UFS RV/0044-F/03

UFSRV/0044-F/0321.12.2004

Steuerliche Behandlung einer Pensionskassenauszahlung eines Grenzgängers

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0010 eingebracht. Mit Erk. v. 19.4.2007 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des KP, Sch, A-Str 36, vertreten durch Edgar Buhri, 6800 Feldkirch-Tosters, Riedteilweg 5 A, vom 7. Oktober 2002 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch Mag. Thomas Huemer, vom 13. September 2001 betreffend Einkommensteuer 2001 nach der am 13. Dezember 2004 in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war Grenzgänger in die Schweiz. Er war im Streitjahr vom 1. Jänner bis zum 31. August bei der Firma WAG in H beschäftigt. Anhand der vorgelegten Austritts-Abrechnung der B Lebens-Versicherungs-Gesellschaft ist ersichtlich, dass der Berufungswerber am 31. August 2001 aus der betrieblichen Pensionskasse (2. Säule) ausgetreten ist. Die Austrittsleistung betrug 91.958,00 SFr. Der Berufungswerber beantragte, die Pensionskassenabfindung in Höhe von 30% steuerfrei zu belassen. Darüber hinaus begehrte er, die Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 zur Anwendung zu bringen.

Das Finanzamt hat die Auszahlung der B Lebens-Versicherungs-Gesellschaft als Pensionsabfindung im Sinne von § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 iVm § 124b Z 53 EStG 1988 zu einem Drittel steuerfrei belassen.

In der gegen den im Spruch bezeichneten Einkommensteuerbescheid vom 13. September 2001 erhobenen Berufung vom 7. Oktober 2002 begehrte der Berufungswerber, die Pensionsabfindung (zusätzlich) insoweit gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 mit 6% zu versteuern, als sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses nicht übersteige, und brachte dazu Folgendes vor: Seit dem Veranlagungsjahr 2001 seien die Pensionsabfindungen gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 nur noch dann mit dem Hälftesteuersatz begünstigt zu versteuern, wenn deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes nicht übersteige. Andernfalls sei der den Freibetrag von 30% des Abfindungsbetrages und den gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 begünstigt zu versteuernden Betrag übersteigende Teil mit dem ("normalen") Einkommensteuertairf zu versteuern. Die Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 sei im Wortlaut gleich geblieben und sei daher auch unverändert für die Veranlagungszeiträume nach 2000 anzuwenden. Demnach seien sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfielen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen), mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht überstiegen. Der Umstand, dass § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 in der ab dem Veranlagungsjahr 2001 anzuwendenden Fassung keinen Bezug mehr auf Abs. 6 leg. cit nehme, ändere am Inhalt des Abs. 6 leg. cit. nichts. Pensionsabfindungen, die wie gegenständlich aus Anlass der Beendigung eines Dienstverhältnisses zur Auszahlung gelangt seien, seien nach wie vor in dem in § 67 Abs. 6 EStG 1988 genannten Ausmaß begünstigt zu besteuern.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 25. November 2002 als unbegründet ab. Begründend führte es aus, dass Pensionsabfindungen ab 1. Jänner 2001 nicht mehr gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 begünstigt versteuert werden könnten, da diese keine beendigungskausalen Bezüge darstellten.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 begehrte der Berufungswerber die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass es nicht um die fiktive Frage gehe, wie Pensionsabfindungen zu besteuern seien, die während des aufrechten Dienstverhältnisses oder während des Pensionsbezuges zur Auszahlung gelangten, sondern es gehe um die Besteuerung einer Pensionsabfindung, die tatsächlich anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses ausbezahlt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0130, die Auffassung vertreten, dass Pensionsablösen, die bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Entstehen des Pensionsanspruches geleistet würden, gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern seien.

In der am 13. Dezember 2004 abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde vom obgeannten Vertreter des Berufungswerbers ergänzend ausgeführt, dass gegenständlich das Pensionskassenguthaben nicht zB zur Abdeckung von Hypothekarverbindlichkeiten verwendet worden sei, sondern wegen Auflösung des Dienstverhältnisses ausbezahlt worden sei. Zum Hinweis in der Berufungsvorentscheidung, dass es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um Beträge handeln müsse, die typischerweise bei Beendigung des Dienstverhältnisses zur Auszahlung gelangen, sei zu sagen, dass im Gesetzestext das Wort "typischerweise" nicht vorkomme. Es sei nicht erklärlich, weshalb die Pensionskassenabfindung nicht gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 versteuert werden könne, da doch die Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 keine Änderung erfahren habe. Im Übrigen gingen die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0130, entgegen der Auffassung des Finanzamtes, eindeutig in die Richtung, dass Pensionsablösen nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern seien.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist, ob die gegenständliche Auszahlung aus der Pensionskasse gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 begünstigt besteuert werden kann.

Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen) mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die begünstigte Besteuerung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nur solche Bezüge, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist; sie müssen für die Beendigung typisch sein (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, Tz 3 zu § 67 Abs. 6 EStG 1988, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die berufliche bzw. betriebliche Vorsorge in der Schweiz ist weitgehend gesetzlich geregelt. Gemäß dem Schweizer Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) werden für jeden Versicherten jährliche Altersgutschriften vorgenommen, die dem Aufbau des Altersguthabens dienen. Nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Männer) bzw. des 62. Lebensjahres (Frauen) wird eine Altersrente ausgerichtet. Auf Wunsch des Versicherten wird, sofern das Reglement der Pensionskasse dies vorsieht, das Altersguthaben als Kapital ausbezahlt. Neben der Altersvorsorge erbringt die berufliche Vorsorge auch Leistungen für die Risiken "Tod" und "Invalidität". Das obgenannte Gesetz sieht auch volle Freizügigkeit beim Dienstaustritt vor. Das Altersguthaben wird auf die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers übertragen, oder, falls dies nicht möglich ist, in eine Freizügigkeitspolice oder in ein Freizügigkeitskonto eingebracht. Eine Barauszahlung ist bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit, bei endgültigem Verlassen der Schweiz oder bei Geringfügigkeit (die Freizügigkeitsleistung beträgt weniger als einen Jahresbetrag der versicherten Person) möglich. Das Freizügigkeitsguthaben kann maximal fünf Jahre vor oder spätestens fünf Jahre nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogen werden. Die seit dem 1. Jänner 1995 in Kraft stehende Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge schafft die Möglichkeit, Vorsorgegelder oder auch nur Vorsorgeansprüche aus dem gesamten Bereich der beruflichen Vorsorge für die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum zu verwenden. Die Pensionskassenansprüche können auch als Sicherheit für Hypothekargläubiger eingesetzt werden, indem die Ansprüche auf Vorsorgeleistungen oder ein Betrag bis zur Höhe der Freizügigkeitsleistung verpfändet werden. Im Falle der Pfandverwertung wirkt diese wie ein Vorbezug. Das Vorsorgeguthaben kann bis zum 50. Lebensjahr bis zur Höhe der Freizügigkeitsleistung in bar bezogen oder verpfändet werden. Ab dem 50. Lebensjahr kann das Vorsorgeguthaben nur bis zu einem bestimmten Betrag vorbezogen oder verpfändet werden (vgl. dazu http://www.swisslife.ch/home/de/company/kmu/information/basics/three.html https://entry.credit-suisse.ch/csfs/p/rb/de/vorsorge/2_saeule/index.jsp ).

Damit ist erkennbar, dass eine Pensionsabfindung, welche anlässlich des Austrittes bezahlt wird, nicht als unmittelbar durch die Beendigung des Dienstverhältnisses veranlasst anzusehen ist. Die Pensionskassenauszahlung kann während des aufrechten Dienstverhältnisses, bei Beendigung des Dienstverhältnisses und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Dementsprechend kann die Pensionskassenauszahlung bei aufrechtem Dienstverhältnis bei Bedarf früher gewährt werden. Die Pensionskassenauszahlung kann zB bis zum Erreichen des 50. Lebensjahres bei aufrechtem Dienstverhältnis in gleicher Höhe erfolgen, wie bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Erreichen des 50. Lebensjahres. Ebenso ist es aber möglich, das Pensionskassenguthaben erst nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters zu beziehen. Die Pensionskassenauszahlung steht grundsätzlich somit unabhängig von der Beendigung des Dienstverhältnisses zu (vgl. dazu auch Sailer/Bernold/Mertens/Kranzl, die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2001, Seite 688).

Bezogen auf den konkreten Fall bedeutet dies, dass auch das in Streit stehende, anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlte Pensionskassenguthaben nicht als unmittelbar durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst anzusehen ist und daher keinen begünstigten beendigungskausalen Bezug darstellt. Der Anspruch auf das Pensionskassenguthaben entsteht unabhängig von der Beendigung des Dienstverhältnisses. Da Pensionskassenauszahlungen nicht nur im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbart werden können (die Pensionskassen sind verpflichtet, ihre Reglemente unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu gestalten), kann nicht davon gesprochen werden, dass Pensionskassenauszahlungen typischerweise nur bei Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen. Gegenständlich stünde die Pensionskassenauszahlung des Berufungswerbers unabhängig von der Beendigung des Dienstverhältnisses zu; nur der Stichtag der Auszahlung wurde auf den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses gelegt. Hätte der Berufungswerber zB seine Vorsorgegelder oder auch nur Vorsorgeansprüche für die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum oder zur Abdeckung von Hypothekarverbindlichkeiten verwendet, so wären diese zweifelsfrei nicht nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern.

Zum Vorbringen im Vorlageantrag vom 21. Oktober 2002 und in der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2004 (vgl. Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung), der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0130, die Auffassung vertreten, dass Pensionsablösen, die bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Entstehen des Pensionsanspruches geleistet werden, gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern seien, ist zum Einen zu sagen, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Gesetzeslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2001 ergangen ist (bei Vorliegen einer Pensionsabfindung im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 idF vor BGBl. I 2000/142 war § 67 Abs. 6 leg. cit. zwingend anzuwenden). Zum Anderen ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis nicht konkret mit der Frage beschäftigt hat, ob eine Pensionsablöse den Tatbestand des § 67 Abs. 6 leg. cit. erfüllt oder nicht. Er hat sich vielmehr mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine mit dem Hälftesteuersatz begünstigt zu versteuernde Pensionsabfindungen iSd § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 angenommen werden kann oder nicht. Zur Vorgangsweise der belangten Behörde, die die Auffassung vertreten hat, dass der Hälftesteuersatz gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 deshalb nicht zustünde, da die Hingabe eines Ablösekapitals für einen nicht existenten Pensionsanspruch keine Abfindung einer Pension darstelle und deshalb die beschwerdegegenständliche Abfindung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 versteuert hat, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides, nämlich dass Pensionsabfindungen iSd § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 nur dann vorliegen, wenn sie in Abgeltung eines - auf Renten lautenden - bereits entstandenen Anspruches geleistet werden, geeignet war, den Spruch des angefochtenen Bescheides zu tragen.

Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz ist das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass die strittige Pensionskassenauszahlung als Pensionsabfindung im Sinne von § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 iVm § 124b Z 53 EStG 1988 (nur) zu einem Drittel steuerfrei zu belassen ist und § 67 Abs. 6 leg. cit. nicht (zusätzlich) zur Anwendung gelangt; diese Vorgehensweise des Finanzamtes entspricht im Übrigen auch der ständigen Verwaltungspraxis.

Es war daher - gerade auch im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen - spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am 21. Dezember 2004

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 67 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 124b Z 53 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Grenzgänger, Pensionskassenauszahlung, Pensionsabfindung, Beendigung des Dienstverhältnisses, unmittelbare Ursache, typischerweise

Stichworte