Wochengeldähnlicher Bezug aus Liechtenstein
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., F, G-Weg, vom 1. Juli 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 2. Juni 2005 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin hat gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 11. November 2005, RV/0174-F/05, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Dieser hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.
Der Verwaltungsgerichtshof führte unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, G 198/98, in seinem Erkenntnis vom 1. März 2007, Zl. 2005/15/0166, aus, dass für das Wochengeld nach § 162 ASVG bedeutsam sei, dass es das Einkommensteuergesetz von der grundsätzlichen Einkommensteuerpflicht von Einkommensersätzen nur deshalb ausnehme, weil es schon als "Nettobezug" bemessen sei. Er beanstandete, der Unabhängige Finanzsenat habe unterlassen, zu prüfen, ob sich die in Rede stehenden Bezüge, welche die Beschwerdeführerin von ihrem liechtensteinischen Arbeitgeber erhalten habe, dem § 162 Abs. 3 ASVG vergleichbar nach ihrem früheren Nettoarbeitsverdienst bemessen hätten und ob sich solcherart aus der Besteuerung der Bezüge ein Nachteil im Verhältnis zur Steuerfreiheit des bereits nach dem Nettoarbeitsverdienst bemessenen österreichischen Wochengeldes ergeben habe. Würden sich die vom liechtensteinischen Arbeitgeber geleisteten Bezüge nach dem bisherigen Bruttoarbeitslohn bemessen, läge eine Vergleichbarkeit mit den Lohnfortzahlungen durch österreichische Arbeitgeber, wie etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes, vor, welche nach dem Einkommensteuergesetz auch für den Zeitraum der Beschäftigungsverbote wegen einer Schwangerschaft nicht steuerbefreit seien. Soweit eine Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Leistung aus Liechtenstein mit dem österreichischen Wochengeld (§ 162 ASVG), welches nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 von der Steuer befreit sei, gegeben wäre, läge in der Besteuerung der aus Liechtenstein bezogenen Leistung eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und habe deshalb das EWR-Abkommen eine Steuerbefreiung, wie sie dem österreichischen Wochengeld zukomme, bewirkt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Steuerfrei sind gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 das Wochengeld nach dem Mutterschutzgesetz, BGBl. Nr. 221/1979, vergleichbare Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung und dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Zuwendungen aus den Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sowie das durch BGBl. I Nr. 10/1999 (Vertragsbedienstetenreformgesetz - Änderung des B-KUVG) auf Sonderwochengeld umbenannte Wochengeld bestimmter Vertragsbediensteter. Unter diese Einrichtungen fällt auch die Pharmazeutische Gehaltskasse als besondere Einrichtung der Apothekerkammer. Steuerfrei ist auch das Krankengeld (Familien- und Tagesgeld), das während des Ruhens des Wochengeldanspruches gewährt wird. Leistungen nach § 24 Abs. 8 Vertragsbedienstetengesetz (Differenzzahlung von Wochengeld auf vollen Bezug bzw. Ausbildungsbeitrag) sowie Entgeltweiterzahlungen für weibliche Beamte während der Zeit des Mutterschutzes sind nicht steuerfrei (vgl. Sailer/Bernold/Mertens/Kranzl, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Seite 41).
Arbeitnehmerinnnen in Liechtenstein erhalten gemäß Art. 12 Abs. 5 des liechtensteinischen Gesetzes über die Krankenversicherung (im Folgenden kurz: KVG) im Zusammenhang mit ihrer Mutterschaft Krankengeld aus dem Versicherungsfall der Krankheit. Das KVG kennt den Versicherungsfall der Mutterschaft nicht. Das Krankentaggeld unterscheidet sich nicht von dem, das einer kranken Arbeitnehmerin bezahlt wird. Die liechtensteinische Arbeitnehmerin erhält das Krankengeld vom Arbeitgeber ausbezahlt (vgl. Art. 35b des Arbeitsgesetzes; Lohnfortzahlung bei Mutterschutz), der das Krankengeld von den in Liechtenstein anerkannten Krankenkassen refundiert erhält. Die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers im Krankheitsfall ist für eine bestimmte Dauer gesetzlich vorgeschrieben (Art. 15 Abs. 2 KVG). Das Krankengeld beträgt bei voller Arbeitsunfähigkeit mindestens 80 % des bis dahin bezogenen AHV-pflichtigen Lohnes einschließlich regelmäßiger Nebenbezüge (vgl. Art. 14 Abs. 3 KVG).
Die Beamtin in Österreich erhält für die Dauer der Schutzfrist (vgl. §§ 3 und 5 Mutterschutzgesetz 1979) den Monatsbezug (=Bruttomonatsbezug) vom Arbeitgeber weiter ausbezahlt (vgl. § 13c Abs. 8 Gehaltsgesetz 1956). Im Gegensatz dazu erhalten in Österreich weibliche Angestellte in der Privatwirtschaft während dieser Zeit vom Dienstgeber keine Bezüge, sondern Geldleistungen (Wochengeld) vom Sozialversicherungsträger in Höhe des durchschnittlichen Nettoverdienstes in den letzten drei Monaten vor Beginn der Schutzfrist zuzüglich der anteiligen Sonderzahlungen (vgl. § 162 Abs. 3 ASVG).
Der Begriff des AHV-pflichtigen Lohnes bestimmt sich ausschließlich nach liechtensteinischen Recht über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (kurz: AHV; das ist die gesetzliche und obligatorische Rentenversicherung; die Rentenleistungen dieser Versicherung soll im Alter das Existenzminimum sichern). Er wird im AHV-Recht auch als massgebender Lohn bezeichnet. Zum Begriff "AHV-pflichtiger Lohn/massgebender Lohn" findet sich im liechtensteinischen Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (im Folgenden kurz: AHVG) und in der Verordnung zum Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (im Folgenden kurz: AHVV) Folgendes: Die Beiträge der erwerbstätigen Versicherten werden in Prozenten des Einkommens aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt; das Einkommen wird als massgebender Lohn bezeichnet (Art. 37 und Art. 38 Abs. 1 AHVG). Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen. Zum massgebenden Lohn gehört auch ein Entgelt oder Lohnbestandteil, für welches die versicherte Person wegen beschränkter Arbeitsfähigkeit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber keine Gegenleistung erbringen kann (Art. 38 Abs. 2 AHVG; Art. 8 und 9 AHVV). Der Begriff "AHV-pflichtiger Lohn" ist somit ein eindeutig bestimmter Begriff. Grundsätzlich gilt jedes Entgelt für Arbeit in unselbstständiger Stellung als AHV-pflichtiger (massgebender) Lohn. Das Entgelt kann aus Geld- oder Naturalleistungen bestehen. Unter dem für die Alters- und Hinterlassenenversicherung massgebenden Lohn ist zusammengefasst die Summe aller Bruttolohnarten, auf welche die Alters- und Hinterlassenenversicherung abgerechnet wird (Lohn vor den Sozialabzügen), zu verstehen. Massgebender Lohn für die AHV ist also der Bruttolohn [vgl. in diesem Zusammenhang auch die gegenständlich vorgelegten Lohnunterlagen; so ist aus dem Lohnausweis vom 3. Jänner 2005 für die Zeit vom 1. Jänner 2004 bis 31. Dezember 2004 und aus der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2004 ersichtlich, dass der liechtensteinische Arbeitgeber der Berufungswerberin für die Zeit des Mutterschutzes (vom 16. August 2004 bis 31. Dezember 2004) ein Krankentaggeld (Lohnfortzahlung) in Höhe von 20.475,00 SFr brutto ausbezahlt hat].
Zusammenfassend ergibt sich daher aus der Prüfung der Frage, ob die in Rede stehende Leistung aus Liechtenstein mit dem österreichischen Wochengeld, welches nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 von der Steuer befreit ist, vergleichbar ist, Folgendes: Während das inländische Wochengeld gemäß § 162 Abs. 3 ASVG nach dem früheren Nettoarbeitsverdienst bemessen wird, wird die liechtensteinische Geldleistung im Falle der Mutterschaft vom bisherigen Bruttoarbeitslohn bemessen. Die strittig Leistung ist folglich nicht mit dem inländischen Wochengeld vergleichbar; sie ist vielmehr mit jener Geldleistung (Lohnfortzahlung) zu vergleichen, die eine Beamtin in Österreich für den Zeitraum des Beschäftigungsverbotes wegen einer Schwangerschaft erhält, welche nach dem Einkommensteuergesetz nicht steuerbefreit ist. Folglich ergibt sich aus der Besteuerung der in Rede stehenden liechtensteinischen Zahlung kein Nachteil im Verhältnis zur Steuerfreiheit des bereits nach dem Nettoarbeitsverdienst bemessenen österreichischen Wochengeldes.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Feldkirch, am 30. April 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Krankentaggeld, Wochengeld, Lohnfortzahlung, Nettoarbeitsverdienst, Bruttoarbeitsverdienst, Liechtenstein, Grenzgängerin, Arbeitnehmerfreizügigkeit |