Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/15/0115 eingebracht. Mit Erk. v. 27.11.2003 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Zwettl betreffend Abweisung des Antrages vom 29. November 2002 auf Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1995 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom 29. November 2002 (ESt-Akt Bl 216ff/1995) beantragte der Bw. die Wiederaufnahme seines Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 1995, welches mit Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 abgeschlossen worden war. Die gegen diese Berufungsentscheidung erhobene Beschwerde war vom Verwaltungsgerichtshof unter Zl. 98/15/0184 am 27. Juni 2001 abgewiesen worden. Der Bw. beantragte die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO und gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO (vgl. Seite 4/Mitte der Eingabe vom 29. November 2002), wobei laut Seite 6/unten "jedenfalls der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO allenfalls auch der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. c BAO" vorliege. (Anm.: Die Geltendmachung dieser lit. c wird künftig als 1. Eventualantrag bezeichnet.) Weiters wurde beantragt, im wiederaufgenommenen Verfahren den (aus dem behaupteten Bezug von Parfumölen resultierenden) bisher nicht anerkannten Vorsteuerbetrag von 1.931.337,54 öS (140.355,77 €) anzuerkennen und an den Bw. auszuzahlen.
Dem Wiederaufnahmsantrag war zum Beweis ein 48seitiger Internet-Ausdruck (ESt-Akt Bl 220-267/1995), der laut Fußzeile von der Internet-Adresse H stammte und am 29. August 2002 ausgedruckt wurde, beigelegt, dessen Inhalt laut Auf- bzw. Überschrift ein Verhandlungsprotokoll vom 16. Verhandlungstag, stattgefunden am 13. Februar 2001, in der Strafsache G des Landesgerichtes für Strafsachen Wien darstellen soll und mit einer Antwort des Sachverständigen (SV) Dr. B beginnt.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 7. April 2003 den Antrag vom 29. November 2002 auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab, weil die unterschiedliche Würdigung eines Beweismittels, des Sachverständigengutachtens, durch unterschiedliche Staatsorgane in voneinander getrennten Verfahren keine zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente, später erst hervorgekommene Tatsache sei (ESt-Akt Bl 268/1995).
Mit Schreiben vom 6. Mai 2003 wurde Berufung gegen diesen Bescheid erhoben. Es gehe nicht um die bloß andere Würdigung eines Beweismittels in einem anderen Verfahren.
Begehrt werde die Bewilligung der Wiederaufnahme, die Anerkennung der Vorsteuern von 1.931.337,54 öS (140.355,77 €) im wiederaufgenommenen Verfahren und die Auszahlung des genannten Betrages an den Bw.
In eventu werde beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die Abgabenbehörde erster Instanz zurückzuverweisen. (Anm.: Dieser Antrag wird künftig als 2. Eventualantrag bezeichnet.)
Über die Berufung wurde erwogen:
Neu hervorgekommen sei laut Vorbringen des Bw. (vgl. S. 5 bis 7 der Eingabe vom 29. November 2002):
a) Dass das Gutachten Dris B kein verwertbares oder brauchbares Beweismittel sei, weil der Gutachter nicht wisse, woher die Proben stammten, und er vor Ort keine Proben gezogen habe. Grundvoraussetzung sei, dass der Sachverständige selbst die Grundlagen erhebe und feststelle.
Dieses Argument ist nicht stichhaltig, weil ein Gutachten nicht dadurch entwertet wird, dass der Sachverständige die zu begutachtenden Proben in sein Labor eingeliefert bekommt. Es stimmt daher nicht und kann daher nicht neu hervorgekommen sein, dass das Gutachten Dris B aus diesem Grund unverwertbar oder unbrauchbar wäre.
b) Dass Dr. B "keine Analysen der vorhandenen Proben durchgeführt hat, insbesondere keine organanalytischen Untersuchungen durchgeführt wurden."
Mit dieser - somit keinen Wiederaufnahmsgrund nachweisenden - Argumentation widerspricht der Bw. dem von ihm selbst als Beweismittel vorgebrachten Internetausdruck, welcher das Datum 29. August 2002 trägt: Auf dessen "Seite 19 von 50" (ESt-Akt Bl 238/1995) antwortet der Sachverständige Dr. B: "Anhand der Inhalte und Analyse die wir (!) durchgeführt habe." und auf "Seite 22 von 50" antwortet Dr. B auf die Frage, ob er diese Überprüfungen alleine durchgeführt habe: "Nein, ich hatte 2 Mitarbeiter, nämlich (Prof. C) --- tut für organische Chemie, ausgewiesen für Massenspektometrie und unse --- zeitiger gemeinsamer Dissertant (D), der bei uns --- die Analytikabteilung führt." (Anm.: Die mit "---" gekennzeichneten Lücken entstammen dem vom Bw. eingebrachten Internetausdruck.)
c) Dass in den (Parfum)Proben kein Rapsöl und keine Salpetersäure enthalten gewesen sei. (Anm.: war in einem anderen Kanister)
Diese Argumentation geht ins Leere, weil die Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 nicht darauf gestützt wurde, dass die Parfumproben Rapsöl und Salpetersäure enthalten hätten.
d) Dass Dr. B den Handelswert und insbesondere den ideellen Wert nicht ermittelt habe und betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt habe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass derartiges von einem chemischen Gutachten nicht erwartet werden kann und diesbezüglich jedenfalls kein Neuhervorkommen vorliegen kann: Dem Bw. wurde vor der Erlassung der Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 das Gutachten Dris B zur Kenntnis gebracht (vgl. VwGH-Erk 27.6.2001, 98/15/0184) und der Bw. hat bereits mit Schriftsatz vom 14. September 1998 den Einwand vorgebracht, dass Dr. B die ideellen Kosten nicht ermittelt habe (vgl. Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 , S. 2f).
e) Dass nicht festgestellt worden sei, dass etwas verlängert oder gestreckt worden sei, und dass in der Vergleichsserie E (mit exklusivem Namen) dieselben Inhaltsstoffe vorgefunden worden seien.
Darauf ist zu entgegnen, dass die Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 nicht auf die Verlängerung oder Streckung der Substanzen gestützt wurde. Hochwertige und minderwertige Produkte weisen oft dieselben Inhaltsstoffe auf, z.B. ist Alkohol sowohl in gutem als auch in schlechtem Wein enthalten.
f) Dass Dr. B zum selben Ergebnis wie Ing. F gekommen sei; Ing. F habe festgestellt, dass die von ihm untersuchten I-Produkte aufgrund der von ihm vorgefundenen Inhaltsstoffen hochwertigen Produkten entsprächen.
Dem vom Bw. vorgelegten Internetausdruck ("Seite 22 von 50") ist nur zu entnehmen, dass einer der Verteidiger zu Dr. B gesagt hat: "Sie kommen zum gleichen Ergebnis." (ESt-Akt Bl 241/1995). Eine derartige bloße Äußerung eines der Verteidiger, die überdies nicht die gesamten Behauptungen des Bw. abdeckt, kann nicht als Beweis eines Wiederaufnahmsgrundes betrachtet werden.
Weiters ist daran zu erinnern, dass die Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 sich nicht nur auf die Untersuchung Dris B gestützt hat, sondern sich auf eine ganze Reihe von nichtchemischen Argumenten für das Vorliegen von billiger Riechstoffware gestützt hat, etwa
- fehlender Nachweis einer brachenüblichen Chargennummer,
- widersprüchliche Herkunft und ungebräuchliche Produktbezeichnung,
- unrealistischer Einkaufspreis und Handelsspanne,
- Holzverschlag als Produktionsstätte,
- Lieferung in Plastikgebinden.
Selbst wenn der Bw. mit der Entkräftung des chemischen Gutachtens nicht gescheitert wäre, hätten die angeführten weiteren Argumente die Erlassung eines anderslautenden Bescheides verhindert.
Zum 1. Eventualantrag:
Da der Bw. laut Aktenlage (ESt-Akt Bl 270ff/1995) nicht Angeklagter in dem Prozess war, aus dessen teilweiser Verhandlungsniederschrift er Wiederaufnahmsgründe ableitet, worauf auch aus seiner vorgebrachten Nichtkenntnis des diesbezüglichen Verhandlungsverlaufes bis zum 29. August 2002 zu schließen ist, kann § 303 Abs. 1 lit. c BAO (sog. Vorfragentatbestand) keinesfalls anwendbar sein, denn hierzu müsste die Entscheidung der Hauptfragenbehörde jedenfalls gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend sein (Ritz, BAO2, § 303 Tz 20).
Der Wiederaufnahmsantrag des Bw. hat somit keine tauglichen Wiederaufnahmsgründe vorgebracht, weshalb die erstinstanzliche Versagung der beantragten Wiederaufnahme zu bestätigen ist und die Berufung abzuweisen ist. Da keine Wiederaufnahme erfolgt, kann schon deshalb der strittige Vorsteuerbetrag nicht in einem neuerlassenen Sachbescheid anerkannt werden und keine Auszahlung des strittigen Vorsteuerbetrages erfolgen.
Zum 2. Eventualantrag:
Da vom Finanzamt keine notwendigen Ermittlungen unterlassen worden sind, ist § 289 Abs. 1 BAO nicht anwendbar und eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt nicht möglich.
Wien, 15. September 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Wiederaufnahme auf Antrag, Abweisung |