UFS RV/0093-K/04

UFSRV/0093-K/0418.3.2005

Begriff des Hauptwohnsitzes im Sinne des § 24 Abs. 6 EStG 1988

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/14/0038 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 14.12.2006 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Anmerkungen:
Dem Erk VwGH 19.2.1991, 91/14/0031, liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, weswegen es nach Ansicht des UFS auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist.

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Erwin Luggauer und die weiteren Mitglieder Mag. Gerhard Verderber, Dr. Wilhelm Miklin und Joachim Rinösl im Beisein der Schriftführerin Monika Fritz über die Berufung des MR Dr. A, Praktischer Arzt iR., 9 Re, T5, vertreten durch Klagenfurter Wirtschaftstreuhand GmbH, Steuerberatung, 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 23, vom 1. April 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach, dieses vertreten durch HR Mag. Thomas Bürger, vom 9. März 2004 betreffend Einkommensteuer 2001 nach der am 2. März 2005 in 9020 Klagenfurt, Dr. Herrmanngasse 3, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe bzw. dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Bw., welcher bis zum 31. März 2001 als praktischer Arzt in Re tätig war, wies in seiner Einkommensteuererklärung für 2001 bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit einen Verlust in Höhe von S 461.162,-- aus. Dieser Betrag setzt sich zusammen einerseits aus einem Übergangsverlust in Höhe von S 354.977.--, andererseits aus einem Verlust aus laufender Geschäftstätigkeit in Höhe von S 117.114,-- sowie einem Betriebsaufgabegewinn von S 10.929,--. Aktenkundig ist, dass der Bw. im Streitjahr seitens der AK sowie der VA lohnsteuerpflichtige Einkünfte in Höhe von S 889.072,-- bezogen hat.

Das Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß.

Im Gefolge einer abgeführten Betriebsprüfung stelle der Prüfer ua. in Tz 23 seines Berichtes Nachstehendes fest:

"Laut Erklärung wurden bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinnes zum oa. Stichtag (Anm.: 31. März 2001) die stillen Reserven vom Ordinationsgebäude "T7" unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 24 (6) EStG nicht berücksichtigt.

Vom bevollmächtigten Steuerberater wird diese Rechtsansicht in einem im Zuge des Prüfungsverfahrens abverlangten Schreiben vom 8. Oktober 2003 wie folgt begründet:

Im Falle des Abgabepflichtigen befindet sich im Untergeschoss des teilweise betrieblich genutzten Gebäudes "T7 " ein großer Wohnraum mit Sauna und einem vorgelagerten Wintergarten, welcher - zusammen mit dem durch einen überdachten Gang direkt verbundenen Privatgebäude "T5 " - seit jeher als Hauptwohnsitz genutzt wurde und wird. Im Keller (richtig soll es wohl im Untergeschoss heißen, weil das Gebäude nicht unterkellert ist) des teilweise betrieblich genutzten Gebäudes befindet sich außerdem noch die gesamte Ölheizung für beide Gebäude, sodass die zwingende private Nutzung auch dadurch dokumentiert ist.

Es steht daher nach Ansicht des Steuerberaters eindeutig fest, dass die Gebäudebegünstigung des § 24 (6) EStG genau dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht, die Erfassung der stillen Reserven des zum Betriebsvermögen gehörenden Teiles des dem Betriebsinhaber bis zur Betriebsaufgabe als Hauptwohnsitz dienenden Gebäudes zu vermeiden.

Die Bp kann sich dieser Rechtsansicht des Steuerberaters nicht anschließen und begründet dies wie folgt:

- das Ordinationsgebäude "T7 " wurde unter dem Aktenzeichen 1 als Geschäftsgrundstück (Betriebsgrundstück) bewertet.

- das Wohngebäude "T5 " wurde unter dem Aktenzeichen 2 als Einfamilienhaus bewertet.

- laut herrschender Rechtsprechung wird der Begriff Gebäude im Sinne des § 24 (6) EStG nicht durch Gesichtspunkte wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit bestimmt, sondern nur durch bautechnische Kriterien

- im konkreten Fall liegen eindeutig zwei Gebäude vor; dies wird ua. auch durch die getrennte Bewertung und unterschiedliche Einstufung der Gebäude hinsichtlich der Grundstückshauptgruppen für bebaute Grundstücke gemäß § 54 BewG dokumentiert

- die Steuerfreiheit der stillen Reserven für ein Gebäude kann bei Aufgabe dieses Betriebes daher nicht für ein Betriebsgebäude beansprucht werden, das bautechnisch (wenn auch nur wenige Meter) vom Wohngebäude getrennt ist - siehe VwGH v. 19.2.1991, 91/14/0031!

- dass sich im Untergeschoss des Gebäudes "T7 " ein kleiner Raum für eine Sauna, ein (nicht großer) Ruheraum mit Sitzmöbel, sowie diesem Raum vorgelagert, ein Raum für große Blumengefäße befindet, wird von der Bp aufgrund der vorgenommenen Besichtigung nicht bestritten; bei diesem vorgelagerten Raum von einem Wintergarten im herkömmlichen Sinn zu sprechen, ist nach Ansicht der Bp jedoch nicht zutreffend; auch dass sich im Untergeschoss des Gebäudes "T7 " die Heizungsanlage befindet, die auch das Wohnhaus "T5 " versorgt, ist zutreffend.

- es steht aber auch außer Zweifel, dass der Abgabepflichtige mit seiner Familie seine eigentlichen Wohnbedürfnisse im Gebäude "T5 " befriedigt hat und dies noch immer tut; sämtliche klassischen Wohnräume wie Küche, Speisezimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und WC befinden sich in diesem Gebäude

- ein kleiner Raum für eine Sauna samt Ruheraum, welche noch dazu in einem anderen Gebäude integriert sind, stellen keine klassischen Wohnräume dar; auch die Unterbringung der gemeinsamen Ölheizung (Kessel- und Tankraum) im Untergeschoss des Gebäudes "T7 " ist nach Ansicht der Bp nicht geeignet, daraus einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Wohngebäude "T5 " abzuleiten.

Zusammenfassend vertritt die Bp die Ansicht, dass die Begünstigung des § 24 (6) EStG hinsichtlich des Ordinationsgebäudes "T7 " nicht zusteht, weil dieses Gebäude aufgrund seiner baulichen Beschaffenheit und seiner tatsächlichen Nutzung nicht zur Befriedigung der eigentlichen Wohnbedürfnisse geeignet war und somit auch nicht die erforderlichen Kriterien für einen Wohnsitz erfüllt hat."

Auf Grund dieser Feststellung ermittelte der Prüfer den Betriebsaufgabegewinn mit S 653.017,-- und stellte diesen in Tz 24 seines Bp- Berichtes wie folgt dar (Beträge in öS):

Einnahmen laut Erklärung (gemeint: Beilage zur ESt-Erkl. betreffend Ermittlung des Betriebsaufgabegewinnes 2001)

138.153,--

gemeiner Wert Ordinationsgebäude "T7 "

650.000,--

Teilwerte geringwertige Wirtschaftgüter (Kopiergerät, Handy)

5.000,--

 

793.153,--

Ausgaben laut Erklärung (gemeint: w.o.)

- 27.224,--

Buchwertabschreibung Ordinationsgebäude "T7 "

- 3.312,--

Kosten Schätzungsgutachten

- 9.600,--

 

753.017,--

abzgl. Freibetrag gemäß § 24 (4) EStG

- 100.000,--

steuerpflichtiger Betriebsaufgabegewinn lt Bp.

653.017,--

Das Finanzamt schloss sich der Rechtsansicht des Prüfers an und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren einen entsprechenden Sachbescheid.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass im gegenständlichen Fall - entgegen der Annahme der Finanzbehörde - die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs. 6 EStG 1988 sehr wohl vorliegen würden, zumal im ehemaligen Betriebsgebäude T7 (im Folgenden T 7 genannt) erhebliche Flächen privat genutzt würden. Dieser Umstand sei auch durch den Ansatz entsprechender Privatanteile dokumentiert worden. Darüber hinaus seien die beiden Gebäude mittels eines überdachten Weges verbunden. Im Untergeschoss des Gebäudes T 7 befände sich ein großer Wohnraum mit Sauna und vorgelagertem Wintergarten. Die besagten Räumlichkeiten würden ausschließlich privat genutzt. Im ehemaligen Betriebsgebäude sei zudem die Ölheizungsanlage untergebracht, welche beide Objekte, somit auch das Wohnhaus T5 (T 5), mit Wärme versorge. Das vom Finanzamt angezogene verwaltungsgerichtliche Erkenntnis Zl 91/14/0031 entfalte für den gegenständlichen Fall keine Relevanz, zumal Identität der Sachverhalte nicht vorliege. Im gegenständlichen Fall dienten nämlich beide Gebäude als Hauptwohnsitz. Darüber hinaus sei eine bauliche Trennung zwischen T 5 und T 7 nicht gegeben, zumal eine überdachte Verbindung zwischen den beiden Objekten existiere. Quantschnigg/Schuch stelle in seinem Einkommensteuerhandbuch, § 24, Tz 135, klar, dass bei Zutreffen aller sonstigen Voraussetzungen, die auf den Gebäudeteil des Betriebsvermögens entfallenden stillen Reserven außer Ansatz zu bleiben hätten. Unmaßgeblich sei dabei die Größe des zum Betriebsvermögen gehörenden Anteils des Gesamtgebäudes. Die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 gelange auch dann zur Anwendung, wenn die Wohnung des Steuerpflichtigen über ein untergeordnetes Maß nicht hinausgehe und das gesamte Gebäude daher zum Betriebsvermögen zähle. Es entspräche nicht dem Zweck der zitierten Bestimmung, wenn die stillen Reserven des betrieblichen Gebäudeteiles der als Hauptwohnsitz dienenden Liegenschaft versteuert werden müssten. Der Gesetzgeber habe die Hauptwohnsitzbefreiungsbestimmung eingeführt, um steuerliche Härten hintan zu halten, die dann entstehen würden, wenn der Unternehmer, der im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz unterhalte, anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven zu versteuern hätte, die er ohne gleichzeitige Aufgabe seines Hauptwohnsitzes nicht realisieren könne.

Im gegenständlichen Fall lägen sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 vor, da durch die bauliche Verbindung der beiden Gebäudeteile die gesamte Liegenschaft den Hauptwohnsitz bilde. In objektiv-teleologischer Interpretation des § 24 Abs. 6 leg. cit. sei es auch nicht zumutbar, die stillen Reserven des betrieblich genutzten Gebäudeteiles im Rahmen der Betriebsaufgabe zu versteuern, da daraus keinerlei Einkünfte erzielbar seien.

Für den Fall der Abweisung seines Berufungsbegehrens stellte der Bw. den Eventualantrag auf Besteuerung des Aufgabegewinnes mit dem halben Durchschnittssteuersatz nach § 37 Abs. 5 EStG 1988.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. Mai 2004 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und die Begünstigungsbestimmung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 zur Anwendung gebracht. Das Erstbegehren auf Anwendung des § 24 Abs. 6 leg.cit. blieb indessen unberücksichtigt. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass der Begriff des Gebäudes im Sinne des § 24 Abs. 6 EStG leg.cit. nicht unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit zu sehen sei, sondern seien hiefür ausschließlich bautechnische Kriterien maßgeblich. Durch den zwischen den beiden Gebäuden vorhandenen überdachten Weg ließe sich eine Gebäudeeinheit nicht begründen, zumal durch diese Konstruktion lediglich ein nicht zu den Gebäuden gehöriger Verbindungsweg witterungsresistent gemacht werden sollte. Keinerlei Relevanz zeitige auch der Umstand, dass das private Wohnhaus T 5 von der im ehemaligen betrieblich genutzten Gebäude T 7 situierten Heizungsanlage mit Wärme versorgt werde. Aufgrund der sachlichen Gegebenheiten handle es sich bei den beiden Gebäuden T 5 (dieses situiert am Grundstück Nr. AAA/1 BG Re ) und T 7 (Grundstück Nr. AAA/2 BG Re ) um zwei getrennte Bauwerke. Selbst wenn es zuträfe, dass der Bw. in beiden Gebäuden einen Wohnsitz unterhalte, so ließe auch dieser Umstand keine andere Betrachtung zu. In einem derartigen Fall sei auf die Wohnung abzustellen, zu der die engeren wirtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen bestehen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. sei eindeutig im Gebäude T 5 zu finden, da im ehemaligen Ordinationsgebäude lediglich ein Wohnraum mit Sauna, der Wintergarten sowie die Zentralheizung situiert seien.

Mit Eingabe vom 2. Juni 2004 beantragte der Bw. die Vorlage seiner Berufung an den unabhängigen Finanzsenat und wiederholte darin im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte dieser aus, dass im vorliegenden Fall die beiden Gebäude durch die gemeinsame Nutzung der Heizung notwendigerweise miteinander baulich integriert seien. Durch die Versorgung des gesamtes Objektes mit Wärme aus dem betrieblich genutzten Gebäudeteil sei die private Nutzung ausreichend dokumentiert worden. Es sei daher die gesamte Liegenschaft als Hauptwohnsitz zu qualifizieren. Die Argumentation des Finanzamtes, wonach eine Veräußerung des Ordinationsgebäudes keinen Einfluss auf den Wohnsitz hätte, zumal noch das Wohngebäude T 5 als Wohnung zur Verfügung stehe, lasse außer Acht, dass es in einem derartigen Fall zu einer unzumutbaren Verschlechterung der Wohnsituation kommen würde, da Wintergarten, Sauna und insbesondere Heizung nicht mehr zur Verfügung stünden.

Mit Datum 16. Juni 2004 legte das Finanzamt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde die Gemeinde Re als Baubehörde erster Instanz ersucht, die Bauakten der beiden Objekte zu übermitteln. Diese teilte unter gleichzeitiger Vorlage jener das Objekt T 7 betreffenden Aktenteile mit, dass das Wohnhaus T 5 bereits um das Jahr 1920 erbaut worden sei und daher diesbezüglich keine Unterlagen mehr existieren würden.

Im Zuge eines am 28. Februar 2005 durchgeführten Lokalaugenscheins wurden Fotos von den privat genutzten Flächen des Objektes T 7 angefertigt. Über Befragen gab der Bw. zu Protokoll, dass das Untergeschoss des ehemaligen Ordinationsgebäudes, insbesondere die Sauna und Dusche, auch von zu Besuch weilenden Familienangehörigen benützt werde.

In der am 2. März 2005 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung brachte der steuerliche Vertreter vor, das strittige Gebäude sei im Jahr der Betriebsaufgabe jedenfalls Teil des Hauptwohnsitzes seines Mandanten gewesen. Aus der Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 sei nicht ableitbar, dass sich der Hauptwohnsitz auf die notwendigen Räumlichkeiten beschränken müsse. Fakt sei jedenfalls, dass sein Mandant das Untergeschoss des ehemaligen Ordinationsgebäudes täglich aufsuche, um die dort installierte Dusche zu benützen. Im Wohnhaus T 5 gäbe es lediglich ein Bad ohne Dusche. Heutzutage sei es Standard über eine Duschmöglichkeit zu verfügen.

Über Vorhalt gab der Sohn des Bw., WA, welcher der Verhandlung als Auskunftsperson beiwohnte, an, dass eine eigenständige betriebliche Verwertbarkeit des strittigen Gebäudes, etwa in Form einer Arztpraxis, schon allein deshalb nicht möglich wäre, da in einem derartigen Fall der zum Wohnhaus T 5 gehörige Hof als Patientenparkplatz in Anspruch genommen werden müsste. Aufgrund der exponierten Lage des Gebäudes T 7 sei eine verkehrstechnische Aufschließung nicht möglich und der Zugang nur über die zum Wohnhaus T 5 gehörigen Flächen erreichbar.

Der Amtsvertreter führte indessen ua. aus, dass seitens des Bw. nie die Absicht bestanden hätte, das Gebäude T 7 nach der Betriebsaufgabe in irgendeiner Form zu verwerten. Der Einwand hinsichtlich des Parkplatzes sei nicht stichhaltig, zumal die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 alleine auf die Aufrechterhaltung des Wohnsitzes (im Sinne von Wohnräumlichkeiten) abziele.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 24 Abs. 6 EStG 1988 idF des BGBl 1996/201, ordnet an:

Wird der Betrieb aufgegeben, weil der Steuerpflichtige

- gestorben ist,

- erwerbsunfähig ist oder

- das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt, dann unterbleibt auf Antrag hinsichtlich der zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteile die Erfassung der stillen Reserven.

 

Dazu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

1. Das Gebäude muss bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sein,

2. das Gebäude darf weder

- ganz oder zum Teil veräußert werden,

- ganz oder zum Teil einem anderen zur Erzielung betrieblicher Einkünfte überlassen noch

- überwiegend selbst zur Einkunftserzielung verwendet werden und

3. auf das Gebäude dürfen keine stillen Reserven übertragen worden sein.

Wird das Gebäude innerhalb von fünf Jahren nach Aufgabe des Betriebes vom Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger veräußert, unter Lebenden unentgeltlich übertragen oder zur Einkunftserzielung im Sinne des zweiten Satzes verwendet oder überlassen, dann sind die nicht erfassten stillen Reserven in diesem Jahr unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 zu versteuern. Sind die stillen Reserven deswegen zu versteuern (nachzuversteuern), weil das Gebäude im Sinne des zweiten Satzes verwendet oder überlassen wird, so sind die zu versteuernden (nachzuversteuernden) stillen Reserven über Antrag beginnend mit dem Kalenderjahr, in dem der Aufgabegewinn versteuert (nachversteuert) wird, auf zehn Jahre gleichmäßig verteilt als Einkünfte anzusetzen. § 37 ist auch in diesem Fall anzuwenden.

Wie der Bw. zutreffend ausführt, liegt der Sinn der im vorliegenden Fall strittigen "Wohnsitzbefreiungsbestimmung" darin, soziale Härten zu vermeiden, die entstehen würden, wenn der Unternehmer seinen Hauptwohnsitz im Betriebsgebäude hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren könnte, ohne dabei den Hauptwohnsitz aufzugeben. Deshalb werden die stillen Reserven aus dem gesamten Gebäude von der Besteuerung ausgenommen. Es ist daher auch gleichgültig, ob die als Wohnung genutzten Gebäudeteile im Hinblick auf ihren Anteil an der gesamten Nutzfläche zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört haben (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 24 Tz 229).

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 6 EStG 1988 ist ua., dass das Gebäude bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz (= Mittelpunkt der Lebensinteressen) des Betriebsinhabers gewesen ist; eine "Mindestbindungsfrist" sieht das Gesetz hiefür nicht vor (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 24, Tz 236).

Den Wohnsitzbegriff umschreibt § 26 Abs. 1 BAO wie folgt: "Einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat uz. unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird." Der Wohnsitzbegriff ist objektiv. Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge (vgl. Quantschnigg/Schuch, ESt- Handbuch, § 1 Tz 11.1; Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 2. Auflage, § 26 Tz 4 und die do zitierte Judikatur). Die polizeiliche Meldung ist nicht ausschlaggebend; dieser kommt jedoch Indizwirkung zu (VwGH 23.5.1990, 89/13/0015).

Bei mehrfachem Wohnsitz liegt der Hauptwohnsitz dort, wo der Steuerpflichtige seine Wohnbedürfnisse regelmäßig und laufend befriedigt. Indiz für das Vorliegen eines Hauptwohnsitzes ist dabei, dass sich der Steuerpflichtige an diesem Ort überwiegend aufhält (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 24 Tz 133).

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob das durch einen überdachten Weg mit dem Einfamilienhaus T 5 verbundene ehemals gemischt genutzte Gebäude T 7 als Teil des Hauptwohnsitzes des Bw. zu qualifizieren ist, oder ob die Hauptwohnsitzeigenschaft, wie vom Amtsvertreter ventiliert, lediglich in Bezug auf das Gebäude T 5 besteht.

Das Finanzamt stützt sich bei seiner Argumentation primär auf das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis vom 19.2.1991, Zl. 91/14/0031, übersieht dabei jedoch, dass in dem vom Gerichtshof zu beurteilenden Sachverhalt die Gesellschafterin der beschwerdeführenden KG unstrittig keinen Wohnsitz in dem von ihrem Wohnhaus in fünf Meter Entfernung situierten Betriebsgebäude (Stickereilokal) - für dieses wurde die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 begehrt - hatte. Die Beschwerdeführerin begründete im finanzbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihr Begehren mit dem Argument, dass zwischen dem Betriebsgebäude und dem als Hauptwohnsitz dienenden Wohngebäude aufgrund des Umstandes, dass letzteres nebst einem Büro auch die Ausrüsterei beherbergte, eine wirtschaftliche Einheit bestehe. Die Verwertbarkeit des Stickereilokals sei als Folge dieser wirtschaftlichen Einheit nur dann möglich, wenn auch Büro und Ausrüsterei mitverwertet würden, was mit einer Aufgabe des Hauptwohnsitzes verbunden wäre. Der Gerichtshof gelangte in besagtem Erkenntnis zum Ergebnis, dass bei Auslegung des Gebäudebegriffes grundsätzlich auf bautechnische Momente abzustellen sei und nicht auf die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit von Einheiten. Unter Gebäude, so das Höchstgericht, sei jenes Bauwerk zu verstehen, das durch räumliche Umfriedung Menschen und Sachen Schutz gegen äußerliche Einflüsse gewähre, den Eintritt von Menschen gestatte, mit dem Boden fest verbunden und von einiger Beständigkeit sei. Diese vom Gerichtshof angestellten Überlegungen sind jedoch stets im Blickwinkel des zu beurteilenden Sachverhaltes zu sehen, welcher - wie oben ausgeführt - in keiner Lage des Verfahrens von einem Wohnsitz der Gesellschafterin im Betriebsgebäude ausging. Dass ein solcher vorliegen würde, wurde - im Unterschied zum vorliegenden Berufungsfall - seitens der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Dem Einwand des Bw., wonach die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.2.1991, Zl. 91/14/0031, zugrunde liegende Sachlage keine Kongruenz zum gegenständlichen Fall aufweise, kommt daher Berichtigung zu.

Im gegenständlichen Berufungsfall steht zwischen den Verfahrensparteien außer Streit, dass das Erdgeschoss des ehemaligen Ordinationsgebäude T 7 seit jeher - so auch im Jahr der Betriebsaufgabe - privat genutzt wurde bzw. wird.

Der erkennende Senat hält in diesem Zusammenhang fest, dass bei einer vorliegenden Privatnutzung der Liegenschaft T 7 im Ausmaß von etwa 50 vH., von einem untergeordneten Nutzungsausmaß nicht mehr gesprochen werden kann. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vermochte der steuerliche Vertreter schlüssig darzulegen, dass die im Erdgeschoss situierten Räumlichkeiten des ehemaligen Ordinationsgebäudes vom Bw. regelmäßig aufgesucht und auch benützt werden. Auch der abgeführte Ortsaugenschein am Objekt T 7 ließ Gegenteiliges nicht erkennen.

Daraus folgt, dass sich der Mittelpunkt des Lebensinteresses des Bw. nicht ausschließlich auf das Wohnobjekt T 5 bezieht, in dem die "klassischen Wohnräume" wie Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche etc. untergebracht sind, sondern erstreckt sich dieser auch auf das ca. 6 m entfernte Gebäude T 7. Ob nunmehr das eigentliche Wohnhaus mit dem ehemals gemischt genutzten Gebäude durch einen überdachten Weg verbunden ist oder nicht, ist ebenso rechtsunerheblich wie die Tatsache des Vorhandenseins einer einzigen beide Objekte bedienenden Ölfeuerungsanlage.

Bei der Interpretation des Begriffes "Hauptwohnsitz" im Sinne des § 24 Abs. 6 EStG 1988 gelangt der erkennende Senat sohin zur Auffassung, dass sich dieser nicht ausschließlich auf ein Gebäude beziehen muss. In gewissen Fällen kann sich dieser mitunter durchaus auch auf ein unmittelbar angrenzendes Gebäude erstrecken, und zwar dann, wenn nicht unwesentliche Teile desselben zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse des Steuerpflichtigen dienen. Wie oben ausgeführt, folgt der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung dem Berufungsvorbringen, wonach der Bw. das Erdgeschoss des Gebäudes T 7 bzw. Teile desselben seit jeher dergestalt nutze, wie dies bei einem Hauptwohnsitz üblich sei. Wenn in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich untermauert wird, dass der Bw. etwa die im Gebäude T 7 installierte - einzige - Dusche täglich verwende, so deckt sich dieses Vorbringen auch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens. Das Vorhandensein einer Dusche zählt heute zweifelsfrei zum allgemeinen Wohnstandard; ebenso die Benützung derselben zur täglichen Körperhygiene.

Der Senat teilt auch das Vorbringen, wonach aus der Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 in keiner Weise hervorgehe, dass der Hauptwohnsitz auf die notwendigen (Kern-) Räumlichkeiten beschränkt bleiben müsse. So zählen auch Sauna, Ruheraum sowie ein - wenn auch bescheiden ausgeführter - Wintergarten ebenso zum Hauptwohnsitz wie alle klassischen Räumlichkeiten, wenn diese regelmäßig benützt werden und sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum eigentlichen "Wohnkernbereich" befinden.

In diesem Sinne ist auch der erster Satz der Randziffer 5707, EStR 2002, zu verstehen, wonach "die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 sich nur auf Gebäude erstreckt, die bis zur Aufgabe des Betriebes Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sind". Diese Aussage indiziert keine Einschränkung des Hauptwohnsitzes auf ein einzelnes Gebäude, sondern lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich derselbe - bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen - auch auf ein weiteres Gebäude erstrecken kann. Der Vollständigkeit halber bleibt in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass den EStR 2002 die Rechtsqualität einer Verwaltungsweisung ("Erlass") zukommt, welche mangels normativer Wirkung für den UFS keine verbindliche Rechtsquelle darstellt. Dennoch fungieren diese Richtlinien als Auslegungsbehelf und spiegeln in vielerlei Hinsicht die verwaltungsgerichtliche Judikatur wider bzw. kompilieren diese.

Die seitens der Amtspartei vertretene Argumentationslinie, der Begriff des Hauptwohnsitzes bleibe auf ein bzw. das Gebäude beschränkt, mag zwar für die überwiegende Mehrheit der sich im Rahmen von Betriebsaufgaben ergebenden Fallkonstellationen zutreffen, für den gegenständlichen Fall aber erweist sich diese aus den genannten Gründen als zu eng.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass den von der Bp angezogenen Umständen, wie die Verschiedenartigkeit der topographischen Bezeichnungen, die unterschiedliche bewertungsrechtliche Behandlung der Liegenschaften bzw. melderechtliche Gesichtspunkte lediglich Indiziencharakter zukommt. Maßgeblich ist stets das tatsächliche Gesamtbild der Verhältnisse, welches im gegenständlichen Fall auf Grund der besonderen Konstellation eine Ausweitung des Hauptwohnsitzbegriffes auf das gemischt genutzte Gebäude zulässt, respektive erforderlich macht.

Aufgrund obiger Ausführung war daher dem Berufungsbegehren (Erstbegehren) Folge zu geben. Aus diesem Grunde erübrigt sich ein Abspruch über das Eventualbegehren auf Zuerkennung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 EStG 1988.

Aufgrund dieser Entscheidung errechnen sich die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wie folgt (in öS):

Einkünfte aus sA laut angef. Bescheid

212.394,--

- gemeiner Wert Ordinationsgebäude T 7

650.000,--

+ Buchwertabschreibung Ordinationsgebäude T 7

3.312,--

Einkünfte aus sA laut Berufungsentscheidung

-434.294,--

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Klagenfurt, am 18. März 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 24 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Hauptwohnsitz, Betriebsaufgabe

Verweise:

VwGH 19.02.1991, 91/14/0031

Stichworte