Widerruf der Aussetzung der Einhebung, Einstellung der Geschäftstätigkeit
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 2135/07 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29.11.2007 abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0131 eingebracht. Mit Erk. v. 26.01.2011 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0330-W/11 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch EWB Revisions und Treuhand GmbH, 1030 Wien, Traungasse 14, vom 21. Februar 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17, vertreten durch Mag. Silvia Pruckner, vom 1. Februar 2007 betreffend Widerruf der Aussetzung der Einhebung (§ 212a Abs. 5 zweiter Satz iVm § 294 BAO) im Beisein der Schriftführerin Edith Madlberger nach der am 3. Oktober 2007 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 1. Februar 2007 wurde die am 2. September 2003, 16. Dezember 2003 sowie 5. Juli 2006 bewilligte Aussetzung der Einhebung von Abgaben, nämlich Umsatzsteuer 1995, 1996, 1999, 2000 und 2001, Körperschaftsteuer 1993-2001, Gewerbesteuer 1993, Anspruchszinsen 2000 und 2001 sowie Pfändungsgebühren 2006 im Gesamtbetrag von € 5.181.875,96 widerrufen.
Begründend wurde nach Zitierung der entsprechenden Gesetzesstellen ausgeführt, dass die Aussetzung der Einhebung zu widerrufen gewesen wäre, da das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtete Verhalten der Berufungswerberin (Bw.) eine Änderung der bisherigen Verhältnisse bewirken würde.
Die Gefährdung werde daraus geschlossen, dass die dem Finanzamt bekanntgegebene Firmenadresse 2500 Baden,J-Platz , nicht auffindbar wäre. Weder auf den Postkästen noch auf den in Frage kommenden Wohnungstüren wäre ein Hinweis auf die Anwesenheit der Abgabepflichtigen vorgefunden worden. Eine Nachfrage beim zuständigen Postamt hätte ergeben, dass bis zum 31. Oktober 2006 ein Nachsendeauftrag an die Adresse 1020 Wien,P-Straße , bestanden hätte. An die Adresse 2500 Baden,J-Platz , wäre nach dieser Auskunft nie eine Postsendung zugestellt worden. Die im Firmenbuch angegebene Adresse 2500 Baden,H-Gasse , wäre die Wohnadresse des Geschäftsführers Dkfm. Mag. Dr.W.G. .
Laut Aussage des Geschäftsführers wäre bis dato keine Geschäftstätigkeit an der Adresse 2500 Baden,J-Platz , erfolgt und wäre im Jahr 2006 überhaupt keine Geschäftstätigkeit durchgeführt worden. Der Ausgang des Finanzverfahrens werde abgewartet; erst dann erfolge die Entscheidung, ob die Firma ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnehme.
Aus der vorliegenden Gewinn- und Verlustrechnung sowie vorläufigen Bilanz zum 31. Dezember 2006 wäre ersichtlich, dass bis zum 31. Oktober 2006 lediglich sonstige Erträge in Höhe von € 9.665,00 erwirtschaftet worden wären, kein Anlagevermögen vorhanden wäre, das Umlaufvermögen neben Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von € 22.747,11 im Wesentlichen aus einer Verrechnungsforderung von € 42.817,00 und Steuerforderungen von € 213.633,63 bestehe. Die Passiva wären überwiegend auf die steuerliche Außenprüfung zurückzuführen. Weiters würden Verrechnungsverbindlichkeiten in Höhe von rund € 437.000,00 ausgewiesen werden; die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und sonstigen Leistungen würden € 0,00 betragen. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit werde in der Gewinn- und Verlustrechnung 2006 mit - € 28.480,78 ausgewiesen.
Aus diesem Sachverhalt wäre zu erschließen, dass die Abgabepflichtige hier ein Verhalten an den Tag lege, das darauf abziele, bis zum Ausgang der Berufungsverfahren nicht als Eigentümerin von Betriebsvermögen aufzuscheinen sowie auch keinerlei Tätigleiten zu entwickeln, aus denen Forderungen entstehen könnten. Dies wäre als ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtetes Verhalten zu werten.
In der am 21. Februar 2007 rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte die Bw. vor, dass die Berufungen gegen die zugrundeliegenden Sachbescheide nach Lage des Falles keinesfalls wenig erfolgversprechend wären. Von Seiten der Gesellschaft liege entgegen den Ausführungen in der Bescheidbegründung kein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten vor. Darüber hinaus bestünden bei Stattgabe der Berufungen gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1992-1994 - wovon aus heutiger Sicht auszugehen wäre - ausreichende steuerliche Verlustvorträge, sodass es zu keiner Körperschaftsteuer kommen werde.
In der am 3. Oktober 2007 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung brachte der steuerliche Vertreter ergänzend vor, dass die Berufungen ab 1992 vom Unabhängigen Finanzsenat noch nicht erledigt seien, aber demnächst vom Referenten eine Erledigung zugeführt werden würden. Er wäre zuversichtlich, dass den Berufungen stattgegeben werde. Es werde der Ausgang der Berufungsverfahren abgewartet, erst dann werde die Geschäftstätigkeit wieder aufgenommen. Eine Gefährdung wäre deshalb nicht gegeben, weil dadurch kein Vermögen verschleudert werde.
Die Amtsbeauftragte stellte dazu fest, dass die Bw. offenbar nicht zahlen wolle, sollte sie im Unrecht sein, da sie lediglich im Falle eines Obsiegens ihre Tätigkeit wieder aufnehmen wolle. Dazu stellte der steuerliche Vertreter klar, dass es derzeit für die Bw. ein nicht darstellbares Risiko sein würde. Nach Befragen durch die Referentin erklärte der Vertreter, dass das Büro der Bw. sich tatsächlich an der Adresse J-Platz befinde. Da allerdings derzeit keine Geschäftstätigkeit ausgeübt werde, würden die dennoch für die GmbH notwendigen Arbeiten vom Privatwohnsitz H-Gasse ausgeübt werden.
Zu der von der Amtsbeauftragten monierten Überschuldung der Bilanz 2006 wandte der steuerliche Vertreter ein, dass diese allein auf Grund der Steuerverbindlichkeiten bestehen würde. Dazu führte die Amtsbeauftragte aus, dass neben den Nachforderungen auf Grund der steuerlichen Außenprüfung Verrechnungsverbindlichkeiten mit der A-GmbH vorhanden wären, weshalb die Bw. auch ohne die Finanzamtsverbindlichkeiten überschuldet wäre.
In der letzten Zeit wären lediglich Vorsteuern beantragt worden, so im Mai 2004 in Höhe von € 150.000,00. Dazu führte der steuerliche Vertreter aus, dass es sich dabei um Umsatzsteuerberichtigungen handle und auf Grund von uneinbringlichen Forderungen eines Geschäftspartners, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet und beendet worden wäre, zu berichtigen gewesen wäre. Daraufhin wandte die Amtsbeauftragte ein, dass die Forderung von ATS 18 Mio. über Jahre offengelassen worden und aus der Verrechnung von Aufstellrechten resultiert wäre. Die Werthaltigkeit der Aufstellrechte wäre von der Betriebsprüfung jedoch nicht anerkannt worden. Dem widersprach der steuerliche Vertreter und verwies auf seine Ausführungen in der Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide.
Auf Befragen der Referentin in wie vielen von den bisher ausgeübten Geschäftsführertätigkeiten der Geschäftsführer der Bw. noch eine aufrechte Funktion innehätte, stellte der steuerliche Vertreter klar, dass dies die Funktionen in dessen gesamten Leben betreffe und derzeit nur einige wenige aufrecht sein würden. Außerdem müsste man noch untersuchen, ob es vielleicht zweite Geschäftsführer gebe, ob es sich um Holdinggesellschaften handle oder ob umfangreiche Tätigkeiten nötig wären.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.
Die Aussetzung der Einhebung ist gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.
Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294 BAO).
Eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, ist gemäß § 294 Abs. 1 BAO durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
Auf § 294 Abs. 1 lit. a BAO gestützte Maßnahmen setzen voraus, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgeblichen Verhältnisse geändert haben.
Bei der Prüfung der Frage, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, hat die Behörde die Aufgabe, diese Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides und im Zeitpunkt der Erlassung des Widerrufsbescheides festzustellen, um durch Vergleich der Feststellungen erkennen zu können, ob eine Änderung eingetreten ist oder nicht.
War die auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtete Einstellung des Abgabepflichtigen bereits vorhanden und sein Verhalten darauf gerichtet, wäre eine bewilligte Aussetzung nicht widerrufbar, es sei denn, dass das Vorhandensein dieses Sachverhaltes auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben nicht anzunehmen war.
Auch eine nachträglich geänderte Rechtsauffassung, eine geänderte Interpretation der in Betracht kommenden Vorschriften kann zu einem Widerruf eines Begünstigungsbescheides ebenso wenig Anlass geben wie eine nachträglich andere tatsächliche oder rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes, wenn dieser offen zu Tage gelegen ist.
Im gegenständlichen Fall wurde die Aussetzung der Einhebung mit Bescheiden vom 2. September 2003, 16. Dezember 2003 sowie 5. Juli 2006 bewilligt.
Anlässlich einer am 15. Jänner 2007 vom Finanzamt durchgeführten Nachschau ergab sich, dass die dem Finanzamt bekanntgegebene Firmenadresse 2500 Baden,J-Platz , nicht auffindbar war. Weder auf den Postkästen noch auf den in Frage kommenden Wohnungstüren wurde ein Hinweis auf die Anwesenheit der Abgabepflichtigen vorgefunden. Eine Nachfrage beim zuständigen Postamt ergab, dass bis zum 31. Oktober 2006 ein Nachsendeauftrag an die Adresse 1020 Wien, P-Straße, bestand. An die Adresse 2500 Baden,J-Platz , wurde nach dieser Auskunft nie eine Postsendung zugestellt. Die im Firmenbuch angegebene Adresse 2500 Baden,H-Gasse, ist die Wohnadresse des Geschäftsführers Dkfm. Mag. Dr.W.G. .
Laut Aussage des Geschäftsführers sowie des steuerlichen Vertreters der Bw. erfolgte bis dato keine Geschäftstätigkeit an der Adresse 2500 Baden,J-Platz, und wurde im Jahr 2006 überhaupt keine Geschäftstätigkeit durchgeführt. Der Ausgang des Finanzverfahrens wird abgewartet; erst dann erfolgt die Entscheidung, ob die Firma ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnimmt. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die Bw. im Falle des Unterliegens der Abgabenbehörde mangels Vermögens und Einkünften die Möglichkeit der Einbringung der festgesetzten Abgaben nimmt.
Dass diese de facto Einstellung des Geschäftsbetriebes schon infolge des daraus resultierenden Wegfalls der Einkünfte objektiv geeignet war, die Einbringlichkeit der Abgaben zu gefährden, da sich die Bw. nämlich ihrer Einkunftsquelle begeben hat, berechtigte das Finanzamt zu der Schlussfolgerung, dass sich die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgeblichen Verhältnisse - kein auf Gefährdung gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen - geändert haben.
Da sich somit die tatsächlichen, der Behörde im Zeitpunkt der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung offenliegenden Verhältnisse geändert haben, da die Behörde erst nach diesem Zeitpunkt Kenntnis der ihr unverschuldet nicht bekannten Verhältnisse erlangt hat, war den Ausführungen des Finanzamtes zu folgen, dass ausreichende Gründe vorliegen, die einen Widerruf rechtfertigen.
Bei ihren Berufungsausführungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Berufung scheint die Bw. zu übersehen, dass § 212a Abs. 2 BAO drei alternative Fälle anführt, in denen die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen ist. Ist daher nach lit. c der zitierten Gesetzesstelle die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen bzw. zu widerrufen, erübrigen sich Ausführungen hinsichtlich der Erfolgaussichten der Berufung. Selbst wenn die Bw. mit ihren Ausführungen zu § 212a Abs. 2 lit. a BAO im Recht sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass nach lit. c leg. cit. die Bewilligung nicht möglich ist. Ein Eingehen auf das weitere diesbezügliche Berufungsvorbringen erscheint daher obsolet.
Dem Vorbringen des steuerlichen Vertreters, dass er zuversichtlich wäre, dass den zugrundeliegenden Berufungen stattgegeben werde, sowie dem Einwand der Amtsbeauftragten, dass die Bw. (auf Grund der bestehenden Verrechnungsverbindlichkeiten auch ohne die Abgabenschuldigkeiten) überschuldet wäre, kommt weiters keine Relevanz zu, da damit eine Gefährdung der Einbringlichkeit in Abrede gestellt bzw. aufgezeigt wird. Im Gegensatz zum Ansuchen um Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO kommt es bei der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO aber nicht darauf an, ob die Einbringlichkeit der Abgaben selbst gefährdet ist, sondern lediglich, ob ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten vorliegt. Und dieses muss wie bereits ausgeführt in der zumindest vorübergehenden Einstellung der Geschäftstätigkeit gesehen werden.
Darüber hinaus muss jedoch der Umstand, dass der Alleingeschäftsführer der Bw., Herr Dkfm. Mag. Dr. W.G., außer bei der Bw. derzeit noch bei 22 anderen GmbHs die Alleingeschäftsführungsfunktion innehat, bei einer AG sowie sieben Stiftungen eine Vorstandsfunktion ausübt und von einer ausländischen Gesellschaft als inländischer Vertreter bestellt wurde, unberücksichtigt bleiben, da dadurch zwar ebenfalls Handlungen gesetzt wurden, die auf die Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtet sein können. Da dieses bereits vor der Erlassung der Bescheide, mit denen die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurden, vorlag, haben sich daher die tatsächlichen, für die Bescheiderlassung maßgeblichen Verhältnisse nicht geändert.
Der Widerruf der bewilligten Aussetzungen der Einhebung erfolgte somit zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 8. Oktober 2007
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Widerruf, Aussetzung der Einhebung, Einstellung der Geschäftstätigkeit, auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten |