UFS RV/0090-I/06

UFSRV/0090-I/062.3.2007

Nachträgliche Betriebsausgaben wegen Teilentschuldung vor Übergabe eines (weiterhin) real überschuldeten Betriebs

 

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom 25. Mai 2004 betreffend Einkommensteuer 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.

Entscheidungsgründe

Der Abgabepflichtige wandte in seiner Berufung gegen den am 25.5.2004 ausgefertigten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 (soweit dies für das Verfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz noch von Bedeutung ist) ein, dass er seinen Betrieb zum 31.3.2003 an seinen Sohn übertragen habe. Um die Übergabe zu ermöglichen, sei eine allgemeine Unternehmenssanierung erforderlich gewesen. Für die Sanierungsmaßnahme der Hausbank sei es erforderlich gewesen, einen Betrag von 20.000 € aufzubringen. Dieser sei bei der B aufgenommen worden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung handle es sich dabei um eine Teilkreditumschuldung. Weiters seien bei der C Kredite für betriebliche Finanzierungen aufgenommen (und zwecks Unternehmenssanierung in das Privatvermögen überführt) worden. Die Zinsen für den Bankkredit bei der B würden 928,08 € (1.4. bis 31.12.2003) sowie 366,49 € (1.1. bis 31.3.2003) betragen. Mit Schreiben vom 17.6.2004 wurden die Zinsen für drei Konten bei der C beziffert.

Die (hinsichtlich einer außergewöhnlichen Belastung) teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung vom 10.1.2006 wurde in ihrem abweisenden Teil damit begründet, dass die Kosten zurückbehaltener Bankverbindlichkeiten nur dann abzugsfähig seien, wenn die zurückbehaltene Verbindlichkeit mit Vermögen in Zusammenhang stehe, das der Einkunftserzielung diene. Andernfalls sei die Zurückbehaltung der Bankverbindlichkeit privat veranlasst und stellten die Zinsen keine nachträglichen Betriebsausgaben dar.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde eingewendet, dass der veräußerte Betrieb buchmäßig und tatsächlich (real) überschuldet gewesen sei. Zinsen aus Verbindlichkeiten, die nach einer Betriebsveräußerung auch mit den Aktiva des Betriebs nicht abgedeckt werden könnten, stellten gemäß § 32 Z 2 EStG 1988 nachträgliche negative Einkünfte dar. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen werde um die Berücksichtigung von Wartetastenverlusten der Jahre 1991 bis 2000 ersucht.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Auszugehen ist von folgendem als erwiesen anzunehmenden Sachverhalt: der Bw. übergab seinen Betrieb zum Stichtag 31.3.2003 an seinen Sohn. Aktiven wurden nicht zurückbehalten, wohl aber - nach Sanierungsmaßnahmen - bestimmte Verbindlichkeiten. Der Betrieb war (dessen ungeachtet) weiterhin nicht nur buchmäßig, sondern in beträchtlichem Umfang (siehe Übergabebilanz) real überschuldet. Der Bw. ermittelte aus diesem Anlass einen Übergangs- sowie einen Veräußerungsgewinn, in dem die im Betrieb vorhandenen stillen Reserven aufgedeckt wurden. Nach dem (insoweit unbestrittenen) Vorbringen des Bw. war der Betrieb so stark überschuldet, dass ohne Reduktion der Verbindlichkeiten (im Zuge der Sanierungsmaßnahme und der Übernahme) eine Insolvenz unausweichlich gewesen wäre.

2.) Wird ein real überschuldeter Betrieb unter Lebenden übertragen, ist in der Höhe der Überzahlung (aus privaten Gründen) eine Zuwendung an den bisherigen Eigentümer anzunehmen. Die übernommenen Schulden sind daher in der Höhe der Überzahlung nicht abzugsfähig. Der Restbetrag, der dem Buchwert zuzüglich der übernommenen stillen Reserven entspricht, führt beim Übernehmer zu Anschaffungskosten, beim Übertragenden zu einem Veräußerungserlös (Doralt, EStG 1988, § 4 Tz 72/1).

Der Erwerb eines real überschuldeten Betriebs unter Lebenden gegen Übernahme der Verbindlichkeiten ist als ein entgeltlicher Erwerb anzusehen (VwGH 31.3.1971, 546/69; Doralt, aaO., § 6 Tz 404).

3.) Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 gehören auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, zB Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall von Forderungen.

Mit der Frage, in welchem Ausmaß Schuldzinsen nach Beendigung eines Betriebs zu nachträglichen Betriebsausgaben führen, hat sich der VwGH mehrfach befasst. Der Gerichtshof ist in seinen Entscheidungen zu dem Ergebnis gelangt, dass Schulden auch nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Betriebs - unter Beachtung einer Reihe von einschränkenden Voraussetzungen - die steuerlichen Folgen von negativen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens herbeiführen können. In dem Ausmaß, in dem Verbindlichkeiten nicht mit Aktiva des Betriebs abgedeckt werden können, führen die nach Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung anfallenden Zinsen zu nachträglichen negativen Einkünften iSd § 32 Z 2 EStG 1988 (VwGH 30.9.1999, 99/15/0106; VwGH 22.10.1996, 95/14/0018).

4.) Der Bw. hat für die Übergabe seines Betriebs weder eine Gegenleistung erhalten noch Aktiva in sein Privatvermögen übernommen. Die strittigen Zinsen resultieren ausschließlich aus den von ihm zurückbehaltenen Passiva (nur durch die Zurückbehaltung von Schulden war es überhaupt möglich, den Betrieb übergabefähig zu machen). Sie führen nach Maßgabe zumutbarer Tilgung zu nachträglichen Betriebsausgaben (vgl. VwGH 24.2.2004, 99/14/0250).

5.) Soweit sich das Finanzamt in der Begründung seiner Berufungsvorentscheidung auf eine Anfragenbeantwortung des BMF bezogen hat (vgl. ARD 5219/32/2001), ist ihm zu erwidern, dass ein vergleichbarer Sachverhalt nicht gegeben ist. Der Bw. hat keine Liegenschaft zurückbehalten; die mangelnde Vermietung einer solchen Liegenschaft (vgl. VwGH 30.11.1999, 94/14/0166) vermag daher - auf den vorliegenden Fall übertragen - auch nicht jene Rechtsfolgen herbeizuführen, die in der Anfragebeantwortung ("andernfalls ...") angesprochen sind.

6.) Die abzugsfähigen Betriebsausgaben ergeben sich aus den beiliegenden Berechnungsblättern.

7.) Im Falle einer Betriebsveräußerung wandelt sich ein noch bestehender IFB-Verlust in einen ausgleichsfähigen und unter Umständen vortragsfähigen Verlust (Doralt, aaO., § 10 Tz 84).

8.) Der Berufung war daher Folge zu geben.

Beilage: 2 Berechnungsblätter

Innsbruck, am 2. März 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 32 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

real überschuldeter Betrieb, Zurückbehaltung von Verbindlichkeiten

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