UFS RV/0508-I/06

UFSRV/0508-I/0613.8.2008

Keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung von DB und DZ im Hinblick auf eine Änderung der Rechtsauslegung durch den VwGH

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Kuster und Stampfer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m. b. H., 6020 Innsbruck, Egger-Lienz-Straße 2, vom 17. Juli 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom 4. Juli 2006 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

1.1. Die Berufungswerberin (kurz Bw.) ist Komplementär-GmbH der durch eine Umgründung im Jahr 2000 aus der X-KG hervorgegangenen X- GmbH & Co. KG. Bis 1. 11. 2007 besorgte die Bw. die Geschäftsführung der X- GmbH & Co. KG. Seit 1. 11. 2007 ist die X-Beteiligungs GmbH zur selbständigen Vertretung der X- GmbH & Co. KG befugt.

Bei einer Lohnsteuerprüfung für die Jahre 2001 bis 2005 wurde festgestellt, dass für die Bezüge des an der Bw. zu 83,33 % beteiligten Geschäftsführers Mag. R. keine Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen einbehalten und an das Finanzamt abgeführt worden waren. An Geschäftsführerentgelt stellte der Prüfer 233.684,98 € (2001), 258.821,55 € (2002), 231.776,61 € (2003), 335.554,36 € (2004) und 439.638,72 € (2005) fest. Von diesen Bezügen wurden die Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen ermittelt und der Bw. mit rechtskräftigen Haftungs- und Abgabenbescheiden vom 8. 3. 2006 wie folgt vorgeschrieben:

Jahr

Dienstgeberbeitrag

Zuschlag zum DB

2001

10.515,82 €

1.191,79 €

2002

11.646,97 €

1.164,70 €

2003

10.429,95 €

1.019,82 €

2004

15.099,95 €

1.476,44 €

2005

19.783,74 €

1.934,41 €

1.2. Mit Eingabe vom 2. 5. 2006 beantragte die Bw. durch ihren steuerlichen Vertreter, diese Lohnabgaben gemäß § 236 BAO nachzusehen. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung der Frage, ob Bezüge von wesentlich beteiligten GmbH-Geschäftsführern dem Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag unterliegen, nicht nur eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus, sondern auch das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses sowie eine laufende Entlohnung von Bedeutung gewesen seien (VwGH 17.12.2003, 2001/13/0200). Im vorliegenden Fall spräche die einem Fremdvergleich standhaltende, im gesamten Prüfungszeitraum nachvollziehbar gehandhabte erfolgsabhängige Vergütung mit wesentlichen Schwankungen der Geschäftsführerbezüge des Mag. R. für das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses.

Mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. 11. 2004, Zl. 2003/13/0018, habe der Verwaltungsgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung insofern geändert, als nur mehr maßgeblich sei, ob der Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus der Gesellschaft eingegliedert sei.

Auf den vorliegenden Fall sei somit § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005, anwendbar, weil die Bw. im Hinblick auf die frühere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Rechtsformwahl anlässlich der im Jahr 2000 erfolgten Einbringung der X-KG in die X- GmbH & Co. KG darauf vertrauen habe dürfen, dass sich die steuerliche Belastung der vor der Umgründung nicht mit Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag belasteten Bezüge des vormaligen Komplementärs der X- KG bzw. nunmehrigen Geschäftsführers der Bw. (Mag. R.) nicht erhöhen werde.

Was die für das Jahr 2005 festgestellte Bemessungsgrundlage betreffe, werde darauf hingewiesen, dass diese zum überwiegenden Teil aus der im Kalenderjahr 2005 zugeflossenen "Tantieme des Wirtschaftsjahres 2003/04 (Bilanzstichtag 31.10.2004) besteht und somit noch dem Bereich der günstigeren VwGH-Judikatur kausal zuzurechnen wäre".

1.3. Das Finanzamt gab dem Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom 4. 7. 2006 keine Folge, weil es eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneinte. Dem Standpunkt der Nachsichtswerberin, der Rechtsformwechsel sei im Vertrauen auf die von ihr ins Treffen geführte Rechtsprechung bzw. unter der Annahme einer gleich bleibenden Steuerbelastung der Geschäftsführerbezüge des Mag. R. erfolgt, sei zu entgegnen, dass diesbezüglich "kein Vorteil zu erhoffen" gewesen sei, weil "in der Abgabenbelastung des Geschäftsführerbezuges auch bei Rechtsformwechsel...ohne Änderung der VwGH-Rechtsprechung keine Änderung eingetreten" wäre. Somit habe die Frage der Steuerbelastung der Geschäftsführerbezüge für die Änderung der Rechtsform nicht maßgeblich sein können, sondern seien andere Überlegungen - wie etwa Haftungsbeschränkungen oder die geringere Ertragsteuerbelastung einer GmbH bei gleichzeitiger Möglichkeit zur steuerfreien Gewinnthesaurierung - im Vordergrund gestanden. Weiters sei zu bedenken, dass der Geschäftsführerbezug bei einer GmbH eine Betriebsausgabe darstelle, bei einer KG hingegen nicht. Wenn somit die vermeintliche Dienstgeberbeitragsfreiheit der Geschäftsführerbezüge nicht ausschlaggebend für die Änderung der Rechtsform gewesen sei, sei auch kein nachsichtsfähiger Vertrauensschaden im hier maßgeblichen Sinn gegeben.

1.4. In der dagegen am 17. 7. 2006 erhobenen Berufung wurde zusammengefasst eingewendet, dass sehr wohl eine Vertrauensschutzverletzung gegeben sei, weil zwar nicht die Umgründung als solche, wohl aber die "Gestaltung der Umgründung" im Vertrauen auf eine Dienstgeberbeitragsfreiheit der Geschäftsführerbezüge erfolgt sei. Eingeräumt werde, dass eine Umgründung aus haftungsrechtlichen und sonstigen Gründen auf jeden Fall durchgeführt worden wäre, "allerdings nicht in jener Form, in welcher sich nun eine extreme Steuerbelastung der Geschäftsführerbezüge ergibt". Vielmehr wäre der Geschäftsführerbezug des Mag. R. über eine eigene "Geschäftsführungs-Komplementär-GmbH" im alleinigen Eigentum des Mag. R. abgewickelt worden, in welcher seine Bezüge ohne Lohnnebenkostenbelastung thesauriert werden hätten können. In diesem Fall hätten die ohnehin geringen Privatentnahmen für den eigenen Lebensbedarf (großteils auf Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge entfallend) ohne Steuerbelastung "vom bereits versteuerten Gewinn auf dem Verrechnungskonto der KG" getätigt werden können. Damit sei glaubhaft gemacht, dass die frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gestaltung der Umgründung beeinflusst habe, weshalb die Voraussetzungen für eine Nachsicht gegeben seien.

1.5. Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen

2.1. Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die nachsichtsgegenständlichen Abgaben wurden im April 2006 zur Gänze entrichtet, weshalb die Bestimmung des § 236 Abs. 1 BAO auf den Berufungsfall sinngemäß Anwendung findet (Abs. 2 leg. cit.).

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum, sondern der Antrag aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. z. B. VwGH 6.2.1990, 89/14/0285; VwGH 11.12.1996, 94/13/0047; VwGH 11.11.2004, 2004/16/0077).

Die Unbilligkeit der Einhebung kann persönlich oder sachlich bedingt sein. Nach § 3 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl II Nr. 435/2005, liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden. In der Literatur wird dazu vertreten, dass § 3 Z 1 der Verordnung in jenen Fällen von Bedeutung sei, in denen zwischen der Vornahme der abgabenrechtsrelevanten Dispositionen durch den Steuerpflichtigen und der Bescheiderlassung bzw. der Entrichtung einer Selbstbemessungsabgabe eine Änderung der Rechtsprechung eingetreten ist. Die Bestimmung sei daher so zu verstehen, dass abgabenanspruchsbegründende Dispositionen des Steuerpflichtigen, die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtsprechung gesetzt werden, durch eine Änderung dieser Rechtsprechung nicht berührt werden dürfen. Werde von der zuständigen Abgabenbehörde in Anlehnung an eine geänderte Rechtsprechung der Höchstgerichte ein Abgabenbescheid erlassen, der den Erwartungen des auf die Richtigkeit der alten Rechtsprechung vertrauenden Abgabenpflichtigen nicht entspreche, so könnten die nachteiligen Wirkungen dieses Bescheides durch Nachsicht beseitigt werden (vgl. Ehrke-Rabl, taxlex 2006, 328; Fischerlehner, SWK 2008, S 421 ff).

2.2. Im vorliegenden Fall wird als ausschließlicher Nachsichtsgrund ein schutzwürdiges Vertrauen auf Rechtsauslegungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Dienstgeberbeitragspflicht von Geschäftsführervergütungen wesentlich beteiligter GmbH-Geschäftsführer geltend gemacht. Die Bw. vertritt den impliziten Standpunkt, sie habe im Zuge der Einbringung der X- KG in die X- GmbH & Co. KG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bis zum Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10.11.2004, Zl. 2003/13/0018, vertrauen können, der zufolge die Einkünfte des Mag. R. aus der Geschäftsführervergütung - im Hinblick auf die Erfolgsabhängigkeit der Bezüge und das daraus resultierende Unternehmerrisiko - nicht dem Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zu unterwerfen gewesen seien.

2.3. Dieser Sichtweise vermag sich die Abgabenbehörde zweiter Instanz aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom 23.4.2001, 2001/14/0054 und 2001/14/0052, vom 10.5.2001, 2001/15/0061, vom 18.7.2001, 2001/13/0063 und vom 17.12.2003, 2001/13/0200, eine Auslegung der in der Vorschrift des § 41 Abs. 2 und 3 FLAG angeführten Bestimmung des § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 vorgenommen. Danach wurden Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 leg. cit. vom wesentlich beteiligten Geschäftsführer einer GmbH dann erzielt, wenn (auf die tatsächlichen Verhältnisse bezogen) feststand,

- dass der Gesellschafter-Geschäftsführer zufolge kontinuierlicher und über einen längeren Zeitraum andauernder Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft eingegliedert war,

- dass ihn unter Bedachtnahme auf die Einnahmen- bzw. Ausgabenschwankungen kein ins Gewicht fallendes Unternehmerwagnis traf, und

- dass er eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche, Entlohnung erhielt.

Nach dieser Judikatur war ein Unternehmerwagnis dann gegeben, wenn der Erfolg der Tätigkeit des Steuerpflichtigen weitgehend von seinen unternehmerischen Fähigkeiten und seinem Fleiß sowie von den Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens abhing und der Steuerpflichtige für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwendungen selbst aufkommen musste. Im Vordergrund dieses Merkmales stand, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen (unter zusätzlicher Berücksichtigung von Schwankungen bei nicht überwälzbaren Ausgaben) traf.

Die Bw. leitet aus der mit dem obigen Erkenntnis eines verstärkten Senates revidierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Dienstgeberbeitragsfreiheit der Geschäftsführervergütung des Mag. R. ab, indem sie das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses infolge wesentlicher Schwankungen der erfolgsabhängigen Geschäftsführertantieme behauptet. Die von der Bw. ins Treffen geführte Rechtsprechung, die zahlreiche Aussagen zu dem in den jeweiligen Beschwerdefällen in unterschiedlicher Weise behaupteten Unternehmerrisiko enthält, wurde in den Punkten 4.3.1. bis 4.3.4. des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 10. 11. 2004 einer eingehenden Analyse unterzogen. Dabei ist der Gerichtshof selbst zum Ergebnis gelangt, dass dem von der Rechtsprechung als zusätzlichem Hilfskriterium entwickelten Abgrenzungselement des Bestehens oder Fehlens eines Unternehmerrisikos bei der Betrachtung der Tätigkeit eines Gesellschafters für seine Gesellschaft in der praktischen Rechtsanwendung keine Bedeutung zugekommen ist, weil ein dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus der Geschäftsführungstätigkeit erwachsenes und rechtlich dieser Tätigkeit zuzuordnendes Unternehmerwagnis so gut wie nie erwiesen werden konnte (vgl. Pkt. 5.3. des Erk. v. 10.11.2004). Soweit ersichtlich, gibt es in der umfangreichen Rechtsprechung zu nahezu allen erdenklichen Sachverhaltskonstellationen keine einzige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Vorliegen eines Unternehmerrisikos bejaht worden wäre. Die Aufhebungsgründe in einigen wenigen Beschwerdefällen wurzelten lediglich in Unzulänglichkeiten der Bescheidbegründung (vgl. dazu auch UFSL 3. 4. 2007, GZ. RV/0983-L/06).

Im Nachsichtsverfahren ist nicht zu prüfen, ob den Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. tatsächlich ein Unternehmerwagnis getroffen hat, weil dieses Verfahren nicht dazu dient, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen, welche aufgrund der neuen Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein aussichtslos erschienen sein mögen, nachzuholen (vgl. z. B. Ritz, BAO3, § 236, Tz 14). Vielmehr wird das Nachsichtsverfahren durch die Tatsache entschieden, dass der Nachweis eines Unternehmerrisikos - auch vor dem Hintergrund der vor dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11.10.2004 maßgeblichen Rechtsprechung - in der Realität so gut wie ausgeschlossen war. Mit der bloßen Behauptung, durch erfolgsbedingte Schwankungen des Geschäftsführerhonorars des Mag. R. sei gerade im gegenständlichen Fall ein Unternehmerrisiko begründet worden, wird daher kein schutzwürdiges Vertrauen im Sinn des § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 dargetan. Dies umso weniger, als der Verwaltungsgerichtshof in jahrelanger Rechtsprechung immer wieder betont hat, dass Schwankungen der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers entsprechend der Ertragslage der Gesellschaft noch keinen Rückschluss auf eine tatsächliche Abhängigkeit der Bezüge vom Erfolg der Tätigkeit des Geschäftsführers zulassen (vgl. VwGH 19.23.2001, 2001/13/0091; VwGH 27.2.2002, 2001/13/0103; VwGH 27.3.2002, 2001/13/0071, 2001/13/0075 und 2001/13/0254; VwGH 28.11.2002, 2001/13/0117; VwGH 18.12.2002, 2001/13/0202 und 2001/13/0208; VwGH 30.10.2003, 2003/15/0089; VwGH 17.12.2003, 2003/13/0097; VwGH 21.1.2004, 2003/13/0135 VwGH 29.1.2004, 2004/15/0007; VwGH 24.2.2004, 2001/14/0062; VwGH 26.2.2004, 2001/15/0192).

In zahlreichen weiteren - im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. 10. 2004 angeführten - Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof ein in der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft gelegenes Unternehmerrisiko auch aus folgenden Gründen verneint:

- Gehaltsanpassungen auf Grund schlechter Ertragslage der Gesellschaft lassen noch keine auf die Geschäftsführertätigkeit bezogene Erfolgsbestimmtheit der Bezüge erkennen.

- Die jährlich steigende Höhe der Bezüge lässt noch keinen zwingenden Schluss auf deren Abhängigkeit vom Betriebserfolg des Unternehmens der Gesellschaft zu.

- Eine nachträglich zusätzlich zu einem Fixbezug gewährte Vergütung kann als Erfolgsprämie angesehen werden, wie sie auch bei Arbeitsverhältnissen vorkommt.

- Die Vereinbarung einer Sondertantieme für den Fall eines besonders guten Geschäftserfolges ist bei leitenden Angestellten nicht unüblich, was generell für die Vereinbarung erfolgsorientierter Entlohnungssysteme gilt, sodass der Bezug einer gewinnabhängigen Erfolgsprämie noch nicht zu einem Unternehmerrisiko führt.

- Das bloße Unterbleiben der Auszahlung zustehender Geschäftsführervergütungen stellt noch kein ausreichendes Indiz für die Erfolgsabhängigkeit der Vergütungen dar, sodass die Abhängigkeit der Auszahlung des Geschäftsführerbezuges von der Liquiditätslage der Gesellschaft auch kein Unternehmerwagnis begründet

- Das Vorliegen eines einnahmenseitigen Unternehmerwagnisses setzt voraus, dass ein Entlohnungssystem vorliegt, welches einen nachvollziehbaren Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Parametern der Gesellschaft herstellt.

- Eine für einen Teil der Geschäftsführerentlohnung bestehende Vereinbarung über die Abhängigkeit vom Erfolg der Gesellschaft bewirkt noch kein Unternehmerrisiko des Geschäftsführers und ein Schwanken der Jahresbezüge, das einen konkreten Zusammenhang zwischen der Höhe der Entlohnung und dem Betriebsergebnis der Gesellschaft nicht erkennen lässt, auch nicht.

Aus dieser restriktiven Judikatur musste für die Bw. bzw. ihren steuerlichen Vertreter unschwer zu erkennen sein, dass das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses durch die bloße Behauptung, die Bezüge des Mag. R. seien erfolgsbedingten Schwankungen unterlegen, keineswegs erweisbar gewesen wäre. Nur am Rande sei noch erwähnt, dass die von der Bw. ebenfalls angesprochene Fremdüblichkeit der Vergütungen nur für deren Betriebsausgabencharakter, nicht jedoch für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos von Bedeutung gewesen wäre. Somit ist im Nachsichtsverfahren letztlich offen geblieben, aufgrund welcher tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten die Bw. zur Annahme einer Dienstgeberbeitragsfreiheit der Geschäftsführerbezüge des Mag. R. berechtigt gewesen sein sollte. Der gegenteilige Standpunkt der Bw. findet auch in der früheren Rechtsprechung, welche die oben angeführten Abgrenzungsmerkmale für das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 noch als gleichwertig erachtete, keine Stütze

2.4. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass es in Wirklichkeit keine Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes war, auf welche die Bw. vertraut und daher Handlungen gesetzt hat, die sodann, weil sich diese Auslegung in der Folge geändert hat, einen Schaden der Bw. herbeigeführt hat. Vielmehr hat die Bw. aufgrund ihrer (unzutreffenden) subjektiven Interpretation der Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes Handlungen gesetzt, die letztlich zum behaupteten "Vertrauensschaden" geführt haben. Da es schon solcherart an den Voraussetzungen für eine Anwendung des § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 auf den Berufungsfall mangelt - (das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Richtigkeit seiner eigenen Rechtsanschauung wird durch diese Bestimmung nicht geschützt) -, kam es auf die von den Verfahrensparteien aufgeworfene Frage, ob und in welchem Umfang ein solcher Schaden entstanden ist, nicht mehr an.

Da das Finanzamt das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aus den dargelegten Gründen zu Recht verneint hat, war die Berufung abzuweisen.

Innsbruck, am 13. August 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Z 1 Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005

Schlagworte:

sachliche Unbilligkeit, Rechtsauslegung, Vertrauensschutz, subjektive Interpretation

Verweise:

Ehrke-Rabl, taxlex 2006, 328
Fischerlehner, SWK 2008, S 421 ff
VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018
UFS 03.04.2007, RV/0983-L/06

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