Auswärtige Berufsausbildung - keine Verordnungsgemeinde
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw) beantragte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2001 unter anderem den Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter IM. Der Hauptwohnsitz von IM ist in D. IM hat im Jahre 2001 an der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien studiert.
Im Zuge der Veranlagung wurde der Pauschbetrag nicht gewährt und in der Bescheidbegründung dazu ausgeführt, dass Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes nicht als außergewöhnliche Belastung gelten, wenn auch im Einzugsgebiet des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Eine solche Möglichkeit sei gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw fristgerecht Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, dass sich an den Voraussetzungen für die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung seit dem Jahre 2000 nichts geändert habe. Sowohl die Wohnadresse als auch die Adresse der Ausbildungsstätte und die Fahrtzeit sind gleich geblieben und es gebe auch keine bzw. auch keine "neue" PÄDAK im Einzugsgebiet. Der Bw beantragte nochmals die Anerkennung der Kosten für die auswärtige Berufsausbildung für seine Tochter IM.
Mit Vorlagebericht vom 5. Dezember 2002 legte das Finanzamt die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland zur Entscheidung vor. In diesem Bericht führte das Finanzamt wie folgt aus:
"Strittig ist die Anerkennung der auswärtigen Berufsausbildung der Tochter IM in Wien als außergewöhnliche Belastung.
In der Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 ist Drössing unter jenen Gemeinden angeführt, von denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum Studienort Wien noch zumutbar ist. D liegt an der gleichen Bahnlinie, jedoch drei Orte näher zu Wien. D ist in der Verordnung nicht angeführt.
Die Fahrtzeit mit der Nordbahn beträgt von D nach Wien - Floridsdorf 37 bis 43 Minuten und von D nach Wien Nord 48 bis 52 Minuten."
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über offene Berufungen ging mit 1. Jänner 2003 auf den unabhängige Finanzsenat über (§ 323 Abs. 10 iVm § 260 BAO).
Die Entfernung zwischen dem Wohnort D und dem Studienort Wien beträgt rund 52 Straßenkilometer bzw. 51 Bahn-Tarifkilometer.
Über die Berufung wurde erwogen:
Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S [110,00 €] pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
I. Rechtslage für den Zeitraum Jänner bis September 2001:
Zu § 34 Abs. 8 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, erging eine Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr.624/1995 (im Folgenden Verordnung genannt).
Gemäß § 1 dieser Verordnung liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 Kilometer entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.
§ 2 der Verordnung hat folgenden Wortlaut:
(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 Kilometer zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrtzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde bei Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Wegzeiten von der Wohnung zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrmittels oder von der Ausstiegstelle zur Ausbildungsstätte bleiben jeweils für Wegstrecken bis 1500 m außer Ansatz.
(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist.
Da die Gemeinde D in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 als Gemeinde, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar ist, nicht genannt ist, kommt § 2 Abs. 1 der Verordnung zum Tragen, da die Entfernung zwischen D und Wien unter 80 Kilometer beträgt. Gemäß § 2 Abs. 1 Verordnung gilt der Wohnort dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stundebei Benützung des "günstigsten" öffentlichen Verkehrsmittels beträgt.
Nach Ansicht des VfGH kann der in § 26 StudienförderungsG 1992 verwendete Begriff des "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels" nicht anders als dahin verstanden werden, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt (VfGH 11. 12. 1986, B 437/86).
Im Zuge der Bearbeitung der Berufung hat die Behörde selbst Erhebungen hinsichtlich der Fahrtzeit angestellt und dabei folgende Fahrplanauskünfte der ÖBB erhalten:
Fahrtzeit vom Wohnort D bis zur Ausstiegstelle am Ausbildungsort Wien:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 5:59 | 6:34 | 7:17 |
Ankunft | 7:22 | 7:42 | 8:23 |
Fahrtdauer | 1 Std 23 min | 1 Std 8 min | 1 Std 6 min |
Fahrtzeit der Einstiegstelle am Ausbildungsort Wien nach D:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 14:52 | 15:15 | 15:25 |
Ankunft | 15:49 | 16:27 | 16:57 |
Fahrtdauer | 1 Std 24 min | 1 Std 12 min | 1 Std 32 min |
Dieser Erhebungen bestätigen, dass die Fahrtdauer in jeder Richtung mehr als eine Stunde beträgt.
Gemäß § 4 der Verordnung ist diese für Zeiträume ab dem 1. September 1995 anzuwenden.
Im Geltungsbereich der Verordnung ist daher für die Monate Jänner bis September 2001 der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 zu gewähren.
II. Rechtslage für den Zeitraum ab Oktober 2001:
Die zu § 34 Abs. 8 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, wurde mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. II Nr. 449/2001, wie folgt geändert:
§ 2 lautet:
(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.
(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.
Der in dieser geänderten Verordnung (Anwendung ab 1. Jänner 2002) normierte Gegenbeweis einer längeren Fahrtdauer ist bereits ab 1. Oktober 2001 (Beginn des Studienjahres 2001/2002) zulässig, da der Verweis auf die Verordnung zum Studienförderungsgesetz 1992 schon in der Stammfassung der Verordnung enthalten war.
Die Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 verweist für die Fahrtzeitermittlung auf die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetzes 1992. Die Verordnung BGBl. II Nr. 449/2001 stellt wie das Studienförderungsgesetz 1992 auf den Wohnort bzw. den Ausbildungsort und nicht die Wohnung bzw. die Ausbildungsstätte ab. Auch die Verordnungen zum Studienförderungsgesetz 1992 gehen von standardisierten Werten aus. Es ist somit nicht die tatsächliche Gesamtfahrtzeit maßgebend, sondern die tatsächliche Fahrtzeit zwischen diesen beiden Gemeinden (Fahrtzeit Wohnort - Studienort). Hierbei ist die Fahrtzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel angetreten bzw. beendet wird. Auch die Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung, die den Verordnungen zum Studienförderungsgesetz 1992 zu Grunde liegt, rechnet mit dem jeweiligen Stadtzentrum bzw. zentralen Bahnhöfen und Haltestellen, wobei ausgenommen von Linz und Wien der jeweilige (Haupt)Bahnhof herangezogen wurde. Für Wien werden für die Bahn folgende Aus- bzw. Einstiegstellen herangezogen: Wien Westbahnhof, Wien Franz Josefs-Bahnhof, Wien Nord, Wien Südbahnhof und Wien Mitte.
Weiters wäre für die Berechnung der Fahrtzeit das "günstigste öffentlichen Verkehrsmittel" herzuziehen.
Nach Ansicht des VfGH kann der in § 26 Studienförderungsgesetz 1992 verwendete Begriff des "günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels" nicht anders als dahin verstanden werden, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt (VfGH 11.12.1986, B 437/86).
Eine derartige Prüfung ist dann vorzunehmen, wenn der Ausbildungsort von keiner Verordnung umfasst ist oder bei einer "Verordnungsgemeinde" der Nachweis einer längeren Fahrzeit geführt wird.
Da die Gemeinde D in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 als Gemeinde, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar ist, nicht genannt ist, kommt § 2 Abs. 1 der Verordnung zum Tragen, da die Entfernung zwischen D und Wien unter 80 Kilometer beträgt.
Im Zuge der Bearbeitung der Berufung hat die Behörde selbst Erhebungen hinsichtlich der Fahrtzeit angestellt und dabei folgende Fahrplanauskünfte der ÖBB erhalten:
Fahrtzeit von D nach Wien Nord:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 6:34 | 7:17 | 7:39 |
Ankunft | 7:22 | 8:07 | 8:23 |
Fahrtdauer in Minuten | 48 | 50 | 51 |
Fahrtzeit Wien Nord nach D:
Fahrt 1 | Fahrt 2 | Fahrt 3 | |
Abfahrt | 14:37 | 15:07 | 15:37 |
Ankunft | 15:26 | 15:49 | 16:26 |
Fahrtdauer in Minuten | 49 | 42 | 49 |
Dieser Erhebungen bestätigen, dass in jeder Richtung ein Verkehrsmittel besteht, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt.
Infolgedessen kommt die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die Monate Oktober bis Dezember 2001 nicht in Betracht.
Im Gesamtergebnis war der Berufung teilweise stattzugeben.
Besteuerung von Unfallrenten
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 7.12.2002, G 85/02 die Besteuerung der Unfallrenten für die Jahre 2001 und 2002 auf Grund einer fehlenden Übergangsbestimmung aufgehoben. Aufgrund dieses Erkenntnisses wird die Einkommensteuer, ohne die Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, neu berechnet.
Beilage: | 1 Berechnungsblatt für das Jahr 2001 in ATS |
1 Berechnungsblatt für das Jahr 2001 in € |
Wien, 11. Juli 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | auswärtige Berufsausbildung, Fahrtzeit, Fahrtdauer |