UFS RV/3082-W/07

UFSRV/3082-W/0715.1.2008

Aussetzung der Einhebung, Verhalten auf Gefährdung der Einbringlichkeit

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., vertreten durch Z&P Steuerberatungs GmbH, 2351 Wiener Neudorf, Triesterstraße 14, vom 14. und 16. August 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom 31. Juli 2007 betreffend Aussetzungsantrag gemäß § 212a BAO entschieden:

I.

Der Berufung vom 14. August 2007 wird stattgegeben und die Körperschaftsteuer 2001, Körperschaftsteuer 2002 Umsatzsteuer 2001, Umsatzsteuer 2002 Anspruchszinsen 2002, Säumniszuschlag 2002 und Säumniszuschlag 2003 im Gesamtbetrag von € 22.693.092,37 gemäß § 212a BAO von der Einhebung ausgesetzt.

II.

Die Berufung vom 16. August 2007 wird als unbegründet abgewiesen.

Aus Anlass der Berufung wird der Spruch des den Antrag vom 14. Mai 2007 auf Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuervorauszahlungen 2007 abweisenden Bescheides vom 31. Juli 2007 insofern geändert, als dieser Antrag anstatt abgewiesen nunmehr gemäß § 212a Abs. 3 BAO zurückgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

In der Berufung vom 28. Februar 2007 gegen die betreffenden Grundlagenbescheide beantragte die Berufungswerberin (Bw.) gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung folgender Abgaben:

Körperschaftsteuer 2001

€ 802,09

Körperschaftsteuer 2002

€ 949,57

Umsatzsteuer 2001

€ 2.029.929,65

Umsatzsteuer 2002

€ 20.216.369,23

Anspruchszinsen 2002

€ 115,86

Säumniszuschlag 2002

€ 40.598,59

Säumniszuschlag 2003

€ 404.327,38

Gesamt

€ 22.693.092,37

Mit Schreiben vom 14. Mai 2007 beantragte die Bw. weiters gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2007 bis zum Abschluss des derzeit laufenden Prüfungsverfahrens.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2007 wies das Finanzamt den Aussetzungsantrag vom 28. Februar 2007 ab, da gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen wäre, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet wäre. Im konkreten Fall bestehe ein Bankguthaben. Mit Aufdecken des Vorsteuerkarussells (Strafverfahren vor dem Straflandesgericht anhängig) wäre die Tätigkeit von Seiten der Bw. eingestellt worden, wodurch die Einbringlichkeit gefährdet wäre, da kein Vermögen hinzu-, jedoch Vermögen vom Bankkonto abfließen würde.

Mit weiterem Bescheid vom 31. Juli 2007 wies das Finanzamt auch den Aussetzungsantrag vom 14. Mai 2007 ab, da gemäß § 212a BAO die Einhebung der Abgabe, deren Höhe mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, insoweit auszusetzen wäre, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einem Bescheid, der von einem Anbringen abweiche oder dem kein Anbringen zu Grunde liege, zurückzuführen wäre, höchstens jedoch in dem Ausmaß, der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Auch wenn der Berufung vollinhaltlich stattgegeben werde, falle jedoch die Vorschreibung der Mindestkörperschaftssteuer für das Jahr 2007 nicht weg.

In der gegen den erstgenannten Bescheid am 14. August 2007 rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte die Bw. vor, dass sich das laufende Verfahren noch in der zweiten Instanz befinde. In der Berufung vom 28. Februar 2007 wäre gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung der durch erstinstanzliche Bescheide vom 1. Februar 2007 vorgeschriebenen Abgaben mit der Begründung beantragt worden, dass die angeführten Bescheide vollständig dem Grunde und der Höhe nach bekämpft würden und die in der vorangegangenen Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen und Schlüsse der Abgabenbehörde in keinster Weise geteilt oder nachvollzogen werden könnten. Da der Ausgang völlig ungewiss wäre, werde die Bewilligung der beantragten Aussetzung der Einhebung begehrt.

Bezüglich der in der Bescheidbegründung angeführten Punkte werde Folgendes entgegnet:

Die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit einer Abgabe mache die Aussetzung noch nicht unzulässig. Erst ein bestimmtes, auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen schließe die Bewilligung der Aussetzung aus (VwGH 29.6.1999, 98/14/01234). Auf das bestehende Bankguthaben hätte die Geschäftsführerin der Bw. auf Grund behördlicher Maßnahmen (Sicherstellungsauftrag der Abgabenbehörde vom 9. April 2003) keinen Zugriff. Deshalb wäre es auch nicht möglich, Geldmittel vom Bankguthaben abfließen zu lassen. Da sich die Behörde die vorhandenen Geldmittel bereits vorweg gesichert hätte, bestehe schon deshalb keine Gefährdung der Einbringlichkeit.

Darüber hinaus werde festgehalten, dass die Bw. seitens der Abgabebehörde zur Einstellung der Tätigkeit, eben durch diesen besagten Sicherstellungsauftrag, gezwungen worden wäre und es daher auf Grund dieses Umstandes der Bw. nicht möglich gewesen wäre, die Geschäftstätigkeit weiter zu führen und Erträge zu erwirtschaften.

Bezüglich des Strafverfahrens werde nunmehr zum wiederholten Male darauf hingewiesen, dass für die Bw. gemäß § 6 Abs. 2 FinStrG die Unschuldsvermutung gelte und die Abgabenbehörde nicht autorisiert wäre, Aussagen betreffend Schuld oder Unschuld der Abgabepflichtigen zu treffen, geschweige denn diese Aussagen als Begründung für die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung zu verwenden.

In der gegen den zweitgenannten Bescheid am 16. August 2007 rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Bw. aus, dass nach Verbuchung der Aussetzung der Einhebung des Gesamtbetrages von € 23.157.374,50 (€ 22.693.092,37 und die am 31. Juli in Höhe von € 464.282,13 festgesetzten Aussetzungszinsen) am Abgabenkonto ein Guthaben von € 37.339,20 verbleibe. Da gemäß § 212a Abs. 8 BAO Guthaben nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt wäre, verwndet werden dürften, werde der Antrag gestellt, das nach Verbuchung der Aussetzung der Einhebung verbleibende Guthaben zur Deckung der Mindestkörperschaftssteuervorauszahlungen für das Jahr 2007 heranzuziehen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

I.

Gemäß § 212a Abs. 2 BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,

a) insoweit die Berufung nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist.

Dem Einwand der Bw., dass die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit einer Abgabe die Aussetzung der Einhebung noch nicht unzulässig mache, sondern erst ein bestimmtes, auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten, ist beizupflichten, da der Gesetzeswortlaut des § 212a Abs. 2 lit. c BAO dies eindeutig normiert.

Unzutreffend ist der Einwand des Finanzamtes, dass das Verhalten des Abgabepflichtigen deshalb auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet wäre, da die Tätigkeit der Bw. eingestellt worden wäre, weshalb kein Vermögen mehr zufließen würde. Dabei übersieht die Abgabenbehörde erster Instanz nämlich, dass zwar der Geschäftsbetrieb wie von der Bw. auch einbekannt de facto eingestellt wurde, dass es jedoch nicht unerheblich sein kann, dass diese Einstellung durch den Sicherstellungsauftrag bzw. die daraufhin erfolgte Pfändung des Bankguthabens praktisch erzwungen wurde, da es der Bw. mangels Zugriffsmöglichkeit auf liquide Mittel schwer möglich war, die Geschäftstätigkeit weiter zu führen und Gewinne zu erwirtschaften.

Dass die Einstellung des Betriebes bereits vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages erfolgt wäre, hat die Abgabenbehörde erster Instanz nicht behauptet und geht auch aus dem Rechtsmittelverfahren hinsichtlich des Sicherstellungsauftrages nicht hervor. Aus der Berufungsvorentscheidung vom 12. Juli 2006 ist nämlich ersichtlich, dass in den Umsatzsteuererklärungen 2003 und 2004 lediglich geringe Umsätze in Höhe von € 319,48 und € 433,33 erklärt worden wären, weshalb nach Rechtsansicht des Finanzamtes auf eine Betriebseinstellung geschlossen werden könne. Diese Folgerung ist jedoch nicht schlüssig, da der Sicherstellungsauftrag bereits vom 9. April 2003 datiert.

Insofern sich die Argumentation der Abgabenbehörde I. Instanz darauf bezieht, dass lediglich Vermögen vom Bankkonto abfließe, ist diese ebenfalls verfehlt, da tatsächlich auf Grund der in Vollziehung des Sicherstellungsauftrages vom 9. April 2003 vorgenommenen Pfändung des Bankguthabens der Bw. jedwede Verfügungsgewalt darüber entzogen ist.

Wenn die Bw. moniert, dass gemäß § 6 Abs. 2 FinStrG die Unschuldsvermutung gelte, ist ihr beizupflichten, dass lediglich ein Verdacht auf steuerunehrliches Verhalten oder sogar auf Abgabenhinterziehung für sich allein nicht ausreicht, um ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtetes Verhalten zu bescheinigen. Der Ansicht des Finanzamtes, wonach sich aus der Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugssystem (welche von der Bw. bestritten wird) ableiten lasse, dass damit die Gefährdung der Einbringung der betroffenen Abgaben verbunden wäre, kann ohne Hinzutritt von weiteren Sachverhaltselementen (wie ein Versuch, das Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen) schon deshalb nicht gefolgt werden, da sowohl die Nichtabfuhr der Umsatzsteuer als auch die Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuerbeträge darauf abzielen, rechtswidrig Vermögensvorteile zu erlangen.

Da ein aussetzungsschädliches Verhalten der Bw. nicht vorlag, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II.

Gemäß § 212a Abs. 3 BAO sind Anträge auf Aussetzung der Einhebung zurückzuweisen, wenn sie nicht die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages enthalten.

Da die Vorschreibung an Mindestkörperschaftssteuervorauszahlungen auch bei vollinhaltlicher Stattgabe der Berufung nicht wegfallen würde, hätte der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 3 BAO die Darstellung des für die Aussetzung in Betracht kommenden Betrages zu enthalten gehabt.

§ 212a Abs. 3 BAO stellt nicht darauf ab, dass dem Finanzamt die Ermittlung des gemäß § 212a Abs. 1 BAO für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages aus den vorliegenden Unterlagen möglich ist. Die Darstellung der Ermittlung dieses Betrages muss bei sonstiger Zurückweisung im Antrag enthalten sein (VwGH 18.2.1999, 97/15/0143; VwGH 14.3.1990, 89/13/0205; 28.1.1994, 91/17/0026 bis 0029 und 20.2.1996, 95/13/0022). Darunter ist eine durch Abgabenbescheid konkretisierte Abgabe, insoweit sie von einer Berufung gegen diesen Abgabenbescheid abhängt, zu verstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde der für die Aussetzung der Einhebung in Betracht kommende Betrag nicht einmal beziffert. Damit fehlt dem Antrag vom 14. Mai 2007 dieser gemäß § 212a Abs. 3 BAO wesentliche Inhalt und es hätte die Zurückweisung erfolgen müssen, weshalb daher der Spruch des den Antrag abweisenden Bescheides auf Zurückweisung abzuändern war.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 15. Jänner 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Aussetzung der Einhebung, Verhalten, Gefährdung, Betriebseinstellung, Umsatzsteuerbetrugskarussell, Darstellung

Stichworte