Strittig ist, ob die kostenlose Verköstigung der Mitarbeiter in der betriebseigenen Kantine eines Produktionsbetriebes eine Eigenverbrauchsbesteuerung auslöst.
Anmerkungen:
Abweichend: BMF UStR 2000, Rz 71
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch RTG Rümmele Treuhand GmbH, 6850 Dornbirn, Marktstraße 30, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch HR Walter Angerer, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 1998 festgesetzt mit | 365.596,90 € |
Berechnung in Schilling: | |
Gesamtbetrag der Entgelte | 591.943.760,14 S |
Davon zu versteuern mit | Steuer |
Normalsteuersatz 6.561.904,49 S | 1.312.380,90 S |
ermäßigter Steuersatz 585.381.855,65 S | 58.538.185,57 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuern | -54.819.842,98 S |
Umsatzsteuerzahllast | 5.030.723 S |
Umsatzsteuerzahllast in Euro | 365.596,90 € |
Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 1999 festgesetzt mit | 262.089,42 € |
Berechnung in Schilling: | |
Gesamtbetrag der Entgelte | 553.080.733,67 S |
Davon zu versteuern mit | Steuer |
Normalsteuersatz 6.276.046,36 S | 1.255.209,27 S |
ermäßigter Steuersatz 546.804.687,31 S | 54.680.468,73 S |
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe 21.250.772,10 S | |
Davon zu versteuern mit: | Steuer |
Normalsteuersatz 5.425.686 S | 1.085.137,20 S |
ermäßigter Steuersatz 15.825.086,10 S | 1.582.508,61 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuern | -54.996.894.42 S |
Umsatzsteuerzahllast | 3.606.429 S |
Umsatzsteuerzahllast in Euro | 262.089,42 € |
Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 2000 festgesetzt mit | -318.636,29 € |
Berechnung in Schilling: | |
Gesamtbetrag der Entgelte 1.048.812.107,93 S | |
Steuerfrei (Art. 6 Abs. 1) 3.496.591,56 S | |
Davon zu versteuern mit | Steuer |
Normalsteuersatz 10.899.764,03 S | 2.179.952,81 S |
ermäßigter Steuersatz 1.034.415.752,34 S | 103.441.575,23 S |
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe 29.753.146,45 S | |
Davon zu versteuern mit: | Steuer |
Normalsteuersatz 5.694.227,85 S | 1.138.845,57 S |
ermäßigter Steuersatz 24.058.918,60 S | 2.405.891,86 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuern | -113.550.796,33 S |
Umsatzsteuergutschrift | -4.384.531 S |
Umsatzsteuerzahllast in Euro | 318.636,29 € |
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin betreibt ein Fleischerzeugungs- und vermarktungsunternehmen. In diesem Unternehmen wird der überwiegende Teil der Mitarbeiter kostenlos verpflegt, und zwar derart, dass jedem Dienstnehmer täglich eine Jause sowie ein Mittagessen in der werkseigenen Kantine verabreicht werden. Diese kostenlose Verköstigung wurde von der Berufungswerberin als nicht steuerbarer Umsatz behandelt und dementsprechend keiner Umsatzversteuerung unterzogen.
Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung die Jahre 1998 bis 2000 betreffend wurde diese steuerliche Behandlung der kostenlosen Verpflegung durch die Berufungswerberin seitens der Betriebsprüfung in Streit gezogen. Nach Meinung des Prüfers setzte der Begriff "Dienstleistung" gegen Entgelt im Sinne des Art. 2 Z 1 der 6. EG-Richtlinie das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Ein derartiger Zusammenhang liege dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer für die Sachzuwendung nichts zu bezahlen habe und auch kein dem Wert dieser Sachzuwendung entsprechender Abzug vom Lohn erfolge bzw. die auszuführende Arbeit und der bezogene Lohn nicht davon abhingen, ob der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber gebotene Sachleistung in Anspruch nehme. Stehe wie im vorliegenden Fall fest, dass ein Leistungsaustausch nicht bestehe, sei in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die Leistung primär der Deckung privater Bedürfnisse der Arbeitnehmer diene. Dies sei im prüfungsgegenständlichen Fall zu bejahen. Die für die Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe geltenden Erleichterungen könnten im prüfungsgegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen. Die unentgeltliche Verköstigung der Dienstnehmer der Berufungswerberin stelle daher einen Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 dar. Für die Berechnung des Eigenverbrauches seien die lohnsteuerlichen Sachbezugswerte lt. VO BGBl. Nr. 642/1992 heranzuziehen.
Das Finanzamt nahm im Anschluss an diese Prüfung die Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1998 bis 2000 wieder auf und erließ am 13. Juni 2002 neue Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre, in denen sie die Personalverpflegung der Umsatzsteuer unterwarf.
Gegen dieses Bescheide erhob die Berufungswerberin mit Schriftsatz vom 24. Juni 2002 Berufung, die ihre steuerliche Vertretung wie folgt begründete: Art. 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (6. MWSt-RL) nenne als Steuertatbestände der Mehrwertsteuer nur die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen gegen Entgelt sowie die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland. Entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG sei der 6. MWSt-RL ein Eigenverbrauch hingegen fremd. Vielmehr sei in Art. 5 Abs. 6 der 6. MWSt-RL einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hätten. Jedoch fielen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter. Eine ähnliche Bestimmung sei in Art. 6 Abs. 2 der 6. MWSt-RL vorgesehen, wonach einer Dienstleistung gegen Entgelt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt sei, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt habe. Ebenfalls einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sei die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals.
In der Rechtssache Fillibeck (EuGH vom 16.10.1997, Rs C.258/95), in der es um die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber gegangen sei, sei der EuGH zum Schluss gekommen, dass damit kein tauschähnlicher Umsatz bewirkt werde. Vielmehr habe der EuGH festgestellt, dass die den Arbeitnehmern erbrachte Beförderungsleistung unter normalen Umständen dem privaten Bedarf des Personals im Sinne des Art. 6 Abs. 2 lit. b der 6. MWSt-RL diene. Der Umstand, dass die Zurücklegung der Strecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte eine notwendige Voraussetzung für die Anwesenheit bei der Arbeit und damit für deren Erledigung sei, könne nach Auffassung des EuGH nicht entscheidend für die Annahme sein, dass die Beförderung des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück nicht seinen privaten Zwecken im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der 6. MWSt-RL diene. Unter besonderen Umständen könnten es die besonderen Erfordernisse des Unternehmens aber gebieten, dass der Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer sicherstelle. So könne die Tatsache, dass nur der Arbeitgeber über ein geeignetes Beförderungsmittel verfüge oder dass es sich nicht um eine feste, sondern um eine wechselnde Arbeitsstätte handle, den Arbeitgeber zwingen, die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen. Unter solchen Umständen erfolge die Organisation der Beförderung durch den Arbeitgeber nicht zu unternehmensfremden Zwecken. Der persönliche Vorteil, den der Arbeitnehmer in diesen Fällen habe, erscheine nach Auffassung des EuGH gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich.
Im österreichischen Schrifttum sowie in der Verwaltungspraxis herrsche Einigkeit darüber, dass dem obzitierten EuGH-Urteil weit über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme. So werde das Urteil beispielsweise im Erlass des BMF vom 8. Juni 1999, Z 09 0112/1-IV/9/99, auf Verpflegungsfälle im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe angewandt, wobei sich aus der Wendung "dies ist etwa der Fall" erschließen lasse, dass das BMF keineswegs eine Einschränkung der Unterlassung einer Eigenverbrauchsbesteuerung bei Verpflegungen auf diese Branche beabsichtige, sondern vielmehr bloß ein besonders klares Beispiel anführen wollte. Diese Interpretation zwinge sich schon dadurch förmlich auf, dass eine Einschränkung auf das Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe zweifellos eine unsachliche Diskriminierung anderer Branchen mit sich bringen würde. Ein Blick in die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 führe zum gleichen Resultat: in Rz 71 werde zutreffend ausgeführt, dass im Falle einer unentgeltlichen Beherbergung und Verköstigung von Dienstnehmern durch den Arbeitgeber grundsätzlich Eigenverbrauch vorliege. In Rz 71 werde dann wiederum die Beherbergung und Verköstigung im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe als besonders eindeutiges Beispiel für eine Ausnahme von den zuvor aufgestellten Grundsatzregel angeführt. Mit keinem Wort werde jedoch ausgeführt, dass die Ausnahmebestimmung von der Eigenverbrauchsbesteuerung nur auf diese Branche eingeschränkt sein sollte.
Insbesondere folgende Erwägungen sprächen für das Vorliegen von "besonderen Umständen" im Sinne des vorerwähnten EuGH-Urteiles und damit gegen die Vornahme einer Eigenverbrauchsbesteuerung:
Die Berufungswerberin sei in einem Bereich tätig, in der strenge Hygienevorschriften gälten. So sei ua. vorgeschrieben, dass die in der Produktion tätigen Mitarbeiter keimfreie Arbeitskleidung trügen und zum Zwecke der Desinfektion vor dem Eintritt in die Produktion jeweils spezielle Duschen verwendet würden. Der Vorgang des Ein- und Auskleidens nehme jeweils erhebliche Zeit (ca. 10 bis 15 Minuten) in Anspruch. Würde den Mitarbeitern erlaubt, zum Zwecke der Nahrungsaufnahme das Haus zu verlassen, so käme es durch das neuerliche Ein- und Auskleiden und Desinfizieren zu erheblichen Produktionsunterbrechungen und müsste überdies die dafür verwendete Zeit als Dienstzeit bezahlt werden. Hinzu komme, dass längere Produktionsunterbrechungen nicht nur höhere (Leer)kosten verursachten, sondern darüber hinaus die Qualität des Produktes gefährdeten, was in der Lebensmittelbranche sehr rasch zu einem Umsatzeinbruch bis hin zu einer Gefährdung der Existenz des Unternehmens führen könne. Darüber hinaus befänden sich in der näheren Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin keine Verpflegungsunternehmen, die in der Lage wären, eine an den Produktionsprozess angepasste Verpflegungsgelegenheit zu bieten. Ein überwiegendes Interesse an der Verpflegung der Mitarbeiter im Hause könne indirekt auch daraus abgeleitet werden, dass den Mitarbeitern aus den genannten Gründen strengstens untersagt sei, den Betrieb während des Schichtdienstes zu verlassen. Angesicht der in der Kantine vorherrschenden Bedingungen (die Kantine unterliege wie der Produktionsbereich strengen Hygienevorschriften und vermittle daher einen sterilen, ungemütlichen Eindruck) und den äußerst kurzen Pausen könne auch nicht argumentiert werden, dass die Verpflegung im Betrieb im Interesse des Arbeitnehmers gelegen wäre. Im Gegenteil würden viele Mitarbeiter auch für den Fall, dass sie das Essen selbst bezahlen müssten, den Betrieb gerne für eine gewisse Zeit verlassen, um von den im Betrieb herrschenden Bedingungen (Kälte, Feuchtigkeit, Lärm, Geruchsbelästigung) wenigstens für eine Weile Abstand nehmen zu können. Dafür liefere die im Produktionsbereich mit ca. 20% p.a. weit überdurchschnittliche Fluktuation an Mitarbeitern einen eindeutigen Beleg.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 10. April 2004 als unbegründet ab. Zusammengefasst begründete es diese Entscheidung damit, dass das Argument, die Kantine unterliege wie der Produktionsbereich strengen Hygienevorschriften und vermittle daher einen sterilen, ungemütlichen Eindruck, nicht dazu führen könne, dass das Interesse an der Verpflegung der Arbeitnehmer vorrangig der Berufungswerberin als Arbeitgeberin zugeschrieben werden könne. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer im Falle der Einnahme von Mahlzeiten außer Haus eine wesentlich längere Dienstunterbrechung in Kauf nehmen müssten, weil ja die mit der Essenseinnahme verbundenen Mühen wie Fahrzeit und Fahrtaufwand wesentlich zeitaufwendiger seien, als die Einnahme des Essens in der betriebseigenen Kantine. Eine allenfalls in der Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin fehlende Infrastruktur zur Verpflegung der Mitarbeiter würde zu Lasten der Arbeitszeit der Dienstnehmer gehen. Auch der Hinweis auf das Verbot, während des Schichtdienstes das Haus zu verlassen, könne nicht dazu beitragen, das Interesse an der Mitarbeiterverpflegung durch das Unternehmen dem Betrieb zuzurechnen, weil mit der Einnahme der Mahlzeit eine Dienstzeitunterbrechung verbunden wäre und eine Verlängerung der Arbeitszeitunterbrechung zu Lasten der Arbeitnehmer wohl eher deren Interessen zuwider laufen würde. Es werde zwar nicht bestritten, dass ein Interesse für den Dienstgeber an der Übernahme der Verpflegung der Arbeitnehmer dadurch gegeben sei, dass bei Wegfall der Nahrungsaufnahme durch die Mitarbeiter im Haus, dem Unternehmen zur Erfüllung von Hygienevorschriften zusätzlich zu bezahlende Aufwendungen aus der Arbeitszeitgestaltung resultierten. Es sei auch glaubhaft, dass durch das Tragen keimfreier Arbeitskleidung zum Zwecke der Desinfektion vor dem Eintritt in die Produktion und der damit verbundenen Maßnahmen des Verwendens spezieller Duschen dem Arbeitgeber durch das Verlassen des Hauses zur Einnahme einer Mahlzeit durch die Mitarbeiter gewisse Nachteile verbunden sein könnten. All diese Argumente könnten aber in Summe nicht zur Zurechnung des Interesses an Verpflegung der Dienstnehmer an die Berufungswerberin führen.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2003 stellte die Berufungswerberin den Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, worin wie schon im Berufungsschriftsatz darzulegen versucht wurde, dass die Vorteile des Arbeitnehmers aus der Verpflegung im Betrieb im Verhältnis zu den Vorteilen des Arbeitgebers, wenn überhaupt vorhanden, äußerst gering seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Im vorliegenden Fall ist ausschließlich strittig, ob die Verpflegung der Mitarbeiter durch die Berufungswerberin der Eigenverbrauchsbesteuerung unterliegt oder nicht. Ein Eigenverbrauch liegt gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 ua. vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Leistungen der in § 3 a Abs. 1 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 1 Abs. 1 Z 2 lit. b). Die grundlegenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen für die Eigenverbrauchsbesteuerung finden sich in Art. 5 und Art. 6 der 6. MWSt-RL. Nach Art. 5 Abs. 6 der 6. MWSt-RL wird einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes durch den Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals, als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Gemäß Art. 6 Abs. 2 leg. cit. werden Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt
a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat sowie
b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Steuerpflicht besteht nach dem EG-Recht somit auch dann, wenn Gegenstände oder Dienstleistungen für den Bedarf des Personals zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt seit dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Fillibeck, Rs C-258/95 , allerdings nur dann, wenn die Sachleistung überwiegend im Interesse des Arbeitnehmers liegt.
Nach Meinung des Finanzamtes ist die während der Arbeitszeit kostenlos zur Verfügung gestellte Verköstigung durch die Berufungswerberin im überwiegenden Interesse der Mitarbeiter gelegen und unterliegt daher der Eigenverbrauchsbesteuerung. Diese Meinung teilt der unabhängige Finanzsenat nicht: Die Berufungswerberin hat nach seiner Auffassung glaubhaft dargetan, dass die Einnahme der Mahlzeiten durch die Mitarbeiter außer Haus im Vergleich zur Essenseinnahme in der Kantine zu erheblichen Produktionsunterbrechungen führen würde. In ersteren Fall müssten die Mitarbeiter die kompletten Hygienevorschriften einhalten, d.h. Kleidungswechsel und Körperreinigung vor Verlassen und vor Wiederbetreten der Produktionsräume. Der hiefür geschätzte Zeitaufwand betrüge 25 Minuten. Hinzu käme ein weiterer Zeitverlust infolge des Fehlens einer entsprechenden gastronomischen Infrastruktur in der näheren räumlichen Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin. Demgegenüber müssen die Arbeitnehmer bei der Essenseinnahme in der Kantine nur durch eine Hygieneschleuse gehen, was beinahe ohne Zeitverlust geschieht. In diesem Fall wäre also nur die Zeit für die Essensausgabe und -einnahme zu rechnen.
Das betriebliche Interesse an der Verköstigung der Mitarbeiter in der Kantine steht daher für den unabhängigen Finanzsenat außer Zweifel. Das Interesse der Mitarbeiter ist demgegenüber, auch angesichts des Umstandes, dass die Essenseinnahme in einer strengen Hygienevorschriften unterliegenden und deshalb sterilen und ungemütlichen Kantine in Arbeitskleidung einen nur geringen Erholungswert aufweist und tatsächlich auf eine bloße Nahrungsmittelzufuhr reduziert ist, von untergeordneter Bedeutung.
Eine Einschränkung der Steuerfreiheit auf die unentgeltliche Verköstigung von Dienstnehmern im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe lässt sich aus dem Gesetz jedenfalls nicht ableiten und widerspräche zudem dem Gemeinschaftsrecht. In diesem Sinne hat bereits der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6.4.2003, 98/13/0178, entschieden. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt hat ein Großhändler (und somit ein Handelsbetrieb) seinen Mitarbeitern kostenlose Mahlzeiten gewährt, damit sie in den Mittagspausen telefonisch erreichbar seien. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte das überwiegende Interesse des Dienstgebers und verneinte eine Eigenverbrauchsbesteuerung.
Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Feldkirch, am 17. Jänner 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | kostenlose Verköstigung, Arbeitnehmer, Kantine, betriebliches Interesse, Eigenverbrauch |
Verweise: |