UFS RV/0962-W/04

UFSRV/0962-W/0428.6.2006

Entlassung eines Haftungspflichtigen aus der Gesamtschuld wegen behaupteter persönlicher und sachlicher Unbilligkeit

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/13/0139 eingebracht. Mit Erk. v. 20.12.2006 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AL, vertreten durch E-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 23 vom 4. März 2004 betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO nach der am 27. Juni 2006 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom 30. Dezember 2003 beantragte der Berufungswerber (Bw.) die Nachsicht (gemeint wohl: Entlassung aus der Gesamtschuld) der Umsatzsteuer 1997 und 1998 auf Grund des Haftungsbescheides vom 25. Oktober 2001 in Höhe von € 34.735,80 bzw. der Aussetzungszinsen in Höhe von € 566,84 sowie der Stundungszinsen in Höhe von € 1.690,55.

Durch den Verlust seines Arbeitsplatzes sei der Bw. in einer schwierigen finanziellen Situation, sodass die Einbringlichmachung der genannten Beträge zu einer Existenzgefährdung führen könnte.

Der Bw. sei als Obmann der WS von der BB als finanzierende Bank dazu gezwungen worden, die Weinvorräte zur Unzeit und gegen die vereinbarten Abmachungen zu verkaufen. Auf Grund der bekannten Probleme der BB sei auch die Vereinbarung zur Bezahlung der Umsatzsteuer betreffend des Weinverkaufes von dieser nicht mehr eingehalten worden. Durch das Ausscheiden des Herrn DG aus der Geschäftsführung der BB sei es auch nicht möglich gewesen, die getroffene Vereinbarung (zur Bezahlung der Umsatzsteuer durch die BB an das Finanzamt) nachzuweisen. Auf Grund der zuvor dargestellten wirtschaftlichen Situation sei es dem Bw. jedoch derzeit auch nicht möglich, Ansprüche gegen die BB im Zivilrechtsweg durchzusetzen.

Das Finanzamt wies das Ansuchen um Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO mit Bescheid vom 4. März 2004 ab.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass in der Begründung Einlagezahlen angeführt seien, bei welchen der Bw. als Miteigentümer aufscheine, jedoch seien bei einigen dieser Einlagezahlen auf Grund des Übergabevertrages Belastungs- und Veräußerungsverbote bzw. Wohnrechte eingetragen. Zusätzlich seien bei anderen Einlagezahlen Pfandrechte in Höhe von € 116.000,00 eingetragen, sodass es auf Grund der derzeitigen Preise für Weingärten im Burgenland zu keinen frei werdenden Mittel für die Abdeckung der Haftungsschulden bei einer Verwertung kommen werde. Zusätzlich sei mit einer Verschleuderung der Vermögenswerte bei einer Versteigerung zu rechnen und wäre dadurch auch die Existenzgrundlage der Familie des Bw. gefährdet. Außerdem treffe es nicht zu, dass der Bw. nur alle anderen Verbindlichkeiten bemüht sei zu tilgen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 28. April 2004 als unbegründet ab.

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte der Bw. den Antrag auf eine mündliche Verhandlung.

In der am 27. Juni 2006 abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass ein Einvernehmen hinsichtlich der Veräußerung bzw. Belastung der Liegenschaften, welche mit einem Veräußerungs- bzw. Belastungsverbot belastet seien, auf Grund der bei der seinerzeitigen Übertragung extra vorbehaltenen Bedingung nicht möglich sei. Dies betreffe die Übertragungen seitens der Eltern und der Schwiegereltern des Bw.. Auf den übrigen Liegenschaften seien Verbindlichkeiten in Höhe von etwa € 116.000,00 eingetragen, sodass auf Grund der Preise für Weingärten ein darüber hinaus ragender Erlös nicht zu erzielen sein werde. Der Bw. habe im Jahr 2004 ein Einkommen von etwa € 3.500,00 bezogen. Der Unterhalt des Bw. werde aus den Erträgen aus den Weingärten bestritten, welche von der Gattin des Bw. mit seiner Hilfe bewirtschaftet würden. Zur derzeitigen wirtschaftlichen Lage werde angegeben, dass sich das Einkommen des Bw. in etwa auf den selben Betrag wie im Jahr 2004 belaufe, der derzeitige Umsatz der GmbH betrage etwa € 90.000,00. Auch die Verbindlichkeiten seien circa gleich geblieben. Die Liegenschaft in Wien Landstraße sei von der Gattin des Bw. für den Sohn erworben worden, der dort auch wohne. Bezüglich der Weingärten sei die Verwertungsmöglichkeit insofern kaum gegeben, als diese höchstens von Nachbarn erworben würden, was gegenständlich jedoch nicht der Fall sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 237 Abs. 1 BAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Antragstellers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Entlassung aus der Gesamtschuld nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.

Eine "sachliche" Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei einer Entlassung aus der Gesamtschuld der Gesamtschuldner einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Entlassung aus der Gesamtschuld gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Antragstellers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.3.1996, 92/13/0291) eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Sofern der Bw. eine sachliche Unbilligkeit darin erblickt, dass er als Obmann der WS von der finanzierenden Bank dazu gezwungen worden sei, die Weinvorräte zur Unzeit und gegen die vereinbarten Abmachungen zu verkaufen, wobei auch die Vereinbarung zur Bezahlung der Umsatzsteuer betreffend des Weinverkaufes von dieser nicht mehr eingehalten worden sei, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2002, Zl. 2002/13/0151, zu verweisen, womit die Beschwerde des Bw. gegen seine Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger gemäß § 9 BAO infolge Vorliegens eines Verschuldens des Bw. am Unterbleiben einer Entrichtung der antragsgegenständlichen Umsatzsteuer als unbegründet abgewiesen wurde. Die Einhebung dieser Haftungsschuld ist somit auf Grund des vom Verwaltungsgerichtshof - trotz des ebenfalls bereits im Haftungsverfahren erstatteten gegenständlichen Vorbringens - bestätigten Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bw. lediglich die Auswirkung einer generellen Norm (§ 9 BAO), sodass die Behauptung des Eintrittes eines vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnisses nicht nachvollziehbar erscheint.

Der mit der Begründung, dass der Bw. durch den Verlust seines Arbeitsplatzes in einer schwierigen finanziellen Situation sei, sodass die Einbringlichmachung der genannten Beträge zu einer Existenzgefährdung führen könnte, geltend gemachten persönlichen Unbilligkeit ist vorerst entgegenzuhalten, dass dem Bw. als Geschäftsführer der L-GmbH sehr wohl ein fremdüblicher Entlohnungsanspruch zusteht. Laut Aktenlage ist der Bw. zudem Gesellschafter der genannten GmbH mit einem Geschäftsanteil von 70 % am einbezahlten Stammkapital von € 35.000,00, wobei der restliche Geschäftsanteil von 30 % am Stammkapital im Eigentum der Gattin des Bw. steht. Diese Gesellschaft erzielte nach dem Jahresabschluss zum 31. Jänner 2004 Umsatzerlöse von € 95.472,50 im Geschäftsjahr 2003 (25. März 2002 bis 31. Jänner 2003) und € 89.189,23 im Geschäftsjahr 2004 (1. Februar 2003 bis 31. Jänner 2004), wobei sich für 2003 ein Jahresgewinn von € 20.497,86 und für 2004 ein Jahresgewinn von € 8.594,74 ergab, sodass der Bilanzgewinn zum 31. Jänner 2004 infolge Vortrages des Gewinnes 2003 € 29.092,60 betrug. Im Betriebsvermögen der Gesellschaft zum 31. Jänner 2004 befindet sich neben Anteilen an Investmentfonds in Höhe von € 615.000,00 auch ein Guthaben bei einem Kreditinstitut in Höhe von € 41.715,28. Zudem besteht am Abgabenkonto der L-GmbH seit 24. November 2005 ein Guthaben in Höhe von € 9.541,16.

Weiters ist auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Liegenschaften des Bw. zu verweisen. Soweit den umfangreichen Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung, auf welche verwiesen wird, gegen die in der Berufung vorgebrachten Einwendungen hinsichtlich eingetragener Belastungs- und Veräußerungsverbote, Wohnrechte, Pfandrechte und Verschleuderung von Vermögenswerten bei einer Versteigerung in der mündlichen Berufungsverhandlung widersprochen wurde, ist dem zwar hinsichtlich der mit Belastungs- und Veräußerungsverboten belasteten Liegenschaften insoferne zuzustimmen, als hiedurch die derzeitige Belastung bzw. Veräußerung ausgeschlossen wird, doch wurde bereits in der Berufungsvorentscheidung auf die zeitliche Beschränktheit dieser Verfügungsbeschränkungen hingewiesen. Auch ist eine Änderung der derzeit schlechten Nachfrage nach Weingärten nicht ausgeschlossen. Nicht nachvollziehbar erscheint allerdings das Vorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung hinsichtlich der Liegenschaft EZXY, die von der Gattin des Bw. für den Sohn erworben worden sei, da der Bw. im Grundbuch als Eigentümer des Anteiles von 77/4024 eingetragen ist. Da selbst die Notwendigkeit, Vermögenswerte - und sei es auch Grundvermögen - zur Steuerzahlung heranzuziehen, die Abgabeneinhebung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 6.11.1991, 90/13/0282, 0283) noch nicht unbillig erscheinen lässt, ist somit trotz der in der mündlichen Berufungsverhandlung bekanntgegebenen Einkommenslage (ca. € 3.500,00) auf Grund der Möglichkeit der Heranziehung von Vermögenswerten zur Abgabenentrichtung eine Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles nicht gegeben.

Auch wurde dem Bw. mit der Berufungsvorentscheidung ein Gesamtschuldenstand in Höhe von € 409.635,37 vorgehalten, welcher vom Bw. in der mündlichen Berufungsverhandlung auch betragsmäßig bestätigt wurde, daher ist auch davon auszugehen, dass die Entlassung aus der Gesamtschuld hinsichtlich eines Betrages von € 36.993,19 nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte, sodass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.4.2000, 99/15/0161) auch aus diesem Grunde die vom Bw. vorgebrachte persönliche Unbilligkeit nicht gegeben ist.

Selbst wenn die Möglichkeit der Heranziehung von Vermögenswerten und das Bestehen weiterer existenzgefährdender Verbindlichkeiten neben den antragsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten die Verneinung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, 85/1470029, nicht zu begründen vermöchte, wäre für den Bw. nichts gewonnen, weil die sodann zu treffende Ermessensentscheidung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (30.1.1991, 87/13/0094) auch tatsächlich geeignet sein muss, jenen Effekt herbeizuführen, der dem als vorrangig erkannten Interesse entspricht. Eine drohende Existenzgefährdung rechtfertigt daher nur dann eine Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der betreffenden Abgabe gefährdet ist, sodass mit einer Entlassung aus der Gesamtschuld die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte. Dies ist jedoch auf Grund der neben den antragsgegenständlichen Abgaben noch aushaftenden wesentlich höheren sonstigen Verbindlichkeiten zu verneinen.

Mangels Darlegung des Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 237 BAO konnte die beantragte Entlassung aus der Gesamtschuld somit nicht gewährt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 28. Juni 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 237 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

persönliche Unbilligkeit, sachliche Unbilligkeit, schuldhafte Pflichtverletzung, Liegenschaften, Belastungs- und Veräußerungsverbot, Gesamtschuld, Existenzgefährdung, Sanierungseffekt, Ermessensentscheidung

Stichworte