Auswärtige Berufsausbildung - Verordnungsgemeinde - Fahrtzeit unter 1 Stunde
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Im Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2001 beantragte der Berufungswerber (Bw) Aufwendungen für die Berufausbildung seines Sohnes RH außerhalb des Wohnortes D. Der Sohn besucht das TGM in W/W.
Im Zuge der Veranlagung wurde der Pauschbetrag nicht gewährt und in der Bescheidbegründung auf die diesbezügliche (telefonische) Besprechung verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw fristgerecht Berufung und beantragte abermals die Berücksichtigung der auswärtigen Berufsausbildung des Kindes.
Mit Bericht vom 15. Juli 2002 legte das Finanzamt die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland zur Entscheidung vor. Bis 31. Dezember 2002 erfolgte keine Erledigung der Berufung durch die Finanzlandesdirektion.
Gemäß § 323 Abs. 10 iVm § 260 BAO ist zur Entscheidung über die Berufung nunmehr der unabhängige Finanzsenat zuständig.
Über die Berufung wurde erwogen:
Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S [110,00 €] pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
I. Rechtslage für den Zeitraum Jänner bis September 2001:
Zu § 34 Abs. 8 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, erging eine Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 (im Folgenden Verordnung genannt).
Gemäß § 1 dieser Verordnung liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 Kilometer entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.
§ 2 der Verordnung hat folgenden Wortlaut:
(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 Kilometer zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrtzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde bei Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Wegzeiten von der Wohnung zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrmittels oder von der Ausstiegstelle zur Ausbildungsstätte bleiben jeweils für Wegstrecken bis 1500 m außer Ansatz.
(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist.
Da die Gemeinde D in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 BGBl Nr. 605/1993 idgF als Gemeinde genannt ist, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar ist, kommt § 2 Abs. 2 der Verordnung, BGBl. Nr. 624/1995, zum Tragen. Die in Wien gelegene Ausbildungsstätte gilt daher zwingend als innerhalb des Einzugsbereichs von D gelegen. § 2 Abs. 2 der Verordnung stellt rechtstechnisch eine unwiderlegliche Vermutung auf.
Gemäß § 4 der Verordnung ist diese für Zeiträume ab dem 1. September 1995 anzuwenden.
Im Geltungsbereich der Verordnung kommt daher die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 für die Monate Jänner bis September 2001 nicht in Betracht.
II. Rechtslage für den Zeitraum ab Oktober 2001:
Die zu § 34 Abs. 8 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, wurde mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. II Nr. 449/2001, wie folgt geändert:
§ 2 lautet:
(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.
(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.
Da die Gemeinde D in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 als Gemeinde genannt ist, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar ist, kommt § 2 Abs. 2 der Verordnung, BGBl. II Nr. 449/2001, zum Tragen, wonach an sich Wien als im Einzugsbereich von D gelegen gilt.
Der im zweiten Satz dieser Norm zitierte Nachweis würde im Falle seines Gelingens aber die im ersten aufgestellte Vermutung widerlegen und bewirken, dass der Studienort Wien nicht im Einzugsbereich des Wohnortes D gelegen wäre.
Die Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 verweist für die Fahrtzeitermittlung auf die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetzes 1992. Die Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 stellt wie das Studienförderungsgesetz 1992 auf den Wohnort bzw. den Ausbildungsort und nicht die Wohnung bzw. die Ausbildungsstätte ab. Auch die Verordnungen zum Studienförderungsgesetz 1992 gehen von standardisierten Werten aus. Es ist somit nicht die tatsächliche Gesamtfahrtzeit maßgebend, sondern die tatsächliche Fahrtzeit zwischen diesen beiden Gemeinden (Fahrtzeit Wohnort - Studienort). Hierbei ist die Fahrtzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel angetreten bzw. beendet wird. Auch die Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung, die den Verordnungen zum Studienförderungsgesetz 1992 zu Grunde liegt, rechnet mit dem jeweiligen Stadtzentrum bzw. zentralen Bahnhöfen und Haltestellen, wobei ausgenommen von Linz und Wien der jeweilige (Haupt)Bahnhof herangezogen wurde. Für Wien werden für die Bahn folgende Aus- bzw. Einstiegstellen herangezogen: Wien Westbahnhof, Wien Franz Josefs-Bahnhof, Wien Nord, Wien Südbahnhof und Wien Mitte.
Weiters wäre für die Berechnung der Fahrtzeit das "günstigste öffentlichen Verkehrsmittel" herzuziehen.
Nach Ansicht des VfGH kann der in § 26 Studienförderungsgesetz 1992 verwendete Begriff des "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels" nicht anders als dahin verstanden werden, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt (VfGH 11.12.1986, B 437/86).
Eine derartige Prüfung ist dann vorzunehmen, wenn der Ausbildungsort von keiner Verordnung umfasst ist oder bei einer "Verordnungsgemeinde" der Nachweis einer längeren Fahrzeit geführt wird.
Der Bw selbst hat keinen derartigen Nachweis im Rahmen der Berufung erbracht. Im Zuge der Bearbeitung der Berufung hat die Behörde selbst Erhebungen hinsichtlich der Fahrtzeit angestellt und dabei folgende Fahrplanauskünfte der ÖBB erhalten:
Fahrtzeit von D nach Wien Nord für Dienstag den 2. Oktober 2001:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 6:24 | 7:06 | 7:29 |
Ankunft | 7:22 | 8:07 | 8:23 |
Fahrtdauer in Minuten | 58 | 61 | 54 |
Fahrtzeit Wien Nord nach D für Dienstag den 2. Oktober 2001:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 15:07 | 15:37 | 16:07 |
Ankunft | 15:55 | 16:36 | 17:07 |
Fahrtdauer in Minuten | 48 | 59 | 60 |
Aufgrund dieser Erhebungen die bestätigen, dass in jeder Richtung ein Verkehrsmittel besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt, hätte ein Versuch des Bw einen Nachweis über eine Fahrtzeit von mehr als einer Stunde zu erbringen keine Erfolgsaussichten.
Erläuternd wird erwähnt, dass der Umstand, dass im Ausbildungsort mit innerstädtischen Verkehrsmitteln weitere Strecken zurückgelegt werden müssen, für die Beurteilung der Fahrtzeit zwischen Wohn- und Studienort nach der geänderten Verordnung irrelevant ist (siehe Lohnsteuerprotokoll 2002, P 1.18.3).
Aufgrund der Tatsache dass D in der Verordnung genannt ist und der Überprüfung der Behörde das die Fahrtzeit unter einer Stunde beträgt kommt die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die Monate Oktober bis Dezember 2001 ebenfalls nicht in Betracht.
Wien, 11. Juli 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | auswärtige Berufsausbildung, Fahrtzeit, Fahrtdauer, Verordnungsgemeinde |