Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz bei Uneinbringlichkeit des Entgelts
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/13/0109 eingebracht. Mit Erk. v. 3.9.2008 als unbegründet abgewiesen.
Anmerkungen:
Ruppe, Kommentar zum UStG 1994, § 4 Tz 51, § 16 Tz 33, Achatz, WBI 1987, S. 205 ff.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 8., 16. und 17. Bezirk in Wien betreffend Umsatzsteuer 1999 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Die Bw. betreibt das Baumeistergewerbe.
In der Umsatzsteuererklärung für 1999 machte die Bw. eine Berichtigung des Steuerbetrages gemäß § 16 UStG in Höhe von S 644.472, 04 geltend und wurde daraufhin vom Finanzamt ersucht, diese Berichtigung näher zu erläutern. Die Bw. führte folgendes aus: Sie habe eine Forderung in Höhe von ca. S 3,500.000.- an Herrn Dr. M. um S 500.000.- abgetreten. Dieser trage das Risiko, wieviel er aus dieser Forderung noch hereinbekomme. Zu der Forderungsabtretung sei es deshalb gekommen , weil die Bw. eine Restforderung gegenüber dem Kunden Familie D., resultierend aus dem Konkurs des vom Kunden bestellten Generalunternehmers, in Höhe von S 3,866.832,25, hatte. Infolge Zahlungsunfähigkeit der Familie D. traf die Bw. mit Dr. M. die Vereinbarung, die gesamte Forderung im Jahr 1999 um einen Betrag von S 500.000.- zu verkaufen. Dr. M. führte ergänzend aus, dass die von ihm im Jahr 1999 erworbene Forderung bereits damals sowohl ihrem Grunde nach als strittig als auch ihrer Einbringlichkeit nach als dubios gegolten habe.
Im Zuge der Veranlagung der Umsatzsteuer für 1999 wurde die beantragte Berichtigung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage mit der Begründung nicht gewährt, dass zu diesem Zeitpunkt die Uneinbringlichkeit der Forderung nicht festgestanden sei.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.9.2002 fristgerecht berufen und die erklärungsgemäße Veranlagung beantragt. Als Begründung führte die Bw. aus, dass die Uneinbringlichkeit einer Forderung dann gegeben sei, wenn mit ihrem Eingang bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne, wenn sie objektiv wertlos sei. Uneinbringlichkeit sei nicht nur gegeben, wenn mit absoluter Sicherheit feststehe, dass die Forderung nicht beglichen werde, sondern dann, wenn sie für geraume Zeit nicht durchsetzbar sei. Uneinbringlichkeit sei mit Uneintreibbarkeit gleichzusetzen. Diese liege etwa vor bei mangelnder Deckung der Forderung im Vermögen des Schuldners, Aussichtslosigkeit aus der Realisierung des Vermögens Befriedigung zu erlangen, wenn der Schuldner fruchtlos gepfändet worden sei oder unbekannten Aufenthaltes sei. Bei dem Erwerb der Forderung durch Dr. M. handle es sich für diesen um ein Glücksgeschäft. Die Forderung erschien zu einem sehr geringen Anteil überhaupt als einbringlich. Das restliche Ausmaß war als uneinbringlich einzustufen. Die Forderung wurde von Dr. M. betragsmäßig auch nur im Verhältnis zu jenem als zweifelhaft anzusehenden Teil der Forderung übernommen. Bei erfolgreicher Prozessführung und Einbringung der zugesprochenen Ansprüche wäre dieser Teil des Zuflusses des ungewissen Vorteils, welcher einem Glücksgeschäft eigen sei, bei einem Misserfolg müsste Dr. M. diesen tragen. Ohne diesen letzten Rest an möglicher Einbringung hätte Dr. M. ein derartiges Geschäft aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht abgeschlossen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 4 Abs.1 UStG 1994 wird der Umsatz im Fall des § 1 Abs.1 Zif.1 (Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist also das Entgelt. Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, so hat gemäß § 16 Abs.1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den geschuldeten Steuerbetrag entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist. Gemäß Abs.3 leg.cit. gilt Abs.1 sinngemäß, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist.
Die von der Bw. für das Jahr 1999 beantragte Umsatzsteuerberichtigung ist daher für dieses Jahr nur dann zulässig, wenn feststeht, dass ihre Forderung gegenüber der Familie D. in diesem Veranlagungszeitraum uneinbringlich war.
Laut ergänzender Stellungnahme zur Umsatzsteuererklärung 1999 hat die Bw. ihre Forderung in Höhe von S 3,866.832,25 im Jahr 1999 an Dr. M. um S 500.000.- verkauft. Das restliche Ausmaß der Forderung sei als uneinbringlich eingestuft worden, da diese (nämlich laut Berufung die "gegenständliche" und damit die gesamte Forderung) bereits über einen längeren Zeitraum erfolglos eingemahnt und eingeklagt worden sei. Dazu ist folgendes auszuführen: Wird eine Forderung auf Zahlung des vereinbarten Entgeltes gegen einen Preis verkauft, der unter dem Nennwert liegt, so erhält der Unternehmer zwar weniger als den vereinbarten Preis; dennoch liegt eine Änderung der Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht vor, weil sich an dem Entgelt, das ist der Betrag, den der Abnehmer aufzuwenden hat, durch den Forderungsverkauf allein nichts ändert. Erweist sich das Entgelt jedoch ganz oder teilweise als uneinbringlich, so kann der Zedent eine Änderung der Bemessungsgrundlage vornehmen. Übernimmt der Zessionar das Delcredere-Risiko, also das Risiko der Einbringlichkeit, spricht man vom "echten Factoring" (vgl. Ruppe, Kommentar zum UStG 1994, S.470 und 1084). Dieses Risiko ist somit dem "echten Factoring" immanent und stellt keinen Widerspruch zu diesem dar, wie die Bw. offenbar vermeint, wenn sie in der Berufung ausführt, dass sich die Forderungsübernahme durch Dr. M. für diesen als Glücksgeschäft darstellte, weil sowohl die erfolgreiche Prozessführung als auch die erfolgreiche Einbringung ungewiss gewesen seien.
Die Bw. wendet in der Berufung weiters ein, dass der S 500.000.- übersteigende Forderungsbetrag bereits im Jahr 1999 uneinbringlich gewesen sei. Abgesehen davon, dass die Bw. eine Erklärung schuldig bleibt, warum sie trotz erfolgloser Einbringungsmaßnahmen den Betrag von S 500.000.- dennoch für einbringlich hielt, legt der auch von Dr. M. geschilderte Sachverhalt die Vermutung nahe, dass die Forderungsübernahme dazu diente, einerseits der Bw. rasch zu liquiden Mitteln zu verhelfen und andererseits, sie vom Risiko der Einbringlichkeit und den damit verbundenen Kosten zu befreien. Die Abtretung erfolgte also nicht, wie die Bw. unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.6.1984, Zl.83/15/0177 ausführt, um einen Teil ihrer Forderung zu retten.
Möge sich auch die Eintreibung der Schuld vor Forderungsabtretung im Jahr 1999 schwierig gestaltet haben, so ist dennoch eine Forderung erst mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners uneinbringlich, also erst dann, wenn der Gläubiger mit einer vollen Befriedigung der Forderung nicht mehr rechnen kann, wenn sie, wie auch die Bw. ausführt, objektiv wertlos ist. Wird die Uneinbringlichkeit auf mangelnde Zahlungsfähigkeit des Schuldners gestützt, so muss die Bw. zumindest glaubhaft machen, dass mit Zahlung innerhalb absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann (vgl . Ruppe a.a.o., s. 1097). Ergebnislosen Mahnungen und Exekutionen kommt hingegen nur Indizcharakter hinsichtlich einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu (vgl. Achatz in WBl. 1987, S. 205 ff.). Uneinbringlichkeit ist zudem mehr als bloßer Zweifel an der Realisierbarkeit einer Forderung (Dubiosität). Den Ausführungen des Dr. M. in der Vorhaltsbeantwortung vom 27.5.2003 ist jedoch zu entnehmen, dass die Forderung aus damaliger Sicht doppelt bedingt ungewiss gewesen sei und zwar hinsichtlich des Obsiegens im Zivilverfahren und hinsichtlich der Einbringung der Forderung, falls diese zugesprochen würde. Dennoch ist davon auszugehen, dass Dr. M. die Forderung nicht übernommen hätte, wenn er nicht die Einbringung einer allenfalls zugesprochenen Forderung für möglich gehalten hätte. Da im Zeitpunkt der Forderungsübernahme das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen war und noch kein Exekutionstitel vorlag, war die Einbringlichkeit somit möglicherweise ungewiss, die Forderung aber nicht objektiv wertlos.
Dazu kommt, dass sich das Klagebegehren der Bw. gegen die Herren S. D. und P.D. richtete und diese mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen zur ungeteilten Hand verurteilt wurden, den eingeklagten Betrag zu bezahlen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 12.5.1986, Zl. 85/15/0338) liegt Uneinbringlichkeit dann nicht vor, solange die Möglichkeit besteht, das Entgelt von einem Mitschuldner zu erhalten. Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass im Zeitpunkt der Forderungsabtretung 1999 die Schuld von keinem der beiden Herren D. einbringlich gewesen sein dürfte, um eine Berichtigung nach § 16 UStG durchzuführen. Dafür bietet der Sachverhalt allerdings keinen Anhaltspunkt.
Die Bw. verweist weiters darauf, dass Uneinbringlichkeit mit Uneintreibbarkeit gleichzusetzen sei. Für den konkreten Fall bedeute dies, dass die Forderung nicht durchsetzbar gewesen sei. Als Gründe führt die Bw an: lange Dauer des bereits damals laufenden Einbringungsverfahrens und Verfahrens vor dem Gericht, Schuldner nicht auffindbar, im Ausland ansässig, keine Möglichkeit der Exekution vom Vermögen im Ausland. Den Ausführungen des Dr. M. in der bereits zitierten Vorhaltsbeantwortung zufolge gestalteten diese Tatsachen jedoch die Exekution gegen S. D., der in Österreich keinen Wohnsitz hatte, im Anschluss an das Urteil des OLG Wien vom 16.4.2002 sehr schwierig und bieten somit keinen Nachweis dafür, dass die Forderung bereits im Jahr 1999 uneintreibbar gewesen wäre. P.D. verfügte im Übrigen nach den Angaben des Dr. M. sehr wohl über einen Wohnsitz in Österreich.
Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berichtigung der Umsatzsteuer im Jahr 1999 nicht vorliegen, war die Berufung abzuweisen.
Wien, 29. Juli 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages, uneinbringliche Forderung, Factoring |