffe keine Pflicht Personal zu vermitteln, zu beschäftigen und auch ohne eine entsprechende Leistung zu bezahlen. Da das vermittelte Personal weder im Auftrag noch auf Rechnung des Beschwerdeführers handle, seien die notwendigen Merkmale für eine Arbeitskräfteüberlassung nicht erfüllt.
Im Zuge der Beweisaufnahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung ergaben sich noch folgende entscheidungswesentliche Umstände:
Die Verträge zwischen den Krankenhäusern/Pflegeheimen und dem Bw betreffend Vermittlung von Pflegepersonal wurden mündlich abgeschlossen. Die jeweiligen Auftraggeber wandten sich an den Bw, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt Bedarf an Pflegekräften hatten. Nach Benennung der Pflegekräfte vereinbarten die Krankenhäuser/Pflegeheime mit diesen Zeit und Ort der zu leistenden Dienste. Inhalt der Verträge zwischen dem Bw und den Krankenhäusern/Pflegeheimen war (nur), dass der Bw bei Bedarf "Leute vermitteln würde". Dafür war von den Krankenhäusern/Pflegeheimen eine Vermittlungsprovision zu zahlen. Diese mündlichen Abmachungen finden ihren Niederschlag in den Abrechnungen des Berufungswerbers: Die einzelnen Schwestern/Pfleger stellten dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim eine Rechnung über die geleisteten Dienste aus und beauftragten den Bw, die Rechnung an den Rechnungsempfänger weiterzuleiten, die Rechnungssumme in ihrem Namen zu kassieren und anschließend auf ihr Bankkonto zu überweisen. Dementsprechend war die Rechnung auch als "Rechnung/Inkassoauftrag" bezeichnet. Der Bw stellte den jeweiligen Krankenhäusern/Pflegeheimen seine Vermittlungsprovision zuzüglich USt in Rechnung und behandelte die Honorarforderungen der Schwestern/Pfleger als "durchlaufende Posten". Diese Vorgangsweise wurde auch im Zuge einer Umsatzsteuernachschau des Zeitraumes 1/2000 - 6/2001 vom Finanzamt als richtig anerkannt (keine Umsatzsteuerbarkeit der weitergeleiteten Honorare).
Im Zuge der Beweisaufnahme erläuterte der Bw auch, dass ihm bekannt sei, dass die von ihm vermittelten Schwestern/Pfleger ihre Einkünfte beim jeweiligen Wohnsitzfinanzamt (zT unaufgefordert, zT erst nach Aufforderung durch das Finanzamt) erklärt und versteuert hätten. Der Bw wies diesbezüglich darauf hin, dass 95% der von ihm vermittelten Pflegekräfte in einem Dienstverhältnis zu einem Krankenhaus stünden und die von ihm vermittelte Tätigkeit in ihrer ansonsten arbeitsfreien Zeit erledigten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im Verfahren, ob zwischen dem Bw und dem Pflegepersonal ein Dienstverhältnis besteht. Maßgeblich für die steuerliche Beurteilung sind dabei nicht allein die vertraglichen Abmachungen, sondern das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit, wobei auch die im Wirtschaftsleben übliche Gestaltungsweise mit einzubeziehen ist (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184; VwGH 20.12.2000, 99/13/0223).
Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung gewann der Berufungssenat die Überzeugung, dass sich der wahre wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen zwischen dem Bw und den Pflegekräften in den (Ausgangs)Rechnungen des Bw widerspiegelt: Die Pflegekräfte haben ihre Abrechnungen mit dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim vorgenommen wobei der Bw nur als Inkassobevollmächtigter tätig wurde. Seine Leistung, nämlich die Vermittlung der Arbeitskräfte, hat er gesondert verrechnet. Dieser Eindruck wird auch durch die Erhebungen des Finanzamtes gestützt, das im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau des Zeitraumes 1/2000 bis 6/1001 die Abrechnung als richtig beurteilt hat. Der unabhängige Finanzsenat sieht damit keinen Grund, den Sachverhalt in wirtschaftlicher Betrachtungsweise anders zu interpretieren, als es der Bw getan hat.
Die vom Bw vermittelten Pflegekräfte stehen nach der Sachlage in keinem Dienstverhältnis zum Bw, weil sie diesem nicht ihre Arbeitskraft schulden (die er in weiterer Folge einem Dritten überlassen könnte). Ob sie zu einem anderen Auftraggeber in einem Dienstverhältnis stehen, ist nicht Sache dieses Verfahrens.
Graz, am 07. Oktober 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Poolschwestern, Arbeitskräfteüberlassung |