UFS RV/0171-F/02

UFSRV/0171-F/024.12.2003

Abnutzbarkeit von Werken der bildenden Kunst

 

Anmerkungen:
Die Berufungsentscheidung knüpft an der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zur grundsätzlichen Nichtabnutzbarkeit von Kunstwerken an, ergänzt sie und bejaht die Abnutzbarkeit einer witterungsausgesetzten Lichtskulptur.

Entscheidungstext

 

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die gem. § 188 BAO getroffenen Feststellungen sind dem Beiblatt zu entnehmen, das einen integrierenden Bescheidbestandteil bildet.

Im Übrigen (KESt von endbesteuerungsfähigen Kapitalerträgen) werden die angefochtenen Bescheide bestätigt.

Diese Berufungsentscheidung wirkt gegenüber allen Beteiligten, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (§§ 191 Abs. 3 lit. b BAO). Mit der Zustellung dieser Bescheidausfertigung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle am Gegenstand der Feststellung Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO).

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Bei der Berufungsführerin (im folgenden Bw. genannt), einem Medien-Unternehmen, fand eine Betriebsprüfung statt. Unter Tz 20 des Prüfungsberichtes stellte der Prüfer u.a. fest, die Bw. habe im Zuge der Neugestaltung der Betriebsumgebung eine Lichtskulptur des Künstlers Gottfried Bechtold angeschafft, die Anschaffungskosten aktiviert und in der Folge auf 20 Jahre verteilt abgeschrieben. Diese Skulptur sei ein Werk der >freien Kunst<, da ein praktischer Gebrauchszweck im landläufigen Sinn nicht erkennbar sei. Unbestrittenermaßen handle es sich bei ihr auch um keine >Kunst am Bau<. Als Werk der >freien Kunst< sei sie entsprechend der herrschenden Lehre und Rechtsprechung einer Abschreibung nicht zugänglich. Denn die Abnutzung von Kunstwerken spiele sich bei sachgemäßer Behandlung in steuerlich vernachlässigbar langen Zeiträumen ab. Da die Skulptur ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut darstelle, sei auch der Investitionsfreibetrag zu versagen.

Die Bw. wandte sich gegen den Standpunkt der Betriebsprüfung, welchen das Finanzamt den angefochtenen Bescheiden im wiederaufgenommenen Verfahren zu Grunde gelegt hat. Begründend führte sie aus: Bei der Planung des neuen Verlagshauses hätte die Lage des zweigeschossigen Gebäudes auf einem sehr versteckt gelegenen Platz berücksichtigt werden müssen. Der Architekt habe vorgeschlagen, eine Lichtsäule sollte als Symbol für die Interaktion weithin sichtbar Aufmerksamkeit erregen. Mit keinem anderen Mittel hätte der Zweck, den Betriebsstandort nachhaltig bekannt zu machen, so effektvoll erreicht werden können. Die Lichtsäule sei in das Gesamtbild der Betriebsanlage integriert und mache den im Haus stattfindenden Informationsfluss sichtbar. Durch sie würden starke image- und werbewirksamen Effekte erzielt. Nach gebräuchlicher Definition sei ein Kunstwerk ein in Form und Inhalt geschlossenes Gebilde von ästhetischer Wirkung und in sich ruhendem Selbstzweck. Da ein Selbstzweck des Lichtturmes auszuschließen sei, wäre es falsch, ihn als Objekt >freier Kunst< zu qualifizieren.

Nach Ergehen einer ausführlich begründeten Berufungsvorentscheidung wurde die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz und (gemäß § 323 Abs. 12 BAO mit Gültigkeit für das neue Abgabenrechtsmittelverfahren) die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

Der UFS führte ergänzende Ermittlungen durch und befragte Kunstsachverständige, den Künstler, den Architekten des Verlagshauses sowie den für die Turm-Statik verantwortlichen Zivilingenieur.

Die Entscheidung über die Berufung wurde vom gesamten Berufungssenat über Verlangen des Referenten (§ 282 Abs. 1 Z. 2 BAO) im Hinblick auf den komplexen Sachverhalt und die zum strittigen Spezialfall fehlende Judikatur bzw. Lehre getroffen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung berief sich die Bw ergänzend zum bisherigen Vorbringen vor allem auf den Wortlaut von § 7 EStG, nach dem bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen sind. Ferner führte sie sinngemäß aus, ob der Turm ein Kunstwerk sei, könne dahin gestellt bleiben. Denn auch eine solche Klassifizierung ändere nichts daran, dass sich der Turm aus einer Reihe von abnutzbaren Materialien zusammensetzte, den Umwelteinflüssen ausgesetzt sei, dauerhaft den Zweck habe, die allgemeine Aufmerksamkeit auf das betriebliche Geschehen zu lenken, deshalb also konstant einer Abnutzung unterliege.

Die Vertreter der Amtspartei hielten dem Standpunkt der Bw. die Lehrmeinung Doralts (EStG 4, Tz 65 zu § 7 EStG) entgegen. Sie leiteten ihre Auffassung vor allem aus der kunsthistorischen Bedeutung des Werks, der internationalen Reputation des Künstlers und der Nichtabnutzbarkeit der dem Werk zugrunde liegenden Idee ab. Dies führe dazu, dass es in absehbarer Zeit wegen der im Interesse der Bw gelegenen, praktisch unbegrenzt möglichen Pflege des Werks zu keiner Abnutzung des Werks kommen werde.

Der Senat hat erwogen:

Das Wirtschaftsgut, dessen Abnutzbarkeit im Sinne der §§ 7 und 10 EStG 1988 strittig ist, kann unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Erst in der Gesamtschau ist in steuerlicher Hinsicht eine sachgerechte Beurteilung möglich.

Für die steuerrechtliche Beurteilung des dargelegten Sachverhaltes waren folgende Überlegungen maßgeblich:

Lediglich abnutzbare Anlagegüter zählen zum Kreis der nach § 7 EStG 1988 verteilt auf die Nutzungsdauer absetzbaren und auch zwingend abzuschreibenden sowie gemäß § 10 EStG investitionsbegünstigten Wirtschaftsgüter.

Nach Quantschnigg/Schuch (ESt-Handbuch, Tz 13 zu § 7) sind Kunstwerke wie Gemälde, Skulpturen, wertvolle Gefäße uä nicht abnutzbar. Nach Doralt, EStG 4, Tz 65 zu § 7 EStG, sind Kunstwerke grundsätzlich nicht abnutzbar, wobei dies auch für Werke der Gebrauchskunst gelten soll. Bei Hofstätter-Reichel (Kommentar zum EStG 1988, Tz 5 zu § 7) wird die Auffassung vertreten, für Wirtschaftsgüter, die durch Benutzung oder Zeitablauf keine Wertminderung erfahren, wohl aber eines gewissen Erhaltungsaufwandes bedürfen, wie zB Kunstwerke, sei keine AfA vorgesehen.

Die zitierten Lehrmeinungen berufen sich auf das Erkenntnis des VwGH vom 20.12.1963, Zl. 2125/62. Der VwGH zitiert seinerseits in jüngeren Erkenntnissen (VwGH 5.7.1994, 91/14/0110, und 22.2.2000, 99/14/0084) ebenfalls das Erkenntnis aus 1963. In dem aus 1994 datierenden Erkenntnis begründet das Höchstgericht seine Auffassung wie folgt. "Der Abnutzung unterliegen nur solche Wirtschaftsgüter, deren Wert durch die Benutzung bzw. den Zeitablauf allmählich aufgezehrt wird, sei es, dass sie durch den Verbrauch in ihrer Substanz immer mehr vermindert und schließlich gänzlich aufgebraucht werden oder dass sie durch ihre Verwendung und Nutzung bzw. den Zeitablauf ihrer Gebrauchsfähigkeit immer mehr herabgesetzt werden, bis sie schließlich die Fähigkeit, nutzbringend verwendet zu werden, in einem so hohen Maße eingebüßt haben, dass ihre weitere betriebliche Verwendung nicht mehr zweckmäßig erscheint. Es sind dies somit Wirtschaftsgüter, die durch die bestimmungsgemäße Benutzung technisch oder wirtschaftlich verschleißen oder durch Zeitablauf wertlos werden. .... Gemälde stellen grundsätzlich keine abnutzbaren Gegenstände dar (Hinweis E 20.12.1963, 2125/62). Zwar unterliegen auch Gemälde einer technischen (physikalischen) Abnutzung, diese vollzieht sich jedoch bei sachgemäßer Behandlung des Bildes in so großen Zeiträumen und ist dementsprechend im jeweiligen Veranlagungszeitraum so geringfügig, dass sie steuerlich vernachlässigt werden kann."

Der erkennende Senat teilt die wiedergegebenen Meinungen und den Standpunkt des VwGH grundsätzlich, erblickt jedoch einen Differenzierungsbedarf. Denn ob ein Kunstgegenstand abnutzbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wie auch bei anderen Wirtschaftsgütern ist zwischen technischer und wirtschaftlicher Abnutzung zu unterscheiden (Herrmann-Heuer, Anm. 600 zu § 7 dEStG, Stichwort Kunstgegenstände), wenngleich das Gesetz selbst nicht weiter nach den Gründen des Wert- und Substanzverzehrs differenziert. Technische und wirtschaftliche Abnutzung bilden aber nicht zwei nebeneinander stehende und voneinander unabhängige Begriffe. Bei einer Maschine sind die beiden Wertminderungsdeterminanten beispielsweise insofern miteinander verbunden, als die technische Funktionsfähigkeit die Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes darstellt (Werndl, RdW 1986, 287 ff). Gleiches gilt nach Überzeugung des UFS regelmäßig auch für Bauwerke, und zwar auch dann, wenn das Bauwerk ein Kunstwerk ist.

Für die wirtschaftliche Abnutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes kann die Klassifizierung als Kunstwerk zunächst einmal, also isoliert betrachtet, durchaus von Bedeutung sein. Denn aus ihr resultiert in der Regel, dass das Werk als in dieser Hinsicht zeitlos hochwertig und damit wirtschaftlich tendenziell nicht bzw. nur in geringerem Ausmaß abnutzbar anzusehen ist. Bis hierhin folgt der Senat auch den Ausführungen der Amtspartei.

In einem weiteren Schritt ist jedoch die Frage der technischen Abnutzbarkeit zu prüfen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass sich Kunstwerke, was immer darunter zu verstehen ist, gerade in dieser Hinsicht stark unterscheiden. Beispielsweise wird es idR zwar zutreffen, dass >museale< Kunstwerke bei entsprechend sachgemäßer Behandlung einer vernachlässigbar geringen Abnutzung unterliegen, praktisch also nicht unter Wertminderung leiden. Wertsichernde, allenfalls sogar wertsteigernde Voraussetzung wird dabei in der Regel auch der Umstand sein, dass die Werke marktgängig und nicht ortsfest sind. Andererseits können das vom Künstler verwendete Material, der Standort und die Konstruktion des Werks einerseits sowie seine Funktion und Nutzung andererseits für eine kürzere technische Nutzungsdauer sprechen (vgl. AV vom 10.10.03 sowie vom 16.10.03), wobei aus steuerlicher Sicht die Nutzung von besonderer Bedeutung ist. Als ein Beispiele hiefür werden im bereits zitierten deutschen Einkommensteuerkommentar demonstrativ Plastiken im Freien, in einer Apotheke benutzte Antiquitäten sowie betrieblich genutzte Stilmöbel angeführt. Die technische Nichtabnutzbarkeit ist also keineswegs Wesensmerkmal der Kunst. Man denke in diesem Zusammenhang nur an den Bereich der angewandten Kunst, an Aktionskunst, soziale Plastiken oder gar an Werke von Dieter Roth (Schimmelmuseum, Gewürzbilder, Installation von mit Käse gefüllten Koffern), die sehr deutlich dessen Konzept vergänglicher Kunst demonstrieren (http://www.dieter-roth-museum.de/pages/museum.html ). Das aber kann nur bedeuten, dass die Qualifizierung eines Wirtschaftsgutes als Kunst nicht per se afa-schädlich ist. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen der Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung. Im Ergebnis findet dieser Standpunkt auch in der amtlichen deutschen Afa-Tabelle (http://www.steuernetz.de/afa2001/afaalph.pdf ) Deckung, die gemäß Rz 3115 der EStR 2000 als Hilfsmittel bei der Ermittlung der Nutzungsdauer herangezogen werden kann und welche für bestimmte Kunstwerke eine Nutzungsdauer von 15 Jahren ausweist.

Dass Kunstwerke nicht per se nichtabnutzbar sind, sei an zwei Beispielen erläutert: Ob ein wertvoller Teppich als Wandschmuck oder Bodenbelag verwendet wird, hat keinerlei Einfluss auf seine Qualität als Kunstwerk, wohl aber auf seine Nutzungsdauer. Ob ein Gemälde an einer Außenfassade, witterungs- und immissionsausgesetzt, aufgebracht ist oder, umrahmt im Büro eines Betriebsinhabers, dessen Kundschaft beeindruckt und den Besitzer erfreut, ist für die Lebensdauer des Werks, nicht aber für seine künstlerische Bedeutung von Belang. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nicht jede Nutzung eines Kunstwerks auch als betrieblich veranlasst anzusehen sein wird. Im Berufungsfall ist freilich evident und von den Parteien des zweitinstanzlichen Verfahrens auch nicht bestritten, dass die Nutzung des Lichtturms sowohl werkadäquat als auch betrieblich veranlasst ist.

Das Finanzamt hat die steuerliche Bedeutung der Nutzung eines Kunstwerks für die strittige Frage der Abnutzbarkeit grundsätzlich völlig richtig erkannt, indem es zwischen >Gebrauchskunst< einerseits und >freier Kunst< andererseits, die praktisch nicht gebraucht wird, unterschieden hat. Allerdings hat es nach Überzeugung des Senates das Bauwerk fälschlich nicht als >Gebrauchskunst< klassifiziert. Denn es darf nicht übersehen werden, dass der raffiniert konstruierte Turm, der sich selbst aus lauter abnutzbaren Bestandteilen zusammensetzt, im Freien steht und dort auf künstlerisch ausgereizte Weise auf das betriebliche Geschehen aufmerksam macht.

Aus kunsthistorischer Sicht hat die vom Finanzamt getroffene Unterscheidung übrigens geringere Bedeutung. Denn die Autonomie der Kunst, ihre Isolierung aus dem Alltag, ist ein westliches und neuzeitliches Phänomen. Der Traditionsbruch erfolgte, als die Malerei aufgehörte, ein gewöhnliches Handwerk zu sein. (vgl. Gombrich, aaO, Seiten 480, 499: "Das Akademien- und Ausstellungswesen, die Kunstkenner und Kunstkritiker hatten es dahin gebracht, dass sich eine Kluft zwischen den sogenannten >schönen Künsten< und dem Handwerk aufgetan hatte."). Kunsthistoriker bezeichnen deshalb die Unterscheidung zwischen der Gebrauchskunst, der wir im Alltag begegnen, und der so genannten >hohen Kunst< der Ausstellungen und Museen als eine "unselige" (E.H. Gombrich, aaO, Seiten 596, 610). Im 20. Jahrhundert haben dies Künstler erkannt, sind in einer Gegenbewegung zu geradezu kindlicher Mentalität zurückgekehrt und haben den Unterschied zwischen Kunstwerken und Alltagsgegenständen (wieder) bewusst aufgehoben. So wurde der französische Künstler Marcel Duchamp berühmt und berüchtigt dafür, dass er einen beliebigen Alltagsgegenstand nahm und signierte. In Deutschland tat es ihm Joseph Beuys nach (E.H. Gombrich, aaO Seite 601f).

Der Abstecher in die Kunstgeschichte hat gezeigt, dass sich "gebrauchte" Kunstgegenstände, das heißt praktisch genutzte Kunst, was ihren künstlerischer Wert und Gehalt anlangt, nicht von der bloß angesehenen und >ausgestellten< Kunst unterscheiden. Die Ausführungen haben aber auch gezeigt, dass die Nutzung eines Kunstwerkes dessen Lebensdauer entscheidend beeinflusst. In diesem Sinn äußert sich auch Werndl (RdW 1986, 287), anknüpfend an einen BFH-Rechtssatz, wonach Antiquitäten - ihren tatsächlichen und ständigen Gebrauch vorausgesetzt - einer technischen Abnutzung unterliegen. Werndl weist in seiner Arbeit "Zur Abschreibungsfähigkeit von Kunstwerken und Antiquitäten" darauf hin, dass die technische Funktionsfähigkeit die Voraussetzung für deren wirtschaftliche Verwendbarkeit darstellt. Die technische Nutzungsdauer stellt nach Werndl auch bei Kunstwerken die Obergrenze der wirtschaftlichen Nutzungsdauer dar. Dies ist nach Überzeugung des UFS im besonderen bei Werken wie dem gegenständlich zu beurteilenden mit seinem außergewöhnlich hohen bau- und computertechnischen Anteil zu beachten. Denn die beschriebenen Kommunikations-Funktionen des Werkes (der Skulptur) setzen die technische Nutzbarkeit des Bauwerks (einschließlich der computergenerierten Lichtinstallation) voraus. Da nun aber nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass die Nutzung des Turms als "Nachrichtenwetterstation" (grundsätzlich vergleichbar mit der Nutzung des MH selbst) trotz eines zumutbaren Erhaltungsaufwandes in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen endet, unterliegt das Wirtschaftsgut in absehbarer Zeit einem Substanzverzehr. Ebendies wird sowohl vom Architekten des MH, vom Schöpfer der Skulptur sowie vom Zivilingenieur bestätigt, der die statischen Berechnungen des Turmes vorgenommen hat. Dies aber bedeutet, dass der Lichtturm sowohl der AfA als auch dem IFB zugänglich ist.

Daran vermögen auch die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Überlegungen der Amtspartei, nach denen aus der kunsthistorischen Bedeutung des Werks, der internationalen, mit dem Tod nicht begrenzten Reputation des Künstlers und der Nichtabnutzbarkeit der dem Werk zugrunde liegenden Idee auf die Nichtabnutzbarkeit des Werkes zu schließen ist, nichts zu ändern. Der Senat folgt zwar uneingeschränkt den vorgetragenen Prämissen (vgl. dazu auch Michelangelo: "Kein Bild kann selbst der beste Künstler nicht ersinnen, das nicht der Marmor schon umschlossen in sich birgt,...."), teilt aber nicht die daraus gezogenen Schlüsse. Denn wie die Bw zutreffend zu bedenken gegeben hat, schützt selbst die Unsterblichkeit einer Idee deren materielle Umsetzung nicht vor Abnutzung und Verschleiß. Oder mit anderen Worten: Die Klassifizierung eines Wirtschaftsgutes als Kunstwerk stellt dieses nicht automatisch unter einen vor Witterungseinflüssen schützenden, lebenserhaltenden und wertbewahrenden Glassturz. Zu berücksichtigten ist dabei im Berufungsfall insbesondere, dass der Kostenanteil, welcher auf die konzeptuelle und manuelle Arbeit des Künstlers im konkreten entfällt, vernachlässigbar gering ist. Im vorgegebenen ertragsteuerlichen Rahmen geht es aber gerade darum, die Anschaffungskosten des Turmes, von denen 90% auf abnutzbare Bestandteile und zugekaufte Fremdleistungen entfallen, verteilt auf die Nutzungsdauer abzuschreiben. Hingewiesen wird weiters auf die Entstehungsgeschichte des Turmes und dessen vertragliche Grundlage. Wie die Bw ausgeführt hat, hatte der Künstler im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits die Grundidee. Im Werkvertrag hat sich der Künstler zur Planung, Herstellung, Lieferung und funktionstüchtigen Montage des gesamten Turms (Stahlkonstruktion sowie Lichtinstallation) verpflichtet und dafür den Anspruch auf ein pauschales Werkhonorar erworben, dessen letzte Rate erst bei kompletter Fertigstellung und Funktionstüchtigkeit fällig war. Damit aber wird klar, dass die Bw ein elementares wirtschaftliches Interesse am funktionierenden Turm hatte. Wäre der erstinstanzlichen Rechtsmeinung zu folgen, dann müsste konsequenterweise auch die Abnutzbarkeit des MH selbst in Frage gestellt werden, da auch es die unsterbliche Idee eines Baukünstlers zum Ausgangspunkt hat.

Das Finanzamt hat nicht nur die Abnutzbarkeit des Lichtturms an sich in Zweifel gezogen. Es erhob für den Fall, dass die Abnutzbarkeit bejaht wird, auch die Frage nach dem richtigen AfA-Satz. Freilich wurde dieses Vorbringen nicht näher begründet und auch nicht konkretisiert. Demgegenüber hat die Bw in der mündlichen Verhandlung den gewählten AfA-Satz von 5% mit der Lebensdauer der einzelnen Turmbestandteile, mit dem hohen bau- und computertechnischen Anteil sowie mit dem Hinweis auf die Afa-Tabellen und die anerkannten AfA-Sätze für vergleichbare Wirtschaftsgüter begründet. Der erkennende Senat erachtet diese Überlegungen für schlüssig, zumal sie sich auch mit der Aussage des Architekten des MH decken.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, 4. Dezember 2003

Beilagen: Konstruktionspläne "Extra"-Ausgabe

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 7 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

AfA, Kunstwerke, Gebrauchskunst, technische Abnutzung

Verweise:

VwGH 05.07.1994, 91/14/0110

Stichworte