UFS RV/0719-L/04

UFSRV/0719-L/0422.3.2005

Für die Beurteilung ob ein Studium gleichwertig ist, sind die "Kernfächer" maßgeblich

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 11. Juni 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom 18. Mai 2004 und 11. Mai 2004 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 1999 bis 2002 und 2003 entschieden:

Die Berufung betreffend die Jahre 1999 bis 2002 wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide dieser Jahre bleiben unverändert.

Der Berufung betreffend das Jahr 2003 wird im Sinne der Berufungsvorentscheidung vom 9. Juli 2004 teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe betragen, wie in der Berufungsvorentscheidung vom 9. Juli 2004:

Gesamtbetrag der Einkünfte

28.610,61 €

Einkommen

25.341,70 €

Einkommensteuer

6.128,13 €

Anrechenbare Lohnsteuer

- 5.870,17 €

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) beantragte in den hier berufungsgegenständlichen Jahren 1999 bis 2003 jeweils die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit einer auswärtigen Ausbildung seiner Kinder.

Mit Bescheiden vom 18. Mai 2004 (1999 bis 2002) bzw. vom 11. Mai 2004 (2003) erkannte das zuständige Finanzamt den Pauschbetrag für die auswärtige Ausbildung des Sohnes Florian nicht an. Begründend wurde ausgeführt, dass Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes nicht als außergewöhnliche Belastung gelten, wenn auch im Einzugsgebiet des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bestehe. Da hier eine solche Möglichkeit bestehe, seien die gelten gemachten Aufwendungen nicht zu berücksichtigen gewesen.

Mit Eingabe vom 7. Juni 2004 (eingelangt am 14. Juni 2004) wurde Berufung gegen oben genannte Bescheide eingebracht. Die Berufung erfolge deswegen, da das Studium des Sohnes Florian in Wien nicht als auswärtiges Studium anerkannt worden sei. Der Sohn hätte das Studium deshalb in Wien begonnen, weil einerseits das Wirtschaftsinformatikstudium der TU Wien mehr den Ausbildungsvorstellungen des Sohnes entsprochen hätte und auch ein breiteres Spektrum an Fächern angeboten werde. Das Studium sei daher nach eingehender Recherche und Beratung in Wien aufgenommen worden. Somit sei der Tatbestand des auswärtigen Studiums gegeben und der Freibetrag zu gewähren. Im Jahr 2003 sei weiters der Alleinverdienerabsetzbetrag zu berücksichtigen, da die Gattin nur ein steuerpflichtiges Einkommen von 3.035,48 € bezogen hätte.

In einem weiteren Schreiben vom 9. Juni 2004 nahm der Sohn des Bw. zum gegenständlichen Sachverhalt wie folgt Stellung: Das Studium der Wirtschaftsinformatik sei trotz gleichen Namens in Linz und in Wien (zumindest an der Technischen Universität) unterschiedlich. Aufgrund von Beratungen und auch anhand der Studienpläne sei feststellbar, dass der Ausbildungsschwerpunkt an der TU Wien im Bereich Mathematik und Informatik, aber auch in der Volkswirtschaftslehre liege. Da der Anspruch betreffend der Ausbildung gerade in diesen Bereichen liege, hätte sich das Studium in Wien mit der Stammuniversität TU relativ rasch als die beste Option herauskristallisiert. Ein kurzer Überblick über die in den Studienplänen angeführten Stunden der oben genannten Fächer:

Mathematik und Statistik

Linz: 9 Stunden

Wien: 15 Stunden

GZ der Informatik

Linz: 16 Stunden

Wien: 14 (15) Stunden

GZ der VWL

Linz: 6 Stunden

Wien: 10 Stunden

Der Studienplan für die Universität Linz lasse sich unter: http://www.winie.uni-linz.ac.at/download/stuko/studienplanK175.pdf abrufen. Den Studienplan für die TU Wien findet man unter: http://tuwis.tuwien.ac.at  > Stundenpläne > 175 Wirtschaftsinformatik bzw. http://winf.at/studienplan.php  > Studienplan 1995. Ein weiterer Grund sei die größere Auswahl an Möglichkeiten gewesen, die sich in Wien eröffnet hätten. Gerade im zweiten Abschnitt sei die Auswahl der Wahlfächer bzw. die Spezialisierung bei den Hauptfächern wichtig. Durch das interuniversitäre Studium an der Universität Wien und der Technischen Universität Wien sei es möglich, ein größeres Angebot an Studieninhalten wahrzunehmen und dadurch die persönlichen Interessen und Schwerpunkte bestmöglich zu befriedigen.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom 9. Juli 2004 wurde die Berufung hinsichtlich der Berücksichtigung der Kosten für die auswärtige Ausbildung des Sohnes Florian als unbegründet abgewiesen. Für das Studium des Sohnes Florian (Wirtschaftsinformatik) in Wien würde keine Zwangsläufigkeit bestehen. Bei der "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" sei nicht nur auf den Lehrinhalt einer Ausbildung abzustellen, sondern auch darauf, dass diese Lehrinhalte im Rahmen von Ausbildungen vermittelt werden, die zu einem gleichartigen Ausbildungsabschluss führen würden. Könne derselbe Ausbildungsabschluss innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes erreicht werden, so stehe unzweifelhaft der Pauschbetrag für eine auswärtige Berufsausbildung nicht zu.

Mit Datum 24. Juli 2004 (eingelangt beim zuständigen Finanzamt am 27. Juli 2004) wurde ein Vorlageantrag betreffend die negativen Berufungsvorentscheidungen der Jahre 1999 bis 2003 eingereicht. Das Studium der Wirtschaftsinformatik in Wien würde sich inhaltlich und qualitativ vom Studium der Wirtschaftsinformatik in Linz unterscheiden. Dies würde sich nicht nur auf die Ausbildung, sondern auch positiv auf die Berufsaussichten des Sohnes auswirken. Es würde sich daher keinesfalls um "denselben Ausbildungsabschluss" und auch um keinen "gleichartigen Ausbildungsabschluss" handeln. Weiters werde auf die Ausführungen der ersten Berufung verwiesen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht.

Entscheidungswesentlich ist hier die Frage, ob im Einzugesbereich des Wohnortes (W) eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht oder nicht. Der Sohn des Bw. studiert Wirtschaftsinformatik in Wien. Dieses Studium ist auch an der Universität in Linz möglich. Linz liegt jedenfalls innerhalb des Einzugsbereiches (Entfernung W - Linz-Urfahr lt. "tiscover routenplaner": 12,5 km); Wien liegt jedenfalls außerhalb des Einzugsbereiches vom Wohnort. Der Bw. (bzw. sein Sohn) begründet die Notwendigkeit des Studiums in Wien damit, dass das Wirtschaftsinformatikstudium in Wien mehr seinen Ausbildungsvorstellungen entspreche und dort ein breiteres Spektrum an Fächern angeboten werde. Im Besonderen wurde der Bereich Mathematik, Informatik und Volkswirtschaftlehre angeführt.

Anhand der in der Stellungnahme vom Sohn angegebenen Internetadressen wurden die Grundzüge der Lehrinhalte des Studiums in Wien und Linz gegenübergestellt. Es ergibt sich daraus folgendes Bild:

Prüfungsfächer der 1. Diplomprüfung

Wien

Linz

Mathematik und Statistik

X

X

GZ der VWL (neue Soz.- und Wirtschaftsgeschichte)

X

X

Grundzüge der BWL

X

X

Grundzüge der Informatik

X

X

Grundzüge der Wirtschaftsinformatik

X

X

System- und Modelltheorie

X

X

Privatrecht, öffentliches Recht

X

X

Privates Wirtschaftsrecht

X

 

Soziologie

X

X

Orientierungslehrveranstaltung

X

 
   

Prüfungsfächer der 2. Diplomprüfung

  

VWL oder BWL

X

X

Informationsmanagement

X

X

Software Engineering

X

X

Informatikprojekte

X

X

Data Engineering und Wissensverarbeitung

X

X

Anwendung der Wirtschaftsinformatik

X

X

Unterrichtsversuch IT im Tourismus

X

 

Kommunikationssysteme

X

X

Techniksoziologie und Technikpsychologie

X

X

   

Wahlfächer

  

Besondere Wirtschaftsinformatik

X

X

Besondere Informatik

X

X

Finanzwissenschaft

X

X

Besondere Betriebswirtschaftslehre

X

X

Finanzwirtschaft

X

 

Industrielle Betriebswirtschaftslehre

X

 

Besondere Volkswirtschaftslehre

 

X

Geo- und Umweltinformatik

 

X

Lt. herrschender Literatur (vgl. Doralt, EStG-Kommentar II, § 34 Tz.75 und 76) sind inländische Universitätsstudien dann gleichwertig, wenn sie gleiche Bildungschancen und gleiche Berufsaussichten eröffnen, wobei es nicht erforderlich ist, dass das Lehrveranstaltungsangebot völlig ident ist. Maßgebend ist vielmehr, ob die Studien gleichartig bzw. gleichwertig sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. August 2001, 97/14/0068, ausgesprochen, dass es nicht rechtswidrig ist, wenn auf den gleichartigen Ausbildungsabschluss und die Vergleichbarkeit der Studien ihrer Art nach abgesellt wird. Nicht den Kernbereich des Studiums betreffende Abweichungen zwischen den Studienplänen sei keine Bedeutung beizumessen.

Anhand der Gegenüberstellung der Studienpläne (Prüfungsfächer) wird die Vergleichbarkeit aufgrund der weitgehend gleichen "Kernfächer" angenommen. Das Studium der Wirtschaftsinformatik in Linz ist jenem in Wien als gleichwertig zu betrachten. Gerade auch die Bereiche Mathematik und Statistik besitzen an der Universität in Linz keinen untergeordneten Stellenwert. Bei den vom Bw. angeführten Unterschieden handelt es sich nicht um solche die den Kernbereich des Studiums betreffen. Angeführt wurden lediglich unterschiedliche Stundenausmaße. Auch wenn eine Spezialisierung für die spätere Berufslaufbahn von Vorteil sein würde, so führt dieser Umstand alleine jedoch noch nicht zu einer Zwangsläufigkeit der damit verbundenen Aufwendungen. Die angegebenen Bereiche werden auch in Linz angeboten. Dass dies in einem unterschiedlichen Stundenausmaß geschieht, ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt bedeutungslos (vgl. auch VwGH 4.3.1986, 85/14/0164; VwGH 19.5.1993, 89/13/0155). Abweichungen zwischen einzelnen Studienordnungen verschiedener Universitäten führen nicht zum Fehlen einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit". Auch die "besondere Reputation" einer Universität ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" von Studien (vgl. VwGH 26.5.2004, 2000/14/0207).

Gem. oben genannter Bestimmungen und der eindeutigen Rechtsprechung ist das Studium der Wirtschaftsinformatik im Einzugsbereich des Wohnortes möglich. Das Studium der Wirtschaftsinformatik kann sowohl in Linz als auch in Wien absolviert werden. Dass hinsichtlich einzelner Teilbereiche unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, ist kein entscheidendes Differenzierungsmerkmal.

Das Studium der Wirtschaftsinformatik wird sowohl in Linz als auch in Wien mit dem Titel "Magistra bzw. Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften" abgeschlossen. Auch wenn der Bw. bzw. sein Sohn angibt, dass sich das Studium in Wien betreffend den Ansprüchen als beste Option herauskristallisiert hat, so ändert dies nichts an den, zumindest in den Grundzügen, gleichartigen Ausbildungsmöglichkeiten in Wien und in Linz.

Der Unabhängige Finanzsenat ist der Auffassung, dass trotz der Unterschiede in den Vertiefungsstudien, bei nicht völlig identem Lehrveranstaltungsangebot, doch die gleichen Bildungschancen und Bildungsaussichten eröffnet werden.

Hinsichtlich des Berufungspunktes im Zusammenhang mit der Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages wird der bereits ergangenen Berufungsvorentscheidung gefolgt.

In Anlehnung an diese eindeutigen Aussagen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am 22. März 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

auswärtige Berufsausbildung, Studium, außergewöhnliche Belastung, Zwangsläufigkeit

Verweise:

VwGH 07.08.2001, 97/14/0068
VwGH 26.05.2004, 2000/14/0207

Stichworte