UFS RV/0529-W/05

UFSRV/0529-W/0515.6.2005

Nichtfestsetzung von Anspruchszinsen, welche die Folge einer beantragten rückwirkenden Aufteilung der Einkünfte auf drei Jahre (§ 37 Abs. 9 EStG) bei einem Künstler waren.

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch E-WTH-GmbH, vom 22. Dezember 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom 3. Dezember 2004 betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

 

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 wurden Anspruchszinsen 2001 in Höhe € 61,99 für eine mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 festgesetzte Einkommensteuernachforderung 2001 in Höhe von S 10.426,00 (€ 757,69) für den Verzinsungszeitraum 1. Oktober 2002 bis 5. Dezember 2004 vorgeschrieben.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 22. Dezember 2004 führte der Berufungswerber (Bw.) aus, dass in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 gemäß § 37 Abs. 9 EStG vom Wahlrecht Gebrauch gemacht worden sei, die selbständigen Einkünfte des Jahres 2003 auf das Erklärungsjahr und die beiden vorangegangenen Jahre zu verteilen. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass für das Jahr 2001 eine Einkommensteuernachzahlung in Höhe von € 757,69 festgesetzt worden sei.

Für diese Nachzahlung seien mit angefochtenem Bescheid die Anspruchszinsen für den Zeitraum 1. Oktober 2002 bis 5. Dezember 2004 festgesetzt worden. Da diese Nachzahlung jedoch nicht aus dem Einkommen des Jahres 2001, sondern aus dem Einkommen des Erklärungsjahres 2003 resultiere, sei die Festsetzung der Anspruchszinsen ab 1. Oktober 2002 sachlich unbillig. Der Bw. habe keine Möglichkeit gehabt, diese Anspruchszinsen zu vermeiden, da er am 1. Oktober 2002 noch nicht wissen habe können, ob er für das Jahr 2003 von der Möglichkeit des § 37 Abs. 9 EStG Gebrauch machen werde und wie hoch die Nachzahlung für die vorangegangenen Jahre sein werde.

Es werde daher beantragt, der Berufung wegen sachlicher Unbilligkeit stattzugeben und die Anspruchszinsen in Höhe von € 61,99 gutzuschreiben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Jänner 2005 wurde die gegenständliche Berufung durch die Abgabenbehörde erster Instanz als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, dass im vorliegenden Fall auf Grund der Inanspruchnahme des Wahlrechtes gemäß § 37 Abs. 9 EStG im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2003 nur ein Drittel der positiven verteilungsfähigen Einkünfte angesetzt worden sei. Die zwei ausgeschiedenen Drittel seien über Antrag des Bw. im Zuge der Wiederaufnahme des Verfahrens bei der Ermittlung des Einkommens der beiden Vorjahre - somit auch bei der verfahrensgegenständlichen Einkommensteuerveranlagung 2001 - berücksichtigt worden. Bei der Verzinsung, die sich aus der Abänderung von Bescheiden ergebe, sei es bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig gewesen sei bzw. woraus die Nachforderung im Abgabenbescheid resultiere.

Durch die Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung seien die positiven Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit des Jahres 2003 zur Ermäßigung der Einkommensteuerbelastung verteilt worden. Nicht nur, dass dadurch die Progression gemindert worden sei, fordere der Bw., die Anspruchszinsen erst ab dem für die Veranlagung 2003 relevanten Zeitraum (1. Oktober 2004) zu berechnen. Eine Aufteilung der Entstehung des Abgabenanspruches für die Einkommensteuer 2003 auf Vorjahre unter Beibehaltung des selben Zeitpunktes des Beginnes der Anspruchsverzinsung auch für Einkommensteuer 2001 bzw. 2002 sei mit den derzeit geltenden Bestimmungen der Bundesabgabenordnung nicht vereinbar.

Wenn der Bw. weiters ausführe, dass es ihm unmöglich gewesen wäre, die Anspruchsverzinsung zu vermeiden, so sei zu erwidern, dass es auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen nicht ankomme, da die Festsetzung von Anspruchszinsen verschuldensunabhängig sei und allein von der zeitlichen Komponente, nämlich wann der Einkommensteuerbescheid dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben wurde und von der Höhe des Nachforderungsbetrages abhängig sei.

Ob eine sachliche Unbilligkeit vorliege bzw. ob eine vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollte Verzinsung eingetreten sei, wäre nur im Rahmen eines Antrages auf Nachsicht zu prüfen. Ein solcher liege nicht vor. Die Berufung sei daher abzuweisen.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2005 beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter sinngemäßer Wiederholung seines bisherigen Berufungsvorbringens.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus den Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen. Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Gemäß § 205 Abs. 3 BAO kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 BAO am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben. Die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

Gemäß § 205 Abs. 6 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) um die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen (Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I 2004/180 ab 31. Dezember 2004).

Gemäß § 295a BAO ist unter einem rückwirkenden Ereignis ein Ereignis zu verstehen, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf dem Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Vorerst ist auszuführen, dass das Berufungsvorbringen des Bw. dahingehend, dass die Festsetzung der Anspruchszinsen 2001 für den Zeitraum 1.10.2002 bis 5.12.2004 deswegen sachlich unbillig sei, weil diese Nachzahlung nicht aus dem Einkommen des Jahres 2001, sondern aus dem Einkommen des Erklärungsjahres 2003 resultiere und der Bw. daher keine Möglichkeit gehabt habe, diese Anspruchszinsen zu vermeiden, da er am 1. Oktober 2002 noch nicht wissen habe können, ob er für das Jahr 2003 von der Möglichkeit des § 37 Abs. 9 EStG Gebrauch machen werde, der gegenständlichen Berufung nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Zinsenrelevante Differenzbeträge ergeben sich bei der veranlagten Einkommensteuer auch aus neuen Sachbescheiden nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 37 Abs. 9 EStG. Bei der Verzinsung, die sich aus Abänderungen von Bescheiden ergeben, ist es bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung abgeändert wurde bzw. woraus die Nachforderung im Abgabenbescheid resultiert. Im vorliegenden Fall wurden aufgrund der Inanspruchnahme der Verteilungsregel des § 37 Abs. 9 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2003 nur ein Drittel der positiven verteilungsfähigen Einkünfte angesetzt. Die zwei ausgeschiedenen Drittel wurden über Antrag des Bw. im Zuge einer Wiederaufnahme der Veranlagungsverfahren dem Einkommen der beiden Vorjahre zugerechnet. Aus der daraus begründeten Nachforderung an Einkommensteuer 2001 resultiert der nunmehr angefochtene Anspruchszinsenbescheid 2001.

Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben zitierten Gesetzesbestimmung (RV 311 BlgNR 21. GP , 210 ff.) entstehen Ansprüche auf Anspruchszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw. jedoch mit Schreiben vom 6. Juni 2005 in Ergänzung des Vorlageantrages einen Antrag gemäß § 205 Abs. 6 BAO auf Nichtfestsetzung der Anspruchzinsen 2001 eingebracht, auf welchem gemäß § 280 BAO im Berufungsverfahren Bedacht zu nehmen ist. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass die nachträgliche Aufteilung der Einkünfte des Veranlagungsjahres 2003 auf die Jahre 2001 und 2002 ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstelle und die Anspruchszinsen 2001 als Folge diese rückwirkenden Ereignisses wieder abzuschreiben wären.

Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO liegt vor, wenn ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Die antragsgemäße gleichmäßige Aufteilung der selbständigen künstlerischen Einkünfte des Jahres 2003 gemäß § 37 Abs. 9 EStG auf das Erklärungsjahr und die beiden Vorjahre 2001 und 2002 im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens mit Bescheiden vom 3. Dezember 2004 stellt für die beiden Vorjahre ein solches rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar, das Wirkung auf den Umfang der Einkommensteuerschuld 2001 (Differenzbetrag) hatte und zur Vorschreibung der nunmehr in Berufung gezogenen Anspruchszinsen 2001 führte.

Für eine antragsgebundene Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Anspruchszinsen kann jeder Verfahrenstitel, unter welchem ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO bescheidmäßig berücksichtigt wurde, herangezogen werden, da nach dem Wortlaut des § 205 Abs. 6 BAO lediglich ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO und nicht eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO erforderlich ist. Die im gegenständlichen Fall durch § 37 Abs. 9 EStG gesetzlich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnete rückwirkende Aufteilung der selbständigen Einkünfte 2003 auf die Jahre 2001 und 2002 hindert daher eine Herabsetzung der Anspruchszinsen 2001 nicht.

Anspruchszinsen sind gemäß § 205 Abs. 6 BAO "insoweit herabzusetzen", als der "Differenzbetrag Folge eines rückwirkenden Ereignisses" ist.

Im gegenständlichen Fall stellt der Differenzbetrag an Einkommensteuer 2001, welcher die Basis für die Festsetzung der verfahrensgegenständlichen Anspruchszinsen bildet, zweifelsfrei die Folge der rückwirkenden Aufteilung der Einkünfte des Jahres 2003 dar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

-Wien, am 15. Juni 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 205 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

rückwirkendes Ereignis, § 295a BAO, Aufteilung, künstlerische Einkünfte, § 37 Abs. 9 EStG.

Stichworte