UFS RV/0350-I/04

UFSRV/0350-I/043.3.2006

1.) Wiederaufnahme des Verfahrens bei vermeintlichem res iudicata2.) Abgabenfestsetzung bei Schuldenregulierungsverfahren

 

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Berufungswerbers, vertreten durch Rechtsanwälte, vom 28. Juni 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes, vertreten durch Finanzanwalt, vom 7. Juni 2004 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001 sowie Umsatzsteuer für das Jahr 2001 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber betrieb den Betrieb. Mit Schreiben vom 8. März 2001 teilte der damalige steuerliche Vertreter des Berufungswerbers, die Steuerberaterin, der Abgabenbehörde mit, dass der Berufungswerber seinen Betrieb ab 9. März 2001 beende. Im Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vom 19. März 2001 erklärte der Berufungswerber eigenhändig, dass er das Anlagevermögen seines Betriebes zu Buchwerten an seinen Rechtsnachfolger, übergeben habe. Mit Beschluss und Edikt vom 27. Dezember 2001 wurde vom Bezirksgericht zur GZ.1 das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Berufungswerbers eröffnet. Nachdem der Abgabepflichtige beim Finanzamt lediglich die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und April 2001, jedoch keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 einreichte, bedurfte es einer bescheidmäßigen amtlichen Schätzung der Umsatzsteuer durch die Abgabenbehörde. Unter Zugrundelegung der obigen Erklärung des Berufungswerbers im Fragebogen anlässlich der Betriebsaufgabe (unentgeltliche Betriebsübergabe an den Rechtsnachfolger zu Buchwerten) sowie der Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar, März und April 2001 schätze das Finanzamt den steuerbaren Umsatz des Berufungswerbers im Jahr 2001 in Höhe von 200.000,00 S, ging demzufolge von einer Kleinunternehmereigenschaft des Berufungswerbers gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 aus und schrieb die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 im Bescheid vom 4. April 2002 mit 0,00 S vor.

Nachdem in Folge die Abgabenbehörde von Verkäufen von Anlagevermögen durch den Berufungswerber an den Nachfolger (vgl. die im Jänner 2003 von der Steuerberaterin an die Abgabenbehörde übermittelten Rechnungen vom 16. März und 7. August 2001, in welchen der Berufungswerber Umsatzsteuer auswies) im Gesamtbetrag von brutto 287.500,00 S Kenntnis erlangte, nahm diese mit Bescheid vom 28. Jänner 2003 das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2001 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ einen neuen (Sach)Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001 (Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003). Anlässlich der gegen obige Bescheide fristgerecht erhobenen Berufung vom 26. Februar 2003 legte der Berufungswerber der Abgabenbehörde das Buchungsjournal für das Jahr 2001 sowie die Kontoblätter Nr. 9065 Verrechnung Losungen, Nr. 80001 Erlöse Küche, Nr. 8101 Erlöse Eis, Nr. 8104 Erlöse Kaffee, Tee, Nr. 8110 Erlöse Bier, Nr. 8111 Erlöse Wein, Nr. 8112 Erlöse Sekt, Nr. 8113 Erlöse Spirituosen sowie Nr. 8114 Erlöse Alkoholfreie Getränke vor. Mit Berufungsvorentscheidung (mit Ausfertigungsdatum 19. Mai 2003) wurde der Berufung gegen die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 teilweise Folge gegeben (berichtigte Berechnung der Umsatzsteuerzahllast), wogegen vom Berufungswerber wiederum fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht wurde. Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Innsbruck, gab mit Berufungsentscheidung zur GZ.2 vom 8. März 2004 der Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2001 auf Grund fehlender dezitierter Benennung der Wiederaufnahmegründe Folge (fehlende Angabe der "neu hervorgekommenen neuen Tatsachen" sowie des "sonstigen Ergebnisses des Verfahrens"), hob diesen angefochtenen Bescheid (mit Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003) auf und wies die Berufung gegen die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 als unzulässig zurück.

In Folge der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates nahm das Finanzamt mit Bescheid vom 7. Juni 2004 das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2001 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ einen (neuen) Umsatzsteuerbescheid 2001 (Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004), in welchem die Umsatzsteuer mit 3.155,16 € (43.416,00 S) vorgeschrieben wurde.

Zur Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens führte die Abgabenbehörde im Bescheid aus wie folgt:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 Abs. 4 BAO, weil Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens war vorzunehmen, weil im Nachhinein gegenüber dem am 4.4.2002 im Schätzungsweg erstellten Erstbescheid betreffend die Umsatzsteuer 2001 Tatsachen neu hervorgekommen sind. Die Kenntnis von diesen Umständen zum Zeitpunkt der Erstellung des Erstbescheides hätte zu einem anders lautenden Bescheid geführt. Hinsichtlich der Art dieser neu hervorgekommenen Tatsachen wird auf die Bescheidbegründung zum mit gleichem Datum ergangenen Sachbescheid verwiesen."

In der Begründung zum Umsatzsteuerbescheid 2001 (Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) verwies die Abgabenbehörde ua. darauf, man habe anlässlich der Erlassung des (ersten) Umsatzsteuerbescheides 2001 mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002 mangels Einreichung einer Erklärung die Besteuerungsgrundlagen betreffend die Umsatzsteuer 2001 im Schätzungsweg ermitteln müssen. Als Grundlage für diese Schätzung seien ua. der am 20. März 2001 beim Finanzamt eingereichte Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, in dem die "Betriebsübergabe zu Buchwerten" bekannt gegeben worden wäre, herangezogen worden. Da in diesem Fragebogen kein Veräußerungserlös erklärt worden sei, sei man bei der Schätzung von einem unentgeltlichen Vorgang und dem Vorliegen einer Kleinunternehmereigenschaft (Jahresumsatz übersteige nicht den Betrag von 22.000,00 €) ausgegangen. Dieser Sachverhalt sei dem am 4. April 2002 erlassenen Umsatzsteuerbescheid 2001 zugrunde gelegt worden. Erstmals im Jahr 2003 habe das Finanzamt festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Beendigung der gewerblichen Tätigkeit an den Betriebsübernehmer zwei Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis gestellt worden seien. Dieser Veräußerungserlös sei jedoch weder aus den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen betreffend die Monate Februar, März und April des Jahres 2001 noch aus dem Fragebogen hervorgegangen. Diese neu hervorgekommene Tatsache hätte zum Verlust der Kleinunternehmereigenschaft für das Jahr 2001 geführt. Der laufende Umsatz sowie die Vorsteuer seien entsprechend dem am 10. April 2003 vorgelegtem Buchungsjournal angesetzt worden.

Die gegen obige Bescheide fristgerecht erhobene Berufung (vgl. Schreiben vom 28. Juni 2004) begründete der Berufungswerber ua. damit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei auf Grund fehlender neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweise nicht zulässig. Richtig sei vielmehr eine völlig korrekte Beantwortung des Fragebogens im Hinblick darauf, dass das Betriebsvermögen zum Buchwert an den Betriebsnachfolger übergeben worden wäre, sodass die diesbezüglichen Angaben nicht als "neue" Tatsache für ein Wiederaufnahmeverfahren herangezogen werden könnten. Die von der belangten Behörde vorgebrachten Tatsachen würden wiederum jenen im Vorverfahren entsprechen und verstöße deshalb die Wiederaufnahme gegen die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft der Vorentscheidung, da mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 8. März 2004, GZ.2, der Berufung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 Folge gegeben und der angefochtene Wiederaufnahmebescheid ersatzlos behoben worden wäre. Während des vorliegenden Abschöpfungsverfahrens sei eine Exekutionssperre zu Lasten aller Konkursgläubiger aufrecht, sodass die geltend gemachte Umsatzsteuerzahllast nicht als neue Forderung zu qualifizieren sei, zumal die Nichtanmeldung dieser Forderung im Konkursverfahren zur GZ.1 des Bezirksgerichtes als Verzicht derer zu werten sei. Gemäß § 197 KO hätten Konkursgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet hätten, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspreche. Da dem Berufungswerber im Rahmen des Abschöpfungsverfahrens lediglich das Existenzminimum verbleiben würde und sohin ein Zahlungsanspruch über die, nach dem pfändbaren Einkommensteil, zu zahlende Quote nicht entstehen könne, sei die gegenständliche Forderung nicht zu berücksichtigen. Vielmehr sei der Berufungswerber in der Erfüllungsphase voll angespannt und außerstande, weitere Forderungen über den gesamten Abschöpfungszeitraum zusätzlich zu bedienen.

Die Berufung wurde dem Unabhängigen Finanzsenat direkt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Vorerst ist dem Berufungswerber zu Punkt 1 seiner Berufungsausführungen vom 28. Juni 2004 entgegenzuhalten, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2001 mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004 um keinen "bloß am Umsatzsteuervorschreibungsbetrag" korrigierten, "im übrigen aber - insbesondere auch was die standardisierte Begründung darstellt - mit den bisher unter dem Titel "Umsatzsteuerbescheid 2001" ergangenen Bescheiden" identen Bescheid handelt. Wie vom Berufungswerber in seiner Berufung zutreffend ausgeführt wurde, schied mit der durch den Unabhängigen Finanzsenat zur GZ.2 vom 8. März 2004 erfolgten Aufhebung des Bescheides betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 (mit Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003) der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2001 (mit Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003) aus dem Rechtsbestand aus. Das Verfahren trat sohin gemäß § 307 Abs. 3 BAO wieder in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat, sodass der (ursprüngliche) Umsatzsteuerbescheid 2001 (mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002) wieder auflebte. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) wurde nunmehr das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2001 wieder aufgenommen und der Umsatzsteuerbescheid 2001 (mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002) durch den strittigen Umsatzsteuerbescheid 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) ersetzt. Bei dem strittigen Umsatzsteuerbescheid 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) handelt es sich sohin um einen eigenständigen, von den bisherigen Bescheiden losgelösten Bescheid, sodass der Aussage des Berufungswerbers sohin nicht gefolgt werden kann, der bekämpfte Bescheid sei ein mit dem unter dem Titel ergangener "Umsatzsteuerbescheid 2001" (mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002 bzw. 28. Jänner 2003) identer Bescheid.

Auf Grund eines Versehens führte der bekämpfte Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 nicht den tatsächlich betroffenen Umsatzsteuerbescheid 2001 mit dem Ausfertigungsdatum 4. April 2002, sondern einen mit 29. April 2004 datierten - und nie ergangenen - Umsatzsteuerbescheid 2001 an. Aus der fehlerhaften Datierung des Umsatzsteuerbescheides 2001 ergibt sich jedoch weder ein Zweifel am Bescheidcharakter noch am eindeutigen normativen (rechtsgestaltenden) Inhalt des bekämpften Wiederaufnahmebescheides hinsichtlich Umsatzsteuer 2001. Der Berufungswerber selbst erkannte die offensichtliche falsche Datierung als Schreibfehler der Abgabenbehörde und erhob keine Bedenken hieran, dass es sich bei dem von der Wiederaufnahme betroffenen Bescheid um den (zum damaligen Zeitpunkt als einzigen in Rechtsbestand stehenden) Umsatzsteuerbescheid 2001 handeln würde (vgl. Berufung vom 28. Juni 2004). Der bekämpfte Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) unterliegt demzufolge keinem (Formal)Mangel.

1.) Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen der Abs. 1 lit a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Einen Wiederaufnahmegrund bilden somit lediglich neu hervorgekommene "Tatsachen oder Beweismittel". Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (VwGH 16.2.1994, Zl. 90/13/0011,0013). War hingegen der Abgabenbehörde im abgeschlossenen Verfahren der Sachverhalt so ausreichend bekannt, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können, ist eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens unzulässig (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz. 7 ff zu § 303, Seite 937f). Eine andere (geänderte, wenn auch richtige) rechtliche Beurteilung des schon bekannt gewesenen Sachverhaltes allein begründet sohin keine Wiederaufnahme des Verfahrens (VwGH 21.4.1980, Zl. 2967/79; VwGH 5.11.1981, Zl. 3143 f/80).

Die Abgabenbehörde begründet durch ihren Verweis in der (händischen) Begründung des Bescheides betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) auf den Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Juni 2004) die strittige Wiederaufnahme mit zwei Rechnungen (mit Umsatzsteuerausweis) des Berufungswerbers vom 16. März und 7. August 2001, von deren Existenz die Abgabenbehörde erstmals im Jahr 2003 Kenntnis erlangt hätte. Der sich hieraus ergebende Veräußerungserlös sei weder aus den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen betreffend die Monate Februar, März und April des Jahres 2001 noch aus dem Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vom 19. März 2001 hervorgegangen, weshalb dieser eine neu hervorgekommene Tatsache darstellen würde.

Für den Referenten steht sohin außer Zweifel, dass Entscheidungsgrundlage für die Abgabenbehörde bei der Erlassung des Bescheides betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001 (mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002) - mangels Einreichung einer Gewinn- und Verlustrechnung 2001 (samt Anlagenverzeichnis) sowie von Einkommen- und Umsatzsteuerklärungen 2001 - lediglich die Kenntnis der Betriebsaufgabe des Berufungswerbers zum 9. März 2001 (vgl. Schreiben vom 8. März 2001), eine Übergabe des Betriebes zu Buchwerten an den Nachfolger (vgl. Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vom 19. März 2001) sowie ein sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2001, März 2001 und April 2001 ergebender Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch in Höhe von 123.482,49 S (Februar 2001: 94.374,39 S März 2001: 29.108,10 S; April 2001: 0,00 S) war. Weitere Unterlagen standen der Abgabenbehörde nicht zur Verfügung.

Nach Ansicht des Referenten reichte der vorliegende Kenntnisstand der Abgabenbehörde nicht aus, dieser eine endgültige und zutreffende Berechnung der Umsatzsteuer für das Jahr 2001 zu ermöglichen. Der Abgabenbehörde wurde erstmals durch Übermittlung der beiden Rechnungen des Berufungswerbers vom 16. März 2001 sowie 7. August 2001 im Jänner 2003 (vgl. Telefax von der Steuerberaterin vom 17. Jänner 2003) bekannt, dass der Berufungswerber an Nachfolger Betriebsvermögen im Gesamtbetrag von brutto 287.500,00 S (inklusive ausgewiesener Umsatzsteuer im Betrag von 47.916,67 S) veräußert hat. Die Abgabenbehörde erlangte damit erstmals hiervon Kenntnis, dass die vom Berufungswerber in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 ausgewiesenen Umsätze nicht den Tatsachen entsprachen, sondern um ein vielfach Höheres anzusetzen seien. Dies wurde in Folge auch durch die vom Berufungswerber vorgelegten Buchungsjournale vom 7. April 2003 sowie der Kontoblätter bestätigt, mit Hilfe welcher der Abgabenbehörde erstmals ermöglicht wurde, den tatsächlich zutreffenden Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch sowie den Gesamtbetrag der Vorsteuern des Jahres 2001 zu ermitteln und die zutreffende Umsatzsteuer für das Jahr 2001 vorzuschreiben. Die Feststellungen der Abgabenbehörde anlässlich der Übermittlung obiger Rechnungen führten erstmals zu diesen neuen entscheidungsrelevanten Tatsachen, weshalb die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO gerechtfertigt ist.

Das Vorbringen des Berufungswerbers, in materiell-rechtlicher Hinsicht seien keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen, da der Abgabenbehörde aus der völlig korrekten Beantwortung des Fragebogens vom 19. März 2001 die Übergabe des Betriebsvermögens an den Betriebsnachfolger zu Buchwerten mitgeteilt worden wäre, kann den Referenten nicht zu einer abweichenden Rechtsansicht hiervon veranlassen. Der Abgabenbehörde war bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2001 (mit Ausfertigungsdatum 4. April 2002) mangels Einreichung von Steuererklärungen 2001 samt Gewinn- und Verlustrechnungen mit Anlagenverzeichnis für das Jahr 2001 weder der Umfang des Betriebs- bzw. Anlagevermögens noch die Höhe der Buchwerte bekannt. Auf Grund der fehlenden weiteren Unterlagen konnte daher die Abgabenbehörde aus den unvollständigen Angaben des Berufungswerbers im Fragebogen vom 19. März 2001 keine zutreffende Feststellung der Höhe der hiermit verbundenen Umsätze des Berufungswerbers bzw. der Jahresumsätze 2001 tätigen und war damit auf die vorliegenden, jedoch - wie sich erst im Jänner 2003 herausstellte - unrichtigen Erklärungen des Berufungswerbers (Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar, März und April 2001) angewiesen. Erst mit Übermittlung der gegenständlichen Rechnungen des Berufungswerbers im Jänner 2003 erlangte die Abgabenbehörde vom Umfang und der Höhe des dem Rechtsnachfolger veräußerten Betriebs- und Anlagenvermögens Kenntnis. Des weiteren erfuhr die Abgabenbehörde hierdurch erstmals, dass die Umsatzsteuervoranmeldung für März 2001 (datiert mit 15. Mai 2001) vom Berufungswerber unrichtig erstellt worden war und die Rechnung des Berufungswerbers vom 16. März 2001 (Lieferung von Waren in Höhe von brutto 250.000,00 S inklusive USt. in Höhe von 41.666,67 S) nicht beinhaltete (der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlage für Lieferungen, sonstige Leistungen und den Eigenverbrauch einschließlich Anzahlungen wurden vom Berufungswerber in der Umsatzsteuervoranmeldung für März 2001 mit lediglich 29.108,10 S ausgewiesen).

Ermittelt die Abgabenbehörde (anlässlich der Erstbescheid-Erlassung) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen nicht oder nicht vollständig, weil sie den erhobenen Sachverhalt für ausreichend und weitere Tatsachenfeststellungen für unmaßgebend oder bedeutungslos hält, bildet das spätere Hervorkommen neuer entscheidungsbedeutsamer Tatsachen oder Beweismittel in Bezug auf diesen Sachverhalt nach herrschender Rechtsprechung einen Wiederaufnahmegrund, und zwar dann, wenn bisher unbekannt gebliebene Sachverhalte überhaupt oder in ihrem vollem Ausmaß erst später bewusst und bekannt werden (VwGH 14.3.1990, 88/1311). Selbst wenn der Behörde ein Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel im Erstverfahren vorzuwerfen ist, bildet die spätere Feststellung einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 5.5.1982, 81/13/174, 82/13/29f). Auf Grund obiger Ausführungen kann sohin dem Finanzamt - entgegen der Rechtsansicht des Berufungswerbers in seiner Berufung vom 28. Juni 2004 - eine Unterlassung von Ermittlungen zur Bereinigung etwaig vorliegender Unklarheiten vor Vornahme der Schätzung und Erlassung des (wiederaufgenommenen) Erstbescheides nicht vorgeworfen werden, sodass diese einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht entgegenstehen.

Das Vorbringen des Berufungswerbers, die von der Abgabenbehörde angeführten Wiederaufnahmegründe (Verlust der Kleinunternehmereigenschaft auf Grund zweier im Jahr 2003 erstmals festgestellter Rechnungen des Berufungswerbers mit Umsatzsteuerausweis) seien nicht seit der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates zur GZ.2 vom 8. März 2004 neu hervorgekommen und würden den von der belangten Behörde im Vorverfahren vorgebrachten Tatsachen entsprechen, sodass die gegenständliche Wiederaufnahme gegen die Einmalwirkung der materiellen Rechtskraft der Vorentscheidung verstoßen würde, kann der Berufung zu keinem Erfolg verhelfen. Entgegen der Ausführungen des Berufungswerbers stellten die obig angeführten neuen Tatsachen keinen Gegenstand der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. März 2004, GZ.2, dar. Der Unabhängige Finanzsenat sprach in seiner Berufungsentscheidung nämlich nicht darüber ab, dass die obigen gegenständlichen Tatsachen die Abgabenbehörde nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO berechtigen würden, sondern viel mehr lediglich darüber, dass in dem (aufgehobenen) Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 (mit Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003) keine Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens angegeben wären. Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 im (aufgehobenen) Bescheid (mit Ausfertigungsdatum 28. Jänner 2003) nicht mit den Rechnungen des Berufungswerbers vom 16. März und 7. August 2001 als neu hervorgekommene Tatsache begründet, sondern hatte die Abgabenbehörde hierin verabsäumt, überhaupt "neu hervorgekommene Tatsachen" dezidiert zu benennen und diese auszuführen (vgl. Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. März 2004, GZ.2). Die Angaben des Berufungswerbers in seiner Berufung vom 28. Juni 2004 sind sohin nicht zutreffend, da die im bekämpften Bescheid zugrunde liegende Begründung der Wiederaufnahme nicht "den von der belangten Behörde im Vorverfahren vorgebrachten Tatsachen" entspricht. Die Rechnungen des Berufungswerbers vom 16. März und 7. August 2001 wurden erstmals im gegenständlichem Bescheid der Wiederaufnahme zugrunde gelegt, sodass der vom Berufungswerber behauptete Verstoß gegen die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. März 2004, GZ.2, im bekämpften Bescheid nicht erblickt werden kann.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers ist des Weiteren nicht auf den Kenntnisstand der Abgabenbehörde zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates zur GZ.2 am 8. März 2004, sondern ausschließlich auf den Kenntnisstand der Abgabenbehörde zum Zeitpunkt der Erlassung des wiederaufgenommenen Bescheides, sohin zum 4. April 2002, abzustellen. Zum damaligen Zeitpunkt waren der Abgabenbehörde entscheidungswesentliche Tatsachen nicht bekannt und sind seit diesem Zeitpunkt neu hervorgekommen. Da die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. März 2004 zur GZ.2 von der streitgegenständlichen Wiederaufnahme nicht umfasst ist, war der zu diesem Zeitpunkt gegebene Kenntnisstand der Abgabenbehörde für die strittige Wiederaufnahme von keinem Belang.

Zusammenfassend ist daher auszuführen, dass mit Aufhebung eines Wiederaufnahmebescheides das Besteuerungsverfahren gemäß § 307 Abs. 3 BAO wieder in die Lage zurücktritt, in der es sich vor der verfügten Wiederaufnahme befunden hat. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass das Finanzamt nicht neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügen darf. Res iudicata liegt nicht vor, wenn die neuerliche Wiederaufnahme aus anderen Gründen verfügt wird als aus jenen in dem aufgehobenen Bescheid.

Die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen gemäß § 303 Abs. 4 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 leg.cit .). Im Hinblick auf die den Erstbescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001 anhaftende, nicht bloß geringfügige Rechtswidrigkeit wurde nach Ansicht des Referenten durch die Verfügung der Wiederaufnahme dieses Verfahrens von dem durch § 303 Abs. 4 BAO eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, weshalb die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid als unbegründet abzuweisen war.

2.) Berufung gegen die Umsatzsteuer 2001:

Gemäß § 1 Abs. 1 UStG 1994 unterliegen die folgenden Umsätze der Umsatzsteuer:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, 2. der Eigenverbrauch im Inland und 3. die Einfuhr von Gegenständen (Einfuhrumsatzsteuer).

Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 UStG fallenden Umsätzen sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 leg.cit. im Veranlagungszeitraum 300.000,00 S (22.000,00 €) nicht übersteigen.

Aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus den Kontoblättern Nr. 9065 Verrechnung Losungen, Nr. 80001 Erlöse Küche, Nr. 8101 Erlöse Eis, Nr. 8104 Erlöse Kaffee, Tee, Nr. 8110 Erlöse Bier, Nr. 8111 Erlöse Wein, Nr. 8112 Erlöse Sekt, Nr. 8113 Erlöse Spirituosen sowie Nr. 8114 Erlöse Alkoholfreie Getränke, sowie den beiden Rechnungen vom 16. März und 7. August 2001, ergibt sich, dass der Berufungswerber im strittigen Jahr steuerbare Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 im Gesamtbetrag von 472.574,38 S erwirtschaftet hat. Der Eigenverbrauch des Berufungswerbers gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 wurde von der Abgabenbehörde - unter Heranziehung der Steuererklärungen der Vorjahre (insbesondere der Jahre 1998 und 1999) - mit 13.000,00 S (hiervon entfallend 5.000,00 S auf die 20 %igen Umsätze und 8.000,00 S auf die 10 %igen Umsätze) geschätzt. Die Schätzung wurde vom Berufungswerber weder dem Grunde noch der Höhe nach bekämpft, sodass diese außer Streit steht. Der Referent erhebt gegen die Schätzung des Eigenverbrauches keine Bedenken und übernimmt diese als zutreffend.

Die Umsätze des Berufungswerbers beliefen sich im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum sohin - unstrittig - auf 485.574,38 S und überstiegen somit erheblich die Kleinunternehmer-Umsatzgrenze von 300.000,00 S. Die gegenständlichen Umsätze unterliegen daher nicht der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, sodass die Vorschreibung der Umsatzsteuer durch die Abgabenbehörde im bekämpften Bescheid zu Recht vorgenommen wurde.

Die Einwendungen des Berufungswerbers in seiner Berufung vom 28. Juni 2004, während des vorliegenden Abschöpfungsverfahrens sei in Folge der beschlussmäßigen Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens eine Exekutionssperre zu Lasten aller Konkursgläubiger aufrecht und die Nichtanmeldung der gegenständlichen Forderung im Konkursverfahren des Bezirksgerichtes zur GZ.1 sei als Verzicht derer zu werten, können dieser zu keinem Erfolg verhelfen.

Ein Abgabenanspruch bzw. die Abgabenschuld entsteht allgemein gemäß § 4 Abs. 1 BAO mit Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist nach § 4 Abs. 4 BAO ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches. Die Spezialbestimmung des Umsatzsteuergesetzes im § 19 Abs. 2 UStG 1994 sieht vor, dass in den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17 leg.cit .) die Umsatzsteuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, (Istbesteuerung) und für Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Aufwendungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 getätigt worden sind, eintritt.

Wie sich aus den vorgelegten Kontoblättern ergibt hat der Berufungswerber seine Umsätze (überwiegend) bis zum Kalendermonat März 2001 getätigt; lediglich die Veräußerung des Pizzaofens, der Teigmaschine sowie der Saladette erfolgte mit Rechnung vom 7. August 2001. Der (gesamte) strittige Abgabenanspruch des Bundes gegenüber dem Berufungswerber entstand daher gemäß § 19 UStG 1994 spätestens Ende August 2001.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 27. Dezember 2001 zur GZ.1 wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Berufungswerbers eröffnet sowie mit Beschluss vom 1. Juli 2002 wiederum aufgehoben. Es steht sohin fest, dass die Entstehung des Abgabenanspruches zeitlich vor den obigen Beschlüssen des Bezirksgerichtes zur GZ.1 sowohl über die Eröffnung als auch über die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens erfolgte.

Der Abgabenanspruch gründet sich gemäß § 19 Abs. 2 UStG 1994 nicht erst auf den erlassenen Abgabenbescheid, sondern entsteht ex lege mit der Verwirklichung eines vom Gesetz als relevant erklärten Sachverhaltes. Grund der Abgabenschuld ist daher ein bestimmtes, in der Vergangenheit liegendes reales Geschehen, das allerdings zur Durchsetzung des damit entstandenen Abgabenanspruches in der Regel der Feststellung einer konkreten Verwirklichung in einem Abgabenbescheid bedarf (OGH 21.11.1991, 14 Os 127/90).

Ungeachtet des Umstandes, dass der Abgabenanspruch gemäß § 4 BAO regelmäßig entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabenpflicht knüpft, tritt eine Verpflichtung zur Bezahlung von Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, grundsätzlich erst mit Erlassung des betreffenden Abgabenbescheides ein. Diese Zahlungsverpflichtung (=Leistungsgebot) betrifft stets den materiell rechtlichen Abgabenanspruch. Dieser ist Gegenstand der Abgabenfestsetzung. Die Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung noch aushaftet bzw. inwieweit er bereits durch Zahlungen befriedigt wurde (zum Beispiel durch Vorauszahlungen oder durch Verrechnung mit Abgabenvorschriften), erfolgt hingegen nicht im Abgabenfestsetzungsverfahren, in dem die Abgabenverrechnung unberücksichtigt bleiben muss, sondern erst im Abgabeneinhebungsverfahren. Da nur aushaftende Verbindlichkeiten von einem Zwangsausgleich betroffen sein können, entfaltet letztere seine Rechtswirkungen gemäß § 156 Konkursordnung auch nur im Abgabeneinhebungsverfahren.

Für diese Rechtsaufassung sprechen auch die Bestimmungen des § 156 Abs. 4 und Abs. 5 Konkursordnung, wonach der "Nachlass und die sonstigen Begünstigungen, die der Ausgleich gewährt", hinfällig werden, soweit der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleiches in Verzug gerät. Absatz 5 der zitierten Bestimmung spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von der "Wirkung des Wiederauflebens". Wieder aufleben kann aber ein Leistungsgebot begrifflich nur dann, wenn es zu einem früheren Zeitpunkt bereits bestanden hat. Da das Leistungsgebot bei Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, grundsätzlich erst mit der Erlassung eines Abgabenbescheides entsteht, setzt das "Wiederaufleben" des Leistungsgebotes voraus, dass dieses bereits in der Vergangenheit durch Erlassung eines Abgabenbescheides entstanden war.

Auch daraus folgt, dass ein rechtskräftig bestätigter Zwangsausgleich der bescheidmäßigen Festsetzung des ungekürzten Abgaben-Leistungsgebotes nicht entgegensteht (vgl. VwGH 27.2.1990, 89/13/0085).

Obige Ausführungen gelten auch analog für den Privatkonkurs. Dies ergibt sich ua. auch daraus, dass gemäß § 211 Abs. 1 Konkursordnung in der Fassung der Konkursordnungs-Novelle 1993, BGBl. 1993/974, das Gericht auf Antrag das Abschöpfungsverfahren vorzeitig einzustellen hat, wenn der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Konkursgläubiger beeinträchtigt (Z 2). Gerät der Schuldner auch nur mit einer einzigen Zahlungsverpflichtung in Verzug, so kommt eine Restschuldbefreiung nicht in Betracht. Mit dem rechtskräftigen Widerruf werden die Wirkungen der Restschuldbefreiung gemäß § 211 Abs. 5 KO hinfällig und die Rechte der Konkursgläubiger leben wieder neu auf (Hübner, Privatkonkurs, Rechtsgrundlagen - Verfahrenspraxis, Seiten 104, 106, 1995). Ein nach rechtskräftiger Bestätigung eines angenommenen Zahlungsplanes aufgehobenes Schuldenregulierungsverfahren steht sohin auch nicht der bescheidmäßigen Festsetzung des ungekürzten Abgaben-Leistungsgebotes entgegen.

Den vom Berufungswerber in seiner Berufung vom 28. Juni 2004 ausgeführten Abgabeneinhebungshindernissen, insbesondere die eingewendete rechtskräftige Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens (Beschluss des Bezirksgerichtes zur GZ.1 vom 1. Juli 2002 ) verbunden mit einer Einleitung des Abschöpfungsverfahrens samt Exekutionssperre zu Lasten der Konkursgläubiger, ist sohin erst im Abgabeneinhebungsverfahren Rechnung zu tragen. Hierin wird sodann zu prüfen sein, in welchem Ausmaß die Abgabenforderung beim Berufungswerber noch eingefordert werden kann.

Im gegenständlichen Abgabenfestsetzungsverfahren sind hingegen die diesbezüglichen Einwendungen des Berufungswerbers ohne Belang, da diese auf Grund obiger Ausführungen auf die Festsetzung der strittigen Umsatzsteuer für das Jahr 2001 keine Auswirkungen haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 3. März 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Wiederaufnahme des Verfahrens, res iudicata, neue Tatsachen, Festsetzung, Abgaben, Abgabenfestsetzung, Schuldenregulierungsverfahren, Abgabenanspruch, Insolvenz

Stichworte