UFS RV/1463-W/03

UFSRV/1463-W/0314.4.2005

Vorliegen eines Mantelkauftatbestandes

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der EL., vertreten durch Mag. J. Wieser Steuerberatungs - GmbH, 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 4 A, vom 17. Dezember 2002 gegen die Bescheide des Finanzamtes Melk, vom 21. Oktober 2002 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO hinsichtlich Körperschaftsteuer sowie Körperschaftsteuer jeweils für die Jahre 1998, 1999 und 2000 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden nachstehende strittige Feststellungen getroffen.

(Tz. 16) Die E. betrieb im Zeitraum 1987 bis 30. 6. 1997 ein Elektrofachgeschäft in P.. An dieser Gesellschaft waren bis 1. 7. 1997 folgende Personen mit nachfolgenden Einlagen (ausgewiesen in ATS) beteiligt:

J.H.jun..

200.000,00

J.H.sen..

100.000,00

E.Sch.

100.000,00

A.H.

100.000,00

Mit Notariatsakt vom 27. 6. 1997 wurden die Geschäftsanteile dieser Gesellschaft im Schenkungswege an H.B. (zu 80%) und an Ilse B. (zu 20%) mit Wirk samkeit vom 1. 7. 1997 abgetreten, wobei Geschenkgeber und Geschenknehmer zueinander fremde Personen sind. Der bisherige Geschäftsführer J.H.jun. wurde per 30. 6. 1997 abberufen und H.B. zum Geschäftsführer bestellt. Mit Stichtag 1. 7. 1997 wird die E. in El. (= Bw.) unbenannt und der Firmensitz von P. nach L. verlegt. Die wesentlichen Aktiva und Passiva per 30. 6. 1997 der E. wurden mit Wirksamkeit vom 1. 7. 1997 an das neu gegründete Einzelunternehmen J.H.jun.. (Elektrofachgeschäft) in P. (am ehemaligen Betriebsstandort der Bw.) laut Kaufvertrag vom 3. 9. 1997 um S 4,441.543,03 veräußert. Das bisherige Einzelunternehmen des H.B. in L., ein Großhandel mit Wolle, wird mit Stichtag 1. 7. 1997 an die Bw. in (nun) L. laut Vertrag vom 3. 9. 1997 um einen Kaufpreis von S 4,296.308,85 veräußert.

Mit Notariatsakt vom 27. 6. 1997 werden offene Forderungen gegen die E., resultierend aus einem schenkungsweisen Abtretungsvertrag vom 30. 3. 1992 des Gesellschafters J.H.sen.. an J.H.jun.., E.Sch. und M.F. in Höhe von insgesamt S 1,400.000 an H.B. um S 610.000 abgetreten. Dieser Betrag ist in vier Teilbeträgen (bis 15. 8. 1998) zahlbar und zwar an die Abtretenden J.H.jun.. mit S 160.000 zuzüglich S 50.000 innerhalb von zwei Wochen nach Unterfertigen des Vertrages, an E.Sch. mit S 160.000 und an M.F. mit S 160.000.

Zugunsten von Herrn B. wurden für diese zu leistenden Zahlungen seitens der Zahlungsempfänger mit Bankgarantien hinsichtlich Rückforderungsansprüchen, die bis 30. 6. 2002 wirksam waren, vorgesorgt. Als Grund für die Bankgarantien bzw. für Rückforderungsansprüche wurden Nichtnachkommen der durch die Garantie sichergestellten Verpflichtungen, eine Vereinbarung über Erbteilszahlungen zwischen J.H.jun. und H.B., und Absicherung einer privaten Forderung genannt. Die Bp. stellte allerdings fest, dass es dadurch H.B. ermöglicht wurde, das geleistete Entgelt zurückzuverlangen, wenn die Steuerersparnis infolge des Überganges der Verlustvorträge nicht gesichert sei.

Aus diesen Sachverhaltsgrundlagen wurde im Zuge der Bp. abgeleitet, dass die Verluste der E. aus Vorjahren in Höhe von S 3,287.665 aufgrund eines Mantel-kaufes gemäß § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 nicht als Sonderausgabe gemäß § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 abziehbar seien.

Ein Mantelkauf läge vor, da die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur in Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschaftsstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr gegeben sei.

(Tz. 17) In dieser Tz. wurde dargelegt, dass erst im Zuge der Bp. der Tatbestand des Mantelkaufes festgestellt werden konnte, sodass eine neu hervorgekommene Tatsache vorlag, die in ermessenskonformer Vorgangsweise eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigte.

Von der Bw. wird gegen die nach verfügter Wiederaufnahme des Verfahrens erlassenen Bescheide Nachfolgendes vorgebracht:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei nur dann zulässig, wenn gegenüber dem Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres neue Tatsachen und Beweismittel hervorkommen. Diesfalls seien bei der Veranlagung für das Jahr 1998 sämtliche Unterlagen vorgelegen. Eine andere rechtliche Betrachtung im Zuge der Bp. rechtfertige daher keine Wiederaufnahme. Es wurde in chronologischem Ablauf dargestellt, dass dem Finanzamt bereits bei der Veranlagung 1998 sämtliche Tatsachen und Beweismittel bekannt gewesen seien, sodass eine Wiederaufnahme nicht berechtigt gewesen sei. Auf die erfolgte Detaillierung getätigter Eingaben an das Finanzamt im Berufungsschreiben wird verwiesen.

Nach einer Sachverhaltsdarstellung, in der vor allem betont wird, dass die E. in dem Rechtsgeschäft betreffend Forderungsabtretung nur insoweit involviert worden sei, als sie davon verständigt wurde, wobei die seinerzeitigen vertraglichen Vereinbarungen des Notariatsaktes aus 1992 in Kraft seien, wie etwa Rückzahlungsmodalität und Verzinsung, wurden wirtschaftliche Hintergründe dargelegt.

ad Anteilsschenkung: Die E. habe die Auflagen des URG nicht mehr ausreichend erfüllen können (Eigenkapitalsquote, Schuldentilgungsdauer). Es sei seitens der Geschäftsführung eine Umfirmierung angestrebt worden, um ehestens die Kosten an Mindestkörperschaftsteuer, Krankenkasse für Geschäftsführer und Miete wegzubringen. Auch sollten die Kosten der Gesellschaftsauflösung erspart werden. Eine Bewertung sowie andere wirtschaftliche Betrachtungen hätten gezeigt, dass kein positiv veräußerbarer Wert der Gesellschaftsanteile gegeben sei. Um das Ziel, die dargelegten Effekte rasch zu erzielen, haben sich die Gesellschafter zur schenkungsweisen Abtretung an die Familie B. entschlossen, die auf der Suche nach einer bereits registrierten Gesellschaft war um das Einzelunternehmen von Herrn B. fortzuführen.

ad Forderungsabtretung: Die Forderungsinhaber hätten, da großteils nicht ident mit den Anteilsinhabern der E. für sich alleine und ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Veränderungen die Entscheidung getroffen, ihre Forderungen gegenüber der E. unter dem Nennwert an Herrn B. zu verkaufen. Der frühere Rückzahlungstermin (Beginn 15. 8. 1997 im Vergleich zum 31. 12. 2003) und die damals realistische Aussicht, vom nunmehrigen Forderungsbesitzer ihre reduzierten Ansprüche zu erhalten, seien die alleinigen Beweggründe gewesen und entsprächen auch den Erfahrungen des täglichen Lebens.

Zur Kernaussage in Tz. 16 Bp - Bericht, es seien die Voraussetzungen zur Versagung des Verlustabzuges vorgelegen, wird entgegnet:

Es werde ignoriert, dass die Gesellschaftsanteile geschenkt worden seien, wonach daher der Verlustabzug zustünde. Zu der als konstruiert festgestellten Behauptung der Bp., die Forderungsabtretung von pauschal S 610.000 stelle gleichsam der Kaufpreis (wirtschaftlicher Ausgleichsposten) für die Übertragung der Gesellschaftsanteile dar, wurde entgegengehalten, dass keine Personenidentität zwischen den Forderungsabtretern und den Gesellschaftern der E. vorgelegen sei. Es könne ein Duchgriffsrecht seitens der Bp. nicht derart ausgelegt werden. Es widerspräche keinesfalls den Erfahrungen des täglichen Lebens, wenn Geschäftsverbindungen über Dritte hergestellt werden, auch wenn keine verwandtschaftlichen Verhältnisse oder persönliche Bekanntschaften bestehen.

Die Notariatsakte dokumentierten den Willen der Parteien und brächten klar zum Ausdruck, einerseits keinen "Schilling" für wertlose GmbH - Anteile zahlen zu wollen, andererseits beim Verkauf von Forderungen unter den Nennwert zu gehen, da deren hundertprozentige Einbringlichkeit unsicher erscheine.

Eine wesentliche Komponente einer entgeltlichen Leistung sei wohl die Bezahlung eines Entgeltes. De iure sei Herr B. zwar verpflichtet, habe aber de facto bis dato an die Forderungsabtreter nichts bezahlt und somit ergäbe sich zwangsläufig auch kein "wirtschaftlicher Ausgleichsposten". Aufgrund der Vertragsgestaltung und Rechtslage sei nach Meinung des Herrn B. auch künftig keine Zahlung an die Forderungsabtreter zu leisten.

Von der Bp. erfolgte zu den Berufungsausführungen nachfolgende Stellungnahme:

Zur Anteilsschenkung: Die Rechtsform der E. sollte geändert werden und die Familie B. suchte eine registrierte Gesellschaft um das bisherige Einzelunternehmen in der Rechtsform einer GmbH betreiben zu können. Es wurden sohin vom steuerlichen Vertreter die entsprechenden Kontakte geknüpft. Wesentlich war die Schenkung der GmbH - Anteile. Dass dies zwischen den Gesellschaftern der E. und der Familie B. erfolgt, die sich nicht einmal kannten, widerspricht praktischer Lebenserfahrung.

Zur Forderungsabtretung: E.Sch. und J.H.jun. waren Inhaber von 60% der GmbH - Anteile und verfügten über 57% des Nennwertes der gegenständlichen Forderung. Bis Ende 1997 wurden Teilbeträge von insgesamt S 345.250 vom Kaufpreis dieser Forderung durch Herrn B. bezahlt. Im Jahr 1998 erhielt dieser von den Verkäufern Bankgarantien (s. o.) über den gesamten Kaufpreis, die bis Juni 2002 gültig waren und laut Herrn B. den Übergang des Verlustabzuges absicherten. Als das Finanzamt die Berechtigung der Verlustabzüge in Frage stellte, wurden im Jahre 2002 auch tatsächlich die Bankgarantien fällig gestellt und die bereits entrichteten Teilbeträge an Kaufpreisraten rückerstattet. Die Forderungsabtretungen stünden daher im Zusammenhang mit der Schenkung der GmbH - Anteile.

Ergänzt wurde der Sachverhalt hinsichtlich Entgeltlichkeit des Erwerbsvorganges bzw. Zusammenhanges zwischen Forderungsabtretung und Übergang der GmbH - Anteile, dass vom (damaligen) steuerlichen Berater eine "steuerliche Mehr - Wenigerrechnung" ermittelt wurde, die einen "Steuerersparnisgewinn" von S 1,183.086, der auf die Beteiligten nebst dem Berater als "Know How" zu verteilen sei.

Über den zu würdigenden strittigen Punkt, ob ein Mantelkauf vorliegt, hätte erst nach Abgabe der Steuererklärung 1998 betreffend das Wirtschaftsjahr 1997/98 am 30. 11. 1999 bei der erstmaligen Geltendmachung des Verlustabzuges abgesprochen werden können, keinesfalls daher früher.

Erst im Zuge der gegenständlichen Bp. sei bekannt geworden,

dass es kein Verwandtschaftsverhältnis oder persönliches Naheverhältnis zwischen den Vertragspartnern gab,

dass der Vertrag über die Abtretung der Forderung erstmals im Zuge der Bp. dem Finanzamt bekannt geworden ist,

dass die Bezahlung des Kaufpreises für die Forderungsabtretung von der Möglichkeit der Verlustverwertung abhängig war und

dass neben der Gesellschaftsstruktur sich auch die organisatorischen und wirtschaftlichen Strukturen vollkommen geändert haben.

Hingewiesen wurde auch auf die Rechtsprechung des VwGH, z. B. Zl. 99/13/0253 vom 22. 3. 2000, worin festgestellt wurde, dass sich das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres beziehe.

Eine Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme wurde seitens der Bw. nicht erstattet.

 

Über die Berufung wurde erwogen:

Es ist festzustellen, ob der Rechtsstandpunkt des Finanzamtes, ein Mantelkauf sei vorgelegen, der gemäß § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 die Berücksichtigung von Verlustvorträgen ausschließt, zutreffend ist oder ob der Standpunkt der Bw., mangels kumulativen Zutreffens sämtlicher Ausschlussbestimmungen, nämlich durch Fehlen einer entgeltlichen Grundlage, stünde der Verlustabzug zu, berechtigt ist. Vorweg ist allerdings zu prüfen, ob ein relevanter Wiederaufnahmsgrund vom Finanzamt festgestellt wurde oder nicht.

1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO

Von der Bw. wird behauptet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei mangels einer im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens neu hervorgekommenen Tatsache nicht gerechtfertigt, da bereits im Zuge der Veranlagung für das Jahr 1998 sämtliche steuerlich relevanten Fakten offengelegt worden seien. Folgerichtig wären die für die Jahre 1999 und 2000 verfügten Verfahrenswiederaufnahmen ebenfalls ungerechtfertigt, da die wegen Mantelkaufes aberkannten Verlustabzüge zustünden. Die Wiederaufnahmen für die Jahre 1999 und 2000 sind daher letztlich nur eine Folgewirkung einer Wiederaufnahme für das Jahr 1998, somit von der Entscheidung für dieses Jahr abhängig.

Aus einer Überprüfung des vorliegenden Sachverhaltes geht nun hervor, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 1998 (3. 12. 1999) noch nicht sämtliche Vorgänge, die rund um die Übernahme der Ges mbH - Anteile durch das Ehepaar B. von Bedeutung sein könnten, offengelegt waren. Denn unbestrittenermaßen war der parallel zur unentgeltlichen Abtretung der GmbH - Anteile durchgeführte Forderungsverkauf nicht bekannt. Denn der entsprechende Notariatsakt über die Forderungsabbtretung gegen Entgelt in Höhe von S 610.000 an Herrn B. wurde beim Finanzamt im Gegensatz zu den anderen Notariatsakten nicht eingereicht. Weshalb trotz klarem zeitlichen Konnex zu den anderen Notariatsakten sowie anderweitigen Verbindungen (wie Bankgarantien sowie ermitteltem "Steuerersparnisgewinn") laut Berufungsfeststellung kein Zusammenhang zur rechtlichen Beurteilung der erfolgten Übernahme der Ges mbH - Anteile durch das Ehepaar B. vorliegen solle, ist unerfindlich. Im Rahmen der eingereichten Steuererklärungen für 1998 (Anhang zur Bilanz) wurde jedenfalls nur auf den wechselseitigen Betriebsan - und - verkauf Bezug genommen, nicht jedoch auf weitere im Rahmen der Prüfungsfeststellungen aufgezeigten Sachverhaltselemente, sodass im Zuge der Veranlagung für das Jahr 1998 über das allfällige Vorliegen eines Mantelkaufes aufgrund der dort vorliegenden Unterlagen (auch mit den sonstigen eingereichten Notariatsakten) ohne ergänzende Erhebungen keine Feststellungen hätten getroffen werden können. Im Zuge der Betriebsprüfung sind daher neue Tatsachen zutage gekommen, die, wie unter Punkt 2. festgestellt wird, auch eine Änderung des Spruches der angefochtenen Sachbescheide bewirkten. Es wird überdies dezidiert festgestellt, dass vom Blickwinkel der Betriebsprüfung aus (somit aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens), die erst sämtliche Zusammenhänge erkennen konnte, das Neuhervorkommen von Tatsachen zu beurteilen ist, was der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (etwa. Erk. vom 27. 8. 2002, 99/14/0028, vom 29. 5. 2001; vgl. Ritz, BAO2, Tz. 14 zu § 303 mwN.).

2. Über das Vorliegen eines Mantelkaufes

Die Gesetzesbestimmung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 über den Ausschluss des Verlustabzuges besagt, dass dieser ab dem Zeitpunkt nicht mehr zusteht, "ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben war (Mantelkauf)". Siehat diesfalls Anwendung zu finden.

Es erfolgte eine wesentliche Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur, was außer Streit steht. Diese Änderungen wurden jedoch auch mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage verbunden.

Nach wirtschaftlicher Betrachtungswiese gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform eines Sachverhaltes maßgebend, was für den hier zu würdigenden Bereich des Einkommen - bzw. Körperschaftsteuerrechtes gilt; dies im Gegensatz zur formalrechtlichen Betrachtungsweise im Bereich der Gebühren und Verkehrsteuern, wie der dokumentierten Anteilsschenkung.

Folglich ist die im Vordergrund stehende unentgeltliche Abtretung der Gesellschaftsanteile der Bw. an das Ehepaar B. nicht für sich isoliert zu würdigen, sondern auch die mit ihr verbundene Abtretung ansonst wertloser Forderungen (wie aus dem vorliegenden Sachverhalt hervorgeht, war die E. ja faktisch konkursreif) gegen Entgelt. Unbestrittenermaßen wurde überdies ein "Steuerersparnisgewinn", worauf im Zuge der Stellungnahme der Bp. verwiesen wurde, ermittelt. Es ist daher klar zu erkennen, dass die erfolgte Strukturveränderung in einem planmäßigen Zusammenhang steht, wobei sämtliche ausgewiesenen Vereinbarungen in einem engen zeitlichen Rahmen von wenigen Monaten zueinander stehen (vgl. etwa Wolf in SWK 7/2003, der in "Steuerliche Strategien gegen den Mantelkauftatbestand" in einem zeitlichen Rahmen von einem Jahr als "schädlich" erachtet). Eine entgeltliche Grundlage für die Änderung der Gesellschaftsstruktur lag daher zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung vor. Es war die "Vermarktung" des Verlustabzuges durch Ansatz eines wirtschaftlichen Ausgleichspostens zur nach außen hin unentgeltlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile geplant. Ob nun sämtliche Forderungsinhaber Gesellschafter sind, ist deshalb irrelevant, da die Nichtgesellschafterin M.F. als Tochter des Gesellschafters J.H.sen. eine Verwandte der Gesellschafter ist, der 1992 ihre Forderung an die E. unentgeltlich übertragen wurde und folglich im gemeinsamen "familiären" Interesse eine Rettung zumindest eines Teiles der ansonst wertlosen Forderungen bewerkstelligt werden konnte. Ohne Bedeutung ist es, dass infolge der Betriebsprüfungsfeststellungen der vorgeplante "Steuergewinn" (zumindestens vorbehaltlich der Rechtskraft dieser Berufungsentscheidung) durch die Rückzahlung der durch Herrn B. bereits geleisteten Zahlungen im Jahre 2002 aufgrund des Schlagendwerdens der Bankgarantien wieder verloren ging und daher in rückwirkender Betrachtung es zu einer tatsächlich unentgeltlichen Übertragung des wertlosen GmbH - Mantels kam, da rückwirkende Maßnahmen, ausgenommen aufgrund spezieller gesetzlicher Bestimmungen, keine Bedeutung für den bereits entstandenen Abgabenanspruch (hier an zu veranlagender Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 BAO aufgrund zu Unrecht in Anspruch genommenen Verlustabzuges) haben können (vgl. Ritz, BAO2, Tz. 11ff. zu § 4).

Die unentgeltliche Abtretung der Gesellschaftsanteile der Beteiligten an der E. stellt sich somit als eine vorgeschobene Formalmßnahme zur Umgehung der anzuwendenen Gesetzesbestimmung dar. Für die zwischen einander fremden Personengruppen und überdies Kaufleuten vollkommen ungewöhliche Vorgangsweise einer unentgeltlichen Abtretung der Gesellschaftsanteile lag ein wirtschaftlicher Ausgleichsposten in Form der entgeltlich erfolgten Forderungsabtretung vor.

Die Berufung war daher vollinhaltlich abzuweisen.

Wien, am 14. April 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988

Schlagworte:

Wiederaufnahmeberechtigung, Neuhervorkommen von Tatsachen, Mantelkauf, wirtschaftlicher Ausgleichsposten, unentgeltliche Übertragung, GmbH-Anteile, Rückwirkung

Stichworte