Zeitlicher Umfang der Haftung bei Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion, Überwachungspflicht
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/14/0097 eingebracht. Mit Erk. v. 22.1.2004 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Umsatzsteuer 1994: € 686,69 (S 9.449)
Umsatzsteuer 1995: € 50.928,54 (S 700.792)
Umsatzsteuer 1996: € 22.747,61 (S 313.014)
Lohnsteuer 1995: € 62,38 (S 858,40)
Dienstgeberbeitrag 1995: € 1.080,64 (S 14.870)
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1995: € 127,32 (S 1.752)
Körperschaftsteuer 1995: € 46.635,90 (S 641.724)
Körperschaftsteuer 1996: € 1.090,09 (S 15.000)
Kapitalertragsteuer 1995: € 68.932,61 (S 948.533) Kapitalertragsteuer 1996: € 34.774,10 (S 478.502)
Verspätungszuschlag 1995: € 621,57 (S 8.553)
Pfändungsgebühr 1995: € 8,43 (S 116)
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Die Z-GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 31. Jänner 1994 gegründet und am 31. März 1994 in das Firmenbuch eingetragen. MZ und KS übernahmen je eine Stammeinlage von 250.000 S, die jeweils zur Hälfe einbezahlt wurde. Am 6. September 1994 trat der geschäftsführende Gesellschafter MZ seinen Geschäftsanteil um einen Schilling an die Berufungswerberin ab, die auch zur alleinigen Geschäftsführerin der Z-GmbH bestellt wurde. Mit Vollmachtsurkunde vom 30. Oktober 1996 bevollmächtigte die Berufungswerberin ihren Bruder HS, alles Geschäftliche für sie zu entscheiden und zu unterzeichnen. Am 10. Dezember 1996 traten KS und die Berufungswerberin ihre Geschäftsanteile an der Z-GmbH um je einen Schilling an FS ab, der seither Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer war. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. März 1998 wurde der Konkursantrag der Z-GmbH vom 3. Februar 1998 mangels Vermögens abgewiesen. Mit Gerichtsbeschluss vom 21. Oktober 2000 wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG von Amts wegen gelöscht.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 wurde die Berufungswerbern gemäß den §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Z-GmbH im Gesamtausmaß von S 3.495.969,40 (€ 254.062) zur Haftung herangezogen. Hievon entfallen auf Umsatzsteuer 1994: S 9.449 (€ 686,69), Umsatzsteuer 1995: S 700.792 (€ 50.928,54), Umsatzsteuer 1996: S 417.352 (€ 30.330,15), Lohnsteuer 1995: S 858,40 (€ 62,38), Dienstgeberbeitrag 1995: S 14.870 (€ 1.080,64), Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1995: S 1.752 (€ 127,32), Lohnsteuer 1996: S 848 (€ 61,63), Dienstgeberbeitrag 1996: S 8.978 (€ 652,47), Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1996: S 1.058 (€ 76,88), Körperschaftsteuer 1995: S 641.724 (€ 46.635,90), Körperschaftsteuer 1996: S 186.886 (€ 13.581,53), Kapitalertragsteuer 1995: S 948.533 (€ 68.932,61), Kapitalertragsteuer 1996: S 522.002 (€ 40.115,55), Verspätungszuschlag 1995: S 8.553 (€ 621,57), Verspätungszuschlag 1996: S 2.198 (€ 159,73), Pfändungsgebühr 1995: S 116 (€ 8,43).
In der fristgerechten Berufung gegen den Haftungsbescheid wurde eingewendet, dass die Berufungswerberin nur formell als Geschäftsführerin der Z-GmbH fungiert und mit der tatsächlich von ihrem Bruder HS ausgeübten Geschäftsführung nichts zu tun gehabt habe. In einem Strafprozess beim Landesgericht Innsbruck sei sie deshalb vom Vergehen der fahrlässigen Krida freigesprochen worden. Die haftungsgegenständlichen Steuerschulden resultierten im Wesentlichen aus den bei einer Betriebsprüfung im Jahr 1997 getroffenen Feststellungen, welche der Z-GmbH "äußerst bedenklich" erschienen seien. Die auf Grund dieser Prüfungsfeststellungen ergangenen Steuerbescheide seien aber in Rechtskraft erwachsen, weil die Z-GmbH mangels entsprechender Mittel nicht in der Lage gewesen sei, ihren damaligen steuerlichen Vertreter mit der Führung eines Berufungsverfahrens zu betrauen. Die diesbezügliche Abgabennachforderung von rund 4 Millionen Schilling sei mit ein Grund dafür gewesen, dass die Z-GmbH Konkurs angemeldet habe. Wie dem im Krida-Strafverfahren erstellten Sachverständigengutachten entnommen werden könne, sei die Z-GmbH bereits ab dem Jahr 1994 zahlungsunfähig gewesen. Da demnach überhaupt keine liquiden Mittel vorhanden gewesen seien, habe die Berufungswerberin die Abgabenzahlungspflicht nicht schuldhaft verletzt.
Das Finanzamt gab dieser Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 26. August 2002 keine Folge. Begründend führte es dazu aus, dass die Berufungswerberin nach Ausweis des Firmenbuches im Zeitraum 9. September 1994 bis 13. Dezember 1996 als Geschäftsführerin der Z-GmbH bestellt gewesen sei. Ein Verschulden an der Uneinbringlichkeit des Steuerrückstandes könne nicht dadurch in Abrede gestellt werden, dass die Geschäftsführung vom Bruder der Berufungswerberin wahrgenommen worden sei. Dem GmbH-Gesetz sei nämlich die Bestellung derartiger Hilfs- bzw. Assistenzorgane fremd. Sollte die Gesellschaft bereits im Jahr 1994 zahlungsunfähig geworden sein, so hätte die Berufungswerberin schon damals einen Konkursantrag stellen müssen. Da sie dies unterlassen habe, habe sie ihre Pflichten als Geschäftsführerin verletzt.
Mit Eingabe vom 22. September 2002 wurde - ohne weiteres Vorbringen - der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die dem von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Die Berufungswerberin bestreitet nicht, dass sie in der Zeit vom 9. September 1994 bis zu ihrer Abberufung mit Gesellschafterbeschluss vom 10. Dezember 1996 Geschäftsführerin der Z-GmbH war. Weiters steht außer Streit, dass die haftungsgegenständlichen Steuerschulden bei der zwischenzeitig von Amts wegen gelöschten Primärschuldnerin uneinbringlich sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. zB VwGH 17. 10. 2001, 2001/13/0127).
Der Berufungswerberin ist zunächst einzuräumen, dass es sich bei den Pflichten, deren Verletzung eine der Voraussetzungen für die Haftung des Vertreters ist, nur um abgabenrechtliche Verpflichtungen handelt. Die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vertretenen zu stellen, zählt nicht dazu (vgl. VwGH 17. 8. 1998, 97/17/0096). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung rechtfertigen die Haftungsinanspruchnahme somit nicht.
Der Auffassung der Berufungswerberin, es sei ihr deshalb kein Verschulden im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO vorzuwerfen, weil sie nur als pro forma Geschäftsführerin der Z-GmbH aufgetreten sei, die Leitung der Gesellschaft aber ihrem Bruder überlassen habe, kann indessen nicht gefolgt werden. Für das haftungsbegründende Verschulden ist es nämlich nicht maßgeblich, ob die Berufungswerberin ihre Vertretungsfunktion tatsächlich ausübte, sondern dass sie als Geschäftsführerin bestellt war und ihr daher die Ausübung dieser Funktion oblegen wäre. Die Nichtausübung der Geschäftsführerfunktion begründet daher ein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgaben, wenn diese bei einem pflichtgemäßen Verhalten aus den Mitteln der Gesellschaft hätten entrichtet werden können.
Der sinngemäße Berufungseinwand, die Uneinbringlichkeit der Abgaben sei nicht auf eine Pflichtwidrigkeit der Berufungswerberin, sondern auf die bereits seit dem Jahr 1994 gegebene Mittellosigkeit der Z-GmbH zurückzuführen, wurde in der schriftlichen Stellungnahme des nunmehrigen steuerlichen Vertreters vom 11. März 2003 dahin gehend geändert, dass die Mittel der Gesellschaft nicht zur vollständigen Befriedigung der Abgabenforderungen ausgereicht hätten. Dazu sei dem im Krida-Strafverfahren erstellten Sachverständigengutachten zu entnehmen, dass das Abgabenkonto der Z-GmbH bis zum 23. Februar 1995 keinen Rückstand aufgewiesen habe. Aus dem Umstand, dass bis Anfang 1995 nur drei Exekutionsverfahren anhängig gewesen seien, folge, dass bis zu diesem Zeitpunkt Zahlungen (wenn auch stockend) erfolgt seien. Erst im Verlauf des Jahres 1995 sei der Abgabenrückstand kontinuierlich angestiegen und habe auch die Anzahl der Exekutionsverfahren zugenommen. Nach Ansicht des Sachverständigen sei die Z-GmbH spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 1996 zahlungsunfähig gewesen. Die Berufungswerberin habe weder einen übermäßigen Aufwand getrieben noch Geschäfte abgeschlossen, die mit den Vermögensverhältnissen der Z-GmbH in auffallendem Widerspruch standen. Die Ursachen für die Insolvenz der Gesellschaft seien sowohl in der zu geringen Eigenkapitalausstattung als auch im mangelnden Geschäftserfolg gelegen gewesen. Ein Vergleich der Abgabenschulden mit den übrigen Verbindlichkeiten der Z-GmbH zeige, dass sich die Steuerschulden nahezu konform mit den sonstigen Verbindlichkeiten entwickelt hätten. Zu einer Benachteiligung des Abgabengläubigers sei es somit nicht gekommen.
Dazu ist zunächst festzustellen, dass es für die Haftung gemäß § 9 BAO ohne Bedeutung ist, ob die Berufungswerberin ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Z-GmbH trifft. Einer näheren Auseinandersetzung mit den Ursachen der Insolvenz der Gesellschaft bedarf es daher nicht (vgl. VwGH 7. 9. 1990, 89/14/0261). Da die Haftungsinanspruchnahme keinen Schuldspruch in einem (gerichtlichen) Strafverfahren voraussetzt, wird die Berufungswerberin auch nicht dadurch von der Haftung befreit, dass sie vom Vorwurf der fahrlässigen Krida freigesprochen wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes haftet der Geschäftsführer einer GmbH für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stehen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschuldigkeiten daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (vgl. zB VwGH 19. 12. 2002, 2002/15/0152).
Zum Nachweis dafür, dass der Abgabengläubiger nicht benachteiligt worden sei, legte die Berufungswerberin eine Aufstellung über die Entwicklung der Abgabenschulden, der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge, der Lieferantenverbindlichkeiten sowie der sonstigen Verbindlichkeiten der Z-GmbH bis zum 13. Dezember 1996 bzw. 12. Februar 1997 vor (siehe Beilage zur Stellungnahme vom 11. März 2003). Diese Aufstellung bezieht sich nur auf die ab dem 29. Dezember 1995 entstandenen Lieferantenverbindlichkeiten und sonstigen Verbindlichkeiten sowie die Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen ab dem 12. Juni 1996. Aus den Jahresabschlüssen der Z-GmbH ist aber ersichtlich, dass schon zu Beginn des haftungsrelevanten Zeitraumes Lieferantenverbindlichkeiten bestanden, welche sich zwischen den Bilanzstichtagen 31. Dezember 1994 und 31. Dezember 1995 von rund S 599.000 auf rund S 280.000 verringerten. Weiters lässt die Darstellung der Salden des Abgabenkontos im Zeitraum 22. Juni 1994 bis 27. Februar 1997 jene Nachforderungen an Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 und 1996 außer Acht, die sich auf Grund der Feststellungen bei der im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung ergaben. Zudem besagt die vorgelegte Aufstellung nichts darüber, welche Mittel der Gesellschaft zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung standen, wie hoch die an die Gläubiger geleisteten Zahlungen waren, und in welchem Umfang die Z-GmbH Bargeschäfte tätigte. Ein Nachweis für die Beachtung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung wurde somit nicht erbracht.
Das Vorbringen, die Z-GmbH sei nach Ansicht des Buchsachverständigen spätestens ab Mitte 1996 zahlungsunfähig gewesen, ist ebenfalls nicht zielführend, weil aus der Unfähigkeit, fällige Geldschulden mangels bereiter Mittel regelmäßig gänzlich zu erfüllen, nicht die tatsächliche Unmöglichkeit, Schulden schlechthin zu bedienen, folgt. Im Übrigen wird auf die Befriedigung diverser Gläubiger der Z-GmbH noch in der Zeit vom 26. März 1997 bis 5. Jänner 1998 sowie auf die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen bis 8. Mai 1998 hingewiesen (siehe Sachverständigengutachten, S. 18 - 23).
In der Stellungnahme vom 11. März 2003 wurde weiters eingewendet, dass die Z-GmbH die von der Betriebsprüfung errechneten "Schwarzumsätze" in Wahrheit nicht erzielt habe. Die vom Betriebsprüfer angewandte Schätzungsmethode sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft (vgl. zu den Einzelheiten Punkt 5.2.2. der Stellungnahme). Die im Anschluss an die Betriebsprüfung erlassenen Steuerbescheide seien nur deshalb rechtskräftig geworden, weil der damalige steuerliche Vertreter der Z-GmbH einen Rechtsmittelverzicht abgegeben habe, ohne die Gesellschaft hierüber zu informieren. Hätte er mit der Z-GmbH Rücksprache gehalten, hätte diese gegen die Abgabenbescheide berufen. Zudem habe der seinerzeitige Steuerberater übersehen, dass auch die zur Haftung herangezogene Berufungswerberin gegen die zugrunde liegenden Abgabenansprüche berufen hätte können (§ 248 BAO). Durch diese Beratungsfehler sei ihr die Möglichkeit genommen worden, die Schätzung der Finanzbehörde wirksam zu bekämpfen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Betriebsprüfung sei daher unumgänglich, zumal eine erfolgreiche Berufung gegen den Abgabenanspruch zu einer wesentlichen Einschränkung der Haftung führen würde bzw. geführt hätte.
Hierauf ist zu erwidern, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit einer dem Primärschuldner bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgabe nicht im Haftungsverfahren, sondern durch eine dem Haftenden gemäß § 248 BAO ermöglichte Berufung gegen den Abgabenbescheid geltend zu machen sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Oktober 2001, 98/14/0142, ausführte, ist die Behörde im Haftungsverfahren an den dem Haftungsbescheid vorangegangenen Abgabenbescheid gebunden und hat sich die Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Die Berufungswerberin räumt selbst ein, dass die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei der Z-GmbH ihren Niederschlag in den anfechtbaren Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheiden für 1995 und 1996 (Ausfertigungsdatum 2. Dezember 1997) bzw. Haftungs- und Zahlungsbescheiden betreffend Kapitalertragsteuer 1995 und 1996 (Ausfertigungsdatum 4. November 1997) gefunden hat. Dass eine Anfechtung dieser Bescheide im Hinblick auf eine allenfalls unzulängliche Rechtsberatung unterblieb, hat auf die Bindungswirkung im Haftungsverfahren keinen Einfluss. Für eine Beurteilung der (Vor)-Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch gegeben ist, bleibt daher kein Raum. Vielmehr ist nach der Aktenlage davon auszugehen, dass der Steuerrückstand, soweit er die von der Betriebsprüfung ermittelten Nachforderungen betrifft, deshalb entstand, weil die Z-GmbH keine ordnungsmäßigen Bücher führte, die Einnahmen unvollständig aufzeichnete, unrichtige Steuererklärungen einreichte und solcherart die tatsächlichen Umsätze und Betriebsergebnisse der Besteuerung entzogen wurden (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 29. Oktober 1997).
In der Eingabe vom 26. September 2003 vertrat die Berufungswerberin den Standpunkt, dass sie selbst dann kein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der aus der Betriebsprüfung resultierenden Steuerschulden treffe, wenn die Z-GmbH tatsächlich Schwarzgeschäfte getätigt hätte. Wären nämlich derartige Einnahmen erzielt worden, so hätte hierüber nur HS als faktischer Geschäftsführer und Inkassant der betreffenden Geldbeträge verfügen können. Da die Berufungswerberin keine Kenntnis von derartigen Unregelmäßigkeiten gehabt habe, habe sie nicht erkennen können, dass sie durch die Vorenthaltung von Einnahmen an der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen behindert werde. Daher habe für die Berufungswerberin auch keine Veranlassung bestanden, allfälligen Malversationen seitens ihres Bruders HS entgegenzutreten oder ihre Funktion als Geschäftsführerin zurückzulegen.
Diese Argumentation übersieht, dass der Berufungswerberin mit der Bestellung zur Geschäftsführerin der Z-GmbH auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen wurde. In Erfüllung dieser Verpflichtung hätte die Berufungswerberin insbesondere dafür zu sorgen gehabt, dass gesetzmäßige Aufzeichnungen geführt, die Einnahmen vollständig erklärt und die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden. Die Berufungswerberin konnte das Haftungsrisiko nicht dadurch von sich abwenden, dass sie die steuerlichen Belange der Z-GmbH nicht selbst wahrnahm, sondern diese an einen "faktischen" Geschäftsführer übertrug. Die Berufungswerberin traf eine umfassende Kontrollpflicht, die sie dazu veranlassen hätte müssen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch die Einrichtung von Kontrollmechanismen sicherzustellen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Die Berufungswerberin hätte die Tätigkeit des HS zumindest in solchen Zeitabständen überwachen müssen, dass ihr die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten, nicht verborgen blieb (vgl. VwGH 19. 2. 2002, 2001/14/0205). Von dieser Verpflichtung wurde die Berufungswerberin auch dann nicht befreit, wenn sie meinte, auf ein pflichtgemäßes Verhalten des HS vertrauen zu können.
Da es in Anbetracht dieser Rechtslage keine Rolle spielt, dass das Inkasso der aus den Geschäften der Z-GmbH fließenden Geldbeträge HS oblag, und sich die Berufungswerberin der mit ihrer Organstellung verknüpften Verantwortung auch nicht dadurch entledigen kann, dass sie nur über jene Geldbeträge verfügt habe, welche ihr von HS jeweils als Losung bekannt gegeben worden seien, war dem im Schreiben vom 26. September 2003 gestellten Beweisantrag, HS zu diesem Thema im Beisein des steuerlichen Vertreters der Berufungswerberin einzuvernehmen, nicht zu entsprechen. Für ein Verschulden im Sinne des § 9 BAO kommt es nämlich weder auf das konkrete Wissen der Berufungswerberin über die unvollständige Erfassung von Einnahmen, noch darauf an, dass der Z-GmbH dadurch liquide Mittel entzogen wurden. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Berufungswerberin über diese Vorgänge bei der Z-GmbH (zumindest fahrlässigerweise) keine hinreichende Kenntnis verschaffte.
Mit dem weiteren Vorbringen, die Z-GmbH habe am 27. November 1996 eine Zahlung von S 3.942 (€ 286,48) geleistet und eine Weisung gemäß § 214 Abs. 4 BAO auf Verrechnung dieser Zahlung mit den im Haftungsbetrag enthaltenen Lohnabgaben für Oktober 1996 erteilt, befindet sich die Berufungswerberin hingegen im Recht. Von einer diesbezüglichen Haftungsinanspruchnahme war daher Abstand zu nehmen.
Ebenso war von der Geltendmachung der Haftung für die Verspätungszuschläge 1996 abzusehen, weil diese erst am 19. Dezember 1996 und am 17. Februar 1997, also erst nach dem Ausscheiden der Berufungswerberin als Geschäftsführerin fällig geworden sind.
Was die Körperschaftsteuervorschreibung für 1996 von 171.886 S (12.491,44 €) laut Bescheid vom 2. Dezember 1997 betrifft, so ist die Ursache für das Entstehen dieser Nachforderung primär darin zu sehen , dass die Z-GmbH am 1. September 1997 eine unrichtige Körperschaftsteuererklärung für 1996 einreichte, welche zu einer unzutreffenden Steuerfestsetzung mit Erstbescheid vom 15. Oktober 1997 führte. Da der Vorwurf der Unrichtigkeit nicht die zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Abgabenerklärung als Geschäftsführerin bereits ausgeschiedene Berufungswerberin, sondern den neu bestellten Geschäftsführer FS trifft, erscheint ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen einer schuldhaften Pflichtverletzung durch die Berufungswerberin und der Uneinbringlichkeit dieser Abgabe nicht gegeben. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme liegen daher auch insoweit nicht vor.
Die Nachforderungen an Umsatz- und Kapitalertragsteuer für 1996 umfassen das gesamte Kalenderjahr und damit auch jenen Zeitraum, in dem die Berufungswerberin nicht mehr Geschäftsführerin der Z-GmbH war. Dabei ist aus haftungsrechtlicher Sicht zu berücksichtigen, dass die Berufungswerberin die Verpflichtung gemäß § 80 Abs. 1 BAO nur in jenem Zeitraum traf, in dem sie die Vertreterstellung innehatte. Nur in diesem Zeitraum konnte sie eine nach § 9 Abs 1 BAO relevante Pflichtverletzung begehen und den Haftungstatbestand verwirklichen. Bei der Umsatz- und Kapitalertragsteuer für 1996 handelt es sich um Selbstbemessungsabgaben, bei denen sich der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob der Vertreter den abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nachgekommen ist, danach richtet, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. VwGH 17. 8. 1998, 98/17/0038). Demnach wäre die Berufungswerberin zur Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen bzw. zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer zu den sich aus den Bestimmungen der §§ 21 Abs. 1 UStG 1994 und 96 Abs1 Z 1 EStG 1988 ergebenden Fälligkeitszeitpunkten verpflichtet gewesen. Eine diesbezügliche Pflichtwidrigkeit besteht aber nur insoweit, als diese Abgaben in der Zeit der Vertretungstätigkeit der Berufungswerberin zur Zahlung fällig waren. Dies betrifft jenen Teil der Umsatz- und Kapitalertragsteuernachforderung für 1996, der bei einem pflichtgemäßen Verhalten als Umsatzsteuervorauszahlungen für die Kalendermonate Jänner bis September 1996 zu entrichten bzw. als Kapitalertragsteuer von den im Zeitraum Jänner bis November 1996 zugeflossenen Kapitalerträgen (verdeckte Gewinnausschüttung) abzuführen gewesen wäre. Diesen haftungsrechtlichen Gegebenheiten war dadurch Rechnung zu tragen, dass die Haftung für diese Abgaben auf 9/12 der im Haftungsbescheid ausgewiesenen Umsatzsteuer für 1996 (313.014 S = 22.698, 13 €) bzw. auf 11/12 der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer für 1996 (478.502 S = 34.774,10 €) einzuschränken war. In der Stellungnahme vom 26. September 2003 wurden gegen diese Aliquotierung keine Einwendungen erhoben.
Der Auffassung der Berufungswerberin, die von ihr behaupteten Umstände seien geeignet, die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung zu widerlegen, konnte aus den geschilderten Gründen nicht gefolgt werden. Wenn schuldhaft nicht entrichtete Abgaben in der Folge uneinbringlich werden - davon war im Berufungsfall auszugehen -, werden der Rechtswidrigkeitszusammenhang und die Verursachung des Abgabenausfalles durch die Pflichtverletzung vermutet. Die Berufungswerberin hat letztlich nichts vorgetragen, was diese Vermutung entkräftet.
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Berufungswerberin war im Haftungszeitraum alleinige Geschäftsführerin der Z-GmbH und damit die einzig in Betracht kommende Haftungspflichtige. Gründe, welche die Abgabeneinbringung im Haftungsweg unbillig erscheinen ließen, wurden von der Berufungswerberin nicht dargelegt. Aus der Behauptung, sie sei nur pro forma Geschäftsführerin gewesen, ergibt sich kein Unbilligkeitsgrund (vgl. VwGH 2. 7. 2002, 96/14/0076). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, 13. Oktober 2003
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Abgabenzahlungspflicht, Pflichtverletzung, Selbstbemessungsabgaben, Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion, Überwachungspflicht |
Verweise: |