UFS RV/0374-L/07

UFSRV/0374-L/0715.6.2007

Unterlassene Ermittlungen bei automatisch ergangenen Verspätungszuschlagsbescheid.

 

Entscheidungstext

Bescheid

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Finanz Consulting Wirtschaftstreuhand- u Steuerberatungs GmbH, 4690 Redlham (OÖ), Jebing 18, vom 9. Dezember 2003 gegen den Bescheid des Finanzamtes Urfahr, vertreten durch Hofrat Gottfried Buchroithner, vom 28. November 2003 betreffend Verspätungszuschlag entschieden:

Der angefochtene Bescheid und die Berufungsvorentscheidung vom 15. Dezember 2003 werden gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Begründung

Sachverhalt:

Die Berufungswerberin (Bw.) hat am 24. November 2003 die Umsatzsteuer-Voranmeldung für August 2003 im elektronischem Wege eingebracht und eine Zahllast von 11.838,33 € bekannt gegeben, die am 28. November 2003 auf dem Abgabenkonto der Berufungswerberin verbucht wurde. Gleichzeitig wurde auch ein Verspätungszuschlag in Höhe von 947,07 € auf dem Abgabenkonto verbucht.

Von der Bundesrechenzentrum GmbH, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 4, wurde ein Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages 28. November 2003 automationsunterstützt erstellt und an die Berufungswerberin versendet.

Die gegenständliche Berufung richtet sich gegen diesen Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages des Finanzamtes Urfahr vom 28. November 2003. Darin wurde ausgeführt, dass für die Bw. jeweils der laufende Monat wie auch der Folgemonat in einem gebucht werde. Es sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass jeweils ein Monat ein Guthaben gegen das Monat der Zahllast verrechnet und die Differenz auf das Steuerkonto eingezahlt werde. So sei dies gehandhabt worden und es hätte noch nie Verspätungszuschläge gegeben. In der Beilage zur Berufung wurden die Umsatzsteuerermittlungen der Monate August und September 2003 übermittelt. Aus denen sei ersichtlich, dass wiederum nur die Differenz auf das Konto des Finanzamtes zu überweisen war, was auch termingerecht geschehen sei. Es wurde die Aufhebung des gegenständlichen Verspätungszuschlages beantragt.

Aus den beigelegten Unterlagen geht hervor, dass die Umsatzsteuer für August 2003 eine Zahllast von 11.838,33 € ergeben hat, während aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für September 2003, die mit Wirksamkeit 24. November 2003 auf dem Abgabenkonto der Bw. verbucht wurde, zu einer sonstigen Gutschrift von 11.014,35 € führte. Der einbezahlte Differenzbetrag von 823,98 € wurde mit Entrichtungstag 27. Oktober 2003 auf dem Abgabenkonto verbucht.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 15. Dezember 2003 hat das Finanzamt die gegenständliche Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde auf die Bestimmung des § 21 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 hingewiesen. Die in der Berufung angeführte zweimonatige Abrechnung finde im Gesetz keine Deckung. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung für August sei bis 15. Oktober 2003 abzugeben gewesen. Tatsächlich sei sie am 28. November 2003 abgegeben worden. Der Verspätungszuschlag sei daher zu Recht verhängt worden.

Die Berufungswerberin brachte mit Telefax vom 23. Dezember 2003 einen Vorlageantrag ein. Darin führte sie aus, dass bereits in der Berufung auf die seinerseits anläßlich der bei der Bw. stattgefundenen Betriebsprüfung dem Finanzamt mitgeteilte Gegenrechnung der Umsatzsteuervoranmeldung von je zwei Monaten hingewiesen wurde. Aus Liquiditätsgründen wäre allein diese Abwicklung zur Erfüllung der Entrichtung die einzig dienliche gewesen. Diese Regelung erschien auch vom Finanzamt akzeptiert worden zu sein und es hätte in der Vergangenheit keine Beanstandungen gegeben. Jetzt werde die "Nichtgesetzeskonformität" dieser Regelung mitgeteilt und als erste Maßnahme ein Zuschlag für verspätetes Einreichen der UVA 8/2003 in Höhe von 8 % verhängt. Dieser Zuschlag und vor allem dessen Höhe seien nicht einsehbar. Noch dazu hätte das Finanzamt beide Umsatzsteuerbeträge erhalten. Wenn überhaupt könne nur ein Zuschlag von der Differenz der UVA 8 und 9 erfolgen. Es wurde vorgeschlagen allenfalls einen Zuschlag von 2 % von 823,98 € festzusetzen. Im Übrigen wurde dargelegt, dass selbst 2 % von 11.838,33 € nur 236,77 € ausmachten. Worin die restliche Höhe des Verspätungszuschlages begründet sei, wäre nicht nachvollziehbar. Es könnte sich dabei nur um einen Eingabefehler handeln.

Die Berufung wurde am 20. Jänner 2004 dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt. In einem dem Vorlagebericht beigelegten Aktenvermerk vom 19. Jänner 2004 wurde seitens der Amtspartei darauf hingewiesen, dass der Bescheid beim Finanzamt selbst nicht vorhanden sei. Es gäbe keine Bescheiddurchschrift (nur Original für den Abgabepflichtigen) bei solchen automatischen Verspätungszuschlagsbescheiden.

Der Referent hat das Finanzamt im Schreiben vom 4. Mai 2004 ersucht, die bezughabenden Akten vorzulegen. Weiters wurde um Stellungnahme ersucht, ob seitens des Finanzamtes ein Organ des Finanzamtes die Erlassung des angefochtenen Bescheides in irgendeiner Form genehmigt hat oder zumindest Organe des Finanzamtes tatsächlich imstande waren, auf den automationsunterstützt ablaufenden Vorgang der Bescheidausfertigung bestimmenden Einfluss zu nehmen.

Das Finanzamt teilte in der Stellungnahme vom 21. Mai 2004 mit, dass die Erlassung des angefochtenen Bescheides vom Finanzamt vor Ort nicht genehmigt wurde. Organe des Finanzamtes seien dazu vor Ort nicht imstande gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, auf den automationsunterstützt ablaufenden Vorgang der Bescheidausfertigung einen bestimmenden Einfluss zu nehmen.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens durch den Unabhängigen Finanzsenat wurde am 1. Juli 2004 noch der angefochtene Bescheid von der Berufungswerberin per Telefax übermittelt. Daraus geht hervor, dass der Verspätungszuschlag mit 8 % von der Umsatzsteuer für den Zeitraum 08/2003 in der Höhe von 11.838,38 €, das sind 947,07 €, festgesetzt wurde. In der Begründung wurde von der EDV-Anlage Folgendes angeführt:

"Die Festsetzung erfolgte, weil Sie, obwohl eine Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldungen bestand, die Voranmeldung(en) nicht bzw. verspätet eingebracht wurden."

Mit Bescheid vom 5. Jänner 2005, RV/0014-L/04 wurde die gegenständliche Berufung als unzulässig zurückgewiesen. In diesem Bescheid vertrat der Unabhängige Finanzsenat die Ansicht, dass dem vollautomatisch ausgefertigten, als "Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages" bezeichneten Schriftstück des Finanzamtes Urfahr vom 28. November 2003 die Bescheidqualität fehle. Auf die "profunde, durchaus vertretbare" Begründung (vgl. Zorn, RdW2007, 252) des Bescheides wird verwiesen.

Dagegen hat das Finanzamt eine Amtsbeschwerde erhoben und die Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0015 wurde unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0014 der Bescheid vom 5. Jänner 2005, RV/0014-L/04 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren ist daher über die gegenständliche Berufung zu entscheiden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Aus dem geschilderten Verfahrensgang ergibt sich, dass die Abgabenbehörde erster Instanz im Zusammenhang mit der Festsetzung des gegenständlichen Verspätungszuschlages keinerlei Ermittlungen durchgeführt hat, zumal sie nichteinmal den angefochtenen Bescheid veranlasst hat und in der Berufungsvorentscheidung lediglich das Vorliegen einer objektiven verspäteten Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmreldung für August 2003 festgestellt wurde.

Gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können, sofern die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 86a Abs. 1 BAO, § 275 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3 BAO, § 274 BAO) zu erklären ist.

Die Abgabenbehörden haben gemäß § 115 Abs. 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Nach § 135 BAO kann die Abgabenbehörde den Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag von bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

1) Zur Entschuldbarkeit der Verspätung:

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 135 BAO ergibt sich, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nur dann zulässig ist, wenn eine Verspätung nicht entschuldbar ist. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0015 mit dem Hinweis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0015 davon ausgeht, dass mit einem Verspätungszuschlag ein "in vergleichbarer Weise" wie ein Säumniszuschlag determinierter Nebenanspruch vorgeschrieben wurde, so übersieht er trotz ausführlicher Schilderung im Vorverfahren, dass das Computerprogramm lediglich den Umstand der Verspätung als Ausgangspunkt für die Vortschreibung des Verspätungszuschlages heranzieht. Die Frage des Verschuldens ist von der Vorwerfbarkeit eines normwidrigen Verhaltens der Persone(en) abhängig, die die Abgabenerklärungspflicht zu erfüllen haben. Wurde objektiv zwar ein normwidriges Verhalten gesetzt, dann heißt das noch lange nicht, dass dieses Verhalten subjektiv vorwerfbar und somit verschuldet ist. So läge etwa kein Verschulden vor, wenn der Abgabepflichtige einer irrtümlichen, objektiv fehlerhaften Rechtsauffassung ist und er die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 135 Tz. 10). Im gegenständlichen Fall hat die Bw. darauf hingewiesen, dass seinerseits anläßlich der bei der Bw. stattgefundenen Betriebsprüfung dem Finanzamt mitgeteilte Gegenrechnung der Umsatzsteuervoranmeldung von je zwei Monaten hingewiesen wurde. Diese Vorgangswese sei akzeptiert worden. Wenn nun der objektiv fehlerhaften Rechtsauffassung der Bw. bzw. dessen Vertreters eine fehlerhafte Auskunftserteilung im Zug einer Betriebsprüfung zu Grunde liegt, dann könnte darin ein Grund für fehlendes Verschulden liegen. Dieser Frage ist die Abgabenbehörde erster Instanz in keiner Weise nachgegangen. Diesbezüglich ist der Sachverhalt ergänzungsbedürftig.

2) Zur Ermessensübung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Verspätungszuschlages:

Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 135 Tz. 4). Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen gemäß § 20 BAO sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Für den Unabhängigen Finanzsenat ist es nicht vorstellbar, dass ein Computerprogramm jene Kriterien ohne Eingriff eines Organes des zuständigen Finanzamtes prüfen und abwägen kann, die nach § 20 BAO die Grundlage für eine Ermessensentscheidung sind. Abgesehen davon wäre dies aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig (vgl. Fischerlehner, SWK 2007, S 429).

Als Kriterien für die Ermessensübung sind vor allem zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 135 Tz. 13):

a) das Ausmaß der Fristüberschreitung,

b) die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils,

c) das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen und

d) der Grad des Verschuldens

Alle diese Kriterien sind im angefochtenen Computerbescheid nicht einmal ansatzweise angesprochen worden. Die offenbar standardisierte, von der EDV-Anlage wiedergegebene Begründung für die Festsetzung lautet:

"Die Festsetzung erfolgte, weil Sie, obwohl eine Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldungen bestand, die Voranmeldung(en) nicht bzw. verspätet eingebracht wurden."

Aus dieser Standardbegründung ist zu schließen, dass die EDV-Anlage nichteinmal unterscheidet, ob eine oder mehrere Voranmeldungen verspätet eingebracht wurden. Ob eine Voranmeldung nicht oder nur verspätet eingebracht wird, wird von der EDV-Anlage offenbar auch nicht unterschieden. Im Schriftum wird vertreten, dass es nicht einer Maschine, sondern eines Menschen bedarf, der sich mit den oben angeführten Ermessenskriterien auseinander setzt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 135 Tz. 13; Romold, SWK 2001, S 769). Dieser Ansicht schließt sich auch der Unabhängige Finanzsenat an.

Das Finanzamt setzte sich in der Berufungsvorentscheidung lediglich mit dem Kriterium der objektiv verspäteten Einbringung der Umsatzsteuer-Voranmeldung auseinander. Eine allein auf dieses Kriterium gestützte Vorschreibung eines Verspätungszuschlages wäre rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 135 Tz. 13).

Demnach besteht ein Ermittlungsbedarf insbesondere dahingehend, die oben angeführten Ermessenskriterien mit Tatsachenfeststellungen auszufüllen.

3) Zur Ausübung des Ermessens im Zusammenhang mit der Anwendung des § 289 Abs. 1 BAO

Wie oben aufgezeigt wurde, sind im bisherigen Verfahren vor der Abgabenbehörde erster Instanz keine Ermittlungsschritte gesetzt worden. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages erfolgte ausschließlich auf Grund des Umstandes, dass die Umsatzsteuer-Voranmeldung für August 2003 verspätet eingebracht wurde. Der Umfang der oben unter Punkt 1) und 2) angeführten notwendigen Ermittlungsschritte würde bedeuten, dass nahezu das gesamte Verfahren an die Abgabenbehörde zweiter Instanz verlagert würde. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0014 bei Computerbescheiden unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes in Bezug auf den letzten Satz des § 96 BAO insoweit kein Defizit auszumachen kann, weil es dem Abgabepflichtigen nicht verwehrt ist, seine Rechte im Rechtszug gegen die bescheiderlassende Behörde wahrzunehmen, so darf nicht übersehen werden, dass durch die faktische Ausschaltung der Abgabenbehörde erster Instanz bzw. den fehlenden Ermittlungsschritten im Verfahren, welches mit Berufungsvorentscheidung abgeschlossen wurde, die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur ähnlich lautenden Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315) sei es nicht Sinn des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof im zit. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2005/14/0014 die Berechtigung der Erstellung vollautomatischer Bescheide darin sieht, dass im Bereich von Massenverfahren durch die automationsunterstützte Bescheiderstellung Beschleunigungs- und Einsparungseffekte erzielt werden sollen, dann darf nicht übersehen werden, dass gerade diese Vorgangsweise die faktische Ausschaltung des zweigliedrigen Instanzenzuges bedeutet, da notwendige Sachverhaltsfeststellungen naturgemäß nur mehr im Berufungsverfahren möglich sind.

Kriterien für die Ermessensübung ergeben sich primär aus der das Ermessen einräumenden Norm. Zweck der Kassationsmöglichkeit des § 289 Abs. 1 BAO ist die Entlastung der Abgabenbehörde zweiter Instanz und die Beschleunigung des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 289 Tz. 5). Wenn in Massenverfahren durch Unterlassung sämtlicher Ermittlungsschritte auf der Ebene der ersten Instanz die notwendigen Ermittlungen auf die zweite Instanz verlagert werden, dann gebietet es der Zweck der Bestimmung des § 289 Abs. 1 BAO dem durch Ausübung des Kassationsrechtes entgegenzutreten.

Linz, am 15. Juni 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Verspätungszuschlag, Ermessen, Kassation

Verweise:

VwGH 14.12.2006, 2005/14/0014
VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315

Stichworte