UFS RV/0565-L/05

UFSRV/0565-L/0516.2.2006

Nichtgewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages bei aufrechter Ehe, wenn der Ehegatte in einem Pflegeheim untergebracht ist.

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der K., vom 8. Juni 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes A. vom 2. Juni 2005, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin ist seit 1983 verheiratet und hat mit ihrem Gatten eine gemeinsame Tochter, welche inzwischen 16 Jahre alt geworden ist. Ihr Ehegatte (geboren 1928) ist nach schweren Schlaganfällen im Jänner 2002 zum Pflegefall geworden. Da er rund um die Uhr zu betreuen ist, musste sie ihn in ein Pflegeheim geben. Vom Gericht wurde sie zum Sachwalter ihres Gatten bestellt. Der Gesamtbetrag seiner Einkünfte 2004 in Höhe von € 17.978,37 setzt sich aus solchen aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von € 4.249,37 und aus einer Pension von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern von € 13.767,-- abzüglich von € 38,-- an Werbungskosten zusammen. Dazu kommt noch das steuerfreie Pflegegeld von € 10.108,80. Die Berufungswerberin und ihr Ehegatte sind Hälfteeigentümer von Haus und Grund. Da sie nicht will, dass der Hälfteanteil ihres Gatten durch die aus seinem Einkommen nicht gedeckten Heimkosten belastet wird, bezahlt sie die nicht gedeckten Heimkosten aus ihrem Gehalt.

In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2004 beantragte die Rechtsmittelwerberin die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2004 vom 2. Juni 2005 setzte das Finanzamt die Nachforderung an Einkommensteuer mit € 100,32 fest. Dabei berücksichtigte es den beantragten Alleinerzieherabsetzbetrag nicht, weil die Einschreiterin im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe.

Die dagegen eingebrachte Berufung richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages (samt Kinderzuschlag). Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG sei Alleinerzieher ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebe. Sie sei Steuerpflichtige, habe ein Kind und lebe nicht in einer Gemeinschaft mit ihrem Ehepartner, und zwar seit Jänner 2002. Die Berufungswerberin sei alleine für die Beaufsichtigung und Erziehung des gemeinsamen Kindes zuständig, trage alle Kosten des Kindes allein, sei alleine, wenn das Kind krank sei und müsse im Erwerbsleben stehen, um sich und das Kind erhalten zu können. Gemäß EStG stehe der Alleinerzieherabsetzbetrag für die Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen zu.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988 in der hier geltenden Fassung stehen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen nachfolgende Absetzbeträge zu:

1. Einem Alleinverdiener steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG) 494 Euro. Alleinverdiener ist ein Steuerpflichtiger, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt. Alleinverdiener ist auch ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind, der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Voraussetzung ist, dass der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt.

2. Einem Alleinerzieher steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG) 494 Euro. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Im vorliegenden Fall ist lediglich strittig, ob die Berufungswerberin von ihrem Ehegatten, mit dem sie seit 1. Juli 1983 verheiratet ist, dauernd getrennt lebt. Bejaht man, dass sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt lebt, so ist sie als Alleinerzieher anzusehen, der der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht. Verneint man das Vorliegen einer dauernden Trennung, so ist die Rechtsmittelwerberin weder als Alleinerzieher noch als Alleinverdiener anzusehen; letzteres deswegen nicht, weil ihr Ehegatte im Kalenderjahr 2004 unbestritten Einkünfte erzielte, die über den im Gesetz genannten Grenzbetrag liegen.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes v. 31.3.1998, Zl. 93/13/0109 unterscheidet der Gesetzgeber bei Ehegatten zwischen zwei Gruppen: Jenen, die nicht dauernd getrennt leben und jenen, die dauernd getrennt leben. Mit diesem Unterscheidungsmerkmal soll offensichtlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die wirtschaftliche Leistungskraft bei der ersten Gruppe durch die beiderseits erzielten Einkünfte bestimmt wird, während dies bei der zweiten Gruppe nicht der Fall ist. Mit anderen Worten: Ist das Zusammenleben von Ehegatten davon gekennzeichnet, dass beide zur Finanzierung ihrer gemeinsamen Bedürfnisse beitragen, so ist davon auszugehen, dass sie nicht dauernd getrennt leben; anderenfalls spricht der Gesetzgeber von dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Bei den letztgenannten müssen sohin Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass das einer Ehe eigentümliche gemeinsame Wirtschaften mit gemeinsamen finanziellen Mitteln (vgl. die §§ 90 ff ABGB) nicht gegeben ist, weil der Wille zur gemeinsamen Lebensführung nicht mehr besteht, woraus folgt, dass die Einkünfte des anderen Ehegatten unerheblich sind. Durch die Eheschließung haben sich die Ehegatten zur umfassenden wechselseitigen Beistandspflicht bereit erklärt. Dass diese, auch die finanziellen Belange umfassende Beistandspflicht, grundsätzlich geeignet ist, die wirtschaftliche Leistungskraft der Berufungswerberin zu beeinflussen, kann wohl kaum in Abrede gestellt werden. Dem Umstand allein, dass Ehegatten (z.B. auch aus beruflichen Gründen) getrennte Wohnungen benützen müssen und dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt sind, misst der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften betreffend die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages keine tatbestandsmäßige Bedeutung zu. Bemerkt wird auch, dass eine aufrechte Ehe grundsätzlich gegen eine dauernde getrennte Lebensführung spricht (VwGH 22.10.1997, 95/13/0161 bis 0164). Laut Doralt, EStG6, § 33 Tz. 31 leben Ehegatten schon nicht deshalb dauernd getrennt, weil einer durch Krankheit oder Behinderung in einem Pflegeheim (nicht nur vorübergehend) untergebracht ist. Wirtschaftlich gesehen besteht der gemeinsame Haushalt weiter.

Auch im vorliegenden Fall ist die wirtschaftliche wechselseitige Beistandspflicht weiter aufrecht. So kommt die Berufungswerberin für die aus dem Einkommen und Pflegegeld ihres Gatten nicht gedeckten Pflegeheimkosten auf, um die gemeinsame Liegenschaft nicht belasten zu müssen. Da somit die Berufungswerberin im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht dauernd von ihrem Ehegatten getrennt lebt, steht ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu. Klarzustellen ist, dass durch den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht etwa die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt wird, der allein stehende Personen mit Kindern ausgesetzt sind (Doralt, EStG6, § 33 Tz. 35).

Dass bloß der (voraussichtlich dauernde) Aufenthalt eines Ehepartners in einem Pflegeheim nicht automatisch eine Nichtgewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages bewirkt, ergibt sich auch aus der Bestimmung des § 34 Abs. 6 fünfter Teilstrich EStG, wonach bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Selbstbehalt als außergewöhnliche Belastung abgezogen erhält. Würde man bei jedem (voraussichtlich dauernden) Aufenthalt eines Ehepartners in einem Pflegeheim allein aus diesem Umstand eine dauernde Trennung annehmen, so würde der Alleinverdiener in dieser Situation nicht nur den Alleinverdienerabsetzbetrag verlieren sondern könnte auch die Pflegeheimkosten für seinen Ehepartner nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt erhalten. Er wäre damit wesentlich schlechter gestellt gegenüber Steuerpflichtigen, die ihre Pflegeheimkosten aus dem eigenen Einkommen bezahlen können, weil hier eine Berücksichtigung ohne Selbstbehalt stattfindet. Damit wäre die Bestimmung des § 34 Abs. 6 fünfter Teilstrich EStG großteils überflüssig, was der Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigt hat.

Die Berufung war als unbegründet abzuweisen.

Linz, am 16. Februar 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Alleinerzieherabsetzbetrag, aufrechte Ehe, nicht dauernd getrennt lebend, Pflegeheim

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